Disclaimer:
Dieser Post spiegelt die persönliche Meinung des Verfassers wider und steht in keinem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Moderator.
Ich hab’ mir diesen Film jetzt komplett gegeben und … bin enttäuscht.
Als ich im Blogbeitrag las, das er 75min - also mithin fast Spielfilmlänge - hat, freute ich mich auf ein Werk, das die kompletten Bestrebungen von Call-In.tv in einem Gesamtwerk zusammenfasst,… quasi das Ergebnis mehrerer Jahre akribischer Recherche und Kampf gegen das manipulative Fernsehspiel.
Ich fühlte mich hinterher enttäuscht.
Im Einzelnen:
Der Autor des Film bezieht sich im wesentlichen - innerhalb von 75min. - auf drei grosse Eckpfeiler der Kritik gegen Call-In-TV-Shows:
zum einen die “ominösen Stimmen aus dem Nebenraum”, also die Stimmengleicheit von Anrufern mit unterschiedlichen Namen, …
… zum Anderen auf die “Mysteriöse Wanderung der Umschläge”, also das Ablegen von Lösungsumschlägen in der Deko, deren Verschwinden (bzw. Nichtmehrvorhandensein) in einigen Einstellungen und dem späteren Wiederauftauchen und - zum Dritten - …
… auf hahnebüchende Lösungen einfacher Fragen. Der “Stirnlappenbasilisk” lässt grüßen.
Diese Schilderungen untermauert der Autor mit einer Unzahl von Beispielen. Und hierin besteht der erste meiner Kritikpunkte: Es ist definitiv zuviel.
Bei der Darstellung der “Stimmen aus dem Nebenraum” werden eine Vielzahl von Mitschnitten einiger Sendeteile zitiert und im Nachgang zusammengefasst. In der direkten Gegenüberstellung der Stimmen wird sehr eindeutig Illustriert, wie “gleiche Stimmen” unterschiedliche Namen haben. Auf die Länge einer einzelnen Folge verteilt würde es nur aufmerksamen Zuschauern auffallen, im direkten Vergleich ist es so auffällig wie ein Ochsenfrosch auf einer Hochzeitstorte.
Aber als sich der Autor den beiden anderen Themen widmet, verliert der Film eindeutig die Klasse, die er mit dem ersten Teil aufgebaut hat. Es reiht sich Beispiel an Beispiel, zwar aus den unterschiedlichen Formaten (schweizerische, deutsche und österreichische Quizshows) aber doch ständig das Gleiche. Die Umschläge werden zwischen die Geldpakete rot und blau abgelegt, kurz darauf sind sie noch da … dann sind sie weg, … und dann sind sie wieder da.
Gesehen?
Nein?
Dann gleich nochmal: Die Umschläge werden zwischen die Geldpakete gelb und blau abgelegt, kurz darauf sind sie noch da … dann sind sie weg, … und dann sind sie wieder da.
Gesehen?
Nein?
Dann gleich nochmal: …
Ich weiß nicht wie’s Euch ging, ich hatte es schon beim ersten Mal begriffen, das zweite Mal zur Untermauerung ist ok aber danach … leicht ermüdend.
Auch in der Schilderung der Gewinnspiele (“Wörter mit 4 Buchstaben, Anfangsbuchstabe “B” und kein Folgebuchstabe in den Kolonnen”, bzw. “Wo ist das menschliche Gesicht?”) bei der sehr deutlich gezeigt wurde, das die Anrufer ihren Grundschulabschluss auf dem 2. Bildungsweg gemacht hatten und sich die Spiele in den unterschiedlichen Quizsendungen absolut gleichten (auch in den Bildern) wurde mit einer - für mich - übermässigen Anzahl von Beispielen illustriert, was die Kernaussage ist, bzw. die einzelnen Beispiele waren - für den eigentlichen Zweck - zu lang. Die Benutzung des “Forward-Buttons” bot sich an und als ich - nach einer ziemlichen Vorlaufzeit - das gleiche Tigerbaby noch immer auf dem Bildschirm sah, wurde ich leicht ärgerlich.
Wach wurde ich erst wieder zum Ende des Films, als der Autor eine Ansage der Moderatoren aus allen Quizsendungen einspielte, in der den Zuschauern die Option nahegelegt wurde, “Natürlich nicht ihren eigenen Namen - sondern einen anderen - nutzen zu können, falls sie anonym bleiben wollen.”
Der Autor kommentierte diese Ansage - sicherlich richtig - mit einem Schachzug der Produktionsfirma, die damit dem Argument der Stimmengleichheit den Raum nehmen wollte.
Tatsächlich hat der Autor aber damit übersehen, das dieser Schachzug rückwirkend seine Eingangsargumentation aushebelt. War man bis dahin noch der unerschütterlichen Meinung, das hier gefakte Anrufe von ein und denselben Personen unter Nutzung unterschiedlicher Namen erfolgt sind, musste man nun mit einrechnen, das dieses Procedere bereits von Anrufern VOR dieser Ansage praktiziert wurde, die einfach Angst hatten, von ihren Freunden verlacht zu werden.
[i]Und mal Hand auf’s Herz: Wer von uns hat an diese Möglichkeit gedacht?
Ich habe in keiner Diskussion gelesen, das einer auch nur ansatzweise mit in’s Feld führte, das es auch Leute geben könnte, die mehrfach - aber mit anderem Namen - anrufen, nur um nicht im Freundeskreis die Eselsmütze aufgesetzt zu bekommen. (“Telefonkosch’te”)[/i]
Selbst ich musste erkennen, das mir dieses Argument nicht in den Sinn kam und ich ungefiltert die Annahme übernahm, das Stimmengleichheit auch automatisch B…g bedeutet, ohne auch nur im geringsten an die menschliche Feigheit zu denken und musste mir selber eingestehen, das man sich nicht immer davon freisprechen kann, das man aus dem Fernsehen (Internet) übernimmt, was einem vorgesetzt wird.
Wichtiger aber ist, das der Autor damit dem “Gegner” ein ziemlich handfestes Argument in die Hand gab, eines seiner eigenen Hauptargumente “umzudrehen”.
Es ist hier auch nicht wirklich wichtig, ob es sich um die vermuteten Scheinanrufe durch eine geheuerte inoffizielle Mitarbeiterschaft handelt,… es lässt sich erklären, bzw. es bleiben jetzt die berühmten “begründeten Zweifel”.
Epilog:
Ich kam damals durch eine einfache Suchanfrage - initiiert durch einen guten Freund - auf fernsehkritik.tv, bei der eine Folge (ich glaube es war Folge 3 vom 6. Juli 2007) ausgeworfen wurde, die sich mit dem Phänomen von Call-in-Sendungen direkt auseinandersetzte.
Die Machart war dynamischer, spritziger und vor allem - bei großem Informationswert - unterhaltsamer. Der Film ist es nicht.
Ich bin kein Fan von diesen Sendungen, ich würde - wenn ich könnte - dem ganzen einen Riegel vorschieben, aber ich habe auch gelernt, das die bloße Darstellung der Fakten keinen mehr überzeugt. Es gibt drei Lager in der Fernsehlandschaft:
[ol][li]… diejenigen, die diese Sendungen nicht sehen, weil sie wissen, was sie davon zu halten haben und …[/li]
[/]
[li]… diejenigen, die alles für bare Münze nehmen, was ihnen das Fernsehen vorgibt, getreu nach dem Motto: "Das muß ja legal sein, sonst hätte der Staat das schon längst unterbunden … und …[/li][/]
[li]… es gibt das Lager der Unerkannten, die leugnen diese Sendungen zu sehen oder da anzurufen, aber auch nur, weil sie Angst haben das zuzugeben.[/*][/ol][/li]
Fazit:
Ich begrüße das Engagement derer, die sich den Kampf gegen diese “Gewinnspiele” auf die Fahnen geschrieben haben, aber der Film hätte besser sein können. Mehr Fakten, weniger Beispiele und eine tiefgründigere Beleuchtung medienrechtlicher Möglichkeiten.
Das der Gegner in der Diskussion nur auf das Urheberrecht ausweicht, bzw. DAS seine alleinige Diskussionsgrundlage - neben dem Persönlichkeitsrecht - ist, ist für mich ein Fortschritt, denn würde er sich auf “falsche Behauptung” und “Verleumdung” zurückziehen, müsste er Gegenbeweise liefern, die allerdings seine Geschäftspraktiken offen legen würden.
Immerhin …