Anmerkung zum Gastbeitrag

Liebe Fernsehkritiker!

Im Gastbeitrag über die Sendung von Bastian Sick wird angemerkt, daß dieser sich gegen Veränderungen der deutschen Sprache stellt.

Ist es nicht eher so, daß er sich gegen eine Verwahrlosung der deutschen Sprache stellt?

Sehe ich auch so, was der Autor dieses Gastbeitrages fordert ist einfach nur die Verdummung der Nation zu fördern!

Der Gastbeitrag war ziemlich kurz, so dass er seine Kritik nicht vollends entfalten konnte wie etwa im schon erwähnten Buch “Sick of Sick” von A. Meinunger (mein Exemplar ist zur Zeit entliehen, sonst könnte ich ein paar schöne Zitate anbringen) und die Kritik von Prof. A. Stefanowitsch auf http://www.iaas.uni-bremen.de/sprachblog/.:

Nun, die ganze Debatte “präskriptiv” vs. “deskriptiv” einmal beiseite gestellt, geht es doch auch um die Methode(n), derer sich Sick bedient:

“Anders als beispielsweise die prä- und postreformatorischen Kommaregeln sind die Regeln für den Apostroph ja denkbar einfach (im Zweifelsfall kann man den Apostroph einfach grundsätzlich weglassen — das wird zu sehr wenigen Fehlern führen). Die Tatsache, dass diese Regeln so einfach sind, dürfte übrigens ein Grund für die Sammelwut der Apostrophenjäger sein: der „Deppenapostroph“ ist auch ohne vertieftes interpunktorisches Wissen leicht zu erkennen. Interessanterweise gibt es ja keine Webseiten, die dem Sammeln von falsch gesetzten Kommas gewidmet sind.”

Dabei gibt es genug Komma-Fehler, die auch - oder gerade - von sich über “Deppenapostrophe” und ähnliches lustig machenden Sick-Jüngern gemacht werden, wie ein kurzer Blick in diverse Foren beweist.

Es geht also meiner Meinung nach primär nicht um die Verwahrlosung der deutschen Sprache bzw. den damit verbundenen Untergang des Abendlandes, sondern darum, sich anderen Leuten überlegen zu fühlen, die die Rechtschreibregeln nicht sicher beherrschen - dabei bin ich ziemlich sicher, dass die Zahl derer, die nicht völlig korrekt schreiben können, nicht zugenommen hat, sondern einfach die Präsenz selbstgeschriebener Dinge in der Öffentlichkeit. Heute schreibt man seine Anzeige selbst, früher hat man sie am Schalter der Zeitung diktiert.

Und hier muss man sich auch mal die Frage stellen, ob, wenn Sick also gegen die Verwahrlosung der dt. Sprache angeht, er dann die richtige Zielgruppe erreicht, also die Leute, die Fehler machen, indem er sich über eben diese lustig macht.

Ich denke nicht - vielmehr erreicht er jene, die es ohnehin schon (größtenteils) richtig machen, und sich dann anderen überlegen fühlen.
Wenn so etwas schon nötig ist, dann bitte nicht bei den Öffentlich-Rechtlichen.

Eine Frage: Wo verwahrlost denn bitte die deutsche Sprache?

Eine Frage: Wo verwahrlost denn bitte die deutsche Sprache?

Schon mal in den letzten Jahren das Fernsehen eingeschaltet? Sonst würdest du so eine Frage nicht stellen. Popstars und Topmodels sind sicher der sprachliche Tiefpunkt, aber auch im öffR Fernsehen gibt es immer mehr Sprachpanscher. Beispiel: In vielen Sprachen gibt es die Unterscheidung zwischen Adjektiv und Adverb. Im Englischen gemeinhin durch …ly ausgedrückt, im Französischen durch …ment. Im Deutschen wird das Adjektiv durch die Stellung und durch Beugung gekennzeichet, das Adverb wird nicht gebeugt. Bsp: Ich springe viele Meter hoch (Adv.) - ich springe über hohe Büsche (Adj.). Was gibt es immer mehr im deutschen Fernsehalltag: Dummheit pur (falsch) - pure Dummheit (richtig). Früher lachte man noch über Trappatonis (ohne Apostroph) „Flasche leer“, heute sprechen viele Leute so falsch, interessanterweise sehr oft mit Worten wie pur, total etc. - Auf solche Sachverhalte macht Sick aufmerksam. Anderes Beispiel: RTL nennt seinen Sonntagabendfilm „Eventkino“. Event ist erstmal kein deutsches Wort. Ereigniskino?! Wohl eher Kinoereignis, von mir aus Kinoevent. Ist aber auch falsch, denn jeder Engländer würde sich über Event-Cinema im TV kaputt lachen. Auch Cinema-Event wäre unsinn, richtiger wäre Movie- oder Film-Event, auf Deutsch Film-Ereignis oder einfach Gassenhauer (= Blockbuster). Eventkino ist jedenfalls Sprachverwahrlosung und kaum einer merkt es.

Wo ist denn das Problem? Es versteht ja jeder was gemeint ist.

Wo ist denn das Problem? Es versteht ja jeder was gemeint is

Gmäeß eneir Sutide eneir elgnihcesn Uvinisterät ist es nchit witihcg, in wlecehr Rneflogheie die Bstachuebn in eneim Wrot snid, das ezniige, was wcthiig ist, ist dsas der estre und der leztte Bstabchue an der ritihcegn Pstoiion sehten. Der Rset knan ttoaelr Bsinöldn sien, todzterm knan man ihn ohne Pemoblre lseen. Das legit daarn, dsas wir nihct jeedn Bstachuebn enzelin leesn, snderon das Wrot als Gnaezs.
Wenn das dein ganzer Anspruch ist?! :smt017

Ich offeriere einmal meine Dummheit in aller Öffentlichkeit und frage: Was ist an “Dummheit pur” eigentlich falsch?

Ausserdem merke ich mal an dass Sprache nicht vom Himmel fiel, sondern erfunden wurde. Mitsamt aller Klassen, Partikeln und was auch immer, und somit zwangsläufig dem Sprachgebraucht des Menschen entspringt. Ob wohl ein Mensch ein Wort nicht verstehen mag, weil es in der entsprechenden Klasse nicht richtig gebeugt wird? Mag sein, aber man gewöhnt sich daran, und unter soetwas fällt nuneinmal der genannte Sprachwandel.

Ich bin kein Sprachwissenschaftler und kann darum bestimmt nicht mit dem Finger auf die Dinge zeigen, auf die es in der deutschen Sprache ankommt, aber vom Sinngehalt her erklärt sich ein Spruch wie “Dummheit pur” doch eigentlich so, dass mit einem Nachkommendem Adjektiv das vorangegangene Substantiv beschrieben wird. Das mag durch englischsprachige Werbeslogans und Produktnamen in das Land geschleppt worden sein wie “Mentos-Light” und ähnlichen Killefitz, aber das Verständnis der Menschen über einen derartigen Wortbau ist es doch, welche eine Sprache erst befähigt, in Zukunft auch solche Formen annehmen zu können. Und wenn es soweit ist, ist es eigentlich nur noch eine Frage für welches Lager man sich entscheidet: An den alten Regeln festzuhalten, oder sich dem Neuen zu öffnen. Als Hobby-Psychologe wage ich einfach mal die Behauptung, dass der Standpunkt von entscheidender Bedeutung ist, welche Sprachentwicklungen einem besonders obskur und auch falsch vorkommen, und welche eine gerechtfertigte Entwicklung in der deutschen Sprache auslösen, an die sich die bisherigen Regeln anzupassen haben, und nicht umgekehrt. Aus diesem Grunde erachte ich auch eine Anfeindung aufgrund eines anderen Verständnisses für Sprache bei zwei verschiedenen Parteien als ziemlich kindisch und erwachsenen Menschen nicht würdig.

MfG
Mediin

PS @ Maik_aus_Mainz:

  1. Setzt sich nicht jeder für eine Verwahrlosung der Sprache ein, der lediglich andere Formen dafür benutzt, und auch die Vergewaltigung von Text kann dabei ein anderes Thema sein, da es andere ästhetische Sinne anspricht und
  2. wurde diese Studie schon seit längerem widerlegt.

Es gibt nun mal gewisse Regeln. Es heißt “pure stupidity” auf englisch und “pure Dummheit” auf deutsch. Warum sollte es plötzlich “stupidity purely” oder “Dummheit pur” heißen? Warum ist 2+2=4 und nicht 5?

Weil man dies beschlossen hat. Käme die 5 vor der 4, dann wären 2+2=5. Das zerstört ja nicht die dahinterstehende Regel des Zusammenzählens, die sich in letzter Instanz immer auf die Realität bezieht. Ob man dabei die Summe aller Ecken eines Rechtecks als 3 oder 5 bezeichnet ist irrelevant, solange der Bezug zur realistischen Anzahl existiert, und mittransportiert wird.

Auch die Mathematik ist nicht allmächtig, und muss, um der Realität gerecht zu werden, manchmal auch erweitert werden. Darum gibt es beispielsweise auch Fibonacci-Zahlen, die so überhaupt nichts mit dem traditionellem 1+1 Rechnen gemeinsam haben.

MfG
Mediin

Es ist doch alles irgendwie eine Entwicklung der Sprache. Die ändert sich im Laufe der Zeit nunmal. Ich finde nicht dass das eine Verwahrlosung ist. Und das muss ich mir von jemanden der das Wort “richtiger” benutzt nicht anhören müssen.

Es ist aber nicht alles eine normale Entwicklung. Die Rechtschreibreform ist künstlicher Natur und wurde seinerzeit krampfhaft installiert. Ebenso ist die zunehemende Veramerikanisierung der deutschen Sprache nichts natürliches.

Mit der Sprache ist genauso, wie mit der Ernährung:

Amerkinaische (also englische) Begriffe verwahrlosen den Geist der Menschen und amerikanischer McDonald’s-Fraß verwahrlost die Gesundheit der Menschen.

Ich sehe ja ein, dass gewisse umgangssprachliche Formulierungen sich nach und nach durchsetzen.

Wo ich aber nach wie vor das Kotzen kriege, ist bei „besser wie Du“, auch wenn das viele als Dialekt sehen. An die Vernichtung des Genitivs bei Kausalbegründungen habe ich mich schon fast gewöhnt, auch wenn „kapituliert“ es da eher treffen würde. Satzzeichenschwund oder -Multiplikation finde ich auch furchtbar. Ganze Buchstabenblöcke ohne Interpunktion und Großbuchstaben wirken mitunter wie Suchspiele aus Rätselheftchen.

Durch das alltägliche Schreiben im Internet hat man eben weniger mit den Regeln zu tun. Groß- und Kleinschreibung wird oftmals gar nicht erst versucht. Problematisch wird es dann aber bei Verbsubstantivierungen oder anderen Wörtern, die als Verb, Adjektiv und/oder Substantiv vorkommen. „Geschieht ihm recht/Recht“? … Richtig knifflig wird es aber erst dann, wenn man mal einen richtigen Brief formulieren will und die tolle Rechtschreibhilfe auch bei diesen Dingen keine Unterscheidung treffen kann. Da merkt man bei jedem zehnten Wort „Ach, wie schreib ich das denn?“. Was ich da schon an offiziellen Briefen von Siemens/Bosch/Porsche/DLR usw. lesen durfte, treibt einem den Entsetzensschweiß auf die Stirn. Dieses kindische Gehabe um alte/neue Rechtschreibung setzt dem Ganzen in schriftlicher Form die Krone auf. Zumindest sind wir nicht von diesem blöden Buchstabenkürzeltrend betroffen, wie das in den englischen Ländern der Fall ist. „I love u.“ … grusel

Ich finde das Problem in den Mundarten also weit weniger drastisch als auf Papier/im Internet. Vielleicht habe ich aber auch Glück mit meinem Umfeld, dass es die Sätze verbal nicht so krass verunstaltet, wie das woanders der Fall sein mag…

EDIT: Stendel kam mir mit der RS-Reform dazwischen. :wink:

Interessanterweise war/bin ich für die Rechtschreibreform. Diese ist nämlich im Unterschied zum Popstar-Deutsch von Leuten gemacht worden, die sich mit Sprache auskennen. Bsp.: Der Grund, warum man viele Jahre Delphin noch mit ph, Elephant dagegen schon mit f geschrieben hat (wie Telefon, Mikrofon usw.) war schlicht, dass man das Wort bei der letzten Rechtschreibreform auf einer Wortliste vergessen hat. Wenn so was nach 100 Jahren glatt gezogen wird, finde ich das sehr gut. Leider haben die populistischen Gegner der Reform es in den 90-ern geschafft, einige faule Kompromisse “rauszuhandeln”, weshalb von der ursprünglichen Reform nur noch ein Reförmchen übrig geblieben ist, welches leider einige Inkonsequenzen beinhaltet. Ich lasse mir jedenfalls lieber von studierten Germanisten “vorschreiben” wie die deutsche Sprache aussieht, als von Nina Hagen oder der Werbebranche. Da gibt es erstaunlicherweise selten genug auch Lichtblicke. Z.B. benutzt Douglas nicht mehr den “komm rein und finde raus” Spruch und dieser komische Kinderpudding heißt nicht mehr “Paula-Idiotenapostroph-s” sondern “Paula”. Manche sind lernfähig, leider viel zu wenige.

Es hat mich mal ziemlich genervt, als aus zumindest und mindestens “zumindestens” wurde :mrgreen: :mrgreen:

Es gibt immer Phasen in denen andere Sprachen eingedeutscht werden. Früher war es üblich Französische Wörter zu benutzen, damals auch ohne dass es sie vorher in der deutschen Sprache gegeben hätte.
Wer regt sich heute über Wörter wie: portmonee, Bonbon, Gourmet, Café, Cousine, Rendez-vous, Resataurant, Toilette, Dessert auf.
Auch da sieht man, dass Sprache eben kein festes unbewegliches System ist. Sie entwickelt sich eben immer weiter.

Ich habe in einem anderen Beitrag schon geschrieben, dass ja letzendlich auch unsere heutige (grammatikalisch 100% richtige) Sprache nur ein gegenwärtiges Phänomen ist. Vor 20 Jahren benutzten die Menschen ganz andere Begriffe und auch einen ganz anderen Satzbau. Vor 100 Jahren war es wiederum anders. Die Menschen hätten sich damals kaputtgelacht wenn sie jemanden von heute hätten reden hören. Und wie die deutsche Sprache in 30 Jahren sein wird weiß heute keiner. Aber eins ist sicher: sie wird anders sein. Man darf Sprache auch nicht überbewerten. Letztlich dient es der Informationsvermittlung. Es hat sich im Laufe der Jahre eingestellt, dass neben der rein sachlichen Informationsvermittlung über die Sprache auch eine Übermittlung der jeweiligen Gesellschaftsschicht transportiert wird. Aber auch dies ist nur eine Information. Wenn sich jemand darüber aufregt, liegt es meist daran dass derjenige, der das “falsche Deutsch” spricht, genauso wenn nicht gar erfolgreicher ist. Spricht ein Hauptschüler so, regen sich die wenigsten darüber auf.

Das Problem ist, dass jeder die Grenze zwischen dynamischer Veränderung der Sprache und deren Verwahrlosung anders zieht.
Für mich ist zum Beispiel “das macht Sinn” statt “das ergibt Sinn” vollkommen in Ordnung, schließlich “macht 2 mal 2 auch 4”.
Bei Wörtern wie “Atlase”, was Bastian Sick übrigens als okay ansieht, rollen sich mir die Zehennägel auf.

Ist es nicht eher so, daß er sich gegen eine Verwahrlosung der deutschen Sprache stellt?

So ähnlich. Er stellt sich gegen Veränderungen, die ihm nicht gefallen (das ist das einzige feststellbare Kriterium seiner „Kritik“) und bezeichnet diese willkürlich als Verwahrlosung.

Das wiederum ist billiger Populismus. Es sei denn, irgendwer möchte ernsthaft anfangen, Italienisch als verwahrlostes Latein zu bezeichnen (oder ähnliches). Denn die Prozesse beim Sprachwandel sind im Grunde die selben (Casus-Verlust etc.).

Also, ich bin ein großer Anhänger der deutschen Sprache. Ich habe allerdings meine Meinung in gewissem Sinne im oben zitierten Beitrag größtenteils wieder gefunden. Als ich im Alter von etwa 14 Jahren war, waren die damals Erwachsenen empört über die Ausdrucks und Sprachweise meiner Generation. Heute bin ich 28 Jahre jung und erlebe die ersten Begriffe der heutigen Jugend, als Beispiel nehme ich mal das Wort „Porno“ wo ich selber nachfragen muss, um zu verstehen was der Redner damit meinte. „Porno“ ist zu übersetzen mit „Echt stark“, „Cool“ oder ähnlicher nach Begeisterung klingenden Worten.

Ich denke dass Kim in dem Beitrag einen wichtigen Punkt erwähnt hat, dass die Sprache mit der Zeit geht und auch immer gehen wird, ähnlich der deutschen Schrift - oder schreibt noch wer Altdeutsch*. DIe Eltern werden immer in der kritsichen Position bleiben über neu definierte Worte und Aussagen.

Um beim Thema zu bleiben, ich finde den Beitrag von der Thematik her sicherlich gut und eine Kritik Wert.

In diesem Sinne.
Dennis