zunehmende Kriminalitätsverherrlichung im TV?

Soeben lief in der ARD das Fernsehspiel “Zwölf Winter”, das (nach einem offenbar authentischen Fall) zwei Verbrecher bei ihren Raubzügen begleitet.

Irgendwie fühlte ich mich dabei an einen Film über das Geiseldrama von Gladbeck erinnert, bei welchem ja zum Schluss eine junge Frau zu Tode kam. Leider kann ich - trotz Nachforschung bei Wikipedia - den Titel nicht eindeutig benennen. Es könnte sich dabei um Terror 2000 von Christoph Schlingensief handeln oder um den Zweiteiler Ein großes Ding von Bernd Schadewald. Ich tippe eher auf letzteres. Genau in Erinnerung geblieben ist mir hingegen die Schlussszene des Films: Die Täter befinden sich mit beiden Geiseln im Fluchtfahrzeug auf der Autobahn. Sie sind froh und ausgelassen und fahren in Schlangenlinien. Soweit ich mich erinnere, werden sogar die Geiseln entspannt lachend gezeigt. Im Hintergrund ist bereits die Phalanx der Einsatzfahrzeuge zu sehen, die ihnen auf der gesperrten Autobahn folgen. Bei der anschließenden Schießerei kommt eine der beiden Geiseln zu Tode. So war es ja auch im wirklichen Leben. Die andere Geisel hat im Film wie im Leben überlebt, war aber im Leben natürlich jahrelang nachhaltig traumatisiert, was der Film dann aber nicht mehr gezeigt hat. Im Gegenteil hat der Film die beiden Schwerverbrecher (die in Wahrheit vorher auch bereits eine andere Geisel kaltblütig erschossen hatten!) als lebenslustige Freaks hingestellt; den Tod des Mädchens hingegen als Verschulden der ebenso blöden wie bösen Polizei.

Das kam beim Anschauen von “Zwölf Winter” wieder hoch. Ich frage mich: Was veranlasst einen Regisseur, Kriminalität und Verbrechen dermaßen romantisch in Szene zu setzen. Ich könnte mich auch fragen: Was veranlasst einen Programmplaner - und damit spreche ich ALLE Sender an -, vermehrt sogenannte “Gangster-Epen” ins Programm zu nehmen?

Also wenn du das von diesem Standpunkt aus siehst, müsstest du ja auch den “Baader Meinhof Komplex” für einen absoluten Schrottfilm halten. Denn auch in diesem Film stellt man sich quasi auf die Seite der Verbrecher, geht in ihre Psyche, schwimmt auf einer Welle von Verständnis mit.

Es gibt zu jedem Verbrechen immer zwei Ansichten. Würde sich jeder Verbrecher selbst für verrückt halten oder denken, er täte das Falsche, würden die meisten wohl vor der Tat abbrechen. Aber viel zu oft siehts halt auch so aus, dass beide Seiten ihre Berechtigung haben und dass eben gerade nicht alles so schön schwarz weiß ist, wies die meisten Filme darstellen.

Also was veranlasst einen, solch einen Film zu machen oder ihn zu wertschätzen? Ein erweiterter Horizont, Empathie, differenziertes Denken, das auch mal Grautöne zulässt und ein gewisser Sinn für künstlerische Freiheit.

Also wenn du das von diesem Standpunkt aus siehst, müsstest du ja auch den „Baader Meinhof Komplex“ für einen absoluten Schrottfilm halten. Denn auch in diesem Film stellt man sich quasi auf die Seite der Verbrecher, geht in ihre Psyche, schwimmt auf einer Welle von Verständnis mit.

„Der Baader Meinhof Komplex“ ist der Neue, oder?
Den kenne ich noch nicht, kann daher noch nichts dazu sagen.

Ich erinnere mich aber an einen Film über Andreas Baader (gespielt von Frank Giering), in dem dieser am Ende im Kugelhagel als eine Art Held stirbt. Ich hoffe, „Der Baader Meinhof Komplex“ ist da ein wenig authentischer.

Also was veranlasst einen, solch einen Film zu machen oder ihn zu wertschätzen? Ein erweiterter Horizont, Empathie, differenziertes Denken, das auch mal Grautöne zulässt und ein gewisser Sinn für künstlerische Freiheit.

Du meinst Empathie im Sinne von „Hey, die sind ja cool, so möchte ich auch mal sein“?
Und das womöglich noch aus dem Munde von sozial benachteiligten Halbstarken, die dann irgendwie auch gar keinen Bock mehr haben, sich noch näher über die Fakten zu informieren?

Wenn du zum 1. Mal mit solchen Rezipienten konfrontiert wurdest, weil die im besseren Fall den Diebstahl deines Autoradios oder deines Fernsehers oder deines Computers für „cool“ halten (oder im schlimmeren Fall es für "cool halten, deinen Lebenspartner zu entführen und Lösegeld zu erpressen, das du nicht hast), dann reden wir weiter, okay?

Nicht missverstehen: Das wünsche ich dir nicht … und auch sonst (fast) niemandem!

Der Film von 2002 hieß übrigens „Baader“.

Gestern auf MTV wurde Amy Winehouse als " lebenslustige Trendsetterin " dargestellt.
Leider ohne Ironie, sondern Ernstgemeint.

Gut dies ist nun im Grunde keine Kriminalitätsverherlichung, aber es gehört auch zum Trend dazu.

Erst mal bei Wiki nachschlagen: Empathie =/= Sympathie!

Ich meinte damit eigentlich eher, dass man versucht, die Motive von Verbrechern näher zu ergründen als mit einem “der ist doch krank”. Sich dafür zu interessieren, wie andere Menschen zu solchem Verhalten kommen, ist nicht gerade ein Akt der Sympathie für die Tat selbst, sondern eher ein Verhalten, das man von einem intelligenten, aufgeklärten Menschen erwarten kann.

Insofern finde ich den Baader Meinhof Komplex sehr gut gemacht, weil er zeigt, dass die Mitglieder der RAF nicht einfach krank waren, sondern durchaus berechtigte Gründe für den Widerstand hatten, wenn sie auch den falschen Weg gegangen sind mit der Durchführung dieser Widerstandsbewegung.

Was Gewaltverherrlichung angeht, so finde ich die meisten der eben so angepriesenen “schwarz-weiß-szenario”-filme noch viel schlimmer, denn da ist es immer ok, Gewalt anzuwenden, oder wenn jemand in die Luft fliegt oder erschossen wird, wenn er ein “böser” ist.

Ich meinte damit eigentlich eher, dass man versucht, die Motive von Verbrechern näher zu ergründen als mit einem „der ist doch krank“.

Hm, ich bezweifle, dass insbesondere Jugendliche so differenziert denken, bzw. denken wollen.
Aber vielleicht tue ich der Jugend damit auch Unrecht.

Gut, dieser Gladbeck-Film ist schon ein paar Jährchen alt, von daher sind das gewissermaßen olle Kamellen.
Vielleicht hat der Regisseur schon damals genug Prügel für seine Interpretation bezogen.
Allerdings ist es m.E. ein Paradebeispiel dafür, wie ein Sachverhalt künstlich romantisiert wird, der real definitiv nichts mit Romantik zu tun hatte. Die Geiseln haben gewiss nicht lachend im Fond des Fluchtfahrzeuges gesessen, die hatten Todesangst.

Was mir halt auffällt, ist, dass uns alle Sender - von der ARD bis Pro7 - seit einiger Zeit verstärkt mit irgendwelchen Gangsterfilmen „beglücken“. Und ich frage mich: Was soll das?

Dann kannst du gleich alle Gangster Filme verteäufeln. Inklusive von den Pate Filmen, die zwar ein differenziertes Bild der Person Michael Corleone abliefern es dann aber doch so in Szene setzen das die Akteure nicht wirklich böse sind. Zumindest die auf Seiten der Familie Corleone.
Anderes Beispiel Sacarface, ein Kultfilm. Zwar bricht die Tonys Imperium zusammen, dennoch denkt man sich: Ich will áuch so viel Geld und Einfluss haben wie der,m zumindest am Anfang.

im übrigen sind wir bei diesem thema doch schon sehr nahe an übertriebener zensur.
darf man dem kriminalautor oder dem filmemacher von heute schon keine künstlerische freiheit mehr geben, wenn er auch nur irgendwie die moralischen verständnisse in frage stellt? ich meine, muss man jetzt jede art dieser darstellungn verbieten, weil der eigentlich als mündig bezeichnete bürger dieses landes nicht mehr fähig ist, zu unterscheiden, was richtig und was falsch ist??? dafür ist nicht das fernsehen zuständig, genauso wie andere medien dafür nicht zuständig sind. dafür sind eltern zuständig bis zu einem gewissen lebensjahr. und dafür gibt es auch altersbeschränkungen. Und man darf einem erwachsenen auch zutrauen, unterscheiden zu können, was recht und was unrecht ist.
Kunst MUSS die freiheit haben, sich auch mal auf die „romantische“ seite zu werfen und den verbrecher als schrulligen heimlichen helden darzustellen. Wo kämen wir denn hin, wenn das nicht mehr ginge? erinnert mich stark an vergangene zeiten und den umgang mit freier meinungsäußerung und kunst in weniger menschenfreundlichen systemen. und diese art von filmen ist eben eine art von kunst, keine sachliche darstellung.
ich finde, die mündigkeit der bürger dieses landes wird durch so viele maßnahmen ohnehin schon in frage gestellt und eingeschränkt. irgendwo muss man so einen film auch einfach mal stehen lassen als das was er ist und dem zuseher die möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, was gut für ihn ist und was nicht.

Ich habe diesen Film gesehen und er hat mir wirklich gut gefallen. Und von Kriminalitätsverherrlichung in Filmen und TV braucht man ja gar nicht erst anfangen…

Keine Zensur. Zensur wäre es, ein Verbot von Produktionen zu fordern, die bestimmte Positionen vertreten.
Das tue ich nicht. Andererseits muss sich der Macher eines Filmes wie „Baader“ oder damals von diesem Gladbeck-Zweiteiler auch kritisch fragen lassen, warum er zugunsten seiner (m.E. fragwürdigen) Botschaft die Tatsachen verdreht. In beiden genannten Fällen ist die Abweichung von der Realität ja evident; jeder, der möchte, kann sich nicht nur bei „Wikipedia“ über den tatsächlichen Ablauf der Ereignisse schlau machen. Wie nahe nun „Zwölf Winter“ der Wahrheit treu bleibt, kann ich nicht beurteilen. Allerdings habe ich auch noch nicht bei Wikipedia nachgelesen.

Das Thema „Mündigkeit des Fernsehzuschauers“ sehe ich skeptischer als du. Und das hat m.E. nicht mal primär mit dem Intelligenzquotienten zu tun. So viele Millionen dummer Menschen kann es gar nicht geben. Ich denke, eine mediale Gehirnwäsche kann leichter funktionieren, als du denkst - einfach dadurch, dass man man an bestimmten Inhalten nicht mehr vorbeikommt, wenn man den Fernseher einschaltet. Siehe die Flut an Casting-Shows, Kochshows, Doku-Soaps, Ranking-Shows etc. Wie Kalkofe mal gesagt hat: Wenn der Großteil der Bürger nur Wasser und trockenes Brot konsumiert, weil ihnen nichts anderes (oder kaum anderes) angeboten wird, dann heißt das nicht, dass das eine vollwertige Mahlzeit ist. Klar gibt es Nischensender wie ARTE, phoenix und Co. Aber wer beschränkt seinen Fernsehkonsum schon ausschließlich auf Nachrichten, Dokumentationen oder hochartifizielle Filmproduktionen? Ich kenne niemanden.

Dann kannst du gleich alle Gangster Filme verteäufeln. Inklusive von den Pate Filmen, die zwar ein differenziertes Bild der Person Michael Corleone abliefern es dann aber doch so in Szene setzen das die Akteure nicht wirklich böse sind. Zumindest die auf Seiten der Familie Corleone.

Ich muss zugeben, dass ich manche Gangsterfilme auch nicht schlecht finde, etwa Sergio Leones „Es war einmal in Amerika“. „Der Pate“ gilt zwar auch als Kultfilm, aber ich persönlich konnte nie besonders viel damit anfangen.

Solche Diskussionen gab es doch auch schon, als Ede Zimmermann mit “Aktenzeichen XY” auf Sendung ging. Jedesmal wurden authentische Fälle nachgespielt und quasi als Lehrfilme für kommende Verbrecher angesehen.

Nun ja, es ist nicht viel Unterschied zwischen dem Verbot der Produktionen und dem strikten Nicht-Ausstrahlen. Ein Film, der nur in einem Archiv liegt, könnte genausogut verboten sein, wenn er ohnehin nicht gezeigt wird. Nur dass das Wort Zensur mit wesentlich negativeren Assoziationen kämpfen muss als „Nicht-Ausstrahlung“.

Und solange der Filmemacher nicht den Anspruch erhebt, die wahre Begebenheit zu zeigen, so wie sie war, finde ich es nicht verwerflich, die Wahrheit nicht zu zeigen. Wie gesagt, wer die will, kann sie auch gern selbst nachschlagen.