Wort(e) zum Montag 53: Edgar Allan Poe: Das verräterische Herz

Wort(e) zum Montag Folge 53. Hier kann darüber diskutiert werden!

Da Kay Ray leider krank ist, muss auch heute unser lieber Gerd ran. Und er hat erneut eine schöne Schauergeschichte von Edgar Allan Poe mitgebracht. In „Das verräterische Herz“ erzählt ein offensichtlicher Psychopath aus der Ich-Perspektive, warum er einen alten Mann umgebracht hat. Dabei ist ihm stets wichtig zu betonen, dass er gar nicht geistesgestört sei.

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Och menno!! :sneezing_face: :sneezing_face: :face_with_thermometer: :face_with_thermometer: :worried: @kayray Gute Besserung!!! :pray: :hugs:

Und dann gibt’s heute sogar einen Klassiker!! :smiley:

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Meine Verwunderung wurde aufgeklärt :+1:.

Das „verräterische Herz“ kannte ich schon. Vor vielen Jahren hat die mich sogar leicht gegruselt, wie auch der „Untergang des Hauses Usher“.
Heute - nach vielen Zombiefilmen und Horrorgames - entlockt die Geschichte mir höchstens noch ein sehr gelangweiltes Ausatmen.

Dem schließe ich mich an :blue_heart: :orange_heart: :purple_heart: :green_heart: :heart:

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Auf dem Debut Album von Alan Parsons „Tales of Mystery and Imagination“ ist die Erzählung enthalten: " „The Tell-Tale Heart“, Vocals by Arthur Brown

Ich muss sagen, ich habe bisher noch nichts gelesen von Edgar Allan Poe. Ich schäme mich gerade! :pensive:

Ich freue mich immer, wenn Gerd J. Pohl etwas von Poe bringt. Das verräterische Herz ist einer der ganz großen Klassiker. X-fach vertont, verfilmt, vercomict und sonstwie adaptiert und zitiert. Kürzlich habe ich eine deutsche Hörspielversion von 1951 gehört, in der die Hauptfigur Edgar Allan Ope heißt. Der Inspektor ist der Inschpektor und der Sergeant der Serrschant. Abgesehen davon ist es für die Zeit eine ganz solide Umsetzung.

Eine sehr schöne Adaption ist der Animationsfilm von 1953 mit James Mason.

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Naja, so richtig lohnt sich der auch nicht.
Ich hatte früher einiges von ihm gelesen (aber alles vergessen), darum waren noch Bücher da.
Durch die Wednesday-Serie habe ich mich wieder an ihn erinnert und versucht, was zu lesen.
Ergebnis: Furchtbar! Langweilig, nichtssagende Themen, übertrieben-theatralisch dargestellt und super schlecht gealtert…

Also, wie vieles andere, ist auch Literatur eine Geschmacksfrage. Aber zu behaupten, Poe wäre „furchtbar, langweilig“, hätte „nichtssagende Themen“, wäre „übertrieben-theatralisch dargestellt und super schlecht gealtert“ ist wirklich großer Unfug. Die meisten Themen bei Poe sind zeitlos. Poe ist ein Meister der Psychologie und der feinsinnigen Ironie. Ein Virtuose des Wortes und der (englischen) Sprache. Ein Autor, dessen Werk von der Liebeslyrik über Horror und Krimi bis Abenteuer und Science Fiction alles abdeckt. Ein schreiberisches Universalgenie. Deine Kritik ist etwa so, als würde man sagen, ein Leonardo da Vinci könne nicht zeichnen.

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Großartig vorgetragen.

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Würde ich auch nicht drauf hören, vor allem „nichtsagende Themen“ ist ja eine unsinnige Pauschalbehauptung. Poe lässt sich meiner Meinung nach auch heute noch sehr gut lesen, der Horror wird überzeugend vermittelt und überträgt sich auf den Leser,. Und eine so clevere Detektivgeschichte wie „Der Mord in der Rue Morgue“ hab ich bei Sherlock Holmes nicht gefunden.

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Sherlock Holmes ist eine der erfolgreichsten Franchises aller Zeiten, irgendwas hat der Herr Doyle wohl richtig gemacht. Ansonsten volle Zustimmung. Allein die Sprache ist bei den alten Schriftstellern immer
ein Pluspunkt, im Gegensatz zu heutiger Massenware.

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Wie auch bei Musik oder bildender Kunst ist das immer Ansichtssache.
Objektiv gibts da doch gar nicht.
Ich empfand es fast als Qual, Poe nochmal zu lesen und empfand auch Inhalt und Form völlig aus der Zeit gefallen.
Nur eine Meinung.

Vor allem hat er das komplette Genre damit quasi aus dem Nichts erfunden, die Figuren Holmes und Watson und viele weitere Detektivduos (mit der Konstellation genialer Detektiv und ich-erzählender Mitbewohner auf dem Erkenntnisstand des Lesers) basieren auf dieser Geschichte (sogar die Gedankenleseszene hat Doyle mehrmals kopiert), am Motiv Mord in einem von innen verschlossenen Raum haben sich Jahrzehnte lang Krimiautoren abgearbeitet, alles hier schon enthalten.
Und das ist nur eine einzige Geschichte und ein Genre.

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Eines muss man allerdings anmerken, wenn man Poe in Deutsch liest. Die Übersetzungen basieren oft auf alten gemeinfreien Übersetzungen, die nicht immer vollständig sind. Manches wurde sicher aus Zensurgründen weggelassen. Die ganz alten Übersetzungen sind zudem auch mitunter sperriger zu lesen.

Bisher am vollständigsten ist die Werkausgabe von Arno Schmidt und Hans Wollschläger. Aber die Übersetzung finde ich stellenweise doch gewöhnungsbedürftig. Es wundert mich nicht, dass Gerd J. Pohl diese nicht verwendet.

Bei Schmidt/Wollschläger heißt es etwa am Ende von Das verräterische Herz:

Doch alles lieber noch als diese Qual! Alles ertragen - nur nicht diesen Spott! Ich hielt dies gleisnerische Lächeln nicht mehr aus! ich fühlt’s, ich mußte schreien oder sterben! und nun - horch! - wieder!- lauter! lauter! lauter!

„Gleisnerische Lächeln“? Muss ich erst mal im Wörterbuch nachschlagen.
In der Übersetzung, die Gerd J. Pohl verwendet:

Aber alles andere war erträglicher als meine Todesangst, war besser als ihr Hohn! Ich konnte ihr heuchlerisches Lächeln nicht länger ertragen. Ich fühlte, daß ich schreien müsse - oder sterben! – Und nun – horch – wieder – lauter! lauter!! lauter!!! lauter!

Original:

But anything was better than this agony! Anything was more tolerable than this derision! I could bear those hypocritical smiles no longer! I felt that I must scream or die! and now— again!—hark! louder! louder! louder! louder!

Im Nachhinein ist mir auch aufgefallen, dass die „Splatterszene“ in der Version von Pohl fehlt.

Bei Schmidt/Wollschläger heißt es nah am Original:

Sollten Sie noch immer der Ansicht sein, ich sei verrückt, so werden Sie sofort anders denken, wenn ich Ihnen die raffinierten Vorsichtsmaßnahmen beschreibe, die ich nun ergriff, die Leiche zu verbergen. Die Nacht schritt voran, und ich arbeitete hastig, doch in aller Stille. Zuerst zerlegte ich den Leichnam. Ich schnitt den Kopf herab sowie die Arme und Beine. Dann hob ich drei Bohlen im Fußboden der Kammer auf und deponierte alles zwischen den Verbundstücken. Darauf brachte ich die Bretter so geschickt, so fachkundig wieder an ihre Stelle, daß kein menschliches Auge - nicht einmal seines - etwas Unrechtes daran hätte entdecken können.

Während in der Version von Pohl klar zensiert wurde:

Wer mich auch jetzt noch für wahnsinnig hält, wird den Gedanken endgültig aufgeben müssen, wenn ich ihm erzähle, mit welch weiser Vorsicht ich den Körper verbarg. Die Nacht begann zu schwinden, und ich arbeitete in schweigender Hast. Zunächst riß ich drei Dielen aus dem Boden des Zimmers und verbarg den Toten zwischen der Füllung, dann setzte ich dieselben so geschickt, so schlau wieder ein, daß kein menschliches Auge – nicht einmal das seinige – die geringste Veränderung hätte wahrnehmen können.

Bei Das Fass von Amontillado hatte ich auch schon mal auf eine Fehlstelle hingewiesen. Da habe ich allerdings Gerd J. Pohl selbst in Verdacht. :wink:

Tipp: The Fall of the House of Usher auf Netflix. Mike Flanagan hat mal wieder abgeliefert. Wie schon in seinen Serien Hill House und Bly Manor, und teilweise auch in Midnight Mass, übersetzt er auch hier den klassischen Gothikhorror in die Neuzeit.

Die Serie erzählt vom Aufstieg und Untergang eines großen familiengeführten Pharmaunternehmens und in jeder Episode dient eine Poe-Geschichte als Hauptelement. Darüber hinaus ist die Serie vollgepackt mit Anspielungen und Zitaten, mal subtil, mal plakativ. Hin und wieder wird Poe aus dem Off rezitiert (für mich in dieser Hinsicht das Highlight: The Raven in der letzten Folge). Die Serie ist eine einzige große Poe-Hommage, dürfte aber auch funktionieren, wenn man von Poe keine Ahnung hat.

Und die Serie ist der beste Beweis, dass Poe auch heute noch relevant ist und bestens als Neuinterpretation funktioniert.