Der Bosnienkrieg hätte der Familie meiner Freundin um Haaresbreite das Leben gekostet. Ich hab eine Weile überlegt, möchte das aber kurz erzählen, für die, die es vielleicht interessiert.
Ihre Familie stammt aus Bosnien, sie sind muslimisch („Bosniaken“, ich habe übrigens noch niemanden aus Bosnien gehört, der sich selbst so nennt ) und kurz nach dem Kriegsausbruch 1992 sind sie nach Österreich geflohen. Da war ihre Mutter noch ein Teenager. Sie haben im Großraum Zenica gewohnt, eine Autostunde von der Hauptstadt Sarajevo entfernt. Nicht direkt in der Stadt, eher im ländlichen Raum, mitten in Bosnien. Die Flucht war die reinste Hölle, hat ihre Oma mehrmals erzählt. Obwohl der Krieg erst begonnen hatte, gab es schon diverse Angriffe auf zivile Ziele, darunter auch Minenlegungen und Bombenangriffe in Städten. Sie sind mit dem Reisebuss geflohen und in einer Kolonne mit zwei anderen Bussen gefahren, einer vor ihnen und einer hinter ihnen. Kurz nachdem sie über eine Brücke gefahren sind, gabs eine laute Explosion und in der Heckscheibe sah man einen riesigen Feuerball. Der Bus hinter ihnen hat eine Mine ausgelöst oder wurde von innen gesprengt, niemand weiß das so genau. Fakt ist: es hätte auch den Bus treffen können, in dem ihre Familie saß. Oma, Opa, Mutter, Onkel. Diese Erlebnisse haben sie nie vergessen und entsprechend besorgt sind sie übe die Lage in der Ukraine. Trotz allem leben sie seit über 30 Jahren in Österreich und sie planen auch keine baldige Rückkehr, weil die Lage in Bosnien immer noch angespannt ist.
Wenn ich mir die ganzen Schilderungen anhöre und die Nachrichten lese, habe ich manchmal den Eindruck, dass sich die bosnische Regierung heute einfach nicht ums Land und die Menschen kümmert, sondern anderweitig beschäftigt ist. Die medizinische Versorgung ist an vielen Orten einfach nicht gegeben, die Straßen außerhalb größerer Orte sind kaputt, generell ist die Infrastruktur vielerorts marode und überholungsbedürftig. Bei der älteren Bevölkerung herrscht eine Arbeitsmoral, die nicht normal ist. Seit ich meine Freundin kenne, habe ich jetzt schon ein paar Mal von schweren Verletzungen gehört, weil die Leute einfach nicht aufhören zu arbeiten. Häuser werden in Bosnien von Familien mit weniger Geld meist selbst gebaut oder zumindest selber saniert. Generell wird häufig bis ins hohe Alter auf dem Bau gearbeite, weil es keine Alternativen gibt. Ein entfernter Verwandter meiner Freundin ist letztes Jahr während der Pause auf der Baustelle verstorben, der Rettungsdienst kam erst zwei Stunden nach dem Notruf. Er wurde 64 und wäre dieses Jahr in Rente gegangen. Dementsprechend ist die Stimmung im Land vielerorts schlecht, was mMn absolut verständlich ist.
Danke für die interessante Folge, @GuentherStoll, die mich noch mal an die vielen Erzählungen erinnert hat und wie froh ich bin, dass es für ihre Familie gut ausgegangen ist.