Wenn man selbst nicht Regie führt...

Diskussion über den Blog-Artikel: Wenn man selbst nicht Regie führt…

Erinnern Sie sich an den Bericht über die Sendung “Mein erstes Leben” aus Folge 52? Das war jener Beitrag, in dem Rolfe Scheider und Xenia Seeberg angeblich in ihr früheres Leben blicken konnten. Ich zitiere darin ja auch den Pfarrer Oliver Gussmann, der von RTL unter Vorspiegelung falscher Tatsachen interviewt wurde. Nun hat sich bei mir noch ein weiterer Pfarrer der Gemeinde Rothenburg o.d. Tauber gemeldet, nämlich Peter Noack. Auch ihn hatte ich damals während meiner Recherchen angefragt - er war allerdings zu dem Zeitpunkt nicht erreichbar.

Pfarrer Noack kam in der RTL-Sendung ebenfalls als Gesprächspartner vor - und ist ebenso erstaunt darüber, was RTL im Nachhinein aus dem Interview mit ihm gemacht hat. Dies war für ihn Anlass genug, die Erlebnisse mit dem Drehteam zum Thema einer Predigt in seiner Kirche zu machen. Den RTL betreffenden Teil dieser Predigt können Sie hier nachlesen:

"Am Sonntag, 1.August, stand Detwang eine halbe Stunde lang zur besten Sendezeit bei RTL (19.00 Uhr) für Millionen Fernsehzuschauer im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.

Noch einmal ganz kurz das Geschehen für diejenigen, die den Film (der gerade im Gemeindehaus gezeigt wurde) noch nicht gesehen und die Sonntagblätter und Tageszeitungen vor über einem Monat nicht gelesen haben:

Es ging um eine mir bis dahin nicht bekannte junge Schauspielerin. Sie ließ sich auf eine sog. Rückführung ein, d.h.: jemand wird unter Hypnose gesetzt und die Rückführungs-Therapeutin versucht auf ein evt. persönliches vorgeburtliches Leben der Klientin zurückzugehen. In unserm speziellen Fernsehfall wurden Therapeutin und Klientin anscheinend fündig, und zwar um 1665. Hier fand sich Xenia Seeberg (so heißt die Schauspielerin) als Heilerin und Kräuterfrau in einem Dorf mit dem Anfangsbuchstaben D in der Nähe einer Stadt namens Rothenburg wieder. Diese ungefähren Angaben wurden von einem Wissenschaftler des Senders auf die Stadt Rothenburg o.d.T. und auf Detwang hin recherchiert. Die Schauspielerin suchte nun mit der Moderatorin der Sendung die entsprechenden Stätten auf und fühlte sich tatsächlich bestätigt.

Nachdem nun bei dieser Rückführung auch die Jakobs- und die Detwanger Kirche vorkamen, wurden die entsprechenden Pfarrer, also Dr.Oliver Gussmann und ich, angefragt, ob wir Stellung nehmen könnten zu unsern Kirchen um die Zeit von 1665. Wir erklärten uns bereit. So bestätigte ich, dass diese Detwanger Kirche 1665 tatsächlich im Wesentlichen von außen so aussah wie heute und dass es auch den Riemenschneider-Altar seit 12 Jahren an dieser Stelle gegeben hat. Also: Treffer!

Und nachdem die Schauspielerin vor dem Heilig-Blut-Altar in St.Jakob, den sie auch in ihrer Rückführung gesehen hatte, meinte, in ihrer Vision sei dieser Altar aber nicht an der heutigen Stelle gestanden, sondern unten an der Stelle des heutigen Bronze-Altars, musste Dr.Gussmann zugestehen, dass der Riemenschneider-Altar tatsächlich ab 1570 als Betaltar im Schiff unten gestanden habe. Das war in der Tat verblüffend.

Und als Herr Tittmann im Stadtarchiv aus dem kaum zugänglichen alten Blutbuch auch noch bestätigte, dass zur von der Schauspielerin angegebenen Zeit tatsächlich eine in Rothenburg als Hexe verurteilte Frau auch mit dem Schwert hingerichtet und ihr Körper dann verbrannt wurde, konnte man schon sprachlos werden.

Zumindest habe ich gestaunt – auch wenn manche Zuschauer der Sache gleich den Humbug absehen konnten.

Gibt es also so etwas? Hat es für uns Menschen schon einmal ein früheres Leben gegeben? Für alle? Haben die wohl meisten, die sich an so was nicht erinnern, nur ein schlechtes Erinnerungsvermögen? Bekämen wir es wieder, ließen wir uns auch auf eine solche Rückführung ein? Oder haben nur bestimmte Menschen schon einmal gelebt?

Oder war das alles tatsächlich nur ein Trick?

Ich glaube Frau Seeberg, dass sie vorher noch nie in Rothenburg und Detwang gewesen war. Wenn ja, wäre es ja peinlich für sie, wenn sie jemand erkannt hätte. Aber kann man sich das Wissen etwa um die Kirchen nicht auch durchs Internet verschaffen?

Die Sache mit dem eigenen evt. früheren Leben ist interessant und beschäftigt die Menschen ja immer wieder. Auch das ZDF und das Bayerische Fernsehen widmeten diesem Phänomen vor etlichen Jahren mehrere Sendungen.

Mediales Interesse in und um Rothenburg und kirchliche Brisanz erfuhr die RTL-Sendung aber noch durch die Mitwirkung von Rothenburger Institutionen (wie Museum und Archiv) und von uns Pfarrern. Ich habe nach der Sendung allerhand Anfragen bekommen, auch Kritik, wie unsereiner denn hier mitmachen konnte und treudoof in eine spiritistische Falle gegangen ist, wo es im christlichen Glauben doch keine Vorstellung von einem früheren Leben gibt.

Meine Antwort: Ich habe mitgemacht, weil ich in einem einstündigen Gespräch mit dem TV-Team, das von seiner eigenen Skepsis sprach, die Überzeugung von einer gewissen Seriosität gewonnen hatte. Ich habe mitgemacht, weil ich mir einen früheren Film von dieser Reihe erbeten und ihn als kritisch genug eingestuft hatte. Ich habe mitgemacht, um Kirche bei solchen Dingen, die die Religiosität berühren, im Spiel zu halten und nicht von vornherein Blockade-Mentalität an den Tag zu legen. Kritische Bemerkungen meinerseits zu mangelnder Übereinstimmung von Vision der Klientin mit der Realität wurde allerdings herausgeschnitten.

So eine Mitwirkung ist in der Tat ein Wagnis. Da man selbst nicht die Regie führt, weiß man nicht, was dabei herauskommt. So fällt man dem Verdacht anheim, man hätte sich instrumentalisieren, sich vor einen fremden Karren spannen lassen."

Interessante Informationen zu den Dreharbeiten in der Stadt finden sie auch in diesem Artikel und diesem Artikel!