Talkshow-Monokultur

Die großen Sender unterhalten wöchentlich fünf politische Talkshows. Da sind thematische Überschneidungen manchmal verzeihbar. Aber seit einigen Monaten fällt auf, dass das beherrschende Newsthema der Woche in ausnahmslos jeder Sendung durchgehechelt wird, teilweise mit den identischen Gästen.

Es begann schleichend mit der Causa Guttenberg (jeweils zweimal mit Herrn Blome von der BILD und Michel Friedmann, sowie Jörges, der wenige Wochen zuvor bei einem anderen Gutti-Talk gesessen hatte), der jeden Abend die Quasselrunden befeurte. Zu den zeitgleich stattfindenden Aufständen in Libyen kam man allerorts erst eine Woche später, als das Land bereits in Flammen stand. Dann ging es weiter mit Fukushima.

In diesen Tagen schießen die Sender den Vogel ab.

Letzte Woche startete die tägliche Dosis Griechenland am Donnerstag bei Illner, ging nahtlos weiter am Sonntag bei Will, bis dann am Montag bei Strunz schon wieder Herr Giegold von den Grünen stand, der dort seine Thesen aus der Illner-Sendung wiederholen durfte. Am Dienstag lud Sandy Maischberger zu einem weiteren Hellas-Abend, um den Staffelstab am Mittwoch an Plasberg weiterzureichen.

Die ARD verfügt über drei nahezu identische Formate in vier Tagen. Das böte ausreichend Gelegenheit, auch weniger prominente Themen ins Programm zu nehmen. Warum muss aber trotzdem jeden Abend derselbe Sachverhalt bekakelt werden? Scheitert’s an der Koordination oder der Eitelkeit der Redaktionen? Mit der Neuordnung des Abendprogramms nach Jauchs Wechsel zur ARD will man angeblich stärker untereinander auf Überschneidungen bei Gästen achten. Zu Dopplungen bei der Themenwahl wurde jedoch (bewusst?) nichts mitgeteilt.

Diese Woche droht derweil der gleiche Schlonz: Illner machte am Donnerstag den Anfang zum DSK-Festival, bevor den Rest der Woche dieselben Argumente auf allen Sendern wiedergekäut werden. Kleine Nuancen in den Sendungstiteln sind alles, was für ein bisschen Abwechslung sorgen wird:

Illner: "Sex, Macht und Öffentlichkeit"
Will: "Sex, Lügen, Prozesse"
Strunz: "Sex und Machtmissbrauch"
Maischberger (Westerwald statt New York, aber mal gucken wohin die Reise im Lauf der Sendung geht): "Ein Jahr Kampf gegen sexuellen Missbrauch: Wie machtlos sind wir?"
Plasbergs Thema ist noch nicht in der Welt, aber es sollte mich wundern, wenn es nicht irgendwas mit notgeilen Opis zu tun hätte.

Wobei ich finde, dass dieses nicht nur neuerdings zu beobachten ist. Es war eigentlich schon immer so, dass es nur eine begrenzte Anzahl an großen, beliebten Politik-Themen zu einer jeweiligen Zeit gibt, die sich medienwirksam und mit genug aktuellen, prominenten Gästen in solchen Sendungen behandeln lassen.
Mangels des Angebots liegt es da auf der Hand, dass diese Themen stets in den gleichen Polit-Shows verwurstet werden.
Nach dem medialen Aufschrei um Sarrazin waren Integration und Islam auch in jeder Talkshow Thema, nach dem Buch “Tiere essen” war Vegetarismus überall Thema bzw eine Zeit lang generell überall das Thema Ernährung usw…

Wobei ich einen ganz anderen Umstand kritikwürdig finde: Warum muss nun überall bei den öffentlich-rechtlichen Sender “Sex” das Thema sein? De Mazière hin oder her: Da gäbe es in der Tat relevantere Themen in einer Politik-Talkshow als Sex.

Berechnung um Quoten zu bekommen? Würde mich nicht wundern, wenn es da nicht nur um politische Affären sondern auch um irrelevante Boulevardthemen à la Kachelmann geht und Sonstiges, was die not- und sensationsgeile Masse interessiert und Quoten beschert.

Solche “Themen” erwarte ich von Rtl, nicht von den öffentlich-rechtlichen oder zumindest nicht so auffällig vermehrt.