Die Polizei arbeitet ja nur bedingt mit diesem Format mit. Gestellt werden die Videos aus dem Archiv und ein neunmal kluger Oberpolizist der erklärt wie man gescheit Auto fährt. Der Sender übernimmt dann, vermutlich anhand der Gedankenprotokolle der beteiligten Polizisten, die Verfilmung der Szenen nach dem Rauswinken der “Raser”. Wobei das noch sehr positiv ausgedrückt ist, möglich wäre natürlich auch das der Sender die Szenen nach dem Rauswinken komplett frei erfindet und sich da was zurecht schreibt. Realistisch ist vermutlich ein Mittelding zwischen beiden, es soll ja für den Zuschauer möglichst ruppig und laut zugehen und vor allem auch möglichst uneinsichtig.
Das man die Gespräche zwischen Polizei und “Raser” nachstellt hat auch für den Sender einen immensen Vorteil: Man ist nicht dazu gezwungen die Gesichter der Täter unkenntlich zu machen. Es werden ja keine Persönlichkeitsrechte mehr verletzt und eine Anonymisierung kann sich gespart werden. Dadurch bleibt die Mimik des mehr oder weniger gut geschauspielerten “Rasers” sichtbar und der Zuschauer kann seinen Voyeurismus ausleben. Immerhin dürften ja die meisten Zuschauer glauben sie würden wirkliche “Temposünder” sehen und könnten den einen oder anderen auch noch wiedererkennen.
Interessant ist das man sich in Deutschland auf ein Mittelmaß zwischen Realität und Fiktion einlässt. In den Niederlande läuft schon seit Jahren, sogar sehr erfolgreich, ein sehr ähnliches Format. Dort ist aber alles echt soweit ich weiß. Von der Filmaufnahme, über die evtl notwendige Verfolgungsjagd, bis hin zum Gespräch zwischen “Raser” und Polizei.
Kurios im deutschen Klon “Schneller als die Polizei erlaubt” sind die Varianten mit denen der “Raser” angehalten wird. Wenn man sich mal einen verdeckten/ zivilen Streifenwagen (in dem Falle ein ProViDa-Fahrzeug) und einen offensichtlichen Streifenwagen betrachtet und die dortigen Mittel mit dem vergleicht was in der Serie zum anhalten genutzt wird…
Erst mal das ProViDa (Proof Video Data)-Fahrzeug (Beispielfahrzeug aus dem Saarland):
http://bos-fahrzeuge.info/einsatzfahrze … a-Fahrzeug
Das Fahrzeug verfügt über eine optische Sondersignalanlage aus einer Rundumkennleuchte mit Magnetfuß und einem LED-Blitzer hinter der Windschutzscheibe. Die Kennleuchte auf dem Dach oder der LED-Blitzer machen schon die meisten Leute auf einen Aufmerksam. Zur Not hilft auch eine Tonfolge der akustischen Sondersignalanlage und man hat ungeteilte Aufmerksamkeit. Und als absoluter Hit hat das Fahrzeug auch noch zwei sogenannte Anhaltesignalgeber verbaut. Einer ist in einer Sonnenblende verbaut (Cobra11 lässt grüßen) und sollte von jedem gesehen werden der nach Blaulicht und Einsatzhorn nach hinten kuckt ( http://bos-fahrzeuge.info/einsatzfahrzeuge/65198//67287 ). Alternativ kann die Polizei auch zum Überholen ansetzten, sich Blaulicht und Horn sparen und den “Sonnenrollo” ( http://bos-fahrzeuge.info/einsatzfahrze … 286#/67286 ) hochfahren. Die Anhaltesignalgeber zeigen nach vorne meistens ein spiegelverkehrtes “Stop Polizei” und nach hinten entweder ein richtig geschriebenes “Stop Polizei” oder ein “Bitte folgen” (BiFo).
Und zum anderen der offensichtliche Streifenwagen (Dieses mal aus der Pfalz):
http://bos-fahrzeuge.info/einsatzfahrze … nt_-_FuStw
Auch dieser hat eine optische Sondersignalanlage und auch eine akustische, nur eben offensichtlich verbaut. Und auch dieses Auto hat zwei Anhaltesignalgeber verbaut ( http://bos-fahrzeuge.info/einsatzfahrze … 298#/95298 ). Ganz neumodisch ist in diesem Fahrzeug auch ein sogenannter Anhalteblitz eingebaut. Dieser rote Blitz wurde ja erst vor kurzer Zeit in Deutschland eingeführt. Zusammen mit einem aus den USA stammenden speziellen “Anhalteton” namens Yelp soll man so Autofahrer ohne Nutzung von Blaulicht und Einsatzhorn stoppen können.
Möglich sind also zum Anhalten eines “Rasers” die Varianten:
- Blaulicht, Einsatzhorn und dann Anhaltesignalgeber
- Nur Blaulicht und dann der Anhaltesignalgeber
- Anhalteblitz, Yelp und dann der Anhaltesignalgeber
Doch was nutzt der deutsche Fernsesender? Realitätsfernes Blaulicht und dann ggf. den Anhaltestab aus dem offenen Fenster. Das Blaulicht wird dann meist sogar in Form einer Rundumkennleuchte im Innenraum des Fahrzeuges genutzt. Das ist nicht nur unrealistisch, sondern auch gefährlich für die Insassen. Egal ob eine Rundumkennleuchte mit Drehspiegel und “Glühbirne”, Gasentladungslampe (Blitzer) oder LEDs, alle sind mehr als nur hell und das vor allem auf kurze Distanz. Wenn man das Blaulicht im Fahrzeuginneren einschaltet, dann wird es schön hell und das beeinträchtigt immens die Sicht des Fahrers und damit seinen Blick für die Straße. Und auch der Anhaltestab ist eigentlich ein Relikt aus vergangenen Tagen…
Aber da kommt der nachgestellte Käse, man hat eben keine richtigen Streifenwagen zur Verfügung, sondern nur Privatfahrzeuge in denen ein Anhaltestab und ein Blaulicht mit Stecker für den Zigarettenanzünder liegt. Und schon muss man sich etwas zurecht stricken um die gescripteten “Raser” zu stoppen. Eigentlich könnte man die Bevölkerung durch diese Sendung ein klein bisschen sensibilisieren und ihnen zeigen wie die Polizei sie im Bedarfsfall anhält. Gerade Anhalteblitz und Yelp sind dem Ottonormalbürger bis jetzt noch weitgehend unbekannt…