Nicht Realfilm, nicht Zeichentrick, sondern...

Doofe Threadtitel, ich weiß. Aber was besseres ist mir jetzt nicht eingefallen. Dieser Thread soll sich um filmischer Erzeugnisse drehen, die weder Realfilm, noch Zeichentrick/Anime sind. Sondern ganz andere Formen annehmen.

Scherenschnittfilme

Eine der ältesten Filmformen und auch Vorgänger des Zeichentrickfilms ist wohl der Scherenschnittfilm. Bekannt sollten vor allem die Werke von Lotte Reinigeraus den 1920er Jahren sein. Hier die [Abenteuer des Prinzen Achmed](http://www.myvideo.de/watch/8763326/Die_Abenteuer_des_Prinzen_Achmed_Scherenschnittfil m_1926).

Was mich an Scherenschnittfilmen begeistert ist diese ganz eigene Atmosphäre, die sie ausstrahlen. Man hat halt, wie der Name schon sagt, Scherenschitte statt etwa gezeichnete Figuren. Ich finde das sehr faszinierend wie man in dieser Form Geschichten illustriert. Hier als Beispiel den Kurzfilm Der Teufel aus der Flasche von 1969 aus der DDR. In der DDR wurden bis in den 80ern hinein noch Scherenschnittfilme für das Kinderprogramm im Fernsehen und den Kinos als Vorfilm hergestellt.

Stopmotion aus Papier

Ich weiß jetzt den Fachnamen nicht. Und ich kenne auch auch nur eine Serie, die in diesen Bereich geht. Die Serie nennt sich Quaqquao und kommt aus Italien. Das ist quasi eine 3D-Weiterentwicklung des Scherenschnittfilms. In dieser Serie werden die Abenteuer einer kleinen Ente erzählt. Alles was man sieht sind Figuren aus Papier, die man wohl im Stopmotionverfahren abgefilmt hat. Ich finde das auch heute noch sehr faszinierend, auch wenn sich die Serie an Kleinkinder richtet. Vielleicht kennt ja jemand von Euch die Serie. Die lief damals anfang der 90er im Frühmorgenprogramm auf irgendeinem Sender als Pausenfüller. Das war schon intelligent: um die Serie einfach zu importieren, hat man eine Fantasiesprache benutzt und so musste man nicht großartig synchronisieren. Wie die Serie in Deutschland hieß, weiß ich garnicht mehr. Wahrscheinlich ebenfalls irgendwas mit „Quack“. :mrgreen:

Phasenphoto-Technik

Die meiner Ansicht nach schönste Weiterentwicklung des klassischen Scherenschnitts ist wohl die Technik, die man für die polnische Mumin-Serie von 1977 bis 1982 verwendet hat: die Phasenphoto-Technik. In dieser Serie wurde nicht nur mit Papier gearbeitet. Die Figuren wurden aus halb-dreidimensionalen Filzfiguren angefertigt und die Hintergründe sind handgemalt. Hier hat man Papier, Karton und andere Materialien verwendet. Ich finde das richtig hübsch, was man aus den ganzen Materialien gemacht hat. Zur Serie selbst sei gesagt, dass das wohl die beste TV-Umsetzung der Mumins ist. Da die Serie bewusst auch die melancholische Seite der Bücher zeigt. Mit der schönen Ambient-Musik und der ruhigen Stimme von Hans Clarin kommt hier eine richtig tolle Atmosphäre auf. Ich habe Euch mal Folge 18 der Serie rausgeuscht. Das ist die erste Episode wo der Handlungsstrang „Winter im Mumintal“ zum gleichnamigen Buch angefangen wurde. Hier merkt man schon, dass man mit der Serie nicht so kindisch war wie die spätere Animeserie aus den 90ern.

Plastilin-Animation

Das sollte spätestens durch Pingu eigentlich jeder kennen: Animationsfilme, wo die Figuren aus Plastilin gerfertigt sind. Bekannt dürfteen sicherlich auch die Plonsters sein. Nicht nur aus dem Vorspann zu „Hallo Spencer“, sondern auch durch ihre eigene Serie:

Und auch von dem Studio, welches Quaqquao produziert hat, gibt es eine - gerade in England und Italien - Kultserie: Mio and Mao. Lief damals auch im deutschen Fernsehen und wurde wohl bestimmt auch seit min. 20 Jahren nicht mehr hier gezeigt. Ich finde das, wie auch Quaqquao sehr faszinierend zu schauen…

Marionetten

Muss man glaub ich nicht so viel erzählen. Marionetten sind toll! :smiley:
Gibt da ja nicht nur schöne Serien aus Deutschland wie die Augsburger Puppenkiste oder Tschechien wie Spejbl & Hurvinek, sondern kultig sind natürlich auch die Marionetten-Serien von Gerry und Sylvia Anderson wie Thunderbirds oder Supercar.

Was für Formen der bildlichen Erzählstruktur, außer den klassischen Realfilm, Zeichentrick und Animation kennt ihr so? Findet ihr das auch schade, das heute nicht mehr so viel experimentiert wird?

Einmal natürlich die Werke von Stan Brakhage. Bekannt ist diese Non-camera Animation von ihm: Mothlight

Neulich gesehen: La planète sauvage von René Laloux, der größtenteils auf Cut-out Animationen basiert.

[B]Yuri Norstein[/B]s Arbeiten sind erstklassige Exponate der Russischen Animation, die ähnlich wie die französische Cut-Out animation, aber dann doch ganz anders funktioniert und viel mit Raum und Unschärfe arbeitet.

Tücken des Gesprächs vom Tschechen Jan Švankmajer ist ein brillianter kleiner Film mit der Claymation-Technik.

Dann gibts noch so schizophrene Grenzgänger wie Tetsuo: The Iron Man von Shinya Tsukamoto, der Cyberpunk-Realfilm mit Stop-Motion kombiniert.

Ein weiterer Grenzgänger ist der heute etwas ver-obskurte feministische Schwanengesang von Osamu Tezukas Mushi Production von 1973, der Anime Kanashimi no Belladonna von Eiichi Yamamoto, der visuell so einige Grenzen zwischen Cut-out und klassischer Animation auslotet.

Oder erfolgreiche post-moderne Claymation-Streifen wie die Werke von Adam Elliot (ihr kennt vielleicht das Aspergerdrama Mary und Max), der von Holger und Mario auf so lächerliche Weise verrissen wurde weswegen die beiden jedlichen Respekt als Filmkritiker bei mir verloren haben.

Don Hertzfeldt und Bill Plympton als wichtigste Vertreter des Amerikanischen Undergrounds arbeiten mit klassischer Animation, Hertzfeldt bring das zu nem minimalistischen Extrem und Plympton an ein schwarzhumoriges Extrem, letzterer arbeitet viel mit surrealismus und Buntstiftcoloration.

Ganz anders dann wieder der Superflat von Takashi Murakami, der den meisten wohl wegen seiner Zusammenarbeit mit Summer Wars- und Das Mädchen, das durch die Zeit sprang-Regisseur Mamoru Hosoda im Gedächtnis geblieben ist.

In Deutschland haben wir das Studio Filmbilder mit dem Genius Andreas Hykade, der bevorzugt Computeranimationen via AdobeFlash benutzt. Die Flashgemeinde ist so ziemlich die Avantgarde der heutigen Animation, und hier lohnt es sich tiefer zu blicken, besonders interessant wäre hier noch das Opus Sita Sings the Blues von Free-Culture-Aktivistin Nina Paley zu nennen, aber auch das Antikriegsmeisterwerk Waltz With Bashir von Ari Folman.

[QUOTE=Anchantia;349481]Findet ihr das auch schade, das heute nicht mehr so viel experimentiert wird?[/QUOTE]
Das ist verzerrte Wahrnehmung. Der Mainstream ist ziemlich platt, aber der Underground floriert wie nie zuvor. Ich würde dir ans Herz legen wollen, die Best of Animation-Serie vom Stuttgarter Animationsfestival.

Im Animebereich haben wir immer noch Masaaki Yuasa, den ich bewusst undifferenziert als Retter des Anime vergöttere. The Tatami Galaxy und Mind Game benutzen eine ganze Palette von Animationstechniken.

EDIT: wie wärs mit Threadtitel “Alternative Animationstechniken abseits von Klassischem Zeichentrick und CGI”

Alternative Animationstechniken abseits von Klassischem Zeichentrick und CGI

Gute Idee

Ich empfehle an der Stelle mal “Der Dunkle Kristall”. Toller Fantasyfilm mit Puppen!

South Park passt hier auch irgendwie rein, waren zumindest die frühen Folgen ja nichts anderes als bunte Scherenschnitte.
Naja und ‘Team America’ natürlich auch.

[QUOTE=Conny;349535]Ich empfehle an der Stelle mal “Der Dunkle Kristall”. Toller Fantasyfilm mit Puppen![/QUOTE]
Jupp, den sollte man auf jeden Fall gesehen haben. Die Puppen stammen übrigens von Jim Hanson, womit wir bei der Sesamstraße und den Muppets wären, welche wiederum einen guten Link zu einem weitern tollen Puppenfilm von Peter Jackson abgeben:
[SPOILER]
//youtu.be/afzrKqO8kDA
[/SPOILER]

Jim Henson hat dann auch Die Reise Ins Labyrinth gemacht, wo allerdings auch Menschen dabei sind.

Die meisten Hollywoodblockbuster sind auch eher Animationsfilme. Die Grenzen verschwimmen im High-Budget Bereich.

Švankmajer war unverkennbar ein Fan der vitaminreichen Bildkompositionen Giuseppe Arcimboldos. Vor einigen Jahren hatte ich die Gelegenheit auf dem Prager Hradschin durch eine sehr üppige Švankmajer-Sammlung von Collagen, Skulpturen und Videos zu stöbern.
Mein Lieblings-Švankmajer ist trotz meiner Klaustrophobie Dunkelheit/Licht/Dunkelheit von 1989:

Zeichentrick der anderen Art ist die Rotoskopie.
Alois Nebel basiert auf einer tschechischen Graphic-Novel-Trilogie. In kontrastreichem Schwarzweiß, also ganz nah an seiner Comicvorlage lichtet sich der Nebel der Vergangenheit um den gleichnamigen Bahnwärter.
Eine berührende Geschichtslektion.

The Old Man and the Sea ist - wie der Titel schon verrät - eine Hemingway-Adaption. Dieses kleine Kunstwerk von Alexandr Petrow sieht nicht nur aus, als wäre es in Öl gemalt, das ist es auch. Und zwar Szene für Szene auf Glas.

Und da wäre dann noch Sand Art, eine Technik, welche mittels Sand, Licht und Musik ihre Geschichten erzählt.

Hier Vivaldis Summer meisterlich skizziert von Ferenc Cakó:

Der ungarische Professor für 3D-Animation verwendete in seinen Videos neben Sand auch Knete, Lehm und Scherenschnittte.

Apropos Der dunkle Kristall und Die Reise ins Labyrinth: In Sachen Animatronics hat sich seit Walt Disney so einiges bewegt. Lundströms Real Humans lassen grüßen. (…übrigens ab Donnerstag wieder auf arte)