Kurz vor Weihnachten ist es mal wieder soweit: Die José Carreras Gala
Wer benötigt Fakten, wenn man dem Zuschauer genauso gut in die Tränendrüsen treten kann? Mit dem ehemaligen Leukämie-Patienten Carreras als Kronzeugen darf der öffentlichen-rechtliche Stumpf-Funk jeden Killefitz versenden:
Eine junge blonde Frau betritt die Bühne und verliest stockend (mit schleppendem thüringischen Dialekt) ein weinerliches Pamphlet, das ihr vom MDR auf den Oktavblock gekritzelt wurde. Oh je, oh je! Mutti hat ihren lütten Sohn an den bösen Blutkrebs verloren. Dazu sehen wir Slo-Mo-Impressionen des kleinen Justin auf dem Bobby-Car. Schluchz! Schneuf!
Im Gegenschnitt sehen wir den tapferen Stecher von Zonen-Gabi, der sich die Resthaar-Bordüre mit Schweineschmalz gen Himmel gegelt hat. Ronny oder Ricco (oder wie der heißt) guckt ganz ganz traurig. Peggy oder Doreen (oder wie die blonde Blinse heißt) guckt auch ganz traurig.
Die Moll-Muzak lässt es uns bereits ahnen: Justin hat die Chemotherapie nicht überstanden. Schneufi-schluchz!
Auf einmal beginnen Rosenstolz ein pathetisches Kitsch-Kack-Lied zu säuseln und der katholische Top-Kompetenzler Axel Bulthaup umarmt Zonen-Gabi, um ihren mütterlichen Schmerz zu lindern.
:würg: :kotz: :brech:
Zu den Tatsachen: Mein Dad ist 1988 an Leukämie krepiert. Und keine arschkriecherische MDR-Gala hätte ihm helfen können.
… aber für viele Menschen scheint es nix Schöneres zu geben als ihr Gewissen zu entlasten, indem sie am Promi-Telephon mit Mareile Höppner (huh, wem???) sprechen und ihr 50 Öcken für eine vermeintlich gute Sache zusagen.
Noch öder sind nur die Spenden-Galas im ZDF, bei denen es den “edlen” Spendern sogar vergönnt ist, ihren dummen Namen im Laufband am Bildschirmrand lesen zu dürfen.
(und warum wird der katalanische Krakeeler mit österreichischem Dialekt übersetzt?)
Das Gutmenschsyndrom funktioniert. Es bestätigt meine Theorie des Karitativen Egoismus, die wie folgt lautet:
Jeder Mensch tut anderen etwas gutes aus der Triebfeder am Ende als Guter Mensch gesehen zu werden. Selbstlosigkeit ist dabei der Deckmantel des eigenen Egoismus. Karitative Taten tut man vorallem fürs eigene Wohlbefinden, für das Gefühl zu wissen, dass man Gott, Jehova, Allah, Jah, Budda, Tinky Winky gezeigt hat, dass man ein guter Mensch ist.
Darauf bauen diese Sendungen auf. Sie zeigen uns schlimme Schicksale und suggerieren uns, dass wir diesem Menschen helfen müssen, um nicht als Unmensch zu gelten. Ob unsere Spende wirklich etwas gebracht hat… nunja, das wird 2 Monate später in irgendeinem Boulevardmagazin erwähnt, wenn 99% shcon längst vergessen haben, dass sie einem völlig Fremden Menschen fürs “Arm dran sein” belohnt haben. Falls man überhaupt was davon hört.
Versteh ich irgendwie nicht. Das Schicksal dieser Leute ist mir das ganze Jahr über scheißegal, warum sollte mich das jetzt an Weihnachten jucken? :smt017
Alle Menschen sind letzten Endes Egoisten, jedoch haben nur die wenigsten den Mut, das zuzugeben. Ich scheue mich nicht davor, schließlich ist es das natürlichste der Welt.
Alle Menschen sind letzten Endes Egoisten, jedoch haben nur die wenigsten den Mut, das zuzugeben. Ich scheue mich nicht davor, schließlich ist es das natürlichste der Welt.
Und diese Sendungen dienen dazu, dass die Leute ihre Anerkennung durch eine gute Tat erhalten. Auf dem selben Prinzip basiert ja auch der Michael Hirte Erfolg. Eine tragische Lebensgeschichte ist hier Grundlage für ein Nummer 1 Album. Wäre Hirte ein stinknormaler Beamter, würde wohl keiner die CD anfassen.