Medien Deutschland vs Japan

Häufig wurde ja auch hier diskutiert, welche Bilder der Information dienen und welche nur der Quote.
Ich denke das kann man sehr gut mit Japan vergleichen. Japan erlebte gerade die schlimmste Naturkatastrophe in ihrer Geschichte und die Art wie die japanischen Medien berichteten war sehr nüchtern. Sie haben deutlich die Ausmaße der Katastrophe gezeigt, nicht aber Einzelschicksale. Unsere Medien zeigen normal liebend gerne Menschen, die zB in Wassermassen um ihr Leben kämpfen oder auf Häuserdächern ausharren. Diese Bilder waren bei dieser Katastrophe kaum zu sehen, immerhin stammen die Bilder aus dem japanischen Fernsehen.

Zu viel des Guten oder Wünschenswert?

Jedenfalls fände ich eine Gegenüberstellung mal sehr interessant.

Eigenartig aber wie die deutschen Medien damit umgingen. Es scheint mir fast so, dass sie damit nicht umgehen konnten und die Größe der Katastrophe gar nicht begriffen. Denn was machen unsere Medien bei Katastrophen… sie zählen liebend gerne Tote, also auch hier. Am Anfang hieß es noch, dass nichts über Todeszahlen bekannt sei, dann wurde von mind. 70 Toten gesprochen. Mein erster Gedanke war, das wäre ein wahres Wunder, wenn es sich später nur um ein paar 100 Tode handelt, angesichts der Bilder. Leider zeigte sich, dass weit aus mehr Menschen ums Leben kamen, ich frage mich allerdings, was sollen dieser “Todes-Counter”? Den müsste doch selber auffallen, dass es angesichts so einer Katastrophe Spekulationen über Todeszahlen völlig fehl am Platz ist, erst recht wenn am Anfang dann auch noch solche abwegig Aussagen getätigt werden.

Unsere Medien zeigen normal liebend gerne Menschen, die zB in Wassermassen um ihr Leben kämpfen oder auf Häuserdächern ausharren. Diese Bilder waren bei dieser Katastrophe kaum zu sehen, immerhin stammen die Bilder aus dem japanischen Fernsehen.

Zu viel des Guten oder Wünschenswert?

  1. Wünschenswert.
    Es interessiert mich herzlich wenig, wie Klaus P. gerade noch am Auto hängt, bis der Baumast heranschwabbt und ihn vor der Kamera mitreißt.

  2. Reine Spekulation, aber:
    Dort drüben ist Höflichkeit etc. (Zumindest außer Hause) das A&O. -> Wirkt sich vielleicht auch auf die Medien aus, da diese somit niemanden bloß stellen/Irgendein zerstörtes Haus einer Familie zeigen wollen? :confused:

@Silveres 2):

So einfach ist das nicht, glaube ich.

Allein die japanischen Spielshows oder Streichsendungen gehören zum krassesten, was es auf dem Erdball gibt. Ob das jetzt die Leute sind, die sich in einer Skihütte auf 'ne Toilette setzen und plötzlich fährt die präparierte Toilette den Hang runter, oder auch klassisch Takeshis Castle bzw. “Fist of Zen”.

Höflichkeit außer Haus würde ich daher nicht als Grund für die sachliche und ruhige Berichterstattung zu der Katastrophe sehen, wenngleich man im Umgang miteinander in der Gesellschaft in Japan ein sehr eng gestricktes Werte- und Verhaltenskorsett hat. Da sind Medien aber meiner Meinung nach eher ein Ventil als Ausdruck dieses Korsetts.

Ich glaube aber, dass das eine Katastrophe von so gigantischem Ausmaß ist (oder noch schlimmer werden könnte, wenn das mit dem Kernkraftwerk richtig schief geht), dass die oberste Priorität bei Medien und Regierung in der Beruhigung der verunsicherten Bevölkerung liegt. Die Angst vor radioaktiver Strahlung, die man weder sehen, riechen oder spühren kann, sollte nicht unnötig geschürt werden. Das wissen die beteiligten Medien dort. Sonst kriegt man eine Panik, mit der niemandem geholfen wäre.

Dass es dabei schwierig ist, zwischen Sensationsgeilheit, transparenter Aufklärung und umfassender Information sowie Zurückhalten von Gefahrenmeldungen das richtige Maß zu finden, zeigt sich auch dieser Tage wieder.

Aus einem so krassen Ereignis kann man, glaube ich, dann allerdings keinen generellen Vergleich zwischen japanischen und deutschen Medien ziehen.

EDIT: Okay, ich habe mich jetzt hauptsächlich auf die Reaktorsache bezogen. Ähnliches gilt aber für das Erdbeben und den Tsunami. Die Japaner kennen gerade diese Katastrophen. Und sie tragen sie mit Würde, weil sie es immer schon getan haben und weil sie auch kaum Alternativen dazu haben. Eine mediale Panik aufzubauen hilft niemandem. Das wissen sie vermutlich einfach.

@Poppstar
Naja, nur ist hier auch der Unterschied zwischen Show + Spaß und Echt + Leid zu ziehen :wink:
Aber ja, so einfach ist es natürlich nicht - Habe ich aber nicht behauptet g

Insofern denke ich dass du durchaus Recht hast ( … Wobei ich mir mehr die Frage stelle, warum ich nicht genau das geschrieben habe :o )

Allein die japanischen Spielshows oder Streichsendungen gehören zum krassesten, was es auf dem Erdball gibt. Ob das jetzt die Leute sind, die sich in einer Skihütte auf 'ne Toilette setzen und plötzlich fährt die präparierte Toilette den Hang runter, oder auch klassisch Takeshis Castle bzw. „Fist of Zen“.

Um etwas richtig zu stellen: „Fist of Zen“ ist keine japanische Spielshow, sondern nur an eine solche angelehnt.

Zum Thema japanische Fernsehen möchte ich auf die tolle Sendung Zapping International hinweisen, die auch schon das japanische TV thematisiert wird. Wirklich sehr empfehlenswert und räumt mit vielen Vorurteilen auf!
http://www.youtube.com/watch?v=aIOvGUMtLys

@TParis:

Jaaa… da lässt man einmal aus Faulheit die Recherche sein, wie die Originalshow heißt, und schon wird man direkt korrigiert. Natürlich hast Du Recht. Schande über mich.

Anzahl an inhaltlich zu korrigierenden Fehlern in Posts von TParis: +1 :ugly

@Silvere:

Es gibt auch noch die Kathegorie Echt+Spaß (die Opfer der Streichsendungen werden das bestätigen). ^^ Um beim Thema Echt+Leid den Umgang der Medien differenzieren zu können, bräuchte man Referenzbeispiele (die ich nicht habe).

“Aber ja, so einfach ist es natürlich nicht - Habe ich aber nicht behauptet g” - Ich habe auch nie behauptet, Du hättest das behauptet. :mrgreen:

@Threadersteller:

Der “Todescounter” steckt auch bei den japanischen Medien drin. Schließlich erwähnen auch sie die offiziell bestätigten Todesfunde (seien es die armen Seelen, die am Strand der Küstenstadt, deren Name ich gerade nicht weiß (und nicht recherchiere, TParis) gefunden wurden, oder aber die Auskunft, dass es 10000 Vermisste in einer anderen Stadt gebe) und sonstige Zahlen. Ich weiß nicht, auf welche Aussagen oder Aufnahmen aus dem japanischen Fernsehen Du Dich beziehst, aber NHK-World (englischsprachig, zu finden als Livestream hier: http://www.tagesschau.de/multimedia/livestreams2/index.html ) nennt auch konkrete Zahlen. Wenn man genau hinguckt und hinhört, bekommt man dort auch Einzelschicksale mit. “Mothers hold very tight to their children.” etc. Außerdem ist laut und deutlich bei manchen Kindern zu hören, was oder wen sie vermissen, oder was sie schrecklich finden. "Otousan ga … " usw. Wenn ich noch gut Japanisch könnte, wüsste ich es auch genauer. ^^ Aber soviel habe ich rausgehört.

@Poppstar
Streichesendungen sind doch auch eine Show, oder nicht? :smt017 Mit Show meinte ich einfach u.a. Sendungen, die auf Belustigung abzielen :3

Dann habe ich also behauptet dass du behauptet hast, das ich es behauptet habe? x3

Bezüglich den Todeszahlen:
Man kann ja darüber berichten, wenn eine Zeit vergangen ist und man einen Überblick über die Katastrophe hat.

Also man muss jetzt sagen, dass zumindest NHK World ziemlich gelassen bleibt. Bislang hatten die nur ein Interview in die die eine weinende Frau gezeigt haben. 2001 war das ja in den USA ganz anders.

Was die nicht haben sind Vergleiche mit Tschernobyl. Das hier ist ein völlig anderer Typ von Störfall. Die Kraftwerke in Japan sind prinzipiell gleich aufgebaut wie unsere. Die haben auch Redundanz, etc. Es bringt halt nicht wirklich viel, wenn durch ein Erdbeben beispielsweise 13 von 13 Dieselgeneratoren ausfallen.

Zur Struktur der Berichte auf NHK World. Die haben jede Stunde eine live produzierte Nachrichtensendung mit einer Länge von 15-30 Minuten. Diese wird in der übrigen Zeit als Endlosschleife gezeigt.

@Hurz:

Es gilt in so einem Fall Fingerspitzengefühl zu beweisen. Die ganze Zeit garnichts zu Opferzahlen zu sagen ist mit Sicherheit genauso falsch, wie alle drei Minuten eine geschätzte Zahl rauszuhauen. Aber eine gewisse Zeit abzuwarten, ist sicherlich richtig, ja, Hurz.

@Casandro:

Vergleiche mit der Berichterstattung vom 11. September ergeben keinen Sinn, würde ich sagen. Die war in hohem Maß politisch und man suchte zurecht nach einem Schuldigen. Die Ungerechtigkeit und Empörung war dann Menschen anzulasten und nicht Mutter Natur. Entsprechend viel Stimmung wurde auch mit dem gezeigten Leid jeder einzelnen betroffenen Person … sagen wir mal “nicht beruhigt”.

Wenn schon ein Vergleich zu Medienberichterstattung, dann zu der von der Indonesienflut 2004.

Beschleicht euch nicht auch das Gefühl, die Medien sehnen sich geradezu nach einer Kernschmelze in Japan? Am besten schön im Livestream übertragen oder besser noch, die halbe Insel versinkt im Ozean. Gibt schön Quote. Siehe auch http://filmrisss.blogspot.com/2011/03/k … -atom.html

Auch bei der Berichterstattung über Ägypten hatte ich das Gefühl dass die Medien einen Bürgerkrieg sich herbeiwünschten (sehr früh wurde von Bürgerkriegsähnlichen Zuständen gesprochen). Zum “Glück” gibt es den jetzt in Libyen.

Ähnliches Gefühl habe ich auch hier. Die AKWs haben schon sehr früh die eigentliche Katastrophe überschattet, eine Katastrophe die möglicherweise 100 000 Menschen forderte und so noch nie da war. Auch die Meldungen waren schon sehr früh in Richtung Kernschmelzung, obwohl man wahrscheinlich jetzt immer noch keine Aussage treffen kann. Es ist ja schon sehr wunderlich, dass die Japaner die Vorfälle gelassener aufnehmen, als im weit entferntem Deutschland.
Darüber hinaus glaube ich, dass es nicht nur den Medien gerade sehr recht kommt.

Zum Thema Kernschmelze:

http://morgsatlarge.wordpress.com/2011/ … -reactors/

RTL ändert sein Programm und zeigt ab 17:45 ein RTL Aktuell Spezial, wo auch mit Reportern vor Ort gesprochen wird.

Teilweise sollen wohl die Übersetzungen des Deutschen Fernsehens von Japanisch nach Deutsch grauenhaft sein und vorallem sinnverfälschend…

Mist, jetzt ist der Gau immer noch nicht in Kraft getreten. Naja, solange noch Häppchen am Rippchen sind…

Ach so und @ FKtvler:
bei N24 läuft jetzt schon seit Anbeginn der Katastrophe mehrmals am Tag (ca. 3/4 stündlich) ein Kurzclip, bei dem die gleiche eindringliche “Katastropheninstrumentalmusik” mit den neusten und schlimmsten Bildern hinterlegt wird. Teilweise auch immer wieder die gleichen Bilder (das Schiff unter der Brücke, die weg gespülten Autos an der Mauer, etc.). Ich sage das nur, weil 6 vor 9 das immerhin bei einem minder schweren Fall aufgegriffen hat http://www.bildblog.de/28714/tim-k-gefe … koso-news/ unter 4.

Wir haben heute im Unterricht eine Aufgenommene Sondersendung vom ZDF geguckt zum Thema “super GAU in Japan”. Ich glaube da wurde in den 60 Minuten 10 Minuten über Japan berichtet, die restlichen 50 Minuten bestanden aus Gesprächen zwischen Politikern die darüber reden inwieweit Deutschland gefährdet ist. Nicht zu vergessen das noch ein paar deutsche Demonstranten mit “Atomkraft nein danke” Plakaten gezeigt wurde.
Ich hab fast das kotzen bekommen und irgendwo bei der Hälfte auf kompletten Durchzug gestellt, von da an war es nicht mehr zu übersehen das da nur Wahlkampf auf kosten der Katastrophe in Japan betrieben wurde.

Aber immerhin wird jetzt wieder eine ernsthafte Diskussion losgetreten. Wobei mal ganz ehrlich: wer von uns versteht das Prinzip der Atomenergie samt Konsequenz denn wirklich? Ich bezweifle, dass Wikipedia hier aushelfen kann.