Unabhängig davon, was man jetzt von der Sendung an sich hält, möchte ich darauf hinweisen, dass hier jedenfalls in Teilen bewusst Falschinformationen verbreitet werden.
Gegen Ende der Sendung (bei ca. 40 Minuten) wird suggeriert, dass Frauen angeblich beim Sex ejakulieren (O-Ton Ann-Marlene Henning: „sprudeln“. bzw. „spritzen“).
Dies wird zusätzlich mit der Bemerkung versehen, dass diese angebliche weibliche Ejakulation in der westlichen Welt tabuisiert und vom Orgasmus unabhängig sei.
Erstere Aussage ist mehr oder weniger direkt vom qualitativ schlechten Wikipedia-Artikel abgeschrieben und hat ansonsten keinerlei Basis:
Diese sexuelle Reaktion unterlag einer medizinischen und gesellschaftlichen Tabuisierung.
Wer soll hier bitte tabuisieren und warum?
Letzteres steht wiederum im direkten Gegensatz zum Artikel.
Als weibliche Ejakulation wird bei der Frau das stoßweise Freisetzen eines Sekrets auf dem Höhepunkt der sexuellen Erregung bezeichnet, das mit einem intensiven Lusterlebnis verbunden ist.
Was denn nun? Steht die Ejakulation mit dem Orgasmus im Zusammenhang - wie man es erwarten würde - oder nicht?
Die Wahrheit ist letztlich, dass es so etwas wie eine „weibliche Ejakulation“ im Sinne eines „Abspritzens“ nicht gibt. Es ist ein hauptsächlich durch die Pornoindustrie hochgehypter Mythos, der zunehmend ein falsches Bild vom weiblichen Orgasmus vermittelt.
Alle qualitativ ernstzunehmenden Studien zur „weiblichen Ejakulation“ zeigen, dass es sich bei diesen Flüssigkeitsabgängen lediglich um Urin handelt, der im Rahmen koitaler Inkontinenz (einem wissenschaftlich gut untersuchten Phänomen) abgegeben wird.
http://www.ejhs.org/volume4/Schubach/abstract.html
Ich habe dies im auf die Sendung folgenden Live-Chat angesprochen, die Antwort fiel leider dürftig aus:
Deadhorse:
Sehr geehrte Frau Henning, die Ausführungen zur weiblichen Ejakulation ab Minute 40 in der Dokumentation sind leider anatomisch nicht korrekt. Alle qualitativ ernstzunehmenden Studien (insbesondere Salama et al. 2015) dazu haben bisher gezeigt, dasss es sich bei der abgegebenen Flüssigkeit um Urin handelt. Wird hier nicht ein falsches Bild weiblicher Sexualität samt Erwartungshaltung vermittelt? Was sagen sie dazu?Chat IconAnn-Marlene Henning:
Oh, ja es gibt immer Untersuchungen, die andere Dinge belegen. Also auch die, die besagen, dass die Flüssigkeit über die in der Sendung gesprochen wird in jedem Fall Prostataflüssigkeit enthält … und manchmal zusätzlich etwas Urin. Ich empfehle das Buch von deborah Sundahl: Weibliche Ejakulation und der G-Punkt … für die, die mehr wissen wollen!
Dazu ist zu sagen, dass Deborah Sundahl keine Wissenschaftlerin, sondern lediglich eine selbsternannte „Sexologin“ mit stark feministischem Einschlag ist, deren Ausführungen zum G-Punkt von Wissenschaftlern ebenfalls nicht gestützt werden.
Ein Blick auf die Website ( http://isismedia.org/ ) zeigt, dass es sich hier bestenfalls um eine Esoterikerin handelt, die in erster Linie Geld verdienen möchte.
Hennings halbgare Antworten setzen sich im Chat entsprechend fort:
Gast350 (Gast):
Ich hab eine Frage: Meine Freundin wird immer überfreucht - zu feucht, so dass lecken bspw. unmöglich wird… - was kann man da machen?Chat IconAnn-Marlene Henning:
Es hört sich an, als ob deine Freund schon eine sehr lebendige Prostata hat! Kann es sein, dass ihr, bevor du leckst schon viel gefingert hast? Dann füllt sich nämlcih die Prostata mit Flüssigkeit und kann schon mal anfangen zu tröpfeln. Und sowieso keine Bange, das Feuchte ist ja nicht giftigUnd Handtuch parat haben. Immer wieder mal ein wenig trocken halten. Man muss sich nur zu helfen wissen und dabei kreativ sein.
Auch diese Antwort beinhaltet wieder anatomisch nicht korrektes Halbwissen. Laut den sonographischen Untersuchungen in der verlinkten Studie (Nature and origin of "squirting" in female sexuality - PubMed) füllt sich dort keine „weibliche Prostata“ mit irgendeiner dubiosen Flüssigkeit. Was sich füllt, ist die Harnblase, und zwar mit Urin.
Von einer selbsternannten Sexologin und von unseren Gebührengeldern finanzierten Expertin hätte ich hier deutlich differenziertere Aussagen und mehr Fachwissen erwartet.