Keine Masturbation: sexualfeindliche Reaktion oder Weg aus der Abstumpfung?

Liebes Forum,

nach meinen beliebten Threads “Prostitution in Deutschland verbieten?”, “Steuern auf kalorienreiche Lebensmittel?” sowie “Darstellung von Frauen in Computerspielen” bin ich heute angetreten, um euch auch noch die letzte Freude zu nehmen und ich sage euch: Pronographie ist schlecht. Sie zerstört euch innerlich und macht euch traurig und schlapp. Hört auf damit oder fangt gar nicht erst an.

Spaß beiseite, ich möchte eine Internet-Community vorstellen, die es sich zum Ziel gemacht haben, nicht mehr zu masturbieren. In Kurzform lautet die These: Pornos stumpfen einen sexuell ab. Mit Pornos kann man ein kleines Hormonfeuerwerk abfeuern, insbesondere des Glückshormons Dopamin, allerdings sei der Gewöhnungseffekt sehr hoch, weshalb viele bald immer neue Filme bräuchten mit immer “besseren” Darstellern und immer heftigeren Szenarien, um dieselbe Wirkung zu erzielen. Was viele dann auch täten - der unendlichen Quelle Internet-Pornografie sei dank. In der Folge gewöhne sich das Gehirn an enorme Mengen Dopamin mit der fatalen Folge, dass alltägliche Glückserlebnisse weniger intensiv wären und damit auch weniger motivieren. In den Augen dieser Community ist Pornografie ein kostenlos unendliches Rauschmittel mit allen sich daraus ergebenden Gefahren. Helfen soll es, sich von Pornos fernzuhalten um einen Entwöhnungsprozess zu starten, einen “Reboot”. Am schnellsten gehe dies, wenn man dabei gleichzeitig auf Masturbation verzichte.

Die sind auf Reddit unter dem Thema “NoFap” unterwegs. Ein Autor hat den Selbstversuch gemacht: http://www.welt.de/kultur/article138243178/Weniger-Masturbation-wagen.html

Was haltet ihr von der Sache? Ich habe dort ein wenig rumgesurft. Während an der oben beschrieben These vielleicht etwas dran ist (ich glaube in der Tat an einen Gewöhungs- und Abstumpfungseffekt durch Internet-Pornografie), wittere ich andererseits die sexualfeindliche Reaktion auf die sexuelle Befreiung in modernem Gewand. Erstaunlich finde ich die vielen Selbsthilfe-Threads dort über Motivation, Erfolg und so weiter. Also irgendwas scheint der Entzug mit den Leuten schon zu machen. Aus vielen Postings lese ich eine Aufbruchsstimmung heraus - aber gerade das könnte auch ein Hinweis auf einen großen amerikanischen Einfluss sein (gerade auch diese 90 Tage sind in der amerikanischen Ratgeber-Literatur häufig der angegebene Zeitraum für eine Veränderung). Und in den USA steht man dem Thema Sexualität bekanntlich noch immer in manchen Teilen kritischer gegenüber als in Deutschland. Was meint ihr? To fap or not to fap?

Also, erst einmal möchte ich sagen, dass ich nicht glaube, dass Pornos abstumpfen.
Ich glaube aber, dass sie in ihrer “härter, abartiger, besser”-Mentalität durchaus einen Einfluss auf die Sexualität Jugendlicher nehmen können und so den Unterschied zwischen Sexualität und Sex (ihr wisst schon) aufheben.

Dieser Auswuchs, den du da vorstellst, überrascht mich keineswegs.
Viele junge Menschen haben durch das Internet eine einfache Möglichkeit, ihre soziale Gestörtheit zu kultivieren.
Man kann möglichst anonym sehr frei vielerlei Wege gehen und sieht sich niemals mit echten Menschen in einer vis-a-vis Situation konfrontiert. Man kann überhaupt keine echte soziale Kommunkation erlernen. Das hat Einsamkeit über viele Jahre zufolge. Gerade junge Menschen, die ja gerne Dinge erleben und ausprobieren möchten, bekommen so einen Einsamkeitsschock, der sich zur Einsamkeitsstarre entwickelt.

Was man sagen kann, ist, dass Pornos nicht nahrhafter sind als Sex mit Prostituierten.
Da der Mensch ein Wesen ist, das nach Sicherheiten strebt, wird er zwangsläufig mit einem Konflikt in Berührung kommen.
Beziehungen geben Sicherheiten, sind gut für das Selbstwertgefühl und noch viel wichtiger, sind stark an der Reifung (und Zerstörung) der Persönlichkeit beteiligt. Wenn diese Aspekte vollkommen oder dauerhaft ausbleiben, entsteht ein Loch, welches man kurzzeitig mit Pornos oder Prostitution füllen kann. Dauerhaft ist das allerdings verheerend.

Jeder, der hier schon einmal intensiv geliebt hat, kennt den Unterschied zwischen Sex und Sexualität.
Die Intimität mit einer Person, die man nahezu vergöttert, lässt eine Art religiöse Erfahrung erlebbar machen.
Sexualität ist wie eine Brücke zu sehen, die die Getrenntheit zweier Menschen zumindest scheinbar auflöst und ein kurze, symbiotische Tranzendenz gewährt.

Auch weniger romantisch betrachtet sollte jeder wissen, was ich sagen will.

Diese Dinge fehlen einfach und mit jedem kurzen “Vergüngen” wird dies einem bewusst.
Es gibt viele Menschen (inkl. mir), die sich nach einem One-Night-Stand unglaublich einsam und leer fühlen.
Das Danach lässt einen die innere Leere nur umso deutlicher erkennen. Eine Weile kann man das unterdrücken und wie narkotisiert den Barny Stinson spielen. Aber im Grunde sind wir Menschen gerade in der westlichen Gesellschaft doch stark von einer romantischen Vorstellung geprägt.

Diese Bewegung ist weder lächerlich, noch sexualfeindlich. Ich halte diese Idee für eine logische Konsequenz der Vereinsamung innerhalb unserer Gesellschaften.

Solange sie nicht zu Verboten führt und in einem Fanatismus endet, wie es beim Feminismus zu beobachten ist, ist es vielleicht einfach nur das ausprobieren von Strategien, um aus einer Misere herauszukommen, die man gar nicht richtig ergründen kann.
Wenn viele Menschen diese Probleme haben, dass sie sich von Pornos abgestumpft fühlen, dann sollen sie sich ruhig moralisch unterstützen dürfen. Man muss diese Gefühle ernstnehmen.

Ich glaube auch, dass zu viel Pornographie gerade jungen Menschen nicht gut tut. Wenn man sich den durchschnittlichen Porno ansieht, werden da “wertlose Drecksnutten” in ihre “Mundfotze” gefickt etc., ich glaube, dass es einem das Frauen- und Menschenbild dauerhaft zusammenschießen kann, wenn man schon als Präpubertärer anfängt, sich solche Filmchen anzusehen (abgesehen davon wird wohl die erste richtige Freundin nicht begeistert sein, wenn man Bukkake, Creampie und sonstige in Pornos alltägliche Praktiken im echten Leben umsetzen will). Ich persönlich bin froh, dass ich nicht wirklich mit Pornos aufgewachsen bin und generell damit wenig anfangen kann, v.a. aus den Gründen, die DeeperSight hier schon sehr schön erläutert hat.
Aber diese No-Fap-Leute übertreiben teilweise extrem, hier wird Masturbation für jedes Zipperlein und jedes Problem im Leben verantwortlich gemacht, gleichzeitig wird wirklich psychisch kranken Menschen eingeredet, dass sie ihre Probleme selbst verschuldet haben, weil sie angefangen haben, sich Pornos anzusehen (die meisten psychischen Störungen brechen halt in der Pubertät erst richtig durch, und gleichzeitig fängt jeder an, sich in diesem Alter Pornos anzusehen, aber das reicht halt mMn nicht für einen kausalen Zusammenhang). Ich denke, man muss ein gesundes Mittelmaß finden, zu viele Pornos tun sicher nicht gut und stumpfen einen wohl dauerhaft in seiner Sexualität ab (wieso sollte einen die nackte Freundin erregen, wenn man tausende viel attraktivere nackte Frauen auf der Festplatte gespeichert hat?),aber man sollte nicht in eine totale Sexualfeindlichkeit abrutschen und seinen gesunden und normalen Sexualdrang für alle Probleme im Leben verantwortlich machen (hier stehen die Fapstronauts fundamentalistischen Christen teilweise in nichts nach).

Muss jeder selbst wissen, wissenschaftlich geht man eigentlich davon aus, das kein Schaden durch Pornografie entsteht. http://www.huchmedien.de/expertisen/expertise_pornographie.pdf

Ich persönlich kann nur sagen, dass ich jahrelang (irrig) davon ausgegangen bin, einen kleinen Penis zu besitzen, weil ich dachte, das Pornografie unrealistische Archetypen in mir festgepflanzt haben. Dann viel mir auf, dass das Idealbild vom unrealistisch großen Penis ein allgemeingesellschaftlicher Archetyp ist und nur durch Pornografie selektiv ausgestaltet wird. Pornografie trägt dabei denke ich (in Übereinstimmung mit der Sexualwissenschaft) wenig bei.

In der Antike zum Beispiel war ein kleiner Penis das Ideal (große Penes galten als dämonisch), und so sahen auch die Aktdarstellungen aus. Das wurde in der Renaissance fortgesetzt. Versaut wurde dadurch auch vermutlich wenige.

Und mit ähnlicher Argumentation haben radikale Christen dann auch vielen antiken Statuen das beste Stück abgehauen. Danke dafür.

[QUOTE=DeeperSight;414564]Also, erst einmal möchte ich sagen, dass ich nicht glaube, dass Pornos abstumpfen.
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Kommt drauf an WAS man sich ankuckt, Hardcore-Pornos oder die Weiber die sich bei Sport1 nach Null Uhr in den Spots für die geilen Nummern selbst befingern, turnen mich eher ab als an, aber hin und wieder ist gegen Erotikfilme meineserachtens nichts einzuwenden.

Aber diese NoFap-Bewegung hat für mich gelinde gesagt, einen Dachschaden, Sex und Pornos als Wurzel allen Übels zu verurteilen. So ein Dünnsinn wie in diesem Artikel hab ich schon lange nicht mehr gelesen, in welchem Jahrhundert leben die denn??

Keine Masturbation? Spätestens bei Sätzen wie “Treppensteigen wird zur Tortur” “Jeder Gedanke an Sex macht mich geil” oder “Ich bekomm schon einen Ständer wenn der Wind bläst”, sollte man hellhörig werden. Wollen die das so weit treiben bis einer seinen Triebstau bei einer fremden Frau im Park oder schlimmer, an einem Kind auslässt? Man kanns aber auch übertreiben, sexuelle Gefühle lassen sich nicht mal eben so abschalten wie ein zu lautes Radio!

Also steht dazu,mach,s dir selbst. :voegsm:

Also den Zusammenhang zwischen Porno-Konsum und Masturbation im Sinne von man darf nicht mehr masturbieren, wenn man von den Pornos wegkommen will, verstehe ich gar nicht. Warum muss man unbedingt Pornos schauen, wenn man seine eigene Lust befriedigen will und niemand da ist, mit dem man den körperlichen Trieben nachgehen kann?

Als ich Jugendlicher war, habe ich häufiger mal Pornos konsumiert. Einfach auch mal aus dem Interesse an Sex heraus. Mittlerweile schaue ich aus verschiedenen Gründen fast gar keine mehr. Allein schon dieses ständige rumgequieke der Damen :roll:. Jede Form von Abhängigkeit ist schlecht, so auch die von Pornografie. Aber das eigene Lustempfinden zu unterdrücken kann doch keine Konsequenz daraus sein.

Im Übrigen soll es gar nicht so gut sein, wenn Mann wenig oder sogar gar nicht ejakuliert, weil dabei nämlich Schadstoffe den Körper verlassen. Sollte man also die Masturbation einstellen und auch sonst keinen Sex haben, könnte sich laut einer Studie zufolge die Wahrscheinlichkeit an Prostatakrebs zu erkranken erhöhen.

Triebbefriedigung gehört nun mal zu unserer Natur. Das ist nichts Schlimmes. Und es geht auch wunderbar ohne Schmuddelfilme, wenn man allein ist (oder die Freundin keine Lust hat ;)).

[QUOTE=schessman;414635]Also den Zusammenhang zwischen Porno-Konsum und Masturbation im Sinne von man darf nicht mehr masturbieren, wenn man von den Pornos wegkommen will, verstehe ich gar nicht. Warum muss man unbedingt Pornos schauen, wenn man seine eigene Lust befriedigen will und niemand da ist, mit dem man den körperlichen Trieben nachgehen kann?[/QUOTE]

ich sehe da zwei, bzw. eigentlich drei Argumentationslinien. Die eine ist, dass auch Masturbation ohne Pornografie Dopamin ausschütte und dass dies dem Erholungsprozess abträglich sei. Das überzeugt mich aber hinten und vorne nicht, weil ja gerade die moderne Pornografie das Übel sei. Auch die kommen nicht an der Tatsache vorbei, dass Masturbation an sich etwas völlig Natürliches ist.
Zweitens scheint für viele Masturbation sehr wohl Pornografie zu bedeuten. Ich kann das ehrlich gesagt nicht beurteilen, weil ich damit nicht aufgewachsen bin. Aber wenn man an Leute denkt, die mit 10 oder 12 mit Porno-Konsum angefangen haben (und das scheint es wohl leider zu geben), ist da vielleicht schon ein wahrer Kern.
Eine ganz andere Argumentation sind die auf Reddit ständig beschrieben “Superpowers”, die man erhalte, wenn der Trieb im Körper verbleibt. Da gibt es so eine Studie, die in dem Artikel auch erwähnt wird: bei völligem Verzicht auf Orgasmen steigt der Testosteronspiegel am siebten Tag deutlich. Naja, wenns halt so ist. Ich bin dem aus persönlicher Erfahrung nicht abgeneigt, weil ich als Jugendlicher aus organisatorischen Gründen (so nenne ich es mal) eine Zeitlang nicht dazu gekommen bin und da habe ich mich so gefühlt, wie man es anhand dieser Studie erwarten würde. Wuschig, voller Tatendrang und großartig, teilweise aber auch hibbelig. Vielleicht sollte ich auch mal so ein Experiment starten :mrgreen:

[QUOTE=TV-Dragon;414631] Wollen die das so weit treiben bis einer seinen Triebstau bei einer fremden Frau im Park oder schlimmer, an einem Kind auslässt? Man kanns aber auch übertreiben, sexuelle Gefühle lassen sich nicht mal eben so abschalten wie ein zu lautes Radio![/QUOTE]
das halte ich für ausgeschlossen. Sexualstraftaten haben eigentlich wenig bis nichts mit Notgeilheit zu tun, sondern sind eine Form von Gewalt. Deshalb spricht man ja auch von sexualisierter Gewalt. Und wenn jemand es gar nicht mehr aushält würde ein normaler Mensch wahrscheinlich hastig die nächste Toilette suchen und das “Experiment” abbrechen. Ne, also das kann ich mir nicht vorstellen. Alice Schwarzer würde wahrscheinlich sagen, dass die Vergewaltigungen dadurch eher abnehmen, weil Pornos ja ein schlechtes Frauenbild vermitteln und brutalen Sex verherrlichen…