Früher gabs aufm Rummel immer Freakshows…heute läuft das Pack frei rum…
(Ich weiß, sehr überspitzt…)
Es mag dem ein oder anderen lächerlich erscheinen, aber ich möchte diese alten „Freakshows“ doch gegen diesen Vergleich verteidigen.
In der Zeit, da es solche Freakshows gab, haben sie Menschen die Möglichkeit gegeben, mit ihrer Andersartigkeit ein Leben zu bestreiten. Ein weitgehend selbstständiges Leben, das - wie im Grunde bei jedem anderen Menschen (nur da nicht aufgrund körperlicher Merkmale) - auf der einen Seite auf Abscheu, aber auch auf positiver Bewunderung, bis hin zu Respekt Anderer fußte. Was wäre denn aus den Johnny Ecks, aus Lionel, dem Löwenmenschen, aus Schlitzie, den einige noch aus alten Filmen kennen, aus den siamesischen Zwillingen wie Daisy und Violet Hilton geworden, ohne die Möglichkeit, ins Showbusiness einzusteigen? Also in einer Zeit wie heute, mit „Antidiskriminierungsgesetzen“, die eine Zurschaustellung auch gesellschaftlich schwierig bis unmöglich machen? Sie hätten ein isoliertes Leben geführt, begleitet einzig von dem Mitleid einer Umgebung, die sie für minderbemittelt und unfähig hält, um irgendwann in einem Pflegeheim zu sterben. Aber über jene Freakshows haben alle Genannten eine Form von Karriere gemacht, die sie - wegen ihrer Behinderung, nicht trotz! - zu weitesgehend unabhängigen Menschen gemacht hat, die sich ihren Lebensunterhalt und gleichsam auch etwas Respekt verdienen konnten.
Alle diese Leute wurden als Attraktion, als etwas Besonderes vorgeführt - nicht in dem Sinne, wie man heute „vorführen“ versteht. Sie wurden nicht als minderbemittelt oder unwert dargestellt, das Gegenteil war der Fall. Und sie wurden niemals in Shows gezeigt, in denen es darum ging, den Zuschauer bewusst intellektuell zu beleidigen, so wie es heute geschieht.
Das was heute stattfindet ist, dass dumme angepasste Normalos versuchen, sich medial zu etablieren, indem sie den Trends hinterherlaufen. Eine reiche Skandalnudel à la Paris Hilton lässt sich ganz gut verkaufen, und hilft, das Programm zu füllen. Ich persönlich vermute dahinter keinerlei tiefgehenden Grund; ich glaube, dass die Häufigkeit des negativen Vorführprogramms im Laufe der letzten Jahre einzig den Grund hat, dass es billig produziertes Fernsehen ist, das vielleicht auch akzeptable Quote generiert. Was glaubt Ihr bekommt ein Florian Stöhr für einen solchen Bericht? Oder eine „Angie Katze“, ob auch immer dieser Name richtig oder falsch ist? 200, 300 Euro? Vielleicht sogar 500, wie die Leute, die im Pseudo-Reality-Fernsehen auftreten? Jedenfalls bekommen sie nicht so viel, wie Moderatoren und Journalisten für ein qualitativ hochwertiges Programm bekommen. Es ist billige Sendezeit und als solche ökonomisch vertretbar - und über die ökonomische Vertretbarkeit geht in den Sendestuben dieser Tage überhaupt nichts. Alles muss im Rahmen bleiben. Und wenn ich mehr als 90% an Programmausgaben spare, dafür Einbußen von ca. 20% Quote, und damit Werbekunden, gegenüber gut gemachtem Fernsehen habe, dann liegt dies mehr als im Rahmen des Vertretbaren.
Ich befürchte, dass anders in den Sendestuben nicht gedacht wird. Das Resultat ist auch hier wieder eine Gesellschaft, die irgendwann durch diesen ganzen Dreck assimiliert wird, und - alleine schon aufgrund des Opportunismus, der dem Menschen zu Eigen ist - glaubt, er müsse sich so aufführen wie diese beiden Kinder, um „beliebt“ und „wichtig“ zu sein. Traurig genug.