Kürzlich trat der Hypnotiseur Wolfgang Künze wieder bei STERN TV aus. Aus meiner Sicht ein Fiasko.
Nachsehen kann man das Ganze hier, etwa ab Min. 34:
https://www. youtube.com/watch?v=VnKQh0MLTIg (Weil ich nicht weiß, ob der Upload legal ist, habe ich den Link mal durch ein Leerzeichen deaktiviert.)
Künzel war bei FK-TV ja schon in der Vergangenheit ein Thema, weswegen er sogar erfolglos Strafanzeige gegen Holger gestellt hatte.
Es ist hier nicht der Platz, alle Missverständnisse auszuräumen - das würde zu lange dauern. Hier sei nur das Wichtigste gesagt:
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Anders, als es suggeriert wurde, hat ein Hypnotiseur wie Künzel natürlich keine übersinnlichen Fähigkeiten. (O-Ton STERN TV: “Dieser Mann hat unglaubliche Fähigkeiten!”) Zumindest braucht man für die Hypnose solche mysteriösen Kräfte nicht (wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann). Tatsächlich haben Experimente gezeigt, dass selbst Tonträger hypnotisieren können. Und bei einer standardisierten Hypnose (mit vorgegebenem Text) sind sie sogar so gut wie lebendige Hypnotiseure (in einer flexibleren Situation wird ein guter Hypnotiseur natürlich im Schnitt erfolgreicher sein).
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Künzels Hypnoseeinleitung beruht natürlich - auch wenn er das behauptet und vielleicht auch selbst glaubt - nicht auf Gedankenkraft, Telepathie oder irgendwelchen “morphogenetischen Feldern”. Vielmehr beruht sie (wie übrigens jede Hypnose) schlicht und einfach auf expliziten oder impliziten Suggestionen: Der Proband erwartet, dass er jetzt gleich “in Trance fallen” wird, während Künzel ihn anschaut, und er ist damit einverstanden - also tut er es dann irgendwann. Daran ist nichts “Mysteriöses” oder “Übernatürliches”. (Anders als STERN TV das nahelegt ist natürlich auch an Künzels Blick nichts “Magisches” oder “Außergewöhnliches”.)
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Künzel behauptet immer gerne, er könne Menschen durch Hypnose zu Dingen bringen, die sie sonst nie tun würden. Seine Masche ist dabei sehr einfach: Er befiehlt seinen “Subjekten”, irgendwelche - dem Anschein nach - selbstschädigenden, antisozialen und kriminellen Taten zu begehen. Beispielsweise hat er einem Probanden befohlen, mit einer (natürlich entladenen) Waffe auf eine andere Person zu “schießen”, nachdem er ihr suggeriert hatte, dass diese andere Person ein gefährlicher Löwe sei. Aus dem Erfolg solcher Experimente leitet Künzel dann ab, dass er die Menschen mit Hypnose zu allem bringen könne. Und gerne tut er so, als würde er damit die allgemeine “Lehrmeinung” widerlegen.
Dass Versuche dieser Art funktionieren, ist indes ein uralter Hut und auch der Hypnoseforschung längst bekannt. Was Künzel aber offenbar nicht weiß: Dieselben Versuche funktionieren auch mit “wachen” Personen, und zwar genau so gut. Und der Grund ist offenbar, dass die Leute durchaus erkennen, dass sie es mit einem geschützten Experiment zu tun haben. Das ist eigentlich spätestens seit den entsprechenden Versuchen von Orne und Evans, die 1965 publiziert wurden, bekannt, und wurde von den nachfolgenden Forschungen bestätigt. Anders gesagt: Künzels Experimente sind so abgedroschen wie invalide.
Auch Künzels Argument, dass man mittels Hypnose die Realitätswahrnehmung einer Person verändern und sie so indirekt zu Verbrechen anstiften kann (der Mensch, auf den man schießen soll, wird als gefährliches Raubtier wahrgenomen), überzeugt aus verschiedenen theoretischen wie empirischen Gründen nicht. Offensichtlich können auch “tief Hypnotisierte” zumindest unterbewusst Illusion und Realität unterscheiden, und “direkte” Befehle sind gleichermaßen wirkungsvoll. (Dazu und zu anderen Aspekten des Thema möchte ich auf den Blog-Artikel “Hypnose-Verbrechen” hinweisen, da das sonst den Rahmen sprengen würde.)
Entsprechende Kritik scheint Künzel jedoch nicht zu begreifen; mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass er sich je mit ihr auseinandergesetzt hätte. Stattdessen spricht er allen Leuten mit abweichender Meinung ihre Integrität und/oder Kompetenz ab:
[I]“Um es gleich klarzustellen: Man kann einen hypnotisierten Menschen zu allem bringen!
Auch zu Dingen, die er im ’normalen‘ Zustand nie tun würde! Wer das Gegenteil behauptet, hat keine Ahnung, oder er lügt bewusst. Beides ist verwerflich!” [/I]
Künzel verbreitet also ohne jede sachliche Grundlage (gerne auch mithilfe des Fernsehens) Ängste und Missverständnisse zur Hypnose und leistet unsinnigen Allmachtsphantasien Vorschub. Tatsächlich scheint es deutschlandweit (wenn nicht weltweit) keinen zweiten Hypnotiseur zu geben, der so sehr auf das Thema “Missbrauchsmöglichkeiten der Hypnose” fixiert ist wie Herr Künzel. Offiziell geht es ihm natürlich nur darum, die Öffentlichkeit zu warnen. (Auch bei der RTL-Show “Schau mir in die Augen - Promis unter Hypnose” wurde mal wieder der Eindruck vermittelt, dass der Hypnotisierte dem Hypnotiseur beliebig ausgeliefert sei; dies war aber wohl mehr die Schuld von RTL als die des Hypnotiseurs dort.)
Zugute kommt Künzel dabei, dass viele Anwender der Hypnose (und das schließt leider oft auch Psychologen und Ärzte mit ein) keine genaueren Kenntnisse über dieses Spezialthema besitzen. Sie haben zwar gehört, dass man Hypnotisierte nicht zu Dingen bringen könne, die sie sonst nie täten; was das aber wirklich heißt, wie man darauf kommt und wie diese Aussage mit Versuchen zu vereinbaren ist, bei denen Hypnotisierte dem Anschein nach kriminelle oder selbstschädigende Taten begehen, wird oft nicht gelehrt. (Der von STERN TV interviewte Psychologie-Professor und Hypnose-Forscher Wolfgang Miltner hätte Künzels Behauptungen und “Argumente” zweifellos auch gerade rücken können, bekam dazu aber offenbar keine Gelegenheit.)
Es gibt natürlich auch gute Reportagen zur Hypnose. Aber hier hat man die Hypnose wieder einmal mehr in einer sehr fragwürdigen Weise dargestellt.