Hart aber Fair über Kommerz-Fußball

Die jüngste Folge von Hart aber Fair diskutiert über Kommerz im Fußball ähnlich wie vor einigen Jahren über Killerspiele. Hanebüchene Simplifizierungen, nervtötend oberflächliche Kritik, Fußballfans kommen nur in Einspielern zu Wort. Dazu Schleichwerbung seitens Plasberg, der die Biermarke ja wirklich nicht nochmal erwähnen wollte.

Ich weiß, man sollte Hart aber Fair einfach ignorieren, aber alle Jubeljahre guck ich dann wieder eine Sendung und es ist ein einziges Ärgernis. Diese Folge bietet sicherlich genügend Material für einige Fremdscham-triggernde “Kurz kommentiert”-Einspieler.

Zuschauerzahlenmäßg war die gestrige Sendung ein Erfolg.
Die bisher beste Quote des Jahres.

Was vielleicht dem Relegationsspiel vorher mit 6,39 Mio. zu verdanken ist.

Kannst du das noch etwas ausformulieren bzw. kurz zusammenfassen, was genau dir an der Sendung nicht gepasst hat? Nicht jeder wird vom selben Erfahrungsstand diese Sendung rezipiert haben. Ist es nur in deinen Augen simplifiziert oder kann man sachlich festhalten, dass dort irgendwo unzulässige Verallgemeinerungen stattgefunden haben? Gerade für Nicht-Fußballfans wie mich würde dies den Diskussionseinstieg deutlich erleichtern :slight_smile:

Ich schreib mal aus meiner Erinnerung ein paar Aspekte, die mir noch im Gedächtnis blieben. War aber noch einiges mehr.

Marcel Reif erklärt das amerikanische Draft-System (schwächster Verein wählt sich den besten Rookie für die nächste Saison), um mehr Spannung ins Spiel zu bringen. Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass dadurch die Bindung vom Spieler zum Verein noch mehr verloren geht (da er ja in 99% der Fälle nicht beim Ausbilderverein bleiben kann), sowie natürlich zahlreiche andere Probleme und Gründe, warum das nicht helfen, bzw. den Fußball nur noch kommerzieller machen würde.

Edmund Stoiber sagt in einem Halbsatz, dass sich der FC Bayern gegen eine Einführung einer europäischen Superliga (in der die besten Vereine Europas zusammenspielen, ohne in der heimischen Liga anzutreten) ausgesprochen habe und dadurch die Bundesliga gerettet habe. Dem wird nicht widersprochen und es wird darüber nicht diskutiert. Man kann hier unterschiedlicher Ansicht sein, aber aus meiner Fan-Sicht würde eine solche Liga, die die “Geldsack-Clubs” aus den Ligen entfernt, GERADE die nationalen Ligen wie die Bundesliga stärken und den Wettbewerb ausgleichen. Ich bin mir sicher, dass die zahlreichen Fans von Clubs wie Gladbach, Köln, Bremen, Hamburg oder Frankfurt (die höchstwahrscheinlich weiterhin in der Bundesliga blieben) für gute Einnahmen und somit für eine solide Grundlage nationalen Fußballs sorgen würden - gleichzeitig stünde ohne Bayern, Dortmund und Leipzig der Meister nicht fest. Man könnte endlich die nationalen Fernsehgelder besser verteilen; evtl. würden die Übertragungsrechte ohne BVB & Bayern auch günstiger und der Bundesliga-Fußball käme zurück ins FreeTV. Alles Punkte, wo man mir widersprechen mag und keine Seite kann beweisen, dass sie richtig liegt - aber auch alles Punkte, die für die Gesprächsrunde offenbar nicht auf den Tisch gebracht werden sollten.

Helene Fischers Auftritt beim Pokalfinale wird kurz angeschnitten. Dabei kommt inhaltlich gar nichts raus - stattdessen wird nochmal erwähnt, wie klasse die ARD Frau Fischer findet.

Für mich persönlich der schlimmste Punkt: Kurz vor Schluss wird noch schnell-schnell ein neues Fass aufgemacht, nämlich der unterklassige Fußball und Amateurfußball. Zum Hintergrund für Nicht-Fans: Die dritten Programme (vor allem der MDR) übertrugen diese Saison regelmäßig Partien der 3. Liga (ab nächster Saison laufen diese im PayTV bei Telekom Entertain; nur vereinzelt kommen sie meines Wissens noch im Öffentlich-Rechtlichen). Zudem gab es am vergangenen Donnerstag eine große Konferenz von 20 Spielen (startete um 12:35 Uhr, ging bis zur Tagesschau um 20:00 Uhr), die die Verbandspokalfinals austrugen. Die Gewinner spielen nächstes Jahr im DFB-Pokal (dem wichtigsten deutschen Fußball-Pokalwettbewerb) mit. Die teilnehmenden Clubs spielen in der 3.-7. Liga. Darunter Klassiker wie Rot-Weiss Essen gegen MSV Duisburg, aber auch “uninteressante” Spiele wie Hausen gegen Rielasingen-Arlen. Diese große Pokalkonferenz gab es letztes Jahr erstmals - ich finde sie super, da Konferenzen mit vielen Spielen (und somit vielen Toren in kurzer Zeit) immer Spaß machen und man so auch mal Vereine sehen kann, die nicht ständig im TV laufen wie Bayern oder Dortmund. So viel zum Hintergrund.

Bei HaF wurden diese Übertragungen scharf kritisiert: “Warum noch mehr Fußball? Und dann noch Spiele, die kaum jemanden interessieren?” - Genau da würde ich einhaken: Gerade DAS sollte Öffentlich-Rechtliches doch übertragen! Amateursport! Der sonst kaum bis nie im Fernsehen stattfindet. Nicht unbedingt nur Fußball, sondern Amateursport allgemein. Ich hab lieber jedes Wochenende ein ausgewähltes Regionalliga-Match für wenig Kosten in der ARD als die teure WM oder EM, die andernfalls auch ein anderer Sender wie RTL zeigen würde. Im Kontext der großen Turniere wird immer viel rumgelabert, wie wichtig der Amateursport sei - da kritisiert ihn doch nicht, wenn er an EINEM Tag im Jahr in der ARD stattfindet!

Das ist erstmal so das Wichtigste. Für fast alle Aspekte gilt: Es ist okay, wenn die dargestellte Meinung die Mehrheit bildet, aber es ist nicht okay, dass (gute!) Gegenargumente gar nicht stattfinden und dem einfachen “Casual Fußballfan” alles als alternativlos verkauft wird.

Das Draftsystem widerspricht dem EU-Recht der freien Arbeitsplatzwahl. Das wird es niemals geben. Ebenso wenig wie Salary Caps und andere Ideen aus dem US-Sport, die in letzter Zeit durch die Diskussionen geistern.

Stoiber ist natürlich förderndes Mitglied des FC Bayern und nimmt es deshalb mit der Wahrheit nicht so genau. Allen voran Rummenigge droht doch alle Nase lang mit der Europaliga, wenn er Druck auf die DFL ausüben will.

Dass die Bundesliga von einem Abzug des FC Bayern in eine solche Liga profieren würde, wage ich zu bezweifeln. Dem Meister, der in einer solchen Liga ausgespielt würde, hinge immer der Makel an, lediglich “best of the rest” zu sein.

Beim Tag der Amateure stimme ich Dir im Grunde zu, jedoch waren einige Spiele für den neutralen Zuschauer völlig uninteressant, weil schon vor dem Spiel feststand, dass beide Teams im DFB-Pokal spielen werden. z.B. MSV-RWE.

*edit
Ich sehe gerade, bei 11Freunde ist man über die Sendung nicht amüsiert.

[QUOTE=Greggy;491010]Das Draftsystem widerspricht dem EU-Recht der freien Arbeitsplatzwahl. Das wird es niemals geben. Ebenso wenig wie Salary Caps und andere Ideen aus dem US-Sport, die in letzter Zeit durch die Diskussionen geistern.[/QUOTE]

Es sprechen neben dem EU-Recht aber auch allerlei praktische Gründe dagegen. Wie eben die Frage, was Ausbildervereine davon haben, wie sich Spieler innerhalb von Europa verteilen können, und allerlei mehr. Da es aber völlig unrealistisch in Europa ist, braucht man darauf weder hier, noch in der gestrigen Sendung, näher eingehen.

[QUOTE=Greggy;491010]Dass die Bundesliga von einem Abzug des FC Bayern in eine solche Liga profieren würde, wage ich zu bezweifeln. Dem Meister, der in einer solchen Liga ausgespielt würde, hinge immer der Makel an, lediglich “best of the rest” zu sein.[/QUOTE]

In den letzten zehn Jahren ist es doch kaum anders. Da wird ein 5. Platz von Köln oder ein 3. Platz von Gladbach gefeiert, dass eine Meisterschaft keine größere Party bringen würde. Ich denke, dass eine Euroliga mittelfristig eine “bereinigende” Wirkung hätte, da in 10 Jahren vermutlich auch der letzte Modefan genug hat von den immer gleichen Paarungen der immer gleichen Starspieler und eventuell die Kommerzialisierung mal ausgebremst wird. Genau so hat mich die Champions League seit der Dominanz der Spanier komplett verloren. Wie gesagt: Das ist Ansichtssache und man kann da durchaus anderer Meinung sein - aber dass bei HaF nur eine Seite diskutiert wird und das Thema dann mit einer Handbewegung vom Tisch ist, weil Stoibers Aussagen ja dogmatisch sind, finde ich ziemlich ätzend.

[QUOTE=Greggy;491010]Beim Tag der Amateure stimme ich Dir im Grunde zu, jedoch waren einige Spiele für den neutralen Zuschauer völlig uninteressant, weil schon vor dem Spiel feststand, dass beide Teams im DFB-Pokal spielen werden. z.B. MSV-RWE.[/QUOTE]

Diese Spiele bildeten allerdings die Ausnahme. Die Mehrzahl der Spiele in den 6er/7er-Konferenzen waren in dieser Hinsicht relevant.