Hallo Leute,
Da ich leidenschaftlich gerne Filme gucke und genauso gerne Kritiken dazu schreibe, wollte ich einfach mal einen Teil meines “Archivs” zur Verfügung stellen und ein paar gute Exemplare posten. Je nach Resonanz werde ich dann mehr oder weniger regelmäßige Updates reinstellen. Diskussionen über die Filme sind erwünscht!^^
Ich fange mit dem zuletzt gesehenen Film an (zu dem ich eine Kritik geschrieben habe):
Kick-Ass:
Der Comic war ein wahrer Gipfelstürmer. Er war ungewöhnlich erzählt, ungewöhnlich brutal und mit einer gewissen Moral ausgestattet, was Menschen tun, wenn sie Zeugen von Verbrechen werden. Obwohl er sich stets etwas Humor behielt, war er von der Thematik ein durchaus ernster und anspruchsvoller Comic. Junge Heranwachsende und Minderjährige wurden mit der grausamen Tatsache konfrontiert, dass sie in einer Welt voller Korruption und Verbrechen einen Scheißdreck ausrichten können. Und obwohl die Gewalt regelrecht zelebriert wurde, war sie doch immer fördernd für die eigene Dramaturgie und zeigte in jedem Fall die Verzweiflung derjenigen, die sich selbst für die gute Sache aufopfern. Zivilcourage lautet das Zauberwort und die Moral des ersten Comic-Buches. Selbstjustiz ist nicht die Lösung, sie schafft nur weiteres Leid. Aber absolute Zivilcourage kann einem helfen, ein glücklicherer Mensch zu werden, weil man für das richtige einsteht.
Und nach der Lektüre dieses einzigartigen, nicht perfekten, aber ungemein schockierenden und berührenden Comics waren alle meine vorherigen Erwartungen für den Film weggefegt. Denn wie kann ein Film in seinen Trailern so nach reinem Spaß aussehen und sich dabei selbst nicht wie ein Verräter an der eigenen Vorlage vorkommen?
Meine Erwartungen wurden wie erwartet nicht erfüllt, schlimmer noch, meine schlimmsten Befürchtungen sind eingetreten. Nicht nur, dass der Film als brutal gilt aber nicht mal im Ansatz die grafische Brutalität seiner zeichnerischen Vorlage erreicht, ist er auch noch ein hemmungsloser Trittbrettfahrer, der sich selbst ohne Scham prostituiert, um einer größtmöglichen Masse zu gefallen. Aus einem nachdenklich stimmenden Comic wurde eine langweilige Kackwurst von Comicverfilmung gemacht. Ich mache mir nicht die Mühe, hier die Unterschiede zwischen Comic und Film aufzuzählen, aber sie sind enorm und beeinträchtigen das gesamte Seherlebnis. Ob die an Batman, Sunshine und Ennio Morricone angelehnte Filmmusik, die albernen populistischen Kostüme, oder der gewaltreduzierte Plot, hier wurde überall gestrichen, gekürzt und verändert, um einen angepassten Film für angepasste Leute zu schaffen. Gerade genug Tabubruch, um Gesprächstthema zu sein,aber viel zu wenig Tabubruch, um die Vorlage zu erreichen.
Natürlich hatte ich vor, den Film ohne Ernst zu schauen, aber das war, bevor ich die Comics gelesen habe. Und jetzt kann ich nur dazu sagen, dass es für mich die größte Enttäuschung bisher dieses Jahr war…
2/10 für die halbwegs akzeptable Folterszene
Zur Kritik an sich: Normalerweise schreibe ich mehr und ausführlicher über die Filme, diese hier ist spontan entstanden, weil ich meinem Ärger Ausdruck verleihen musste.^^
Nun etwas ältere:
[spoiler]
Gamer:
Kino unterliegt einem steten Wandel. Kein Genre wird als solches auf festen Sockeln stehen, sondern wird immer wieder von Querdenkern und Kreativen neu definiert. Brian Taylor und Mark Neveldine zählen zu diesen Querdenkern. Und das Genre, das sie neu definieren, ist das Action-Genre. Mit einem herkömmlichen Actionfilm kann ich nicht viel anfangen. Aber die beiden haben schon mit Crank bewiesen, dass sie gar kein Interesse an herkömmlichen Filmen und Herangehensweisen haben, sondern dass sie die „Regeln“ brechen und ausloten wollen. Zurecht. Ihr abgedrehter Stil, ihre kreativen, regelrechten Vulkanausbrüche und ihr rasanter Inszenierungsstil, gilt bereits als „trendig“ und wird eine neue Generation Kinogänger und Filmemacher maßgeblich beeinflussen. Ich hasse es, auf Wellen mitzuschwimmen, aber ich liebe die Ideendichte und künstlerische Vielfalt ihrer Filme. Auch ihr dritter Spielfilm ist wieder so ein wilder Stil-Cocktail geworden, der viele abschrecken wird, aber genauso viele auch in die Kinos locken wird.
Der Programmierer Ken Castle entwickelt eine neue Software und revolutioniert über Nacht den Online-Kommunikationsmarkt und wird in Rekordzeit Milliardär. Sein neuestes Meisterwerk: „Slayers“. In diesem Spiel werden real existierende Menschen in einem Spiel gesteuert, in dem sie sich durch Schlachtfelder kämpfen müssen, um zum Speicherpunkt zu kommen. Schafft es ein Gamer, seinen zu kontrollierenden Slayer 30 Matches überleben zu lassen, erhält die Figur seine Freiheit wieder. Das Programm wird von der Regierung unterstützt und beruht auf der freiwilligen Teilnahme aller Slayer. Sie alle sind Todgeweihte, zum Tode Verurteilte, die nichts mehr zu verlieren haben. Kable ist auch einer von ihnen. 27 Matches hat er bereits bestritten, gelenkt von dem Jugendlichen Simon. Jetzt fehlen ihm nur noch 3 Matches, damit er seine Frau und sein Kind wiedersehen kann. Aber Personen an höchster Stelle wollen verhindern, dass er das Spiel überlebt.
„Crank“ war noch Actionfilm. „Crank 2“ war postmodernes Actionkino, von dem man sich berieseln lassen konnte, ohne viel nachzudenken. „Gamer“ ist jetzt Thriller, Actionfilm und postmodern in einem. Ein wenig anstrengend, aber es funktioniert. Hier wird ein futuristisches Utopia gezeichnet, ein Mischmasch aus Verschwörungstheorie, Wunschdenken und Wirklichkeit. Das ist zwar kein neuer Aufguss, wird aber in einer individuellen, volkommen neuen Form präsentiert. Damit meine ich nicht nur das neue Kamera-System, das verwendet wurde, sondern die Vielfalt an Stilen, mit denen der Film inszeniert wurde. Wenn Kable mit seinem Gewehr durch zerstörte Lagerhallen rennt und andere Menschen erschießt, hat man das Gefühl, tatsächlich in einem Computerspiel zu stecken. Die Szenen in der Online-Welt von „Society“ erinnern an Pop-Art, Die Sims und Second Life, woran es auch deutlich orientiert ist. Lediglich die Szenen in der realen Welt sind im halbwegs „normalen“ Stil gehalten und fallen daher auch nicht so auf, wie der Rest. Und das großartigste steckt wie immer, im Detail. Wenn man das Second-Life-Pendant betrachtet, in dem alles möglich ist, jede Perversion und jeder Fetisch ohne Hemmungen ausgelebt werden kann, während die Personen dahinter unsoziale, bemitleidenswerte Kreaturen sind, die ohne die Online-“Droge“ gar nicht mehr leben können. Wenn man die Gleichgültigkeit sieht, mit der man sich selbst im Internet „verschenkt“, wie leichtsinnig mit den Leben Anderer gespielt wird und was wir für eine Distanz zum echten Leben haben, dann gewinnt „Gamer“ an wirklicher Bedeutung und ist unter seiner unterhaltsamen Fassade Tatsachenbericht und Kritik zugleich. Gekonnt wird der Medienrummel nachinszeniert, der Hype, ohne wirklich zu übertreiben. Als Betrachter fragt man sich, wann es mit uns tatsächlich so weit ist? Die wahren Absichten von Castle kommen zwar erst zuletzt zutage, stellen aber keine wirkliche Überraschung dar, da ja so etwas kommen musste. Leider ist die ungeheure Vielfalt an kreativen Einfällen auch eine Schwäche des Films. Nicht nur, dass man sich sehr schnell an die schnellen Schnitte und die Rasanz vieler Szenen gewöhnt, wodurch die ruhigeren Szenen deutlich abflauen und man unaufmerksam wird, ist auch ein nicht gerade geringes Risiko für Kopfschmerzen nach dem Genuss des Films vorhanden. Eine weitere Schwäche ist das Skript. Die Idee ist toll, die Umsetzung großartig, aber besonders im letzten Drittel lässt der Film zugunsten des Tempos einige wichtige Fragen weg. Wäre man es ein wenig ruhiger angegangen, wäre der Film womöglich länger, ein wenig ruhiger und um einiges logischer. Auch das Ende ist ein wenig idealistisch. Aber das ist das große Problem, bei ihren Filmen. Bei „Crank 2“ war es nicht wirklich wichtig, da der Film selber wie Chev ist: Adrenalin Pur. Die Story gerät in den Hintergrund, es geht nur noch darum, den Zuschauer bei der Stange zu halten und sein Adrenalin so lange wie möglich hochschießen zu lassen. Bei Gamer muss jetzt ein schlüssiges und befriedigendes Ende rein. Und das steht dem Film nicht wirklich gut zu Gesicht. Aber wer „Crank 2“ schon mochte und an experimentellen und visuell herausfordernden Filmen interessiert ist, muss „Gamer“ gesehen haben. Ich persönlich habe mich gut amüsiert und war wieder mal sehr beeindruckt von den Fähigkeiten des Regie-Duos.
Fazit: Ein, besonders durch das Tempo, mehr oder weniger schlüssiger Thriller, der visuell viel experimentiert, aber nie wie ein Experiment aussieht, sondern absolut professionell und anspruchsvoll eine Geschichte erzählt.
8/10
Halloween II:
Rob Zombie ist ein Regisseur, der Gemüter spaltet. Sein Erstlingswerk „Haus der 1000 Leichen“ war ein düsterer Horror-Slasher, der viele seine Genre-Vertreter in Sachen Abartigkeit und Menschenverachtung problemlos schlug. Aus dem kleinen Independentfilm wurde schnell ein Kultstreifen, der heute in keiner Filmsammlung eines Horrorfans fehlen darf. Kein Wunder, dass bald darauf auch ein Sequel herauskam, „The Devil’s Rejects“, in dem uns Rob Zombie ein weiteres mal seine finsteren Visionen von Serienmördern zeigte und außerdem bewies, dass er die einzigartige Atmosphäre auch in eine gute Story packen kann. Keine Ahnung, wer ihn darauf brachte, ein Remake zu „Halloween“ zu drehen, aber er tat es und das Ergebnis konnte sich durchaus sehen lassen. Es war ein richtiger „Zombie“-Film geworden. Die Atmosphäre war einfach klassisch, die Schauspieler sehr gut und der Blutgehalt stimmte. Das alles natürlich nur unter dem Aspekt, dass wir es hier mit einem Slasher-Film zu tun zu haben, die ja eh nicht gerade als Oscar-Kandidaten gehandelt werden. Der erste Film kam gut an und man vertraute Rob Zombie ein Sequel an, „Halloween II“. Vielleicht hat er es wegen dem Geld getan, vielleicht, weil er dazu gedrängt wurde, vielleicht aber auch, weil er selbstständig ein Horrorfranchise ins Leben rufen wollte. Aber der zweite Halloween-Teil ist ohne Leben, ein langweiliger, erbärmlicher Slasher, dem vollkommen zurecht ein Kinorelease in Deutschland entsagt wurde.
Nachdem Laurie am Ende des ersten Teils Michael Myers „getötet“ hat, flieht sie und wird von Sheriff Brackett aufgegabelt und ins Krankenhaus gebracht. Während der Transporter mit Michaels Leiche einen Unfall hat und er flieht, wird Laurie zusammen mit der einzigen anderen Überlebenden, der Tochter des Sheriffs, Annie, im Krankenhaus versorgt. Zwei Jahre später:
Laurie, deren Adoptiveltern von Michael getötet wurden, wurde von Brackett adoptiert und lebt fortan mit ihm und seiner Tochter, Annie zusammen. Aber sie wird von nächtlich wiederkehrenden Albträumen geplagt und kann einfach nicht mit den damaligen Erlebnissen abschließen, trotz diverser Besuche beim Psychologen. Myers währenddessen, läuft durch die Pampa, immer auf der Suche nach Laurie, wie es seine Mutter befiehlt. Dr. Loomis ist mittlerweile eine Art Berühmtheit geworden, der ohne Skrupel die Verbrechen Myers in Buchform verkauft und ihn, natürlich in psychotherapeutischer Mission, dämonisiert und Reden hält, um den Menschen von ihm zu berichten. Der Rest ist Slasher-Geschichte. Michael findet Laurie, tötet alle Menschen um sie herum und in einer seltsam an „Der Exorzist“ erinnernden Szene am Schluss, wird Dr. Loomis vom Saulus zum Paulus bekehrt und versucht, Laurie zu retten, die von Myers in einer Hütte festgehalten wird. Ob Laurie gerettet werden kann, ob Dr. Loomis stirbt und was es mit Michael Myers seltsamen Vorliebe für Laurie auf sich hat, erfahrt ihr im Film.
Lange zwei Stunden geht der Directors Cut des Films, gefühlte 4 Stunden lang ist er tatsächlich. Rob Zombie hat unglaubliche Kacke mit diesem Film gebaut. Vielleicht hat er sich einfach zu große Ansprüche gestellt und kommt jetzt nicht mehr damit zurecht? Im ersten Film wurde gekonnt das Innenleben von Michael Myers porträtiert, erst in der letzten halben Stunde verkam er zum Horrorslasher. Hier dagegen wird man sofort am Anfang mit einer ausgedehnten Krankenhausszene gefoltert, die im Kontext überhaupt keine Bedeutung hat, da sie ja nicht einmal real ist. Rob Zombie scheint, mangels Fähigkeiten, eine weitere psychologische Ebene in den Film hinein zu interpretieren, auf simple Slasher-Methoden zurückzugreifen. Obwohl dem Film ein größeres Budget zur Verfügung stand, als dem ersten, wirkt alles schlechter. Die Schauspieler sind allesamt Laiendarsteller, die nicht einmal ihre peinlich banalen Textpassagen überzeugend rüberbringen können, die Effekte sind mittelmäßig, die Geräusche, die bei den Gewalttaten erklingen sind immer noch das schockierendste daran, und die Atmosphäre ist größtenteils langweilig. Ich sehe Rob Zombies gute Absichten, denn er versucht hier wirklich, aus dem Halloween-Kosmos viel mehr rauszuholen, als tatsächlich drin steckt. Aber damit kann er weder Neuzugänger überzeugen, noch Fans der Originalreihe. Der sogenannte „Plot-Twist“, der bereits in der Filmmitte versteckt ist, wird einfach erbärmlich präsentiert, ein etwas unaufmerksamerer Zuschauer wird ihn gar überhört haben. Es ist nicht uninteressant, so eine Wendung zu nehmen, aber Rob Zombie scheint sich nicht bewusst zu sein, dass er damit auf Dauer „Halloween“ tötet, beziehungsweise Michael Myers. Fans werden ihm jetzt schon auf die Dächer steigen, dass er es gewagt hat, in einen guten alten Slasher soetwas wie „Story“ und „Tiefgang“ hineinzustopfen, wenngleich man herrlich wenig davon in diesem Film merkt. Aber im direkten Vergleich mit anderen Slashern, zeigt Halloween II schon ein wenig Innovation. Erwähnenswert ist noch die äußerst schlechte deutsche Synchronisation, die zwar für einige komische Momente sorgt, aber die Qualität des Films noch mehr runterzieht. Das einzige, was halbwegs funktioniert, sind die Szenen, in denen Myers tötet. Unterlegt mit dem harten Score von Tyler Bates, der sich schon für „300“ verantwortlich zeichnete, konnte ich nicht umhin, ein wenig mit den Opfern mitzufiebern, wohl auch, weil sie sich genretypisch dämlich anstellen. Dennoch beherrscht es Rob Zombie einigermaßen gut, den eigentlichen Helden der Geschichte, Michael, in Szene zu setzen. Positiv stechen auch die surrealen Traumsequenzen hinaus, die den Film zwar von seinem psychologischen Ross runterholen und in eine esotherische Ecke schubsen, aber handwerklich und inszenatorisch am meisten zu überzeugen wissen.
Fazit: Rob Zombie wird keinen weiteren Halloween-Streifen in absehbarer Zeit drehen, das prophezeie ich. Das Sequel ist in jeder Hinsicht schlechter als sein Vorgänger, es scheint fast so, als hätte Zombie selber nicht wirklich Lust dazu gehabt. Ich bin ziemlich enttäuscht, er kann das eigentlich besser. Einen Punkt für eine teilweise gediegene Inszenierung, einen Punkt für die Gewalt.
2/10
13 Tzameti:
“Film Noir” ist ein schwer einzuschätzendes Genre. Für manche als “Thriller”, “Horror”, oder “Action”-Film abgetan, handelt es sich in der Ursprungsvariante des Noir-Film viel mehr um einen intelligenten, pessimistischen Krimi, der sich durch einen zynischen Erzählton und einer farblich passenden Umsetzung vom Hollywood-Kino abgrenzte. Die Optik und Bildkomposition gewann an Bedeutung, die Schauspieler agierten auf einer höheren Ebene, als der der bloßen Darstellung, wodurch die Filme schon fast den Charakter eines Theaterstücks bekamen. Einflüsse erhielt der Film auch aus dem expressionistischen Filmgenre, dass sich schon Jahre zuvor mehr auf einer metaphysischen Ebene abspielte und gekonnt Realität und Virtualität verdrehte. Über die Jahre wurde das sowieso nie eindeutig definierte Filmgenre immer mehr verwässert. Heute werden Thriller wie “Departed - Unter Feinden” als Noir-Film abgetan und auch stlistisch verkrampft, am Noir-Film angelehnte Kunstfilme wie “Sin City” glauben sich dem Genre zugehörig. Nun aber hat Regisseur Géla Babluani einen richtigen Noir-Film gedreht, der eigentlich alles besitzt, was diese Filme damals so besonders machte. Der erste abendfüllende Spielfilm lief auf in Cannes an und erhielt dort größtenteils gute Kritik.
Es geht um den jungen Dachdecker Sèbastien. Seine Familie ist aus Georgien eingewandert, hat es schwer in Frankreich und muss für jeden Euro hart arbeiten. Sèbastien repariert das Dach einer Familie, als er zufällig ein Gespräch belauscht, in dem es um eine große Summe Geld geht. Der Hausherr wartet auf einen wichtigen Brief, durch den er in der Lage sein soll, eine Menge Geld zu verdienen, wenn auch nicht ohne Risiko. Durch eine Überdosis Drogen aber stirbt der Mann und Sèbastien wird der Job gekündigt. Mehr durch Zufall fällt ihm der Brief des verstorbenen Hausmannes in die Hände. Als die hinterbliebene Frau sich weigert, ihm Geld für die bereits investierte Arbeit am Dach zu zahlen, geht Sèbastien das Risiko ein und behält den Brief für sich, in dem sich ein Zugticket, ein wenig Geld und ein Stoffstück mit der Nummer 13 befindet. Nichtsahnend, dass die Polizei ihn bereits verfolgt, geht er allen Anweisungen nach, die er durch ominöse Anrufe und Kontaktpersonen erhält. Noch ist er fest entschlossen, einfach nur das ihm zustehende Geld zu besorgen, um seine arme Familie zu unterstützen. Er wird von einer der Kontaktperson zu einem Treffpunkt gefahren, an dem er gründlich gefilzt wird und anschließend zu dem Haupttreff gefahren wird. Dort haben sich viele vorwiegend alte Geschäftsmänner versammelt, die scheinbar extrem viel Geld auf bestimmte Nummern verwetten. Obwohl sehr schnell auffliegt, dass Sèbastien gar nicht zum Kreis der Verschworenen dazugehört, wird ihm gewährt, bei dem “Spiel” mitzuspielen. Und zwar besitzt jeder der reichen Männer eine Nummer und eine Person, die die Wette austrägt, einem Pferderennen nicht unähnlich. Diese Männer, die alle eine Nummer besitzen, 13 Stück insgesamt an der Zahl, stellen sich in einem Kreis auf und erhalten jeder eine Waffe mit einer Patrone. Nachdem die Trommel gedreht wird, wird der Lauf jeweils an den Hinterkopf des Vordermannes gesetzt. Und wenn die Glühbirne leuchtet, wird abgedrückt. Hineingeworfen in dieses Spiel um Leben und Tod, muss Sèbastien sehen, wie er überlebt.
Die Thematik der dekadenten Reichen, die in ihrer Freizeit hobbymäßig Menschen töten, ist nicht neu. In “Salo - Die 120 Tage von Sodom” sind es machtbesessene Faschisten, die junge Männer und Frauen auf unvorstellbare Art und Weise demütigen und töten. In “Hostel” brachen regelrechte Auktionskriege aus, wenn es darum ging, junge amerikanische Touristen foltern zu dürfen. Nun nimmt sich ein ernst gemeinter Thriller dieser Thematik an und das Ergebnis kann durchaus überzeugen. Stilistisch eng am Noir-Film angelehnt, wurde nur in Schwarz-Weiß gedreht. Dementsprechend wirkt jede Perspektive und Lichteinstellung gleich doppelt kontrastreich und spannend. Aber auch sonst, hält sich der Film sehr eng an stilistische Vorgänger. Die Schauspieler überzeugen nicht durch besonders realistisches Spiel, sondern gewinnen mehr an Faszination durch die Verbindung von Atmosphäre und Komposition im Kamerabild. Dementsprechend fällt es leicht, einen vor Drogen und Adrenalin aufgepeitschten Schiedsrichter trotz des ausufernden Overactings ernstzunehmen. Auch die restlichen Schauspieler gewinnen und verlieren an Stärke mit den wechselnden Einstellungen. Der Film lässt sich viel Zeit, um in Fahrt zu kommen. Aber spätestens, wenn das Spiel beginnt, wird man mitgerissen von der knisternden Spannung, die unverfälscht, musikfrei präsentiert wird. Der Film bleibt stets seinen Vorbildern treu. Keine der Figuren im Film ist zufrieden, oder wird glücklicher. Vielmehr schwebt der Film in einer Stimmung der Deprimiertheit. Auch das Ende ist genretypisch und lässt den Zuschauer mit einem bitteren Nachgeschmack im Mund zurück. Wer ein Zyniker ist, oder auf solche “dunklen” Filme steht, wird bei “13 Tzameti” regelrecht begeistert sein. Dass ich den Film mag, liegt aber vor allem daran, dass mir Filme umso mehr gefallen, je sperriger sie sind. Auch dieser Film erfordert ein wenig Geduld vom Zuschauer, belohnt ihn aber am Ende mit einer klassischen Noir-Story und Atmosphäre. Bitter, deprimiert, einsam, hoffnungslos. Kleines Manko ist lediglich, obwohl für diese Art Film nicht wirklich notwendig, dass die Geschichte nicht für einen Film dieser Länge ausgelegt zu sein scheint. Aber es gibt längere Filme, die noch viel weniger Handlung beinhalten. Interessant ist die Tatsache, dass sich Brad Pitt noch vor der Veröffentlichung die Rechte für ein Remake gesichert hat. Géla Babluani soll, wie schon bei diesem Film das Drehbuch schreiben, will aber das Storygerüst grundlegend ändern. Dann wird aus dem Stoff, der eher für einen Kurzfilm gedacht ist, vielleicht ein richtiger Genre-Streifen. Schauspieler wie Ray Liotta und Mickey Rourke klingen auf den ersten Blick auch ziemlich gut. Trotzdem kann ruhig bezweifelt werden, dass Hollywood einen waschechten Noir-Thriller zustande bringt, der die ungehobelte Spannung des Originals erreicht.
Fazit: Ein langsam anlaufender, aber nachher an Fahrt aufnehmender, intensiver Noir-Thriller, der gekonnt Genre-Muster aufgreift und in eine interessante Kurzgeschichte verwebt.
7/10
Spritztour:
Eine neue Comedy-Ära hat die Welt überrollt. Judd Apatow, Greg Mottola und Seth Rogen sind wahrscheinlich die bekanntesten Namen, die da fallen. Superbad, Adventureland, Jungfra (40), männlich, sucht, Beim ersten mal, usw. sind nur die wichtigsten Namen in dieser Liste neuartiger Komödien. In ihnen tritt Sex immer eine untergeordnete Position an, es geht mehr um Freundschaften und oft stimmen die Filme auch einen leicht sentimentalen Ton an. Die zeiten der American-Pies sind vorbei, die High School-Kids sind keine durchtrainierten Footballer mehr, sondern mehr Nerds, Geeks, die am PC hocken, bis 30 Jungfrau bleiben und zumindest leidlich intelligent sind. Auch Spritztour ist mehr oder weniger ein Vertreter dieser Richtung, wenngleich er sehr viele Parallelen zu American Pie aufweist.
Es geht um den jungfräulichen L-User (haha, versteht ihr den Witz?) Ian, der immer noch Jungfrau ist. Aber er könnte schon in naher Zukunft seine Unschuld verlieren, denn er lernt im Netz die scharfe Schnitte “Ms. Tasty” kennen, die ihn munter einlädt, sie doch einfach mal mit dem heißen Schlitten seines Bruders zu besuchen. Seine beiden Freunde, der Womanizer Lance und die Pseudo-Gothic-Tante Felicia kommen kurzerhand mit. Der Trip führt sie unter anderem zu den Amish, vielen einheimischen Idioten, denen die Klöten aus der Unterhose baumeln und anderen Verrückten.
Es lässt sich schon erahnen, worauf das hinaufläuft. Natürlich verliert er seine Unschuld nicht bei der ominösen Ms. Tasty, sondern wird sich seiner Liebe zu Felicia bewusst. Auch der Muschibeglücker Nr. 1 findet auf dieser Reise seine große Liebe und lebt fortan als ehrlich und hart arbeitender Amisch. Die Version, die ich gesehen habe, war auch noch ein seltsamer Extended Cut, der im Vorspann großartig angepriesen wird (more Tits… AND more Cocks!). Im Endeffekt gab es ein paar zusätzliche Szenen, die den Film auf eine stolze Länge von gut 2 Stunden gestreckt haben (aber nicht lustiger gemacht haben) und diverse Blue-Screen-Tussis die plötzlich nackt durch das Bild laufen. Der Film orientiert sich stets an der untersten Geschmacksgrenze und bietet wirklich nur abgewracktes, vorpubertäres Witzematerial, das mir an den guten Stellen gerade mal ein müdes Lächeln abwringen konnte. Auch mit der sogennanten “Botschaft” des Films ist es nicht weit her. Dass Jungfräulichkeit nicht das schlimmste auf der Welt ist und man seine Unschuld lieber an eine Person verschenken sollte, die man wirklich liebt. Das mag zwar stimmen, ist aber einfach nur öööde… Eine schlechte Mischung also aus American Pie und Superbad, mit schlechteren Witzen, mehr überdrehten Anspielungen und genretypischen Klischees und Karikaturen. Dazu noch einige weiße Titten und schwarze Schwänze und der Homo Erectus ist zufrieden. Der Film wurde mir von Freunden wärmstens empfohlen, aber ich wurde bitter enttäuscht. Ist zwar nicht so, dass ich gar nicht gelacht habe, aber die Witze waren einfach auf so niedrigem Niveau und ausgelutscht, dass ich mich nicht mal anstrengen musste, mir auch nur das primitivste, dümmliche Grinsen zu verkneifen.
Fazit: Der Regisseur gehört ein Glück nicht zur bekannten “Apatow-Gang”, sondern ist nur ein Nacheiferer. Ist auch besser so, denn der Film reißt das sorgsam aufgebaute Gerüst des Coming-of-Age-Komödien-Genres ein, dass Mottola, Apatow and Friends so mühsam aufgebaut haben.
3/10
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Ich bin außerdem Rezensent auf einer Filmseite (nun ja… sehr aktiv bin/war ich da nicht, was aber arbeitsbedingt ist). Eigentlich darf ich aus werbetechnischen Gründen die Kritik nicht zitieren, aber auf der Seite regt sich nicht mehr allzuviel, daher denke ich, dass das in Ordnung geht:
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Cannibal Holocaust:
Verboten, zensiert, verachtet – Noch nach 30 Jahren ist ‘Cannibal Holocaust’ einer der umstrittensten Filme des „Kannibalenfilm“-Genres, dass gleichsam mit diesem wichtigen Vertreter seinen Zenit erreichte und seinem Ende entgegensah. Doch in meinen Augen ist gerade seine immer noch aktuelle Botschaft und die Kontroversität, die selbst unter Horrorfans die Gemüter spaltet und hitzige Diskussionen entfacht, ein Beweis für seine Großartigkeit.
Eingeleitet mit dem konträren Score von Riz Ortolani, fährt die Kamera über den Amazonas. Sie fängt Bilder des mächtigen Regenwaldes ein und seines Flusses, der sich einer Schlange gleich durch den Urwald zieht. Der Mythos dieses dichten Dschungels ist nach wie vor ungebrochen. Was spielt sich unter den dichten Baumkronen ab, welche verborgenen Zivilisationen, mögen sich hier vor dem Fortschritt verstecken? Die Kamera fliegt über Flüsse und Wiesen, Baumgruppen und Mangroven. Dann kommt der Schnitt und wir werden hineingeworfen in die Zivilisation. Wolkenkratzer durchstoßen den Himmel, die Hintergrundgeräusche sind ein Einheitsbrei aus Verkehrsgeräuschen und Menschenmassen. In dieser, einer Vision gleichenden Metropole, die schon längst Alptraum und Realität geworden ist, erzählt uns ein Reporter vom Fortschritt der Menschheit und von den unerforschten Gebieten dieser Erde, in denen sich sogenannte „Primitive“ ihren heidnischen Ritualen hingeben. Gleichzeitig warnt er jedoch vor dem Risiko, Wissen nicht als alles antreibende Kraft zu betrachten. Denn wo beginnt und endet das Gewissen, das oft außer Acht gelassen wird, wenn es darum geht, Neuland zu erkunden? Beginnend mit dieser Fragestellung, werden dem Zuschauer vier Menschen vorgestellt. Alan Yates, Shanda Tommaso, Jack Anders und Mark Williams. Vier selbstbewusste, junge Journalisten, die sich dem „edlen“ Ziel verschrieben haben, über Missstände und Rückständigkeit in anderen Zivilisationen aufzuklären. Ihr neuestes Ziel ist der Amazonas. Sie wollen eine Dokumentation über Kannibalismus drehen und begeben sich zusammen mit einem Expeditionsleiter in das fremdartige Terrain zu den Ureinwohnern. Doch die Reise verläuft nicht nach Plan und nach mehr als zwei Monaten, als man nichts mehr von dem Expeditionsteam hört, schickt man den Anthropologen Professor Harold Monroe hinterher, der nach dem Verbleib des Teams, und vor allem dem des Filmmaterials sehen soll. Mithilfe des Expeditionsleiters Chaco Losojos und einem Gefangenen der Yakumo, der sie zu den Eingeborenen führen soll, macht er sich auf den Weg. Schon bald treffen sie auf erste Spuren der vier Journalisten. Zunächst besuchen sie die Yakumo, die ihnen zu verstehen geben, dass das Kamerateam für viel Leid gesorgt haben muss. Die freundlichen Ureinwohner führen sie zu den beiden verfeindeten Stämmen der Shamatari, dem Sumpfvolk und der Yanomamo, dem Baumvolk. Die Truppe hilft dem Baumvolk dabei, die Shamatari zu vertreiben, woraufhin die ihnen helfen. Bei dem Versuch, sich den Stammesangehörigen anzunähern, findet Monroe die Leichen des Filmteams und erreicht durch einen Tauschhandel, dass die Ureinwohner die Filmrollen herausgeben. Danach kehrt Monroe nach Amerika zurück. Ohne das Material gesichtet zu haben, beschließt der Auftraggeber der Dokumentation, der Sender ABC, die Mitschnitte unter dem Titel „Die grüne Hölle“ auszustrahlen. Monroe selber wird damit beauftragt, eine Art Portrait über die Hinterbliebenen zu drehen, mit Interviews der Angehörigen und Arbeitskollegen. Dabei stellt sich heraus, dass die vier erhebliche soziale Probleme hatten und keiner von ihnen so war, wie er zu sein schien. Auch bei der Sichtung des Filmmaterials wird deutlich, dass die vier keine Skrupel davor hatten, Leid und Schrecken in Szene zu setzen, unabhängig davon, wer darunter litt. Monroe weigert sich, an einem Projekt mitzuarbeiten, dass so menschenverachtende Aufnahmen nur für die Quote manipuliert, um dem Zuschauer eine Sensation zu bieten. Der Sender hingegen versteckt sich hinter seiner angeblichen Verantwortung, Informationen bieten zu müssen. Erst nachdem sich die Verantwortlichen die letzten Mitschnitte ansehen, erkennen sie die Verantwortung ihrem eigenen Gewissen gegenüber und sorgen dafür, dass das Material niemals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann.
“I wonder who the real cannibals are.”
Mit diesem Gedanken geht Professor Monroe hinaus und die sich selbst zerfleischende Metropole, hinaus in eine Welt, die für die Informationsgewinnung weder Gewissen noch Skrupel kennt und, einem Kannibalen gleich, Menschen hemmungslos ausschlachtet und frisst.
Fazit: Ruggero Deodato hat mit diesem nonkonformistischen Meisterwerk ein Filmgenre auf ein Niveau gehoben, dass nie wieder von einem anderen Genrevertreter erreicht wurde und zum Untergang derselben Filmära führte. Sein Film ist das beste Beispiel dafür, wie man den Zuschauer perfekt manipulieren und beeinflussen kann. Denn ebenso, wie er mit diesem „Film im Film“ den Enthüllungsjournalismus kritisiert, verwendet er dessen typischen Elemente und steht am Ende nicht viel besser da, als sein Negativbeispiel. Zeigt die Dokumentation von Yates und seinen Freunden den Schrecken in seiner ganzen Pracht, lässt auch Deodato keine Gelegenheit aus, den Zuschauer darauf aufmerksam zu machen. Aber man sollte Deodato nicht allzu leichtfertig den Verwurf machen, er sei voyeuristisch, penetrant, oder ein Tierquäler. Er bringt das Opfer, das kein anderer Film gebracht hat. Denn er verurteilt seinen eigenen Film und verwendet bewusst reißerische Bilder, Sprüche und Plakate, um dem Zuschauer einen Spiegel vorzuhalten. Wenn er Gewalt zeigt, verkommt sie nicht zum bloßen Selbstzweck, sondern dient vielmehr dem geschickten Versuch, den Betrachter von der Schlechtigkeit dieses Werks zu überzeugen. Wie leicht fallen wir doch auf ebendiese Pseudo-Anspruchs-Werke herein, in denen wir gekonnt geködert werden und alles akzeptieren, was man uns vorsetzt, solange es unter dem Deckmantel des sogenannten „investigativem Journalismus“ verweilt. Die Snuff-Szenen, so kontrovers sie auch sein mögen, sind letztendlich nur „Mittel zum Zweck“ und erreichen genau das, was sie erreichen sollen. Die Schauspieler wurden im Vertrag dazu aufgefordert, sich nach dem Film ein Jahr aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, um die Geschehnisse noch glaubhafter zu machen. Und Deodato selbst stand mehrmals vor Gericht, weil sein Film die Menschen zweifeln ließ, ob es sich nicht nur um einen Film, sondern vielmehr um wahre Begebenheiten handelte. All dieser Zündstoff ist Beweis dafür, dass Deodato geschafft hat, was nur wenige kontroverse Filmemacher erreichten. In seiner moralischen Ambivalenz ist er einzigartig, dem Betrachter wird die Entscheidung abgenommen, ob der Film gut ist, oder schlecht. Dieser Film ist schrecklich. Und ein Meisterwerk zugleich. Ein Film über Zivilisierte, die den Namen nicht wert sind, den sie tragen. Ein Film über die manipulative Kraft der Medien. Und letztendlich ein Film über das Gewissen und der Verantwortung gegenüber unserer Mitmenschen.
10/10
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