Folge 92: Die Verkleinerung des Parlaments - Gast: Prof. Elmar Wiesendahl

Veto Folge 92. Hier kann darüber diskutiert werden!

Der Deutsche Bundestag umfasst weit über 700 Abgeordnete. Ursache sind die zahlreichen Überhangmandate. Deswegen hat die Ampel-Koalition eine Wahlrechtsreform beschlossen - die allerdings viel Kritik erntet, u.a. von dem Politikwissenschaftler Prof. Elmar Wiesendahl. Denn der unterstellt der Regierungskoalition, auf diese Weise elegant die Linke und auch die CSU aus dem Parlament kicken zu wollen.

3 „Gefällt mir“

Eine sehr gute Folge, wenn auch mit einer Art „trockenen Nischenthema“.

Herr Prof. Dr. Wiesendahl ist in der Tat ein ausgewiesener Experte vom Fach, der besonders in Insider-Kreisen zur Wahlrechtsthematik ein großes Renommee genießt!
Besonders hervorzuheben m. E. in der Folge sind Herrn Prof. Dr. Wiesendahls Ausführungen zu den unterrepräsentierten Gesellschafts- und Berufsschichten in den Parlamenten und das dieser Missstand bei der Wahlrechtsreform keinerlei Erwähnung und Beachtung fand.

Ich hätte mir noch eine Frage dazu gewünscht, wie Herr Prof. Wiesendahl die Erfolgsaussichten der angestrebten Normenkontrollverfahren zur jetzigen Wahlrechtsreform bewertet.

Ansonsten wirklich sehenswert. Gerne weiter so, Herr Dr. Schinnenburg - thematisch, wie auch bei der Gästeauswahl! :grin: - Ein absoluter Gewinn für massengeschmack.tv !!!

2 „Gefällt mir“

Sehr spannende Folge.
Viele interessante Ansätze, die der Gast bringt.
Eine Abschaffung der Personalisierung durch die Abschaffung der Erststimme sähe ich sehr kritisch, würde es doch den Verlust einer konkreten kommunalen Bindung der Abgeordneten bedeuten. Das würde letztendlich wiederum den Eindruck der Bevölkerung verstärken, dass das Parlament in manchen Teilen den Bezug zur Wählerschaft verliert/verloren hat.

Eine Absenkung der Prozenthürde auf 3% hingegen ist mittlerweile mehr als geboten in einer Zeit, in der einfach immer größere Teile der Wählerschaft sich von den großen Parteien abwenden und somit immer mehr Stimmen aus dem Raster fallen.

1 „Gefällt mir“

Großes Lob für die Sendung. Das Thema interessiert mich schon länger. Gut fand ich, dass Wieland Schinnenburg das Thema ausführlich eingeführt hat.

Ich bedaure ebenfalls, dass die CSU sich die letzten Legislaturperioden immer quergestellt hat, weil sie von der Regelung profitierte. Selbst die letzte kleine Änderung, durch die nicht mehr alle Überhangmandate ausgeglichen wurden, diente nur der CSU. Vorschläge aus dieser Partei, generell auf die Zweitstimme zu verzichten, finde ich ziemlich unverschämt. Das mögen einige Leute anders sehen, aber mir ist nur die Zweitstimme wichtig. Ich sehe zwar den ursprünglichen Zweck der Direktmandate, einen Ansprechpartner für die Region zu haben, aber die wenigsten dürften Kontakt mit ihrem Abgeordneten pflegen.

Es dürfte nicht Verwundern, dass ich den vom Gast vorgeschlagenen Änderungen grundsätzlich zustimme. Mir wäre aber auch anderes recht, solange die Stimmenverhältnisse berücksichtigt werden. Den Bedarf, die Sperrklausel abzusenken, sehe ich ebenfalls. Wenn so ein großer Teil der Stimmen potentiell nicht berücksichtigt wird, ist das nicht gut für die Demokratie. Außerdem kommt mir die 5-Prozent-Hürde eher so vor, als wolle man neuere Parteien unterdrücken.

Apropos, an der Stelle ist dem Gast ein kleiner Fehler unterlaufen. Laut ihm wurden 2013 nur vier Parteien in den Bundestag gewählt: CDU, CSU, SPD und Grüne. Natürlich war die Linke auch im Parlament und war bei den Stimmen sogar vor den Grünen und der CSU.

Alternativ zu einer festen Sperrklausel wäre auch eine dynamische Hürde denkbar, die sicherstellt, dass mindestens 95 Prozent der Stimmen bei der Sitzverteilung berücksichtigt werden. Bei den letzten Wahlen hätte es dadurch folgende Änderungen gegeben:

  • 2021: dynamische Hürde bei 1,45 % → Linke (4,9 % über Hürde statt Grundmandatsklausel), Freie Wähler (2,4 %), Tierschutzpartei (1,5 %) drin → nur ca. 4,8 % unberücksichtigt statt wie bisher und bei 3-Prozent-Hürde 8,7 % oder wie bei neuem Wahlrecht 13,6 %
  • 2017: dynamische Hürde bei 5 % → keine Änderung (ebenso keine Änderung durch 3-Prozent-Hürde) → ziemlich genau 5 % unberücksichtigt
  • 2013: dynamische Hürde bei 2,15 % → FDP (4,8 %), AfD (4,7 %), Piraten (2,2 %) drin → nur ca. 4 % unberücksichtigt statt wie damals 15,7 % oder wie bei 3-Prozent-Hürde 6,2 %
3 „Gefällt mir“

Hat sich Veto als Format mit kontroversen Gästen eigentlich jetzt erledigt?

1 „Gefällt mir“

Also, ich muss sagen:
Die „Anmoderation“ von 4:44 Minuten war doch eigtl. bereits schon „Wissen ist Wieland!“ als „Format im Format“! :grin: Das könnte man genau so auf Youtube hochladen, weil es die perfekte Länge als Wissens- und Erklärclip hat! :innocent: :nerd_face:
Die Vibes waren auf jeden Fall da!

Ich hoffe nicht! :sweat_smile:

Ich finde, wenn wir stattdessen kluge Menschen einladen, hat das doch für alle einen Mehrwert.

4 „Gefällt mir“

Sehe ich genau so!
Vor allem, wenn man bedenkt, dass zu Zeiten der Einführung der 5%-Hürde absolut gesehen wesentlich weniger Stimmen als heute nötig waren, um sie zu erreichen und die Anzahl der kandidierenden Parteien heute wesentlich größer ist.

Eine dynamische Hürde fände ich eigentlich auch eine super Idee, aber ich befürchte, das wird bei den eher konservativen Kräften nicht mehrheitsfähig sein, da „zu innovativ“.

Sehr gute Folge mit einem interessanten und wichtigem Thema.

Eine sehr gute Idee, kann ich nur unterstützen. Marcel Luthe hat in Folge 79 die 5%-Hürde sogar maßgeblich für die zunehmende Politikverdrossenheit verantwortlich gemacht. In einigen, für viele Bürger wichtigen Themen, sind Union, SPD, FDP, Grüne und Linke realpolitisch Einheitsparteien und überlassen dort andere legitime, also nicht radikale, Standpunkt der AfD. Die Möglichkeiten des Wählers, seinen Unmut an der Wahlurne zum Ausdruck zu bringen, sind alle nicht befriedigend:

  • Nicht wählen: Machen viele, ändert aber an den Verhältnissen nichts
  • Stimmzettel ungültig machen: Zählt dann zwar zur Wahlbeteiligung, läuft aber auf das Gleiche wie Nichtwählen hinaus
  • Kleinpartei wählen: So sollte es idealerweise sein, wegen der 5%-Hürde sind die Chancen ins Parlament zu kommen aber sehr gering. Dann ist nicht nur die Stimme nicht repräsentiert, sondern man hilft sogar den Parteien, die über 5% gekommen sind, weil sie dadurch anteilig mehr Sitze erhalten, als ihnen nach Wahlergebnis eigentlich zustehen würde. Das Beispiel Saarland wurde bisher gar nicht genannt, dort machen die „verlorenen Stimmen“ 22,3 % aus, also fast jede vierte findet sich nicht im Landtag wieder. Die SPD hat z.B. 43,5 % geholt, aber 56,9 % der Sitze, eine Differenz von über 13 %. Der Extremfall wäre, dass eine Partei 5,0 % holt, die anderen bleiben drunter. Dann regiert diese komplett alleine und hat alle Sitze, obwohl sie von 95 % der Bevölkerung nicht gewählt wurde
  • Partei wählen, über die sich die anderen ärgern: Dafür muss diese eben über 5% kommen und das schafft derzeit nur die AfD. Man hat also bei Wahlen im Grunde genommen gar keine andere Möglichkeit ein Zeichen zu setzen und sei es gegen die eigene Überzeugung. Das soll keine Werbung für die Partei sein, sondern erklären, warum sie so viele Stimmen bekommt

Es drängt sich auch die Frage auf, ob die etablierten Parteien überhaupt ein Interesse daran haben, am gegenwärtigen Wahlrecht etwas zu ändern. Die Mobilisierung von Nichtwählern scheint eines ihrer größten Ängste zu sein und daher ist es denkbar, dass sie ihren Einfluss auf die Gesetzgebung und die Medien geltend machen, um den Status Quo zu behalten.

Top Sendung und top Thema. Die Sendung macht eine neue Perspektive auf.

Wichtig für mich ist der Punkt, dass kleine Minderheiten den enormen Einfluss den sie heute haben nicht mehr bekommen. Also sehe ich die Änderung jetzt gar nicht mehr so kritisch wie vor einer Stunde.

Man sollte es machen wie in Israel: ein Parlament darf maximal 120 Sitze haben und fertig.
Die Knesset hat 120 Mandatare und fertig.

Hier in Belgien hat die Nationale Abgeordnetenkammer in Brüssel 150 Sitze.
Deutschland hat 7mal mehr Einwohner: 150x7=1050 theoretische Sitze im Bundestag.
Also gibt es in Europa ein Haufen nationaler Parlamente, die im Verhältnis viel mehr Sitze aufzuweisen haben als der Berliner Bundestag.
ob über 1000 oder über 500 Stimmen vertreten sind, das ist zuviel weil nicht notwendig.
Meiner Meinung nach sind 120 Stellvertreter genug, weil auch dies repräsentativ und abstimmungsfähig ist.

Erst- und Zweitstimme finde ich auch schwierig, gerade für kleinere Parteien, die nicht überall Direktkandidaten aufstellen können und deshalb auf die Zweitstimme hinweisen.
Mit einer Stimme könnte man dann gewisse Kandidaten nicht mehr „abstrafen“, wo man dann einen anderen wählt und aber zumindest dessen Partei.

Oder man macht zwar nur eine statt zwei Spalten auf dem Stimmzettel und hat dafür aber zwei oder drei Stimmen, so läuft es ja auf kommunaler Ebene, nur dann eben noch mit den Listen und Einzelkandidaten.
Und könnte so auch eben verteilen à la ich mag diese Partei eigentlich, aber finde auch nicht alles super, deshalb kriegt sie nur zwei und eine andere das dritte Kreuz, das berühmte panaschieren. :wink:

Und könnte auf diese Weise eben ein Stück weit auch eine Wunschkoalition formulieren.

Die potentiellen Wähler zum Wahllokal zu kutschieren wird ja auch in so manch lupenreinen Demokratien praktiziert wie in Russland oder jüngst in der Türkei, was es zumeist schon sehr suggestiv macht, ähnlich wie die Aktion Enkelkinderbriefe vor der letzten Bundestagswahl:

Manche gingen mW sogar noch weiter und riefen praktisch dazu auf, im Namen der (Groß)eltern die Briefwahl zu beantragen und dann aber selbst die Wahlzettel auszufüllen, was de facto Wahlbetrug ist mitsamt der Anstiftung dazu.

Ach ja, jeder nur ein Kreuz!