Hallo zusammen,
das hier war mein erster Lebemannwunsch und ich bin jetzt doch aufgeregter als ich dachte.
Ich wollte an dieser Stelle ein bisschen (spoilerfreien) Background liefern, warum ich ausgerechnet die Filme ausgewählt hab.
Phantom of the Paradise: Manchmal erwischen Dich Filme und lassen Dich nicht mehr los. Man kann es nicht richtig erklären, es ist einfach so. So ist das bei mir und Phantom. Das erste Mal bin ich über diesen Film in den frühen 90ern gestolpert, als er mitten in der Nacht im ZDF lief. Er war schon fast aus (mitten in Beefs Konzertauftritt). Ich guckte ein paar Minuten und dachte mir „Das sieht aus wie Carrie.“ Im Nachspann dann: „Brian De Palma“ und schon war das geklärt. Komplett hab ich den Film erst bei der nächsten Ausstrahlung 1-2 Jahre später gesehen. Der Film ist schräg und merkwürdig, ein bisschen Vorreiter für die Rocky Horror Picture Show, ein bisschen Faust, Phantom der Oper und Dorian Gray. Und das Ganze mit absolut geiler Musik von Paul Williams, der nie so rockig war wie hier. Ich liebe diesen Film mit all seinen Stärken und Schwächen und verbinde damit sehr viele schöne Erinnerungen:
- Der Tag, an dem ich entdeckte, dass der Film auf 3sat gezeigt wird und ich ihn endlich ganz sehen kann - nur dass wir damals kein Kabel hatten. Also hab ich 2 Freunde (sicher ist sicher) gefragt, ob sie ihn mir aufnehmen können und dann gefiebert, dass sie es nicht verbocken oder zu spät einschalten.
- Der Tag, als meine Mutter den in Deutschland nicht zu bekommenden Soundtrack in Paris als Japanimport entdeckte, ihn mitbrachte und heimlich auflegte. Und plötzlich erklingt da ein G-Dur Akkord und ich brech nur zusammen, weil da der erste Song des Films in zuvor nie gehörter Qualität über die Lautsprecher läuft.
- Der Tag - Jahre bevor es DVDs gab - an dem mir eine Bekannte aus den USA den Film auf VHS schickt und ich ihn das erste Mal im Original sehen konnte. Mein Videorekorder konnte kein NTSC, also war das Bild schwarzweiß und hat geflimmert - aber da war dieser Film, den ich liebte und der plötzlich nochmal komplett wie neu war. Die Stimmen waren alle so anders, die Dialoge waren teilweise komplett neu und ergaben oft zum ersten Mal Sinn (die deutsche Fassung stammt übrigens von Michael Richter, der tatsächlich aus der Rainer Brandt Ecke kommt).
Und dann steckt dieser Film halt auch noch voller liebevoller Details, die man oft erst nach dem x-ten Mal entdeckt. Die Juicy Fruits, die während Beefs Proben in normalen Straßenklamotten am Bühnenrand stehen und zugucken. Die Tatsache, dass sich alle Leute ducken müssen, wenn sie durch Türen gehen, weil die alle an Swans Größe (1.57) angepasst sind. Die Namen der Charaktere (z.B. Philbin, benannt nach Mary Philbin, die in der Lon Chaney Version von „Phantom der Oper“ Christine gespielt hat). Die Opening Narration, die im Original von Rod „The Twilight Zone“ Serling gesprochen wird usw usw.
Ich sags ja: Manchmal erwischen Dich Filme und lassen Dich nicht mehr los.
Hair: Zusammen mit „The Blues Brothers“, „Harold and Maude“ und „The Rocky Horror Picture Show“ ist „Hair“ für mich ein Programmkinoklassiker, der bis in die frühen 90er regelmäßig in selbigen lief und jedes Mal ausverkauft war. Der einzige Film auf dieser Liste, den ich wirklich als Musical bezeichnen würde. Und da muss ich auch gleich ein Geständnis machen: Ich hab mich mit Musicals immer ein bisschen schwer getan. Durch „West Side Story“ musste ich mich durchquälen, „Music Man“ kann ich wertschätzen, aber nochmal muss ich ihn auch nicht unbedingt sehen. Was Rodgers & Hammerstein angeht, war nach „The Sound of Music“ Schluss (wobei mir der gut gefallen hat). Auch „Hair“ hat viele Elemente, die mich sonst eigentlich abschrecken, das ständige, anlasslose Getanze und Grimassenschneiden. Warum es bei „Hair“ für mich funktioniert, liegt zum einen daran, wie der Film die Welten zusammenprallen lässt. Und mit Claude Bukowski hat man einen Charakter. der zusammen mit dem Publikum diese komplett fremde Welt entdeckt und sich damit anfreundet. Zum anderen habe ich diesen Film 1988 das erste Mal gesehen - kurz nach der Scheidung meiner Eltern aufgrund der ich mit meiner Mutter in die Stadt gezogen bin, weg von der piefigen Ländlichkeit. Ihren ersten Freund nach der Ehe kann man guten Gewissens als Späthippi bezeichnen und diese vollkommen andere Lebenseinstellung hatte schon einen sehr starken Einfluss auf mein damals 16-jähriges Ich. In der Zeit hab ich auch am meisten über Musik gelernt (was, da gibts noch mehr außer das, was auf Bayern 3 läuft??). Und irgendwie hat „Hair“ sehr gut in diese Zeit meines Lebens gepasst und transportiert mich mit jedem Sehen auch wieder dahin zurück.
Nashville Lady: Dieser Film lief irgendwann in der Nacht mal in der ARD und da haben ich ihn wegen Sissy Spacek aufgenommen. Country ist jetzt gar nicht so meine Musik, aber das ist bei diesem Film vollkommen irrelevant und er hat für mich vor allem Mitte der 80er zum Dauerprogramm gehört. Er erzählt nicht einfach nur eine Musikerbiografie sondern zeigt gleichzeitig auch ein Bild vom Kentucky der Vierziger Jahre, vom Leben in einer kleinen Kohlebergbaugemeinde, in der das Geld gerade fürs Nötigste reicht und außer Bergbau auch nicht viel Perspektive da ist, wenn man mal von Schwarzbrennerei absieht. Das Ganze ist von Dokumentarfilmer (7 Up Series) und Bondregisseur (Hi, Mario!) Michael Apted sehr gut in Szene gesetzt. Und dann war das auch noch mein erster Tommy Lee Jones Film. Ich seh ihn immer wieder gern und finde, dass er unter der Menge an Musik-Filmbiografien immer noch positiv raussticht. Deswegen ist er auf dieser Liste gelandet.
This Is Spinal Tap: Während „Phantom of the Paradise“ von Fans als Kultfilm, von anderen als „So ein Schmarrn“ bezeichnet wird, dürfte das Prädikat „Kult“ bei „This Is Spinal Tap“ wohl offiziell anerkannt sein. Ich glaub, bei mir hat es bis zum Auftritt der Band in den Simpsons gedauert, bis ich gerafft habe, dass diese Band gar nicht echt ist („Moment, Christopher Guest ist doch ein Schauspieler??“). Und der Einfluss des Films auf das Mockumentary Genre ist nicht von der Hand zu weisen. Deswegen hab ich in hier reingenommen.
Crazy Heart: Dieser Film kam raus, als Musikbiographien gerade eine Renaissance erlebt hatten und auch schon anfingen, unfassbar generisch zu werden, so als ob sie alle in dieselbe Vorlage gepresst wurden. Dieses Problem hat Crazy Heart zum Glück nicht da er zwar von echten Menschen inspiriert, aber trotzdem fiktiv ist. Im Gegensatz zu den anderen Filmen auf dieser Liste verbinde ich mit „Crazy Heart“ nichts persönliches - ich finde ich einfach gut. Und mit Jeff Bridges kann man fast nie was falsch machen. Selbst wenn ein Film nichts taugt: Bridges liefert immer ab. Aber dieser Film taugt was.
Can a Song Save Your Life?: Für mich ist Regisseur Carney einer, der Musik liebt und einfach versteht. Er inszeniert Musik nicht in Videoclip-Optik und er schafft es, die Emotionen zu visualisieren, die Musik in einem auslösen kann, wenn sie ganz tief geht. Das hat er schon mit „Once“ bewiesen und auch wenn „Can a Song Save Your Life?“ da nicht mithalten kann, sind hier trotzdem wieder Elemente, die das eindrucksvoll belegen (z.B. die Szene, in der wir hören, was sich in Mark Ruffalos Kopf abspielt, als er Keira Knightleys Performance das erste Mal hört). Positiv war ich von Adam Levine überrascht, der hier erstaunlich gute schauspielerische Qualitäten zeigt (Shame about his personality.) Ich bin aber auch froh, dass ich James Corden damals noch nicht kannte, der mich inzwischen sehr triggert, sobald er seine Hackfresse ins Bild hält. Ist der Film so gut wie „Once“? Definitiv nicht. Aber jedes Mal, wenn ich ihn gesehen habe, merke ich, dass es mich in den Fingern juckt und ich zu meiner Gitarre greifen möchte.
So, wer’s bis hierhin geschafft hat: Respekt, ich hätte schon nach der Hälfte aufgehört zu lesen.
An dieser Stelle vielen lieben Dank, dass ihr Euch bei der Hitze mit meinen Filmen befasst habt. Und falls sich jemand beim Gucken wundert: Ich weiss auch nicht, wer Johannes ist, aber er hat einen hervorragenden Filmgeschmack.