Folge 30: Ludwig Uhland: "Des Sängers Fluch"

Wort(e) zum Montag Folge 30. Hier kann darüber diskutiert werden!

Ludwid Uhland (1787-1862) schrieb 1814 eine seiner größten und bedeutendsten Balladen mit dem Titel „Des Sängers Fluch“. In dem Werk geht es um zwei Sänger, die versuchen, das Herz eines grausamen Königs zu rühren, der dabei einen von ihnen erschlägt. Daraufhin belegt der Überlebende den König mit einem Fluch.

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Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr,
Weit glänzt es über die Lande bis an das blaue Meer,
Und rings von duft’gen Gärten ein blütenreicher Kranz,
Drin sprangen frische Brunnen in Regenbogenglanz.

Dort saß ein stolzer König, an Land und Siegen reich,
Er saß auf seinem Throne so finster und so bleich;
Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut,
Und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut.

Einst zog nach diesem Schlosse ein edles Sängerpaar,
Der ein’ in goldnen Locken, der andre grau von Haar;
Der Alte mit der Harfe, der saß auf schmuckem Roß,
Es schritt ihm frisch zur Seite der blühende Genoß.

Der Alte sprach zum Jungen: "Nun sei bereit, mein Sohn!
Denk unsrer tiefsten Lieder, stimm an den vollsten Ton!
Nimm alle Kraft zusammen, die Lust und auch den Schmerz!
Es gilt uns heut, zu rühren des Königs steinern Herz."

Schon stehn die beiden Sänger im hohen Säulensaal,
Und auf dem Throne sitzen der König und sein Gemahl,
Der König furchtbar prächtig wie blut’ger Nordlichtschein,
Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein.

Da schlug der Greis die Saiten, er schlug sie wundervoll,
Daß reicher, immer reicher der Klang zum Ohre schwoll;
Dann strömte himmlisch helle des Jünglings Stimme vor,
Des Alten Sang dazwischen wie dumpfer Geisterchor.

Sie singen von Lenz und Liebe, von sel’ger goldner Zeit
Von Freiheit, Männerwürde, von Treu’ und Heiligkeit,
Sie singen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt,
Sie singen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.

Die Höflingsschar im Kreise verlernet jeden Spott,
Des Königs trotz’ge Krieger, sie beugen sich vor Gott;
Die Königin, zerflossen in Wehmut und in Lust,
Sie wirft den Sängern nieder die Rose von ihrer Brust.

„Ihr habt mein Volk verführet; verlockt ihr nun mein Weib?“
Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib;
Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt.
Draus statt der goldnen Lieder ein Blutstrahl hoch aufspringt.

Und wie vom Sturm zerstoben ist all der Hörer Schwarm.
Der Jüngling hat verröchelt in seines Meisters Arm;
Der schlägt um ihn den Mantel und setzt ihn auf das Roß,
Er bind’t ihn aufrecht feste, verläßt mit ihm das Schloß.

Doch vor dem hohen Thore, da hält der Sängergreis,
Da faßt er seine Harfe, sie, aller Harfen Preis,
An einer Marmorsäule, da hat er sie zerschellt;
Dann ruft er, daß es schaurig durch Schloß und Gärten gellt:

"Weh euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süßer Klang
Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,
Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,
Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!

Weh euch, ihr duft’gen Gärten im holden Maienlicht!
Euch zeig’ ich dieses Toten entstelltes Angesicht,
Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt,
Daß ihr in künft’gen Tagen versteint, verödet liegt.

Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängertums!
Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut’gen Ruhms!
Dein Name sei vergessen, in ew’ge Nacht getaucht,
Sei wie ein letztes Röcheln in leere Luft verhaucht!"

Der Alte hat’s gerufen, der Himmel hat’s gehört,
Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört;
Noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht;
Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.

Und rings statt duft’ger Gärten ein ödes Heideland,
Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand,
Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch;
Versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch!

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Tolle Geschichte, großartig vorgetragen.

Hier gibt es nur einen einzigen Schnitt. Da können sich die meisten der sogenannten Influenzer mal eine Scheibe von abschneiden. Die können ja nicht einmal 1 Minute frei sprechen.

Vielen Dank Herr Pohl. Sie haben eine beruhigende Stimme, ich könnte ewig zuhören.

Wann spielen Sie mal in "das Studio " mit ?

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Das wohl bekannteste Gedicht Uhlands ist „Der gute Kamerad“.

Männerfreundschaft scheint für ihn ein Thema gewesen zu sein.
Namentlich in Verbindung mit dem Tod.

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Männliches ASMR. :blush: :wink: :innocent: Nicht ganz meins zum entspannen, aber Herr Pohl ist trotzdem sehr beruhigend.

Ein wunderschöner Vortrag!

Nicht zu verachten ist auch die (stark gekürzte) Vertonung von In Extremo:

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Kaum zu glauben, dass so viele Reime nicht abgedroschen klingen.
Toll zuzuhören, ein echter Mehrwert für Massengeschmack Herr Pohl.

Heinrich Heine hat sich in seiner Schrift „Die romantische Schule“ eine schöne Würdigung Uhlands abgerungen:

Herr Uhland wollte uns keineswegs in wahrhafter Kopie die deutsche Vergangenheit vorführen, er wollte uns vielleicht nur durch ihren Widerschein ergötzen; und er ließ sie freundlich zurückspiegeln von der dämmernden Fläche seines Geistes. Dieses mag seinen Gedichten vielleicht einen besonderen Reiz verleihen und ihnen die Liebe vieler sanften und guten Menschen erwerben. Die Bilder der Vergangenheit üben ihren Zauber selbst in der mattesten Beschwörung. Sogar Männer, die für die moderne Zeit Partei gefaßt, bewahren immer eine geheime Sympathie für die Überlieferungen alter Tage; wunderbar berühren uns diese Geisterstimmen selbst in ihrem schwächsten Nachhall. Und es ist leicht begreiflich, daß die Balladen und Romanzen unseres vortrefflichen Uhlands nicht bloß bei Patrioten von 1813, bei frommen Jünglingen und minniglichen Jungfrauen, sondern auch bei manchen Höhergekräftigten und Neudenkenden den schönsten Beifall finden.

Uhlands schalkhafte Stücke kann man auch heute noch gut lesen. Mir gefällt zum Beispiel die Romanze vom Ritter Paris, dem sich die Frauen an den Hals werfen, der aber eigentlich doch nur kämpfen will. Aber selbst im Kampf verfolgt ihn das „Minneglück“.