Folge 3

Hier kann darüber diskutiert werden!

//youtu.be/5-N_kRpSk8I

Die Ausrichtung auf ein spezielles Thema, statt nur zwei Filme vorzustellen, hat mir wirklich gut gefallen. Dazu hätte man auch noch ein “Kurz kommentiert” mit vergleichbaren Ausschnitten aus anderen Filmen bringen können, ich denke da zum Beispiel an die grandios vergeigte Szene aus “Eins, Zwei, Drei”, in der einem deutschsprachigen Arzt das englische Wort für “schwanger” nicht einfällt - und demgegenüber aus demselben Film die großartige Szene, in der die deutschsprachigen Stasi-Offiziere sächsisch synchronisiert werden. Aber das ist nur so eine Überlegung.

So oder so hat mir die Folge gut gefallen, vor allem, weil sie eine Problematik anspricht, der man sich als (Pantoffel-)Kinogänger kaum bewusst wird. Daumen nach oben dafür!

bei ein Käfig voller Helden sprechen die deutschen immer Dialekt, und die Ausländer immer Hochdeutsch

Sehr interessante Folge diesmal!

Perfekt wäre sie gewesen, wenn zusätzlich eingeblendet worden wäre, was die Originalfassung und was die Synchronfassung ist. Dann hätte man als Zuschauer eine noch bessere Übersicht gehabt, weil es gerade heute ein wenig verwirrend war.

Was die Länge angeht, kommt das schon weitaus eher an das ran, was ich mir vorstelle und bei der letzten Folge angesprochen habe.

Thematisch war das dieses mal eine sehr gute Auwahl. Handwerklich gewohnt gut. Habe sehr viel Spaß an der Folge.

An die Kritik von “LT1550” möchte ich mich anschließen.

Im Studio bitte etwas mehr Licht, auch von unten! :-o

Interessante Folge!
Handwerklich auch absolut top.

Nur fehlte wieder etwas Licht bei der Moderation.

Die Folge war wieder mal sehr interessant und gut.

Aber es hat ein wenig gestört, dass bei Inglourious Basterds bei den Passagen der deutschen Synchronfassung der deutsche Untertitel angezeigt wurde, der ja auch vom Synchrontext abweicht. Entsprach dieser Untertitel eines konsequent übersetzten Textes des englischen Originaltones? Bei dem zweiten Film - das Leben ist schön - hingegen wären Untertitel in den italienischen Sequenzen sehr hilfreich gewesen, allerdings vermute ich mal, dass diese nicht auf der DVD vorhanden waren.


Und Anbei noch ein weiterer Themenvorschlag: Der Film “Zwei Glorreiche Halunken” würde sich sehr gut als Thema eignen angesichts der zahlreichen verschiedenen deutschen Synchronfassungen. So gibt es in jeder Komplettfassung des Filmes Sprecherwechsel, in mancher Fassung sogar drei verschiedene Sprecher. Zu den Schwachpunkten der jeweiligen Synchronisationen sind einige Ausführungen z. B. auf den einzelnen Fassungsseiten in OFDB zu finden.

Eine Szene ist mir dabei auch aufgefallen: In Minute 50 besucht Sentenza ein Lager der Südstaatler. Der Kommandant führt in zu den Soldaten (oder wie man sie nennt) und sagt zu Sentenza:

DVD-Fassung (2004):
Willkommen, mein Freund!
Wenn du nach einem lauschigen Plätzchen suchst, bist du hier richtig.
Diese Herberge ist äußerst luxoriös und behaglich.
(lautes Gelächter der Leute im Hintergrund)

ZDF-Mischfassung (2005):
Herzlich willkommen!
Wenn du dich ausruhen willst, bist du hier richtig.
Das ist das erste Haus am Platze, also fühl dich hier ganz wie zu Hause.

Das komische an dieser Szene in der ZDF-Mischfassung von 2005 ist die Tatsache, dass man eindeutig sieht, dass die Leute im Hintergrund lachen. In der DVD-Fassung hört man dies auch. In der ZDF-Mischfassung hingegen (hier meine ich ist dies ein Ausschnitt aus der alten ProSieben-Synchronisation) ist danach Totenstille zu vernehmen, was eindeutig nicht zum Bild passt.

Hallo,

danke für eure vielen und hilfreichen Kommentare zu unserem Format „Asynchron“.

Aber es hat ein wenig gestört, dass bei Inglourious Basterds bei den Passagen der deutschen Synchronfassung der deutsche Untertitel angezeigt wurde, der ja auch vom Synchrontext abweicht. Entsprach dieser Untertitel eines konsequent übersetzten Textes des englischen Originaltones?

Eigentlich wollte ich gar keine Untertitel zeigen. Leider ließ sich die DVD von Inglorious Basterds nicht einspielen, ohne die jeweilige Untertitelspur mitzunehmen.

Bei dem zweiten Film - das Leben ist schön - hingegen wären Untertitel in den italienischen Sequenzen sehr hilfreich gewesen, allerdings vermute ich mal, dass diese nicht auf der DVD vorhanden waren.
[/QUOTE]

In diesem Format kann man meiner Meinung nach keine Untertitel einblenden. Die deutschen Untertitel sind ja auch wieder nur eine mehr oder weniger genaue Übersetzung, die dann eventuell wieder nicht mit den Deutschen Synchronsequenzen übereinstimmt. Insbesondere bei Wortspielen etc. würde das Format sich damit selbst ad absurdum führen.

Hier das vollständige Interview mit Alexander Löwe.


Wie haben Sie ihre Karriere begonnen?

Ich hatte, als ich 1987 nach Berlin gekommen bin, Synchronschauspieler im Freundes- und Bekanntenkreis. Damals hat mich das aber weiter nicht interessiert. Ich habe zu der Zeit Kommunikations- und Musikwissenschaften studiert, war mit dem Studiengang nicht sonderlich zufrieden und bin dann irgendwann zu einer Synchronfirma hin und wollte mir ansehen, was die da machen. Ich war fasziniert. Und dann kam eins zum anderen.

Wann war das genau?

1989 ging’s los. Ich habe damals einen Synchronregisseur kennengelernt, der auch Dialogbücher schrieb, und der eben noch von einer Theatertradition her kam. So wie das früher war: Es gab keine reinen Synchronschauspieler, es gab Theater- und Filmschauspieler, die nebenher synchronisiert haben. Das ist heute nicht mehr so, die Branche hat sich irgendwann auch aus sich selbst heraus generiert. Da haben Schauspieler ihre Kinder ins Studio mitgenommen, von denen dann wiederum viele eine Sprech- oder Schauspielausbildung gemacht darüber ihre Karriere ins Rollen gebracht haben. Aber früher, und das war eben auch Anfang der 90er Jahre noch so, hatten die meisten Synchronschauspieler eine Theaterausbildung und verlegten sich mehr und mehr auf das Synchrongewerbe.

Hatte diese Entwicklung auch mit dem Aufkommen des Privatfernsehens zu tun?

Unbedingt. Das war ja phänomenal, das Aufkommen an Aufträgen, der plötzliche Bedarf. Alle möglichen amerikanischen Serien wurden eingedeutscht für Sat1, RTL und was es da plötzlich noch so gab. Die Branche hat geboomt und man brauchte Leute von überall her. Vielleicht ist das auch ein Grund für die Spezialisierung; der Bedarf wäre mit Theaterschauspielern allein nicht mehr zu decken gewesen.

Welches waren Ihre ersten großen Projekte?

Ich habe mit dem Regisseur, der mich damals unter seine Fittiche genommen hat und der mein Mentor wurde, zunächst einmal ein Ghostwriting gemacht. Unter seinem Namen habe ich Dialogbücher für eine amerikanische Gerichtsserie geschrieben, oder wie wir sagen, getextet. Nach ungefähr einem Jahr „entließ“ er mich mit den Worten „Du bist gut, ab sofort textest du unter eigenem Namen.“ Und das hab ich dann getan. Bald darauf kam ich zur Berliner Synchron und habe „Der Duft der Frauen“ mit Al Pacino und dem damals übrigens noch ganz jungen Philip Seymor Hoffman bearbeitet. Das war das erste große Werk und darauf folgte, quasi nahtlos, „Lorenzos Öl“ mit Susan Sarandon, Nick Nolte und Peter Ustinov. So ging’s dann hintereinander weg, ein Kinofilm nach dem anderen. Fernsehen war passé. Ich bearbeitete nur noch Kinofilme, was eine sehr schöne Aufgabe war und bis heute ist!

Das liegt Ihnen näher?

Ja. Ich meine, es gibt natürlich nicht nur gute Kinofilme, aber es gab zu jener Zeit deutlich mehr schlechtes Fernsehen als schlechte Kinoproduktionen. Das mag sich inzwischen verändert haben. Das Kino aber ist mir bis heute geblieben.

Wie lange dauert die Synchronisation eines Projekts im Durchschnitt? Wie hoch ist der Zeitdruck?

Um das Dialogbuch für einen 90-minütigen Kinofilm zu texten, habe ich im Extremfall zwei und, wenn es normal läuft, drei bis vier Wochen Zeit. Die gesamte Synchronproduktion inklusive Studiozeit, Schnitt und Mischung dauert natürlich länger.

Das heißt, die Übersetzung liegt Ihnen dann schon vor?

Mir liegt im Allgemeinen eine Rohübersetzung vor, aber nicht immer. Ich texte gern aus dem Original, weil ich dann gezwungen bin sehr genau zu arbeiten. Wenn man eine Rohübersetzung hat, ist man immer wieder versucht, das, was jemand vorgedacht hat, zu schnell zu übernehmen. Insofern ist das Texten aus dem Original für mich der „sauberere Schöpfungsprozess“.

Würden Sie sagen, dass der Beruf Dialogautor ein kreativer Beruf ist? Oder gibt man nur wieder, was Andere bereits gesagt haben?

Das Synchrontexten ist ein Kunsthandwerk. Man braucht sowohl dramatisches Talent als auch das Rüstzeug dazu, die Lippensynchronität zu wahren. Im Grunde schöpft man aus einer ähnlichen Quelle wie ein Schauspielers. In dem Augenblick, in dem ich den verschiedenen Charakteren im Film eine Sprache und die für die Rolle richtige Farbe gebe, sie nicht nur übersetze, sondern auch forme, muss ich das, was ich auf der Leinwand sehe, nachleben und in die Rolle genauso hineinschlüpfen, wie ein Schauspieler das tut. Diesen Prozess könnte man dann schon einen künstlerischen nennen. Daher Kunsthandwerk. Rhythmus spielt eine große Rolle. Was Sie vorgelegt bekommen, ist eine Art von Melodie. Es gibt einen Sprachrhythmus, es gibt eine Spielhaltung, es gibt Betonungen – all das muss bedient werden. Insofern sind die Grenzen durchaus eng. Auch Gesten müssen bedient werden. Und wenn es nur ein Augenzwinkern ist. Sprech- und Denkpausen im Originaldialog müssen in der Synchronfassung auch an den richtigen Stellen sein, alles andere klingt unnatürlich. Ich bin eigentlich immer wieder zum Schluss gekommen, dass das was wir tun, im Endeffekt nichts anderes ist als Lieder texten. Wir Dialogbuchautoren texten gesprochene Lieder. All das kann man erlernen, wenn man über das musikalische Talent verfügt. [B]

Wie viele verschiedene Projekte bearbeiten Sie im Jahr? [/B]
Früher kam ich im Schnitt auf 18 Filme pro Jahr; das ist eine ganze Menge, aus heutiger Sicht sage ich, das war zu viel. Heute bearbeite ich im Jahr zehn bis zwölf Filme, mehr nicht. Das liegt auch daran, dass wir heute Projekte haben, die deutlich komplizierter in der Abwicklung sind als früher. Früher bekamen wir eine fertige Filmkopie und legten los. Heute bekommen wir, bevor der Film im Herstellungsland fertiggestellt ist, vorab Schnittfassungen und arbeiten parallel zur Postproduction und sind, wenn man so will, ein Teil von ihr geworden. Häufig liegt der deutsche Kinostart eines amerikanischen Films dicht am Kinostart in den USA aufgrund der Presse und der Vernetzung rund um den Erdball. Die Leute lesen etwas über einen Film und wollen ihn dann bald sehen.

Werden die Trailer zu den Filmen einzeln synchronisiert?

Wir synchronisieren viele Trailer lange im Voraus und haben oft keine Ahnung vom Hauptfilm, was im Grunde ein Unding ist. Oft gibt es Referenzen, die wir nicht kennen, weil sie völlig aus dem Zusammenhang gerissen und geclipt sind. Dann merken wir später, wenn wir den Film kennen, dass wir den Text so gar nicht 1 zu 1 übernehmen können, weil er in einen anderen Kontext eingebettet ist, den wir im Vorfeld gar nicht kannten. Mancher Verleiher besteht darauf, dass man den Text trotzdem genau so aus dem Trailer übernimmt, weil man von Verleiherseite glaubt, dass der Zuschauer den Satz kennt und wiederfinden will. Das sehe ich nicht so.

Gibt es bestimmte Genres, auf die Sie als Autor spezialisiert sind?

Ich bekomme ein Angebot und wenn mir der Film gar nicht zusagt, sage ich ab. Das sind manchmal Action-Filme, die mir eher schwerfallen, weil ich da zu lange nach Sätzen suchen muss, die mir sinnvoll erscheinen. Am Ende leide ich, der Verleih und schließlich das Produkt. Wer will das? Solche Projekte lehne ich ab. Das passiert aber nicht so häufig, da die Auftraggeber mich kennen. Im Grunde jedoch sollten wir alles können, da wir uns ja auch in alle Charaktere des Films hineinversetzen können müssen. Wenn Sie Frau im Kreissaal texten, die da brüllt und ein Kind zur Welt bringt, dann müssen Sie in diesen Moment genauso nachleben wie den Moment, in dem Liam Niesen für die IRA ein Bombenattentat plant. Wir texten alles, Robin Hood genauso wie irgendwelche neurotischen Figuren von Woody Allen. All das sollten Sie als Dialogautor bedienen können. Da betritt man die hintersten Winkel der eigenen Seele.

Bekommen Sie das Original-Drehbuch zu lesen?

Wir haben übelicherweise ein sogenanntes Postproduction-Script. Darin sind die Dialoge, so wie sie im Film zu hören sind, transkribiert. Es gab mal ein Projekt, zu dem ich das Original-Drehbuch vorgelegt bekam, um mich auf meine Arbeit vorzubereiten. Das war Steven Spielbergs „Munich“, ein Film über das Olympia-Attentat 1972. Da gab es noch kein Postproduction-Script, wir hatten noch nicht mal den Rohschnitt des Films vorliegen. Da hat Spielbergs Produktionsbüro alle Übersetzer und Autoren für einen Tag zum Lesen aufs Studiogelände eingeladen.
Was sind die Schwierigkeiten dabei, einen englischsprachigen Film ins Deutsche zu übertragen? Gibt es bestimmte, typische Worte oder Satzkonstruktionen, die sich besonders schwer lippensynchron übersetzen lassen?
Die Satzkonstruktionen im Englischen gehen oft gegen das Deutsche, insbesondere in Vergangenheitsformen, und das verursacht Rhythmusprobleme. Das ist schwierig, das gelingt uns aber trotzdem.
Dann gibt es im Englischen auch noch das wunderbare Gerundium, auch gemein. Das müssen wir in der Regel in einem Satzgefüge auflösen, das heißt, ein solcher Satz funktioniert bei uns im Deutschen selten ohne Nebensatz. Gott sei Dank gibt es Tricks. Am Anfang rauft man sich die Haare und verzweifelt, weil das Deutsche fast immer länger ist als das Englische. Wir reden in unserer Umgangssprache im Perfekt, selten im Imperfekt, während die Engländer wie auch die Amerikaner fast immer imperfekte Verbformen benutzen, schön kurz. Wir dagegen benötigen immer ein Hilfsverb plus Partizip, das wird immer schön lang.
Es hat sich aber in den letzten 20, 30 Jahren aber auch eine eher unschöne Synchronsprache entwickelt, die jenen Übersetzungsschwierigkeiten geschuldet ist. Ein falsches, oder sagen wir, unnatürliches Deutsch, bei dem ich genau höre, woher es kommt. Nämlich aus schlecht synchronisierten Filmen.

Meinen Sie damit Konstruktionen wie „Sinn machen“?

Zum Beispiel. „Sinn machen“ ist ein Anglizismus, das ist nicht deutsch. Wenn ich Nachrichtensprecher sagen höre „Das war’s für den Moment“ das ist ein ebenso absurder Anglizismus. Solche Anglizismen halten immer mehr Einzug in unsere Umgangssprache. Schade. In schlechten Synchronisationen hören Sie auch oft dieses alberne Futur, das wir in der deutschen Umgangssprache nicht haben. Wir drücken Zukünftiges häufig unter Verwendung des Präsens aus. Ich behaupte, dass wir in 80 Prozent aller Fälle mit dem Präsens gut durchkommen, wenn im Englischen ein Futur steht. Sie sagen doch auch, „Morgen gibt’s Spaghetti“ und nicht, „Morgen wird es Spaghetti geben“. Klingt doch unelegant. Wenn Sie darauf achten und aufmerksam fernsehen, wird Ihnen das auffallen. Und sobald sich Ihre Ohren auf das „falsche Synchronfutur“ eingeschossen haben, werden Sie wahnsinnig.

Was geht für Sie vor: Lippensynchronität oder Originaltreue?

Natürlich ist die Originaltreue unheimlich wichtig. Ich möchte dem Film ja nichts antun, also muss ich so gut es geht originaltreu sein. Wenn ich aber eine Großaufnahme habe mit einem riesigen Gesicht auf der Leinwand, dann muss ich mich dem natürlich beugen, kann also nicht ganz asynchron werden. Haben sie „Gefährliche Liebschaften“ gesehen? Dort gibt es einen immer wiederkehrenden Satz von John Malkovich, dem Vicomte de Valmont, der sagt, „Dagegen bin ich machtlos“. Das knallt er der Marquise de Merteuil immer wieder vor den Latz, Glenn Close zerbricht daran, er quält sie und sagt immer wieder diesen Satz: „Dagegen bin ich machtlos“. Im Original sagte er, „That’s beyond my control“. Das ist eine Übertragung, die ungeheuer gut und 100 Prozent synchron ist! Das ist die ganz Hohe Schule und letztlich das, worum wir tagtäglich ringen, solche Lösungen zu finden.
Wenn Sie dagegen in Billy Wilders „Some like it Hot“ mal ganz genau auf die Lippensynchronität achten, werden Sie viele asynchrone Stellen entdecken. Das ist einem aber egal, der deutsche Synchrondialog ist Kult, weil jedes Wort stimmt, es ist auf den Punkt getextet, da stimmen Timing und Rhythmus. Und die paar fehlerhaften Lippenverschlüsse interessieren keinen. Der wunderbare Kollege Arne Elsholtz sagt immer, „Das Ohr ist schneller als das Auge“, und da hat er recht.
Die Autoren heute trauen sich aber nicht mehr so recht, die Lippensynchronität zugunsten des Inhalts über Bord zu werfen.

INGLOURIOUS BASTERDS

Im Film treffen deutsch synchronisierte Amerikaner auf die bereits im Original deutschsprachigen Soldaten. Diese Szenen erhalten oft einen völlig anderen Sinn. Warum haben Sie sie nicht im Original gelassen, oder etwa die deutsche Sprache durch eine andere Fremdsprache ersetzt?

Als wir den Film das erste Mal in der Vorführung gesehen haben, wurde uns schlecht. Dolmetscherszenen von Englisch zu Deutsch sind das Schlimmste, was uns passieren kann, weil wir genau wissen, dass das nicht funktionieren kann. Sobald wir das Englische ins Deutsche übertragen, ist die ganze Szene hin. In solchen Fällen wendet man sich dann an den Regisseur oder den Produzenten und macht ihn auf das Problem aufmerksam, schließlich wollen wir dem Film ja nicht schaden. In diesem Fall wandten wir uns an Tarantino selbst, da er das Drehbuch ja geschrieben hatte. Mit ihm zusammen wollten wir eine für uns alle befriedigende Lösung finden. Leider hat er nicht verstanden, worum es bei unserem Problem eigentlich ging und an diesem Beispiel wird klar, dass Regisseuren oder Produzenten gar nicht bewusst ist, was wir da eigentlich tun.

Sie meinen amerikanische Produzenten?

Ja. Die Filmemacher haben selten ein Interesse an der synchronisierten Fassung. beziehungsweise, wollen damit nichts zu tun haben. Sie wissen wohl, dass ihre Filme für die internationalen Märkte noch mal neu aufgenommen werden, aber letztlich haben sie davor einen solchen Horror, dass sie sich damit gar nicht auseinandersetzen. Bei Tarantino ging es soweit, dass er tatsächlich nicht verstand, wovon wir reden. Wir haben ihm gesagt, „Pass auf: Da ist der Nazi, der spricht Deutsch. Und da ist dein Aldo Raine, der spricht Englisch. Und deswegen wird gedolmetscht.“ Er hat es nicht verstanden. Ich sagte: „Ja, aber wenn wir die Rolle Aldo deutsch synchronisieren, muss er den Dialog doch nicht übersetzt bekommen.“ Er hat es immer noch nicht verstanden. Das war ein bisschen desillusionierend, weil wir natürlich gehofft haben, dass wir von ihm einen Lösungsvorschlag bekommen. Dann haben wir einen international bekannten Supervisor hinzugezogen, der seit Jahrzehnten auch viel Woody Allen für den europäischen Markt synchronisiert. Der hat dann noch mal mit Tarantino geredet und ihm gesagt, „Wir müssen deine Dialoge umschreiben“. Tarantinos hat geantwortet: „Das kommt überhaupt nicht in Frage, niemand schreibt meine Dialoge um.“ Ich glaube, exakt hat er gesagt, „Who’s the fucker who’s gonna rewrite my script?“
Darauf der Supervisor: „Na gut, dann schreib du die Szene um. Denk dir irgendwas aus, wir übersetzen sie ins Deutsche und übersetzen sie dir dann wieder zurück, damit du die Kontrolle darüber hast, was da passiert“. Darauf war Funkstille und wir hörten tagelang von nichts von Tarantino. Nach ein paar Tagen hat er sich dann gemeldet und gesagt, „Macht ihr das. Ich will davon nichts wissen, ich will’s auch nicht rückübersetzt haben, macht ihr das“. Und wir haben die Szene selbst umgeschrieben, allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass er dann doch alles rückübersetzt bekam.
Zum Anfang Ihrer Frage: Den deutschen Soldaten hätten wir ja auch keine andere Sprache geben können. Es handelt sich um Nazis. Das wäre ziemlich albern gewesen in einer deutschen Fassung.

Michael Fassbender spricht im Original bereits deutsch. Warum wird er trotzdem noch mal von Norman Matt synchronisiert?

Ganz einfach, sein Deutsch ist nicht gut, es klingt fast komisch, und er spricht ja auch nur an ein paar Stellen deutsch, der Rest ist englisch. Fassbender ist ja auch nicht in Deutschland aufgewachsen; sein Vater ist Deutscher, geboren ist er in Heidelberg, aber aufgewachsen ist er in Irland. Und sein Deutsch hätte, egal mit welchem Coach, niemals gut genug funktioniert.
Am Anfang der Synchronproduktion stand mal die Frage im Raum, kriegen wir das hin, ihn deutsch aufzunehmen. Aber es war schnell klar, das schaffen wir nicht. Ich erinnere mich an Peter Ustinov, der sich ja häufig selbst synchronisiert hat. Natürlich war es schön, seine Originalstimme auf deutsch zu hören, aber selbst mit ihm war es kaum möglich, eine für alle Seiten befriedigende deutsche Fassung des Originals herzustellen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es für den Originalschauspieler eine geradezu absurde Situation darstellt, Monate nach dem Dreh all das noch mal herzustellen, was er vor der Kamera gemacht hat. Es fehlt ihm schlicht die Routine eines Synchronschauspielers. Am Ende aber bleibt ein Peter Ustinov als weltumspannende Figur, der sehr viele Fremdsprachen gesprochen hat, auch in seinem nicht perfekten Deutsch ein Peter Ustinov. Ob Michael Fassbender das gelungen wäre, bezweifele ich. Außerdem hat Fassbender in Norman Matt eine wunderbare Besetzung, die dem Original sehr(!) nahe kommt.

Die französischen Parts bleiben weiterhin französisch, ebenso die Sätze auf italienisch. Warum wurden diese Sprachen nicht ebenfalls synchronisiert?

Wir kreieren diese Illusion, dass Deutsch gesprochen wird. Natürlich weiß heute fast jedes Kind, dass das nicht so ist, das da ein Medium dazwischen sitzt. Aber es soll ja eine in sich geschlossene Sache sein. Und dazu gehört dann eben auch, dass wir diese mehrsprachigen Filme, so gut geht und so konsequent es geht, bearbeiten. Und es geht nicht immer ganz konsequent, man sieht es ja an Inglourious Basterds. Man scheitert eben an bestimmten Stellen. Nun hat Tarantino einen mehrsprachigen Film gedreht, und es sind französische und italienische Passagen drin. Wenn wir die jetzt auch noch übersetzen würden, das ginge zu weit, wir würden seinem Film zu sehr schaden.
Es gab eine große Diskussion im Vorfeld zur Arbeit an Inglourious Basterds, da der deutsche Verleih weite Teile des französischen Dialogs, und der ist ja nicht unerheblich im Film, auch eindeutschen wollte. Das war deshalb gewünscht, weil der Film schließlich auch ans Fernsehen verkauft werden muss. Und das deutsche Fernsehen ist etwas intolerant was Mehrsprachigkeit oder Untertitel angeht. Die Sender glauben, dadurch Zuschauer zu verlieren. Das mag sich in den letzten zehn, zwanzig Jahren ein wenig zum Guten hin geändert haben, aber grundsätzlich ist es immer noch so, dass Fremdsprachen in deutschen Synchronisationen nicht gern gehört werden.

[QUOTE=PasQQal;347361]Aber es hat ein wenig gestört, dass bei Inglourious Basterds bei den Passagen der deutschen Synchronfassung der deutsche Untertitel angezeigt wurde, der ja auch vom Synchrontext abweicht.[/QUOTE]

Wenn ich richtig informiert bin, sind Übersetzungen der Untertitel und die der Synchrontexte zwei Paar Schuhe. Es werden also die Transkripte der Originaltexte sehr an der Originalsprache übersetzt und nicht die bereits übersetzten Synchrontexte als Untertitel transkribiert. Das kommt sehr oft vor, wenn man die deutschen UT mitlaufen lässt.

Ich finde es immer schrecklich, wenn in einem Film aus mehreren Sprachen eine gemacht wird. Das Problem mit der Dolmetscher-Szene wurde in [I]Das Leben ist schön[/I] zwar wirklich um einiges kreativer gelöst als bei [I]Inglourious Basterds[/I], aber es fühlt sich für mich immer noch sehr falsch an.
Dialekte oder zumindest eine entsprechende Färung zu verwenden ist da die wesentlich elegantere Lösung. Hervorragend funktioniert das bei [I]Top Secret[/I], der hoffentlich auch mal Teil der Sendung wird. Im Original sprechen die Deutschen Englisch mit starkem deutschem Akzent. In der Synchronfassung sprechen die Amis Deutsch und die Deutschen Thür … Säch … na, irgendwie Ostdeutsch. Mir gefallen beide Versionen.

Ein Thema, was im zweiten Beitrag kurz angesprochen wurde, und dessen Vertiefung mich auch noch interessieren würde, sind die in der Synchronisation eingefügten deutschen teils sinnlosen Dialoge, die im Original fehlen.
Besonders gestört hat mich das immer bei „Monty Python and the Holy Graiö“ alias „Die Ritter der Kokosnuss“ in der Szene, in der Lancelot die Burg im Sumpf stürmt (ca. bei Minute 51). Im englischen Original schreit er nur „Ha! Ha-ha! Ha! Arr!“ (sinngemäß zitiert nach Gedächtnisprotokoll :wink: ), in der deutschen Synchro brüllt er zwischendruch noch Sachen wie „Der ist bestimmt vergiftet!“, „Hier ist Linksverkehr!“ oder „Schönen Gruß aus Solingen!“.
Es gibt bestimmt noch viele weitere Beispiele dafür, mich würde mal sehr interessieren, warum Synchronregisserue so etwas einbauen.
Vielleicht kannst du das ja in Erfahrung bringen.

Und btw: Danke, Tom, für dieses Format. Ich hoffe, dass es dir genau so viel Freude bereitet wie mir.

[QUOTE=K16;347420]Es gibt bestimmt noch viele weitere Beispiele dafür, mich würde mal sehr interessieren, warum Synchronregisserue so etwas einbauen.
[/QUOTE]

Weil sie es für lustiger halten? Die haben ja auch eine gewisse künstlerische Freiheit, denke ich.

Die Folge hat mir sehr gut gefallen.
Allerdings finde ich, dass man die Übersetzungsszenen der beiden vorgestellten Filme nicht vergleichen kann und kann mir gleichzeitig für beide Filme keine bessere Lösung für das Sprachenproblem vorstellen.

Wenn man bei “Das Leben ist schön” den Wärter eine andere Sprache als deutsch hätte sprechen lassen, hätte man gleichzeitig Guido zu einem Deutschen machen müssen der ins Ausland ins KZ gesperrt wird, was natürlich noch um einiges absurder und aufwendiger gewesen wäre.

Bei Inglourious Basterds gefällt mir die Szene eigentlich sehr gut, da sie nicht so absurd daher kommt wie die aus “Das Leben ist schön”

Hat vl. sonst jemand eine gute Idee wie man die beiden Übersetzungsszenen aus den beiden besprochenen Filmen sonst hätte lösen können?

[QUOTE=ExtraKlaus;347498]Weil sie es für lustiger halten? Die haben ja auch eine gewisse künstlerische Freiheit, denke ich.[/QUOTE]

Haben sie? Wenn ich da an Herrn Tarantinos Aussage „Who’s the fucker who’s gonna rewrite my script?“ denke, zweifle ich da etwas dran.
Klar haben sie beim Übersetzen eine gewisse Freiheit, wenn es um die Lippensynchronität geht. Aber einfach so diese sinnlosen Textzeilen reinzuhauen, das erschließt sich mir nicht.

[QUOTE=K16;347771]Haben sie? Wenn ich da an Herrn Tarantinos Aussage „Who’s the fucker who’s gonna rewrite my script?“ denke, zweifle ich da etwas dran.
Klar haben sie beim Übersetzen eine gewisse Freiheit, wenn es um die Lippensynchronität geht. Aber einfach so diese sinnlosen Textzeilen reinzuhauen, das erschließt sich mir nicht.[/QUOTE]

Dazu ein Zitat von Rainer Brandt, etwa verantwortlich für „Die Zwei“:

„Wenn kein Supervisor da ist, der darauf besteht, genau am Originaltext zu bleiben, und ich merke, der Text ist nicht gut, drehe ich den Ton ab, schaue mir die Schauspieler an und schreibe was auf die Gestik. Und dann wird’s auch komisch. Aus einer Geschichte über ABC-Waffen und Mao Tse Tung wird im Handumdrehen die Story eines Drogenhändlers in Florida. Hauptsache, es passt zum Bild.“

Wir werden auf dieses Thema in den nächsten Wochen und Monaten noch zu sprechen kommen, lasst euch überraschen.

[QUOTE=K16;347420]Ein Thema, was im zweiten Beitrag kurz angesprochen wurde, und dessen Vertiefung mich auch noch interessieren würde, sind die in der Synchronisation eingefügten deutschen teils sinnlosen Dialoge, die im Original fehlen.
Besonders gestört hat mich das immer bei „Monty Python and the Holy Graiö“ alias „Die Ritter der Kokosnuss“ in der Szene, in der Lancelot die Burg im Sumpf stürmt (ca. bei Minute 51). Im englischen Original schreit er nur „Ha! Ha-ha! Ha! Arr!“ (sinngemäß zitiert nach Gedächtnisprotokoll :wink: ), in der deutschen Synchro brüllt er zwischendruch noch Sachen wie „Der ist bestimmt vergiftet!“, „Hier ist Linksverkehr!“ oder „Schönen Gruß aus Solingen!“.
Es gibt bestimmt noch viele weitere Beispiele dafür, mich würde mal sehr interessieren, warum Synchronregisserue so etwas einbauen.
Vielleicht kannst du das ja in Erfahrung bringen.

Und btw: Danke, Tom, für dieses Format. Ich hoffe, dass es dir genau so viel Freude bereitet wie mir.[/QUOTE]

Vor allem der letzte Satz „Schönen Gruß aus Solingen“ klingt mir verdammt nach Rainer Brandt, der ja auch für die Serie „Die 2“ verantwortlich zeichnet und viele Dialoge der Terence Hill und Bud Spencer Reihe geschrieben hat. Den Satz gibt es auch in „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“ in abgewandelter Form zu hören, als jemand Bud Spencer ein Messer (darauf bezieht sich ja der Gag) hinhält und Bud Terence fragt, was der Gangster da habe und Terence meint: „Ne Ansichtskarte aus Solingen“. Auch bei „Die 2“ habe ich den Satz kürzlich in ähnlicher Weise (und nicht nur den) gehört. Damals war es scheinbar nicht so weit her mit Orginalbezug…

Ein wirklich tolles und interessantes Magazin. Sehr gelungen!

Ich hätte jedoch einen kleinen Verbesserungswunsch: Wäre es vielleicht möglich die Untertitel in den Filmausschnitten in Originalsprache einzublenden? Das würde die Verständlichkeit in meinen Augen erheblich verbessern, da nicht jeder Muttersprachler sich ausreichend Mühe bei der Aussprache gibt, dass auch die Non-natives eine Chance haben.

Viele Grüße,
Pummeluff

-----Edit-----

Mensch, da hätte ich Folge 3 vielleicht vorher auch schauen sollen :slight_smile: Besten Dank für die Untertitel!