Folge 288: Gast: Uwe Boll

Eine in vielerlei Hinsicht interessante Ausgabe, wenn gleich ich sie nicht mag.

Es soll in diesen Film also um den vielleicht 1. Serienmörder mit QAnon-Hintergrund gehen. Um dies zu unterstreichen wird hier deshalb sogar ein Großteil „seines Manifestes“ verlesen. Zwar wird auch in den ersten 20 Minuten schon mal in einen Nebensatz erwähnt, daß der Täter ja auch ein militärisch ausgebildeter Nazi gewesen ist oder auch, daß er ein mit Psychopharmaka behandelter Schizophrener gewesen ist, doch die eigentliche Gefahr sind die Verschwörungstheoretiker. Sie sind der berühmte und doch ignorierte Elefant im Raum und Hanau ist sein Zeuge. Wie sagte Meister Boll so schön:" bei denen kommt es zwar nicht zum kompletten Gewaltakt, doch irgendwie doch schon…"

Um dies schon einmal vorweg zu nehmen: für mich ist der Schluß von einen (wahrlich dramatischen, aber dennoch) Einzelfall auf theoretisch unendlich viele andere eine absolut unzulässige Generalisierung! Böse gesagt (aber der Film selber will ja auch nicht lieb sein…) müßte man nach der gleichen Logik bei jeden Vegetarier im Hinterkopf behalten, daß Adolf H. einst zu ihnen gehörte; daß bei jedem, der sich auch nur irgendwie mit einer linken Weltanschauung indentifiziert, dieser der gleichen Anschauung folgt aus welcher einst die RAF entwuchs und daß der IS letztlich ausschließlich aus Muslimen besteht. Solches zu behaupten wäre wahrscheinlich aber selbst einen Uwe Boll zu blöde und so generalisiert er lieber weiter Richtung „Coronaleugner“ die er ja allesamt und zu Hauf kennt.
(Nebenbei und zum besseren Verständniss: Ich persönlich kenne zwar niemanden, der Covid ernsthaft leugnen würde, doch warten ich und noch ein paar andere aus meinen näheren Umfeld aktuell darauf, daß Hierzulande doch wenigstens ein normaler Totimpfstoff zugelassen wird. Politisch gesehen sind für mich die Stigmatisierung und Diskriminisierung von rund ein drittel der Gesamtbevölkerung dann zwar immer noch ein Skandal und vor allem letzlich der Ausverkauf von einst mal als unveräußerlichen geltenden Grundrechten, doch wäre ein Totimpfstoff wenigstens in medizinischer Hinsicht so etwas wie ein Kompromiss…)

Soweit, so bekannt. Spannend wird es aber erst jetzt. Denn in den nächsten 15 Minuten wird er sich (ganz so, wie es gerade passt) in seiner Haltung 2 mal komplett drehen.

  1. Drehung: Uwe Boll´s hat bisher alle gängigen Klischees bedient. Durch seine Freunde, den Spiegel und den Recherchen für den Film ist er in dieser Hinsicht sogar so zu etwas wie ein Fachmann geworden. Selbst seine Intensionen, diese wirklich einzigartige Gefahr unseres Zeitgeistes endlich auch filmisch zu erschließen zu wollen und diesem damit sogar so etwas wie ein Denkmal zu setzen, sind alle sammt durch und durch nobel. Trotzdem passiert es, daß Angehörige, Medien und Öffentlichkeit von seine Visionen gar nicht so begeistert sind… Was muß der Mann eigentlich noch alles tun um endlich anerkannt zu werden? Sollte er in seiner Haltung am ende vielleicht doch so etwas wie ein Außenseiter (oder gar Minderheit) sein? Ist die Welt wirklich einfach nur zu blöd um so einen großen Geist auch nur zu verstehen? Oder gibt es am Ende vielleicht sogar doch so etwas wie eine Verschwörung in der Filmbrache, daß nicht einmal Netflix sich an eine Zusammenarbeit mit Boll traut? Egal, Fluch und Schande über alle, welche Uwe Boll selbst nach diesen Film immer noch abwerten!

  2. Drehung: Noch einmal zurück zu den Ereignissen in Hanau. Boll weiß uns zu berichten, daß es bei diesen Ereignissen (sowie auch sonst in der Weltgeschichte?) keine Verschwörung gegeben hat. Ähnlich wie die Filmbranche sich natürlich nicht gegen Boll verschworen hat sondern einfach nur permanent darin versagt sein Genie zu erkennen, haben in Hanau die Behörden immer wieder versagt dabei den Wahnsinn zu erkennen. Denn letztlich ist er ein gefährlicher und psychisch gestörter Mann auf den man vielleicht doch ein wenig mehr hätte achten sollen. Boll hingegen ist ein Genie welches endlich zu entdecken ist!

Und wenn es nicht so ein haarstreubendes übles Thema wäre, müßte ich jetzt eigentlich Tränen lachen. Denn nun endlich spricht er endlich auch einmal für ein paar wenige Minuten über die psychischen Probleme des Täters. Die Krux: wenn ein an Schizophrenie leidender Mensch wirklich ein Wahngebäude errichtet, ist es letztlich vollkommen gleich welchen Inhalt es hat. Es könnte genau so gut Coca Cola, Teddybären, Dr. Drosten oder sogar MG beinhalten. Egal. Es gibt zwar durchaus hinweise, daß so Themen wie Verschwörungen, Esotherik oder Politik gute Trigger sind um einen Wahn entstehen und reifen zu lassen, doch so (wie eingangs und wohl auch während des gesamten Films) zu tun, als hätte es ohne QAnon auch Hanau nicht gegeben (und genau dies wäre ja der Umkehrschluß), ist gelinde gesagt zu höchst abenteuerlich! Oder anders gesagt: wahrscheinlich hätte Adolf auch als Fleischfresser in gleicher weise gewütet und die meisten Terroristen der RAF und des IS hätten sich wohl auch ohne ihren Hintergrund in ähnlicher weise entwickelt.

Ich habe mir die Ausgabe am Montag angesehen und seit dem überlegt, ob ich diese Ausgabe kommentieren soll. Da ich wohl aber MG zum Jahreswechsel verlassen werde und dieses Interview mir geradezu eine Steilvorlage gewesen ist, wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen meine Wahrnehmung von MG noch einmal zu verbalisieren. (Auch wenn wohl kaum jemand einen solch langen Text lesen wird…) Nah zu symbolisch erschien mir auch die Eintracht, mit der das MG-Team fröhlich so ziemlich allem zustimmte was Meister Boll (selbst in der 2. Interviewhälfte) so von sich gegeben hat.
Wenn ich aber Holger so mit Boll reden höre, dann muß ich leider vor allem an Wolfgang M. Schmidt´s (Sorry, ich weiß, ich weiß…) Filmkritik zu Michael Douglas sein ´falling down´ denken. Anläßlich von Pegida hat er damals nämlich diese (selbst für seine Verhältnisse überdurchschnittlich gute) Kritik veröffentlicht, in welche er auf selten guter weise aufzeigt, wo sich auf der einen Seite Nazis und Wutbürger berühren, andererseits aber auch gänzlich von einander unterscheiden. Die mittlerweile reflexhafte (und oftmals auch hämische) Herabwürdigung Andersdenkender wäre z.B…

Wie gesagt: ich ziehe die Reißleine.

FALLING DOWN - Kritik & Analyse - Dieser Film erklärt den Rechtsruck - YouTube

Gerade durch Zufall diesen Artikel gefunden:

Spannend, welche Gedanken sich die Person gemacht hat, vor allem, weil diese ja nach eigenen Angaben als unbezahlter Schauspieler mitgewirkt hat.

Aber ich habe große Schwierigkeiten, diese extremen Befindlichkeiten zu verstehen. Ein Film ist ein Film. Würde Boll das Thema in einer aufmerksamkeitsheischenden, billigen Art und Weise verarbeiten, würde ich vllt. noch den Aufschrei verstehen.

Aber das im Vorfeld immer die selben Argumente gegen einen Skandalfilm kommen, ermüdet mich irgendwie. So als wäre Boll der erste Filmemacher, der ein kontroverses Thema für seinen Film wählt und als hätte es noch nie eine kultur- und filmkritische Diskussion über „Darf man das ?“ gegeben.

Menschen scheinen sich wirklich nicht weiterzuentwicklen. 2021 die selbe Argumente wie vor 10 Jahren zu lesen, ist unheimlich anstrengend und ermüdend. :pensive:

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Der Artikel ist vom VICE-Autor Robert Hofmann (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Filmkritiker auf YouTube), der schon häufiger mit sehr seltsamen Artikeln aufgefallen ist.
Zum Beispiel hier, wo er Loriot canceln will:

Also, nein, der Boll-Artikel wundert mich gar nicht.

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Stimmt schon, bei VICE weiß man eigentlich was man da bekommt. Dennoch: Die inhaltliche Dramatik die dort ausgedrückt wird, ist schon etwas befremdlich.

Es klingt nicht, als geht es um einen kontroversen Film, sondern mehr um das Ende aller Moral und Anstand in der Gesellschaft, den Boll quasi mit seinem Film zu verantworten hat. Hier scheint wirklich irgendwie die Verhältnismäßigkeit nicht zu stimmen und das finde ich schon bemerkenswert befremdlich.

Auch wenns wie gesagt für VICE-Verhältnisse fast schon „normal“ ist.

EDIT: Passt nicht zum Thema, aber weil du den Artikel ja gepostet hast:

Zitat Robert Hofmann:

Loriot ist reaktionäre Propaganda für eine gebildete Ober- und obere Mittelschicht, die dazu dient, einen Status Quo zu zementieren, in dem der Weiße Mann über die Welt herrscht.

Das kann doch einfach nicht sein Ernst sein :roll_eyes:

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Guckst Du genau findest Du quasi direkt in der Einleitung die Hauptmotivation von Herrn Hofmann.


Oder anders: Es geht ihm gar nicht um den Film und die Schauspielerei sondern um Networking und Kontakte pflegen.
So gesehen würden mich die Konflikte mit dem Macher des Filmes nun überhaupt nicht wundern. :man_shrugging:

Danke für die Info!
Denn der „Kritiker“ Hofmann steht unter Wikipedia auch als „Schauspieler“ und kommt als Direkttreffer, wenn man nach Robert Hofmann sucht. (Ich hatte mich echt schon gewundert!)

Wie gesagt: Der Typ wollte den Film nicht wegen dem Film machen.

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Inzwischen ist Uwe Bolls HANAU digital erhältlich und wird am 04. März auch auf BD/DVD erscheinen. Bei den Medienhuren ist passend dazu eine sehr lesenswerte Rezension erschienen:

Kann der Rezension in vielen Punkten zustimmen, nur in der Einleitung muss ich bezüglich POSTAL vehement protestieren - in meinen Augen Bolls stärkste Arbeit! :innocent: Davon abgesehen, stellt Medienhure Christopher hier gut heraus, warum Boll mit HANAU weder ein überzeugendes Comeback noch einen Totalausfall abgeliefert hat. Der Film bleibt diesbezüglich in jeglicher Hinsicht hinter seinen Möglichkeiten zurück: weder gut genug, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, noch schlecht genug, um für Trash-Fans zu funktionieren. Was wirklich schade ist, denn selbst mit dem offensichtlich kleinen Budget wäre zumindest inhaltlich deutlich mehr drin gewesen. Mit seinen mageren 60 Minuten tatsächlicher Filmhandlung und dem etwas lieblos dran gepappten Streckmaterial, wirkt HANAU unterm Strich wie ein unvollständiges Werk. Vielleicht einfach zu schnell auf die Beine gestellt, ohne dass das Drehbuch und Konzept ausreichend entwickelt werden konnten.

Was das betrifft, verstehe ich Boll nicht wirklich: Ihm scheint es ja äußerst wichtig zu sein, endlich als ernstzunehmender Filmemacher anerkannt zu werden. Nun hatte er mit HANAU eine neue (aufgrund des brisanten Themas obendrein sehr öffentlichkeitswirksame) Chance, sich zu beweisen. Doch anstatt seine alten Fehler zu vermeiden, liefert er wieder nur einen halbherzigen Schnellschuss ab. Mag sein, dass die Finanzierungsmöglichkeiten für dieses neue Projekt stark begrenzt gewesen sind. Aber vielleicht hätte Boll dabei einfach weniger auf Schnelligkeit setzen und noch länger versuchen sollen, ein größeres Budget einzuwerben. Damit wäre es dann vielleicht möglich gewesen, bspw. mehr Szenen zu drehen, in denen wir die Opfer besser kennenlernen. Oder Szenen mit Rückblenden, in denen die persönliche und familiäre Entwicklung des Täters näher beleuchtet wird.

Es hätte sicherlich viele Möglichkeiten gegeben, die 20-30 Minuten Handlung, die dem Film fehlen, sinnvoll zu nutzen. Dass einem erfahrenen Filmemacher wie Uwe Boll dazu nichts besseres einfällt, als die Laufzeit mit einer Pseudo-Doku und einem persönlichen Monolog zu strecken, war für mich letztlich die größte Enttäuschung des Films. Am Ende bleibt die Frage, ob Boll sich mit HANAU nicht eigentlich selbst ein Bein gestellt hat. Es besteht natürlich durchaus die Möglichkeit, dass der Film zumindest finanziell erfolgreich ist. Was die kritische Rezeption betrifft, ist Boll damit jedoch kein Stück vorangekommen, sondern hat eher einen Schritt zurück gemacht. Kann mir schlecht vorstellen, dass er damit nun bessere Chancen hat, seine „Deutschland im Winter“-Vision umzusetzen.

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Inzwischen hat der Uwe auf Youtube einen längeren Trailer zu HANAU rausgehauen:

Zufällig auf einen verwendetet MG-Schnipsel gestoßen:

tenor

Hab schon vor sechs Monaten kommentiert, dass eine Quellenangabe nett gewesen wäre…

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Lad Behaind doch mal ein.
Der ist schön kritisch.

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Besagter BeHaind hat Hanau von Boll als schlechtesten Film des Jahres gekürt.
Mit Zeitstempel:

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Ich gebe ihm in allen Fällen recht, wobei ich den Rob Zombie Schrott noch nicht gesehen habe (und auch kein Interesse dran hab). Und Herbigs Tausend Zeilen hab ich auch nicht gesehen, hab aber nur Schlechtes von dem Film gehört.

Hanau habe ich bisher nicht gesehen.

BeHaind und Boll im Streitgespräch bei MGTV - das wär’s :sweat_smile:

Ich fand den Trailer schon unterirdisch. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Film in Pantoffelkino ohne Boll als Gast so kritiklos weggekommen wäre.

Ich bestreite, dass ich da kritiklos war.

Die Beiden zu VETO.

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