Eurosport – Vorbild für Privatsender?
Die Privatfernsehlandschaft ist so gruselig und das anbiedernde, zwangsabgabenfinanzierte Gebaren der ÖR so grotesk, dass ich darüber verwundert bin, keinen Beitrag zu Eurosport im Forum gefunden zu haben, die aus diesem Pfuhl hervorstechen wie eine Perle im Sondermüll.
Der Sender macht verblüffend viel richtig, gemessen an den Gewohnheiten und Marotten der anderen Anstalten. In direkter Konkurrenz wäre da Sport 1 zu betrachten, die einerseits das Wort Sport synonym zum Wort Fußball auszulegen scheinen und ihr Programm daneben mit allerlei Quark anreichern, von dem sich viele Sendeplätze komplett vom Kernthema Sport entfernt haben.
Während die großen Privatsender – um es auf den Punkt zu bringen – zwar eine mehr oder weniger breite Palette verschiedener Formate präsentieren und daher den von ihnen postulierten Anspruch gerecht werden, mangelt es Pro 7, RTL etc. an inhaltlicher Tiefe. Darüber müssen wir nicht weiter diskutieren. Daneben gibt es jedoch eine Reihe an Spartensendern, die neben dem Kernbereich Sport etwa Nachrichten, Kindersendungen, Musik oder Filme als ihren Hauptsendeauftrag interpretieren – und damit im Gegensatz zu Eurosport regelmäßig scheitern.
Das Folgende ist zwar kein Beweis für meine Hypothese, wonach Eurosport eine Vorbildfunktion unter den Privatsendern einnimmt, wohl aber ein auffälliges Indiz: Während etwa der Kinderkanal, Das Vierte und sogar Phoenix mehrmals bei Fernsehkritik TV kritisch kommentiert wurden, findet sich zu Eurosport nur ein einziger mickriger Beitrag in den vergangenen sechs Jahren. Und diesen sendete Holger im Kontext der Olympischen Spiele in London, wobei Eurosport im Gegensatz zu den ÖR sehr positiv davon kam.
Welche Faktoren machen die Qualität des Programms aus? An erster Stelle steht für mich die Breite der angebotenen Inhalte. Zwar sendet Eurosport auch Fußball, dann aber in erster Linie U-Turniere, Frauenfußball oder Kontinentalmeisterschaften. Daneben reicht das Angebot von Tennis über Kampfsport bis hin zu Darts. Zweitens werden die programmatischen Inhalte gleichwertig behandelt. Nur selten werden Übertragungen abgebrochen, wenn im vorherigen Programm eine Entscheidung ansteht. Die sportlich fundierten Kommentatoren markieren mit ihrem unaufgeregten, kaum poppigen und dennoch mitreißenden wie informativen Stil den dritten Grund. Viertens scheut der Sender nicht davor zurück, neuen Inhalten (ergo: etwa in Deutschland kaum bekannten Sportarten) eine äußerst lange „Warmwerdephase“ zuzugestehen. Man könnte fast meinen Eurosport agiere ohne Quotendruck.
Alle benannten Punkte lassen sich am Beispiel Snooker exemplifizieren. Ich zitiere aus einem Artikel der Zeit vom 21.04.2012:
„Dafür hat der Spartensender Eurosport vor nun mehr als einem Jahrzehnt damit begonnen, die großen Snooker-Turniere ins Programm zu nehmen. Für dieses Wagnis wurde der Sender zunächst nur mitleidvoll belächelt.
Snooker, jenes Billard-Ballett aus zu Beginn fünfzehn roten und sechs andersfarbigen Kugeln sowie einem sie choreographierenden weißen Spielball, hatte in Deutschland weder eine Tradition noch gar einen auch nur halbwegs passablen Spieler.
Hierzulande ganz unbekannte Engländer, Schotten, Waliser und Iren prägten das Spiel. Die Regeln schienen hochkompliziert - und als Fernsehformat gab diesem Sport schon ob seiner unkalkulierbaren, von keinem Zeitlimit begrenzten Spieldauer kaum jemand eine Chance. Eurosport hat sie genutzt“
(http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/m … 23559.html)
Es ist – wenn man näher darüber nachdenkt – wirklich Wahnsinn, wie sich ein Sport ohne deutsche Tradition, einen Fahnenträger des eigenen Landes und mit einer Spielanlage, die den sprunghaften und zugleich vorgezeichneten Programmschemata völlig widerspricht, hierzulande durchsetzen konnte. Dieser Tage wird Snooker bis zu 14 Stunden am Stück gesendet. Anfang der Nullerjahre erblickte ich mit Grausen beim Durchzappen des grüne Spielfeld und erinnere mich gut, wie ich vor Langeweile aufgeschreckt schnell weiter klickte. Heute kann ich mir ganze Partien anschauen, mehr noch, werde von ihnen gefesselt und in ihren Bann gezogen.
Das natürlich ist nur mein persönliches Fallbeispiel. Es belegt jedoch, wie sich eine geduldige und fundiert aufbereitete Programmgestaltung auswirken kann. Und genau hierfür gebührt Eurosport großes Lob. Sie erfüllen ihre Aufgabe als Spartensender mit Bravour, glänzen durch Schlichtheit und die Fokussierung auf das Wesentliche und sind daher meines Erachtens prototypisch für jenes „gute Fernsehen“, das wir uns wünschen.