Der große Haushalts-Check

Gestern abend saß ich wirklich irritiert vor dem Fernseher: auf dem WDR-Fernsehen lief die Sendung “Der große Haushalts-Check” mit Yvonne Willicks. Die Dame kennt man schon aus “Erfolgsformaten” wie “Yvonne Willicks räumt auf” (SAT.1) und “AllesTester im Einsatz” (ebenfalls SAT.1).

In der WDR-Sendung gibt sie die Domina und erklärt Familien, dass man Pudding besser kocht als kauft und eigentlich nur ein und nicht zwei Autos benötigt. Wie in solchen Shows üblich, arbeitet sie mit Flipcharts und verdeutlicht, dass die Probanden mit dem Geld, was sie verdienen, nicht auskommen.

Alles in allem eine Show, die arg an “Raus aus den Schulden” erinnert. Allerdings hat Yvonne Willicks in den Zwischenmoderationen so einen Ton drauf, als wäre sie eine Domina und würde gleich ihre Peitsche rausholen.

Nun gut, solche Shows erwarte ich von den Privatsendern, aber nicht bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zur Hauptsendezeit um 20:15 Uhr. In der aktuellen WDR-Print, einer Image-Zeitschrift des WDR, sagt die verantwortliche WDR-Redakteurin Irmela Hannover: “Wir sind sehr glücklich, Yvonne Willicks, die sich mit verschiedenen Coaching-Formaten bereits einen Namen in der deutschen Fernsehlandschaft gemacht hat, für den WDR gewonnen zu haben. Sie ist einfühlsam und konsequent.” Karl Mertens, der Leiter der WDR-Programmgruppe Service und Ratgeber, erklärt sogar, gute Erfolge könne man mit konventionellen Ansätzen wie Magazinsendungen oder Reportagen am Vorabend erzielen. Aber wer den Service als “zutiefst öffentlich-rechtlichen Genre” auch am Hauptabend pflege wolle, müsse neue Wege gehen. “Service für eine jüngere Zielgruppe aufzubereiten ist den Check-Formaten gelungen. Wir erobern damit Publikum zurück, letztlich auch für das Programm am Vorabend.” Zudem seien die Finanzprobleme in großen Teilen der Mittelschicht angekommen. “Wir müseen Themen aufgreifen, die die breite Masse beschäftigen. Wo kann ich sparen? Wie komme ich mit meinem Geld über die Runden?” Dazu biete der WDR weitere und tiefergehende Informationen im Internet. “Dafür sind die Sendungen der Appetizer.” Erste Erfahrungen mit Check- und Coaching-Formaten habe der WDR bereits in der “Servicezeit: Familie” mit dem "Papa-Coach“ oder dem “Job-Coach” gesammelt, bevor 2006 der “Gesundheits- und Finanz-Check” in das Abendprogramm genommen wurde, ergänzt Karl Mertes. “Wenn wir derzeit am Vorabend kleinteiliger – also mit Magazinstücken oder halbstündigen Reportagen – Verbraucherfragen aufgreifen, so ist das Ziel der Hauptabendsendungen, mit längeren durcherzählten, authentischen und dokumentarischen Geschichten die Alltagserfahrungen der Zuschauer aufzugreifen und Lebenshilfe anzubieten.” Das Ziel der Prime-Time sei die “unterhaltsame Information”, der “emotionalere Zugang auf alltägliche Probleme, wie Verschuldung, Haushaltsführung oder auch Immobiliensuche”. Der Erfahrungsaustausch zwischen den Formaten sei dabei gegeben, so Mertes. "Mit Frau Willicks, Frau Dr. Haus oder dem Trödelking gewinnen wir Einsichten, die sich auch auf die Machart der Servicezeit übertragen lassen."
Zum Nachlesen: http://www.wdr.de/unternehmen/service/p … -Print.pdf (Seiten 4 und 5)

Die Sendung wird übrigens nicht vom WDR, sondern von der Firma Solis TV aus Berlin (http://www.solistv.de) produziert. Die sind auch für Formate wie “Gnadenlos gerecht - Sozialfahnder ermitteln”, “Achtung Kontrolle!”, “24-Stunden-Reportage” (einzelne Sendungen), “Der Ramschkönig – Alex Walzer und sein Billig-Reich”, “Die Jobretter”, “Anwältin der Armen” und einzelne Beiträge von “Galileo” verantwortlich.

Sieht so die Zukunft auch in den öffentlich-rechtlichen Sendungen aus? Dafür zahl ich aber nicht…

Warum muss man überhaupt mit den Privaten mithalten?

Wenn ich schon lese:

Wir erobern damit Publikum zurück, letztlich auch für das Programm am Vorabend.

Die Öffentlich-Rechtlichen haben nicht den Auftrag, unbedingt mit den Privaten Krieg zu führen, egal welche Mittel dabei zum Einsatz kommen, sondern sie haben den Auftrag, Bildung und Kultur an den Mann zu bringen. Und ich finde, dass es eine traurige Entwicklung ist, wenn die ÖR glauben, dass sie das Publikum nur ansprechen können, wenn sie ihren Bildungsauftrag bei Seite schieben und… Müll ausstrahlen. Müll, den ich auch bei den Privaten finde und bekomme und wenn ich mir Müll ansehen will, dann schalte ich auch zu den Privaten.

Der Fernsehkritiker sagte schon, dass die ÖR mit der Quotenmessung aufhören sollten. Das macht die ganz Kirre im Kopf, wie man immer öfters merkt.