Wieder mal eine interessante Folge. Es war eine gute Idee, Lars mitmachen zu lassen, wobei er ruhig etwas offensiver hätte auftreten können. Auch Holger war sichtlich um Harmonie bemüht. Sofern es keinen gegenseitigen Groll gibt, der auf diese Weise besänftigt werden muss, könntet ihr euch gerne einen härteren Schlagabtausch liefern.
Zur Sache: Klischees sind von Natur aus übertrieben, aber meist nicht aus der Luft gegriffen, wobei ethnisch-kulturelle Klischees m.E.n. eher in der Unterschicht zutage treten, während z.B. auf akademischer Ebene das Akademikerklischee dominiert, also Studenten aus aller Herren Länder einfach typische Studenten sind. Chebu und Engel wiederum verkörpern das Klischee des ÖR-Journalisten. Das sind einfach gruppenkulturelle Eigenheiten, die davon abhängen, was in der jeweiligen Gruppe vorgelebt wird, und nichts mit DNS zu tun haben. (Dann wiederum gibt es auch physische Unterschiede zwischen unterschiedlichen Gruppen - es sei denn, die NBA ist rassistisch gegen Weiße oder die UFC eine nigerianisch-tschetschenische Naziorganisation. Und darüber, dass afrikanischstämmige Sprinter europäischstämmigen überlegen sind, besteht selbst in den USA weitestgehend Konsens.) Ich erkenne auch nichts Schlechtes daran, Menschen zunächst in ihre jeweiligen Schubladen zu stecken, zumal ich selbst meinem Klischee recht nahekomme und die Einordnung an und für sich weder positiv noch negativ ist. Ich hasse niemanden wegen der Erwartungshaltung, die ich damit verbinde, ihn zu sehen oder zu hören.
Von Hanseaten erwarte ich ebenfalls ein bestimmtes Verhalten und bin z.B. überrascht, wenn sie sich locker machen können. Warum sollte ich Gruppen mit Migrationshintergrund anders behandeln als die Bewohner anderer Bundesländer? Wenn ich in anderen Bundesländern bin, äffen die Leute einen oberbayrischen Dialekt nach, obwohl ich Franke bin, und fragen mich, ob ich aus München oder Österreich komme. Und besonders in abgelegeneren Landesteilen fragt mich jeder zweite, wo ich herkäme und was ich hier wolle. Diese Ignoranz nervt mich, aber es wäre bescheuert, mich deshalb diskriminiert zu fühlen, selbst wenn in manchen Fällen der Tonfall feindselig ist.
Das ist einfach der normale Umgang im Alltag und anstatt sich von Fragen nach der Herkunft beleidigt zu fühlen, könnte sich man auch darüber freuen, dass man nicht wie ein Kleinkind behandelt wird, sondern wie jeder andere Mensch auch.
Bei den interviewten Dunkelhäutigen fällt auf, dass sie allesamt klingen wie zum Thema geschulte Akademiker. Das schreit nach einer Vorauswahl, da kaum ein Mensch, den man im Alltag trifft, anders als durchschnittlich spricht, und zwar unabhängig von der Hautfarbe. Jedenfalls kann ich nicht anders, als eine Frau, die mir im hochdeutschen Singsang der Oberschicht erzählt, es tue ihr in der Seele weh, dass Stifte, die der Hautfarbe der Mehrheitsgesellschaft ähneln, „Hautfarbe“ heißen, nicht als Vertreterin der dunkelhäutigen Minderheit wahrzunehmen, sondern als Vertreterin einer privilegierten Klasse, die Luxusprobleme hervorhebt, um Opfer sein zu können. Es ist eine Unverschämtheit des HR, auch nur anzudeuten, Amadeu Antonio sei ermordet worden, weil blassrosafarbene Stifte „Hautfarbe“ heißen.
Auch Alltagsrassismus sieht anders aus: Vor einigen Tagen versuchte ein älterer Türke im Wartezimmer meines Hausarztes, mit einer deutschen Frau Smalltalk zu halten. Er sprach sie lächelnd auf das heiße Wetter an, woraufhin sie das Gesicht verzog und ihm in Kindergartensprache erklärte, dass es im Sommer heiß und im Winter kalt sei. Anschließend wandte sie sich einer anderen deutschen Frau zu und plauderte fröhlich über das Wetter. Ich bin sicher, dem Türken wäre es lieber gewesen, hätte sie ihn interessiert gefragt, ob er die Hitze nicht von früher gewohnt sei.
Die deutsche Frau hat ihn behandelt wie ein lästiges kleines Kind, sobald sie seinen Akzent hörte, und genau hier beginnt rassistische Entwertung.
Und ganz generell verstehe ich nicht, warum dieselben Leute, die ständig von Vielfalt schwärmen, es gleichzeitig als rassistisch darstellen, Vielfalt wahrzunehmen.
Edit: Manchmal können Unterscheidungen auch zur Deeskalation beitragen. Der Täter von Würzburg etwa war Somalier. Somalia ist eine von Kriegen zerfressene und von mordenden Banden terrorisierte anarchische Trümmerwüste. Wer dort aufwächst, lernt mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts anderes kennen als Kummer und Gewalt, ist also potenziell gefährlicher als ein Perser oder ein Syrer. Würde dieser Umstand sowohl von den Behörden als auch von den Medien berücksichtigt, wäre es viel schwieriger, das Verbrechen dieses Täters pauschal „dem Islam“, „den Schwarzen“ oder „den Flüchtlingen“ zuzuschreiben.
Edit 2: Was Frau Chebu bequemerweise vergessen hat, ist die Tatsache, dass hellhäutigere Schwarze wie sie durchaus zu rassistischen Vorurteilen gegen dunkelhäutigere Schwarze neigen. Rassismus gibt es weltweit und er richtet sich immer gegen die Dunkleren (und Kleineren, denn die schlimmste Diskriminierung in Afrika erfahren die Pygmäen, die von größeren Stämmen teils als Affen eingestuft werden). Die einzige Ausnahme sind Albinos, die in Schwarzafrika bekanntermaßen Gefahr laufen, als Hexen verfolgt zu werden. Selbst wenn man meint, es gebe keinen Rassismus gegen Weiße, muss man anerkennen, dass es immer Rassismus gegen noch Dunklere gibt.