Zwei Schritte rückwärts, oder: Wieso ist Retro heute In?

Es kam ja in einigen Diskussionen in letzter Zeit immer mal wieder der Vorwurf, ich würde alles durch “die Nostalgiebrille” sehen. Nun ist es aber so, dass ich lange nicht der einzige bin, der sich ein wenig nach guter alter Nostalgie sehnt. Ich sehe das in meiner Umgebung immer mehr. Viele Leute die ich kenne hören fast nur noch Musik aus den 80ern und 90ern oder Musik von heute, die aber so klingt wie in den 80ern und 90ern aufgenommen (gerade im Wave und Post-Punk-Bereich ein riesen Trend seit Jahren). Musiksammler sammeln vermehrt wieder auf Vinyl und gar Kassette! Ja, die gute alte Audiokassette feiert ebenfalls ein Revival.

Gerade in den USA ist der sehr krass! Ich habe allein in den letzten Monaten sicherlich 30, 40 Wave und Post-Punk Bands auf Bandcamp gesehen, die ihre Veröffentlichung auf Kassette verkaufen. Es gibt auch wieder kleine Musiklabels, die sich allein auf Kassetten spezialisieren, sogenannte Tape-Labels: https://lostsoundtapes.com, http://www.noproblematapes.com
Wie gesagt, wieviele Tapes auf Bandcamp wieder verkauft werden: http://bandcamp.com/tag/cassette

Dann gibt es natürlich Retro-Gamer, die immer mehr werden. In Deutschland eröffnen immer mehr Computerspielmuseen und auch Flippermuseen gibt es schon hier und da. Da ist ebenfalls derzeit viel in Bewegung.

Man könnte jetzt sicherlich noch mehr Beispiele nennen, was es da alles gibt.

Die Frage ist aber: [B]Wieso ist das so?[/B]

Das ist ja schon lustig. Da haben wir eine hochtechnisierte Welt, sind ständig mit Smartphones erreichbar, wir vernetzen uns, man kann alles digital erledigen. Ich sag Euch was: genau DAS ist das Problem. Wenn man eine Zeitmaschine hätte und man würde jemanden aus den Jahr 1994 ins Jahr 2014 beamen, der würde garnicht zurecht kommen, da bin ich mir sicher. Zu krass hat sich die Welt in den letzten 20 Jahren verändert. Nicht nur in technologischer Sicht, sondern auch in gesellschaftlicher und wirtschaftlicher. Waren prekäre Arbeitsplätze vor 20 Jahren noch in der absoluten Minderheit und Tafeln bestenfalls eine Berliner Randerscheinung gibt es heute tausende von Tafeln in ganz Deutschland, Millionen Menschen arbeiten in prekären Verhältnissen und die Schere zwischen arm und Reich ist sehr sehr krass auseinandergetriftet. Zudem spielt die Welt einfach verrückt. Wir stehen an der Schwelle eines drohenden Weltkrieges, wenn das so weitergeht wie bisher, die Menschen sind heute weit egoistischer und kälter eingestellt. Auch klassische Subkulturen wie Gruftis, Punks, Metaller, usw. gibt es nicht mehr in dieser Form wie vor 20 Jahren. Nicht mehr in dieser rebellischen, gesellschaftsablehnenden Form. Nicht in Zeiten wo Metal-Kreuzfahrten gutes Geschäft machen, Gruftis von Medien hofiert und ehemalige Szenebands wie Faun bei Carmen Nebel spielen. Und der Punk ist sowieso seit Ende der 80er tot.

Die Welt entwickelt sich immer schneller und schneller. Was diese Woche noch ein großer Skandal ist, ist nächste Woche schon vergessen. Gauchotanz der deutschen Nationalmannschaft? Kein Thema mehr. Menschenunrecht in Südamerika? Kein Thema mehr! Fukushima? Was war das gleich nochmal?

Die Menschen arbeiten statistisch gesehen immer mehr für real weniger Lohn, die Welt entwickelt sich rasant schnell in Richtungen, die man nicht mehr überblicken kann und gleichzeitig werden die Menschen jeden Tag mit tausend Informationen bis in die Besinnungslosigkeit zugeballert.

Es ist ein gesellschaftliches Problem. Der Einstieg in die digitale Informationsgesellschaft kam für viele zu schnell. Fast halbjährlich ändern sich die Anforderungen an Menschen, privat wie beruflich. Es ist eine Zeit, die die wenigsten so recht überblicken können. Und gleichzeitig auch eine große Ernüchterung der letzten 20 Jahre. Wir erinnern uns zurück: Die 90er wirken heute in der Retrospektive auf viele Menschen so unbeschwert, weil die Menschen damals Hoffnungen entwickelten, nachdem aus den Kalten Krieg doch kein Heißer wurde. Nachdem die Mauer fiel und beispielswiese viele Subkulturen richtig aufblühten. Politiker versprachen uns, dass die Rente sicher sei. Das die Zukunft rosig wird. Es war eine Art neue Aufbruchsstimmung und heute? Was ist davon geblieben aus der Zeit von vor 20 Jahren? Die große Ernüchterung ist eingetreten.

Und viele Menschen bauen sich daher sozusagen ihre eigene Welt auf. Wo man eben wieder Musik auf Kassetten und Vinyl hört, wo man wieder Spiele in Pixelgrafik spielt, wo man sich auch bewusst gegen Smartphones entscheidet. Auch das beobachte ich immer mehr bei Leuten, die das Ding einfach nirgendswo mehr mit hinnehmen.

Und daraus resultiert dann auch eine argwöhnischere Skepsis gegenüber Steam oder der noch krasseren Digitalisierung von Videospielen. Ja, es gibt zig Leute denen ist das unglaublich wichtig sich etwas ins Regal stellen zu können! Aber wie gesagt, das sind nur die alltäglich sichtbare Erscheinungen. Die Gründe sind gesellschaftlich und liegen viel tiefer.

Diese Threads sind der Grund, weshalb ich in diesem Forum inzwischen kaum noch poste und auch nur noch selten mal reinlese. Ohne jede Ahnung von der Materie und stichhaltigen Argumenten werden irgendwelche abstrusen Behauptungen und Verbindungen zwischen irgendwelchen Thematiken, die einem persönlich ins Weltbild passen, hergestellt. Was dabei herauskommt ist so gehaltvoll wie Pappe und sorgt für Threads ohne wirkliche Diskussion.

Mr. Anchantia sollte für solche Art von Threads inzwischen eigentlich einmal einen Preis verliehen bekommen.

Du machst ja gerade so, als wäre das Forum voll von Anchantias. Da fühle ich mich gerade auch ein wenig angepisst.

Das ist alles nicht stärker ausgeprägt als es bisher auch war, vielleicht in der Wahrnehmung derer, die sich mit nichts Anderem beschäftigen. Da kann man sich natürlich schon mal wo reinsteigern. Das Einzige, wo ich momentan wirklich von einem Retro-Trend sprechen würde, sind die Auswüchse des Antisemitismus.

@Anchantia
Was du beobachtest, ist vielleicht weniger ein allgemeiner Trend, sondern vielmehr eine von vielen Subkulturen, die heutzutage lebendiger und vielfältiger als jemals zuvor sind.

Die Frage ist falsch gestellt. Man sollte sie eher so stellen:

„Warum ist Retro seit den 80ern niemals aus der Mode gekommen?“

Ich glaube ich kann das zu einem gewissen Teil beantworten: Der Bedarf ist vorhanden, aber er wird nicht mehr gedeckt.

Im Filmbereich lieben es sehr viele Leute, wenn ein Actionheld in guter alter „Lone Ranger“-Manier durch die Gegend stolziert und mit fettem Wummen Leute über den Haufen schießt.

In den 80ern hatten wir das zuhauf. Schwarzenegger, Stallone, Kurt Russell, Dolph Lundgren und viele mehr. Diesen Ikonen kann heutzutage niemand mehr das Wasser reichen - wir haben außer „The Rock“ keine riesigen Tiere mit dicken Muskeln mehr auf der Leinwand. Gerade aus diesem Grund ist auch die „Expendables“-Reihe so erfolgreich. Trotz ihres Alters freuen sich die Leute, ihre einstigen Helden wieder im Kino sehen zu können. Für viele Menschen macht das eben auch einen großen Teil ihrer damaligen Kindheit aus.

Und es geht nicht nur um die Schauspieler. Auch die düstere Atmosphäre der damaligen Filme - stark geprägt vom kalten Krieg und gerade erst aufkommenden neuen Technologien - macht etwas Einzigartiges aus.

Umso eher stürzen sich die Leute auf neue Medien, die den damaligen Stil aufgreifen. Der Erfolg von „Far Cry 3: Blood Dragon“ kam selbst für Ubisoft sehr unerwartet. Worauf ich mich auch sehr freue, ist Kung Fury - ein Film, der sämtliche Klischees der damaligen Zeit aufgreift:

Man muss das aber auch differenziert sehen - im Bereich Filme und Spiele rockt Retro derzeit sehr. Bei der Musik eher weniger. Es gibt einige Künstler, die den Musikstil der 80er Jahre mit originalgetreuen Synthesizern nachahmen (genannt „New Wave“), deren größter Kanal NewRetroWave hat auf Youtube aber gerade mal 45.000 Abonnenten.

Von Leuten, die wieder Kassetten sammeln, höre ich jetzt außerdem zum ersten Mal :smiley: Ich würde das nicht wollen, die Qualität ist einfach zu schlecht.

@schmatzler:
Die Musikrichtung hieß auch schon in den 80ern New Wave. Jetzt müsste das also eher New New Wave oder sowas sein :slight_smile:

Wo er Recht hat ist im Punkt digitaler Informationsgesellschaft. Die kam für viele viel zu früh, die Konsequenzen spüren wir bis heute.

[QUOTE=Mindflare;369173]@schmatzler:
Die Musikrichtung hieß auch schon in den 80ern New Wave. Jetzt müsste das also eher New New Wave oder sowas sein :-)[/QUOTE]

Rosso Corsa Records nennt es schlicht:

Outrun Electro, Synthwave and Chillwave :slight_smile:

Als man noch ISDN hatte, keine Flatrate, und man sich nur 1 Stunde Internet am Tag leisten konnte/wollte, da hat man sich verdammt gut überlegt, für was man diese Stunde opfert.
Also Sachen wie “Numa Numa Typ” oder “Star Wars Kid” auf Youtube angucken ^^

Ne, so viel besser war es früher nicht, nur waren viele Probleme einfach (noch) nicht sichbar, dank der technischen Einschränkungen. In den 90ern gabs genauso viele oberflächliche Menschen wie heute die glauben, man würde sich interessieren welche Marmelade sie sich aufs Frühstücksbrot schmieren - nur gabs damals kein Facebook das damit zugespammt werden konnte.

Anchi, du denkst zuviel nach.

Ist das jetzt ein Beitrag über „Retro“, Steam oder „gesellschaftliche Probleme“? Mein Kopf schwirrt. :ugly

Audio-Kassetten? Ich bin zwar für altes Zeugs zu haben, aber die Dinger sind doch so ziemlich das unpraktischste, was es gibt. Ständig dieser beschissene Bandsalat :x, der einen zum Teil auch noch das Abspielgerät versaut hat, vergleichsweise schneller Verschleiß. Fast hätte dich dir jetzt auch „Gehipstere“ unterstellt.

Ich war am Wochenende in der Stadt und da begegnete mir wieder und wieder eine modische Geschmacksverirrung aus den 1980ern - die Leggings! :shock: WARUM (AAAAAHHHHH!!!) nur sind sie zurück? Und warum werden sie fast immer von Frauen getragen, die dafür absolut ungeeignete Beine haben? Geh’ mir wech’ mit „Retro“ und „In“!

Ich höre Schallplatten - nicht aus Nostalgie, sondern weil ich den Klang mag, eine Schwäche für toll gestaltete Hüllen habe und einige Platten einfach wunderbare Gesamtkunstwerke sind. Ich habe schon als Teenie die Beatles gehört, obwohl es die da schon ewig nicht mehr gab und meine Altersgenossen auf aktuelle Bands standen. War das irgendwas Besonderes, Ausdruck einer bestimmten Haltung oder Sehnsucht? Nee, es war damals einfach nur mein Geschmack.

Subkulturen und ihre Musik wurden schon immer kommerzialisiert, so schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Man kann Kohle verdienen und die Subkultur wird Mainstream und somit weniger gefährlich. :wink: Aber wo soll es auch herkommen? Keine G.I.s, die Rock’n’Roll und Blues-Platten anschleppen, keine hungrige Nachkriegsjugend, keine „Helden“ mehr. Die heutige Jugend ist zufrieden, hat viele kleine Dinge, mit denen sie sich ablenken kann und wer musikalische Ambitionen (höhö) hat, der geht zum Bohlen um vielleicht in (und für) ein paar Wochen „Superstar“ zu werden und spielt sich nicht nächtelang in speckigen Reeperbahn-Kneipen die Finger auf einer Klampfe wund. (NEEEEEIIIIN, ich glaube, Anchi hat Besitz von mir ergriffen!) Nein, im Ernst, es gibt sie noch, sie sind aber entweder nicht mehr so präsent in den Medien (möglicherweise u.a. durch den Niedergang der großen Musiksender) oder sie fallen weniger auf, weil heute unheimlich viel auf allen möglichen Kanälen publiziert wird, u.a. durch „einfache“ Leute, die früher nicht die Mittel dazu hatten.

Zum technologischen Fortschritt: Ja, wir sind wirklich gerade dabei, uns von Dingen, die eigentlich nützliche Werkzeuge sein sollten so abhängig zu machen, dass nicht wir sie beherrschen, sondern sie uns. Technologische Entwicklungssprünge hat es aber schon immer gegeben und die Menschen mussten sich anpassen. Oder denke mal an die innerdeutschen Unterschiede vor 1990. Der Westen war zur selben Zeit technisch viel weiter, im Osten gab’s nicht mal CD-Player oder Videorecorder, auf ein schnödes Festnetztelefon hast du Jahre (!) warten müssen.

Ja, wir lassen uns knechten und arbeiten uns kaputt und bekommen zuwenig dafür (zumindest, die die tatsächlich einen Job haben ;)). Aber auch das ist nichts neues. Das Ganze wird nur je nach Epoche und Herrschaftsystem mehr oder weniger geschickt anders verpackt. :twisted: Glaubst du, in Erichs Arbeiter- und Bauernparadies war Arbeit immer ein Zuckerschlecken? Planerfüllung, Parolen, irgendwelche blöden Wettkämpfe unter den „Brigaden“ (!), Arbeitseinsätze, Subbotnik, dicke Luft in Bitterfeld… Kinder mussten auch am Samstag zur Schule. :mad:

Menschen neigen dazu die Vergangenheit zu verklären. Was meinst du, was es in vergangenen Jahrzehnten alles für schreckliche Dinge gab. Die Zeiten ändern sich, die Technik „verbessert“ sich, der Mensch hat sich im Lauf der Jahrtausende vom Wesen her aber nicht sonderlich geändert. Er verursacht immer wieder die gleichen Probleme, nur dass er dabei immer mehr Schaden anrichten kann. Gute alte Zeit? Pah!

Vielleicht bist du gar nicht „retro“, sondern hast einfach etwas entdeckt, das dir gefällt und das nur rein zufällig „alt(modisch)“ ist?

Hey, denk nicht drüber nach, sondern mach es einfach! Höre, was dir gefällt, spiel, was dir Spaß macht, trage die Klamotten, in denen du dich wohl fühlst… Gewisse Entwicklungen kannst du nicht aufhalten, schon gar nicht durch Forenbeiträge. LEBE und genieße, aber lass dieses Philosophieren um zehn Ecken, das macht mich verrückt. :lol:

Für viele Menschen macht das eben auch einen großen Teil ihrer damaligen Kindheit aus.

Ich würde diesen Punkt gerne mehr herausgreifen.

Für viele Leute ist der Rückblick auf die eigene Kindheit, ein Rückblick auf eine Zeit die irgendwie unbeschwert und einfach war. Was natürlich klar ist. Als Kind hat man keine Verantwortung für irgendetwas. Die meiste Zeit verbringt man spielend und etwa seit den 50er/60er Jahren ist die Prügelstrafe allmählich aus der Erziehung verschwunden und der Wiederaufbau nach dem Weltkrieg sorgte für genug Essen, etc.

Ergo ist für die meisten Menschen die ab den 60er Jahren geboren sind die Kindheit eine Zeit die mit positiven Erinnerungen voll ist. Was eine wirklich schöne Entwicklung ist.

Es ist nur logisch, dass jemand der sich an eine unbeschwerte Zeit zurück erinnern kann sich diese zu einem großen Teil zurückwünscht. Für Erwachsene ist die Welt nun einmal nicht so einfach wie für Kinder. Mittlerweile sind diejenigen die in den 90er Jahren Kinder waren aber auch erwachsen. Der “Retrotrend”, so es in den überhaupt als messbaren Trend und nicht nur als eine von vielen Subkulturen gibt, ist also in erster Linie der Versuch von Menschen sich ein Stück Kindheit zu bewahren.
Das ist etwas das Menschen schon immer getan haben, zumindest soweit sie eine glückliche Kindheit hatten. Der Anteil an Kindern mit glücklicher Kindheit ist gestiegen, also wächst auch der Bedarf an “Kindheitserinnerungen”.
[SPOILER][Traumahinweis: Manchmal kann es sogar so sein, dass gerade diejenigen die keine glückliche Kindheit hatten sich an irgendein winziges Detail klammern das ihnen doch als schön in Erinnerung geblieben ist. z.B. die eine tolle Kinderserie oder vielleicht auch die schöne Kassette die Mama immer eingeschaltet hatte, nachdem Papa wieder betrunken um sich geschlagen hat… Menschen können zu merkwürdigen Mitteln greifen um irgendetwas negatives zu verarbeiten.][/SPOILER]

Das hat also weniger etwas mit der “zu schnellen” Entwicklung oder der dauerhaften Technisierung zu tun. Sondern etwas damit, wie man seine eigene Welt für sich einfach ordnet.
Wenn der Retrotrend “technikfeindlich” wäre, dann wäre es absurd sich in die Computerspiele der 90er zu flüchten. Ein Urlaub in irgendwelchen abgeschiedenen ruhigen Gegenden wäre die viel logischere Konsequenz.

Fazit: Es ist durchaus möglich, dass du in einzelnen Teilen mit deiner Beobachtung recht hast. Aber insgesamt würde ich das Bild nicht so negativ malen wie du es tust.
Ich spiele auch gerne mal die Spiele meiner Kindheit, aber einfach wegen der guten Erinnerungen daran, nicht weil mir die heutigen Spiele nicht gefallen.
Die heutige Situation bringt den riesigen Vorteil, dass man problemlos zwischen verschiedenen Technikstufen wählen kann. Man muss nicht für jede Beobachtung das gesellschaftskritische Fass öffnen.

[QUOTE=Skafdir;369183]Man muss nicht für jede Beobachtung das gesellschaftskritische Fass öffnen.[/QUOTE]

Vielleicht habe ich mich in letzter Zeit auch zuviel mit den Thesen des britischen Kulturkritikers Mark Fisher auseinandergesetzt. Hier mal eine sehr gute BR-Sendung, die einige seiner Thesen, gerade über Hauntology in Kunst und der Rezeption dessen, zusammenfasst: http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/kolumnen-sendungen/generator/generator-hauntology-podcast-100.html

[QUOTE=Anchantia;369157]Und der Punk ist sowieso seit Ende der 80er tot.[/QUOTE]
Das ist zum Glück nicht wahr und analoge Computerspiele sind mir auch noch nicht untergekommen.

[QUOTE=Skafdir;369183]Für viele Leute ist der Rückblick auf die eigene Kindheit, ein Rückblick auf eine Zeit die irgendwie unbeschwert und einfach war. Was natürlich klar ist. Als Kind hat man keine Verantwortung für irgendetwas. Die meiste Zeit verbringt man spielend und etwa seit den 50er/60er Jahren ist die Prügelstrafe allmählich aus der Erziehung verschwunden und der Wiederaufbau nach dem Weltkrieg sorgte für genug Essen, etc.

Ergo ist für die meisten Menschen die ab den 60er Jahren geboren sind die Kindheit eine Zeit die mit positiven Erinnerungen voll ist. Was eine wirklich schöne Entwicklung ist.

Es ist nur logisch, dass jemand der sich an eine unbeschwerte Zeit zurück erinnern kann sich diese zu einem großen Teil zurückwünscht.[/QUOTE]

Das kann ich nur bestätigen. Ich finds deswegen heute immer noch klasse, alte Lieder / Serien etc. aus meiner Kindheit zu konsumieren.
(Wobei das teilweise schon entzaubert wird… zurzeit läuft wieder „Neues vom Süderhof“ im Fernsehen, eine Serie, die ich als Kind geliebt habe, aber heute frag ich mich ständig, was da für komische Dialoge geführt werden manchmal. :smiley: )

Computerspiele:
Bei den Computerspielen ist der Trend weniger ein RetroTrend und mehr ein IndieTrend. Durch die neuen digitalen Distributionswege sind die Hürden für kleine Indyentwickler sehr gesenkt worden. Diese haben natürlich eher weniger die Resourcen um grosse und komplizierte Spiele zu entwickeln, sondern eher kleine und dafür innovativere. Gleichzeitig ist durch die Tablets und Smartphones die Nachfrage nach genau solchen Spielen gestiegen. Diese Spiele erinnern natürlich stark an die Spiele des Anfangs der Heimcomputerzeit. Daher werden diese dann auch neu aufgelegt. Gleichzeitig sind die Leute, die damals in ihrer Jugend diese Spiele gespielt haben, jetzt in dem Alter, in dem sie ständig mit Smartphone rumlaufen. (Dieser Teile ist der RetroTrendTeil)
Das Entstehen von Computerspielmuseen ist mMn kein Beleg für einen RetroTrend. Die Computerspiele haben jetzt einfach genug Geschichte angesammelt, damit sich ein Museum überhaupt lohnt. Sachen, die in einem Museum stehen, sollten nunmal doch wenigstens 10 Jahre alt sein.

Was die sonstige Unterhaltung betrifft:
Bei Film und Fernsehen haben wir jetzt seit einigen Jahrzehnten nur noch wenige bahnbrechende Innovationen. Das heisst man hat ein immer grösser werdendes Archiv von Sendungen, die man sich ansehen kann ohne dass man sich an der Technik stört. Früher ist man da eher an solche Grenzen gestossen. (Stummfilm, schwarz-weiss-Film) Selbst bei Spezialeffekten geht die Entwicklung eher mehr in Richtung Kostenerparnis und damit mehr Quantität.
Bei Musik ist es eher die Konserverierung. Gute Tonaufnahmen gibts erst seit nichtmal nem Jahrhundert und da sammelt sich auch immer mehr Musik an. Ich schätze es gibt einfach nur eine begrenzte Anzahl von grundlegenden Varianten von Musik, die ein durch einen bestimmten Kulturkreis trainiertes Gehör als gut empfindet. Und wenn ich mich nicht irre ist der Mainstream sowieso immer ein Stück hinterher, bzw er nimmt einfach nach und nach Einflüsse auf und verändert sich so langsam.
Es ist mMn also weniger ein Retrotrend, sondern mehr eine Verlangsamung des Entstehens neuer Einflüsse und einer Verbreiterung der Möglichkeiten bereits vorhandes zu Neuem zusammenzusetzen.

Ferner ist es jetzt einfacher und billiger an die alten Sachen heranzukommen. So dass man seinem immer schon vorhandenen Retrogefühl viel leichter nachgeben kann.

Was allgemein die Veränderung der Welt betrifft, so bezweifel ich, dass das Tempo wirklich so viel schneller ist wie früher im 20. Jahrhundert. (Hehe ich hab mich immer noch nicht daran gewöhnt im 21 Jhrdt zu leben, ich wollte zuerst in diesem Jhrdt schreiben :slight_smile: )
Wenn ich mir zB ansehe was sich zwischen 1960 und 1980 geändert hat:

  • Homosexualität ist inzwischen legal
  • Verheiratete Frauen brauchen keine Erlaubnis, um zu arbeiten (Allgemein mehr Frauenrechte)
  • Ein Sozi ist Bundeskanzler
  • Allgemein die Veränderungen durch die 68er Bewegung
  • Wirtschafts- und Ölkrisen
    Das ist auch eine Menge Veränderung vor allem in gesellschaftlicher Weise mit der jeder tagtäglich zu tun hat.

Wenns um 80er Revival in der Musik geht, darf natürlich ein Name nicht fehlen: Kavinsky, ein französischer DJ und Kumpan von Daft Punk, der ausschließlich Musik in diesem Stil macht:

Bekannt aus dem Film Drive:

Allgemein ist zu sagen, dass jedes Jahrzehnt sein Revival hat. Kann mich noch erinnern, dass vor ca. 10-15 Jahren Schlagjeanshosen mal wieder in waren (70er Revival). Hat was mit Kindheitserinnerungen der jeweiligen Generation zu tun, die das Revival prägen. Gibt sogar psychologische Untersuchungen dazu.