ZDF Spezial - Rettung aus der Tiefe

Oh man !

Muß jetzt schon live aus Chile berichtet werden, da es hier derzeit keine Katastrophe gibt.
Was juckt uns hier die Rettung der Kumpels in Chile. Ok, es hat einen Nachrichtenwert, aber als Live-Sendung ? ? ?
Muß das echt sein, ist das ZDF jetzt schon so katastrophengeil ?
Und es wurde auch passend schon abends “Das Wunder von Lengede” gezeigt. Glaube das war auch das ZDF, bin mir aber nicht mehr sicher.

Finde das wäre einen Bericht wert. Wie seht ihr das ???

Gruß Glotzophon !

Finde ich gar nichtmal so schlecht wenn im Fernseh auch mal positive Momente ausgeschlachtet werden.

Wen es nervt, der kann ja ausschalten, aber als Aufreger ist es die Mühe nicht wert :wink:

Das machen aber auch alle Nachrichtensender, also N24, N-TV und Phönix. Ich frag mich auch immer schon wen das sonderlich so interessiert. Mal eine Schalte aus einer Nachrichten Sendung würde reichen.

Solche Sendungen drehen sich nur darum, die Sensationsgier der Zuschauer zu befriedigen. Furchtbar…

Ich finds auch schlimm, Nachrichten sollten nicht sein, erst recht keine positiven. Am besten auch die Zeitungen abschaffen. Sensationsgier, pfui Teufel!

Ich fand die Art und Weise wie die Rettung durchgeführt wurde interessant und die Bilder der Bergarbeiter die endlich wieder an der frischen Luft sind recht schön. Ich weiß grad nicht was hier euer Problem ist. Es ist in der Tat die Sensationsgier die hier befriedigt wird, aber ich versteh nicht wieso das in dem Fall so schlimm sein soll.

Irgendwo hört’s doch auch mal auf…

Hätten sie weniger über das dortige Geschehen berichtet - ich würde wetten, wir hätten hier mindestens einen Thread à la „Wofür zahl ich Gebüren, wenn über sowas nicht ausführlich berichtet wird?“… :roll:

Solche Sendungen drehen sich nur darum, die Sensationsgier der Zuschauer zu befriedigen. Furchtbar…

Schon furchtbar, wenn Menschen an positiven Dingen teilhaben und sich auch mal über was freuen wollen. Kann ich selbst ja auch kaum nachvollziehen - ohne meine tägliche Portion Katastrophe in Gestalt erschossener, vertriebener, verletzter oder sonstwie benachteiligter Menschen komm ich kaum zurecht. Und dann wird soviel Sendezeit für derartigen Quatsch verschwendet… unfassbar. Da hätte man lieber eine Stunde lang über 60 Unglücke berichtet, dass einem der Sabber vor Sensationsgeilheit nur so tropft, als 60 Minuten für 1 Glück.

Also, manchmal fragt man sich…

Es lebe Spiegel Online Spam: http://www.spiegel.de/spam/0,1518,72304 … ml#ref=rss

Weltweit wurden die dramatischen Szenen von der Rettung der 33 Bergleute in Chile übertragen und erzielten Traumquoten.

[…]

Die ProSiebenSat.1 Media AG fühlt im Salzbergwerk Borth und im Bergwerk Saar vor. Diesmal könnten, anders als in Chile, die Zuschauer von Anfang an dabei sein, die Bergleute vor laufender Kamera verschüttet werden!

Die besten Chancen werden aber RTL2 eingeräumt. Mit dem Format „Big Brother“ hat man dort beste Erfahrungen gemacht, wie über von der Außenwelt abgeschnittene Menschen berichtet werden kann.

[…]
:smt016

Also ganz ehrlich: Ich fand das so unglaublich überzogen…

Natürlich ist es schön, wenn diese Bergleute dort unten gerettet wurden. Und natürlich war es ebenso schrecklich, dass sie dort unten verschüttet wurden und ebenso schön, wie sie sich gegenseitig geholfen haben.

Allerdings:

Es wurde die ganze Zeit wieder so berichtet, als ob ich persöhnlich total betroffen davon sein sollte. Für die beteiligten Personen war das natürlich schrecklich, auch die Angehörigen waren in einer besch…eidenen Lage, aber: das tangierte mich doch überhaupt nicht.

Natürlich möchte ich über so etwas informiert werden. Aber eher so:

  1. Einige chilenische Bergleute wurden verschüttet und konnten deshalb überleben, weil sie sich gegenseitig halfen.
  2. Es änderte sich nichts / etwas / einiges
  3. Änderungen sind im Kommen
  4. Die chilenischen Bergleute wurden gerettet, alle waren gesund und munter (ggf. auch nicht).

Und nicht “Die chilenischen Kumpeeels - immer noch verschüttet”. Ich verstehe überhaupt nicht, warum man diese Bergleute zu “Kumpels” hochstilisieren musste. Ich weiß, dass im Ruhrpottslang Bergmann umgangssprachlich Kumpel heisst. Aber über die Kirchenmissbrauchsskandale hieß es doch auch nich “Kleine Drecksbalgen von Deppenpfaffen vergewaltigt”. Sondern: “Kinder von Geistlichen missbraucht”. Warum müssen diese Männer zu DEN (also wirklich DEN) Kumpels hochstilisiert werden? Kenn ich die, sind das gute Freunde von mir? Das ist alles subjektive Berichterstattung, dafür ist die Bild da (und das ist schon schlimm genug). Das ich sowas in einem seriöserem Blatt (der NOZ - Neue Osnabrücker Zeitung) lesen musste, stieg mir schon übel auf.

Dazu möchte ich zwei Kolumnen von Klopfers-Web verlinken:

http://www.klopfers-web.de/kol66.php

http://www.klopfers-web.de/kol24.php

Ich verstehe überhaupt nicht, warum man diese Bergleute zu „Kumpels“ hochstilisieren musste. Ich weiß, dass im Ruhrpottslang Bergmann umgangssprachlich Kumpel heisst.

Man hat sie nicht hochstilisiert, sondern einfach nur so bezeichnet. „Kumpel“ ist der Kollegenbegriff in der Bergmannsprache (gefallen hat mir das auch nicht) und offenbar hat irgendwer mal diesen Begriff verwendet und die Medien haben ihn übernommen. Da viele Medien ja auch um und im Ruhrpott angesiedelt sind, fanden die das sicher irgendwie anheimelnd und außerdem solidarisierend. Welche Zielgruppe man da allerdings solidarisieren wollte, ist mir nicht ganz klar, gibt es doch heute verschwindend wenige Bergleute in Deutschland. Was den Ruhrpottslang angeht muss man in dem Fall ja deutlich machen, dass dieser sicher zu bedeutenden Teilen aus der Bergmannsprache hervorging. So wie man im Erzgebirge „Glück auf“ auch als „Hallo“ benutzt. An Universitäten heißt es Kommilitone und im Sozialismus Genosse…

Generell würde ich mir mehr Inhalt im Fernsehen wünschen. Eine Live-Schaltung über viele Stunden hätte man früher lieber in wenigen Sätzen auf den Punkt gebracht. Offenbar werden Nachrichten immer mehr expandiert um das Programm zu füllen und weniger produzieren zu müssen - viel Sendezeit mit wenig Aufwand (dann noch billig rübergebracht, als wäre es heute nicht möglich störungsfreie Bilder zu liefern, unterstreicht es doch die Dramaturgie auf ganz eigene Weise).

Die emotionale Bindung der Zuschauer an das gezeigte Programm ist ganz im Interesse der Medien, schließlich wollen die ja Quote machen um Geld zu verdienen und um ihr Tun zu rechtfertigen. Ähnlich läuft das in der Konsumgüterbranche generell mit manipulativer Werbung, Aufmachung und sogar Platzierung, die über Forschung immer mehr verfeinert wird. Letztlich wird ein Marktdarwinismus forciert, der die RTL2-Fraktion vergrößert und verdummt und die anderen reich macht. Die Menschheit wird nicht automatisch schlauer, nur weil man mehr Wissen zugänglich macht. Das ist ein Trugschluss ganz im Sinne des Rational Choice Ansatzes (der immerhin schon nicht mehr ernsthaft wissenschaftlich verwendet wird), der von einer allgegenwärtigen Kosten-Nutzen-Abwägung ausgeht. Das Individuum ist aber kognitiv gar nicht in der Lage alles abzuwägen und hat nur eine gewisse Kontingenz an Ressourcen die zum Abwägen zur Verfügung stehen. Die Pluralisierung der Entscheidungsmöglichkeiten (Erhöhung von Komplexität) verringert die kognitive Kapazität um überhaupt abwägen zu können. Die sozialwissenschaftlichen Methoden haben bei der Fragebogenentwicklung ein sog. kognitives Modell, das dies berücksichtigt und bei Fragen auch betrachtet, ob die Befragten nicht sogar dazu gezwungen oder verleitet werden, die Antwortfindung vorzeitig abzubrechen und eine vorschnelle Entscheidung zu treffen, die nicht unbedingt die eigene Ansicht / den Tatsachen entspricht (dort hinein spielen dann auch Vorurteile und Soziale Erwünschtheit).

PS: Lief ja nicht nur auf ZDF und wo war eigentlich die Live-Schaltung nach Kolontar / Ajka? Wo sind die entrüsteten Live Berichte über die Demos zur AKW-Laufzeitverlängerung, Stuttgart 21, Strompreiserhöhungen wegen Öko-Umlage (Atomstrom wird übrigens massivst subventioniert, weshalb er so günstig ist, da hätte man auch abschalten und die Subvention in die Erneuerbaren stecken können)? Warum wird ÖR die Nicht-Nachricht nicht steigender Fernverkehrspreise hoch- und runtergenudelt und beiläufig mit einer Erhöhung der Nahverkehrspreise abgerundet? Bin so kurz (zeigt_ganz_wenig_Platz_zwischen_zwei_Fingern) davor die Flimmerkiste abzustöpseln und die TV-Karte auszubauen.

Also muss leider sagen das ganze wirkte schon ziemlich gestellt, was diesmal ausnahmsweise FAST nicht an den deutschen Medien lag:

  1. Die Reihenfolge der Geretteten, kam mir so vor als ging es rein um den “Showmoment”, als um das tatsächliche gesundheitliche Befinden.

  2. Ja, der gesundheitliche Zustand. In den Vorberichten wurde ziemlich Dramatisiert, den meisten Arbeitern ging es ja den Umständen entsprechend gut, also vom körperlichen Befinden.

  3. Die Arbeiter sahen erstaunlich gut gepflegt aus, in den Videos die, die letzten Wochen durch die Medien geisterten sahen die Arbeiter ziemlich fertig aus. Ich habe keinen mehr wiedererkannt. Wohl auch nur für den perfekten “Showmoment”

  4. Die persönlichen Hintergrundgeschichten, bzw. ihre Rolle in den letzten 2-3 Monaten im Bergwerk, klang eher nach einem schlechten Drehbuch…

Natürlich verdienen diese Männer Respekt solange standgehalten zu haben und ich glaube wenn mir das passiert wäre und ich nach 3 Monaten endlich wieder Tageslicht sehen würde, würde ich glaube ich alles machen, ob da jetzt hundert Kameras aufgebaut sind (und ich wahrscheinlich noch im Bergwerk geschminkt wurde) oder nicht. Die Reaktionen/Emotionen der Männer waren eindeutig echt, nur das Drumherum war ziemlich künstlich.

Jetzt wirklich, gibt es hier ernsthaft Probleme damit, das die Kumpels (ich finde die Bezeichnung normal) sauber herauskamen? Das ganze hat mehr was von Verschwörung “das böse Fernsehen, macht eine Show!!!1111elfelf”. Muss man bei so einer Sache auf so zwanghafte Weise versuchen die Berichterstattung schlecht zureden? Das die Bergleute gepflegt aussahen war doch nicht nur für die Kamera gut oder wäre es wünschenswerter gewesen, wenn sie in ihren Unterhosen hochkommen und so ihre Familien umarmen? Und das man bei einer solangen Berichterstattung außer den Namen der Männer auch etwas über sie selbst und ihre Aufgabe erzählen, ist doch wohl selbstverständlich.

Zu 1.: Es wurde eigentlich auch immer gesagt, dass die Reihenfolge von dem Psychologenteam festgelegt wurde, was auch Sinn macht, da diese selbst auch eine Auswirkung auf die restliche Gruppe hat. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann wurden zuerst die Leute im Rampenlicht hochgeholt, dann die nicht so stabilen und gegen Ende die robusteren und das Rettungsteam. Das ist auch nicht zu unterschätzen, da ja keine Garantie bestand, dass nicht mittendrin etwas schiefgehen könnte und der Rest dann wieder festsitzt.

Zu 2.: Der gute Zustand ist sicherlich der Versorgungsbohrung zu verdanken sowie der Betreuung durch das Psychologenteam und der Vorbereitung zur Bergung durch das Rettungsteam (es wurde mindestens eine Person vor der Bergung zusätzlich nach unten gelassen), siehe 3.

Zu 3.: Wer weiß, welche Aufnahmen man verwendet hat, in den letzten Wochen war der Medienrummel ja eher wieder sekundär, ähnlich wie zwischenzeitlich bei der BP-Ölpest und wohl abschließend auch bei der Laufzeitverlängerung für AKW. Mit Hilfe des Psychologenteams, naja siehe 4.

Zu 4.: Die Rollenverteilung, welche ja durch das Psychologenteam und wohl unter Beratung durch die NASA Fachleute erreicht wurde, diente der Stabilisierung, sowohl der Individuen, als auch der gesamten Gruppe. Es ist sicherlich kein Zuckerschlecken, deshalb nennt man es auch Extremsituation. Da man die Leute nicht auf Stand-By schalten konnte bis zur Bergung, hat man ihnen eine wiederkehrende Beschäftigung und bestimmte Rollen zugewiesen, mit anderen Worten einen künstlichen Übergangsalltag geschaffen. Durch die Beschränktheit sowohl räumlich, als auch personell waren die Leute gezwungen ihre Rollen “überzustrapazieren”, also in einem Maß zu leben, das unter Normalbedingungen nicht angemessen wäre - vergleichbar mit Scripted Doku Darstellern, die gezwungen sind, eine mehr oder weniger künstliche Rollenvorstellung, unterfüttert mit den erwarteten Erwartungen des Fernsehteams und der Zuschauer durchzuziehen. Bei Laienschauspielern und normalen Menschen sieht das entsprechend übertrieben aus. Zum Vergleich: Im Alltag hat jedes Individuum mehrere verschiedene Rollen, die sich ergänzen (unähnliche) oder unterstützen (ähnliche), aber abwechselnd und in gewohnten Situationen stattfinden. Die Rolle unter Tage ist im Alltag eine berufliche, die Rolle des Kollegen und nur peripher Familienvater etc. Das Rollengefüge einer Gruppe ist etwas dynamisches und labiles, hält einer Extremsituation [unbekannter sozialer Rahmen] auf Dauer nicht unverändert stand.

Das künstlich wirkende Drumherum ist einerseits dem Medienrummel geschuldet, und gleichzeitig den außergewöhnlichen Umständen. Die Katastrophenregion hat sich über die Zeit in etwas “Gewöhnliches” verwandelt in dem Sinne, dass sich über viele Wochen neben der Rettungsarbeiten auch das Leben der Angehörigen vor Ort immer stärker in ihren Alltag verwandelt hat (Unterkünfte und Schulen für die Kinder, etc.). Durch die abgeschwächte Berichterstattung und die damit verbundene verringerte Aufmerksamkeit bezüglich des Unglücks wirkte es also letztendlich so irreal, da sowohl oben als auch unten ein gewisser Alltag stattfand, der jedoch von den Medien weder akzeptiert noch übermittelt wurde - das hätte die Katastrophe nachrichtentechnisch ja irgendwie abgeschwächt und keine stundenlange Live-Schaltung benötigt. Für diese These spricht ja auch die angesprochene Vorbereitung der Bergleute (Sonnenbrillen, grüne Pullover mit Namenszug, Hygiene, benannte Rettungskapsel, etc.), die angesichts des eher unspektakulären Alltags (bitte unbedingt immer relativ zum Unglück interpretieren!) einfach möglich war. Bei einer schnellen Rettung bleibt für so etwas weder Zeit, noch hätte jemand dafür Verständnis gehabt. Kurz: Die Künstlichkeit entsteht durch die erzwungene Dramatisierung um den Zuschauern nach Wochen noch das letzte Stückchen Empathie abzuringen.