Erfahrungswerte vs. Rassissmus
Meine Erfahrungswerte besagen: Die nervigsten Fahrgäste in Zügen sind Frauengruppen im Alter 30+ an einem Freitag Nachmittag.
Die sind allerdings (vom aussehen und der Sprache her) deutsch.
Ergo: Deutsche sind enorm nervig in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Zumindest wenn ich deiner Logik folge.
Man könnte sich aber bei den Gruppen vielleicht mal angucken aus welchen Gründen die in welcher Konstellation zusammenkommen und dann kommt man am Ende vielleicht zu dem Schluss, dass diese „bösen Ausländer“ nicht nervig sind weil sie „böse Ausländer“ sind.
Sondern weil bestimmte Rahmenbedingungen vorliegen, in denen die meisten anderen genauso nervig wären. Oder vielleicht sind es auch einfach immer die gleichen „bösen Ausländer“. Dann könnte es einfach daran liegen, dass eben genau diese einfach als Person nervig sind.
Als nächste Beobachtungsaufgabe:
Versuch doch das nächste mal wenn du mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährst mal darauf zu achten wieviele „Ausländer“ nicht nervig sind.
Wir haben gleichzeitig nämlich noch das „Flugzeugabsturzsyndrom“. (Wort von mir erfunden)
Erklärung: Es wird darüber berichtet wieviele Flugzeuge abstürzen. Aber kein Mensch fragt nach wieviele Flugzeuge sicher gelandet sind.
Im Klartext: Die „nervigen Ausländer“ fallen dir auf, die nicht nervigen nicht.
Ansonsten zur Sendung an sich:
Was dort gemacht wird: Es wird ein altbewährtes System zum aufzeigen von Vorurteilen genutzt. Nämlich ein Experiment von Jane Elliott, die in einer Grundschulklasse braunäugige und blauäugige unterschiedlich behandelt. Die Blauäugigen werden diskriminiert und bekommen allemöglichen negativen Vorurteile zugeschrieben. Die Braunäugigen werden entsprechend bevorzugt behandelt.
Was Elliott sehr schnell herausgefunden hatte war, dass die Vorurteile sich schnell festigten und vor allem bei den blauäugigen sehr starke negative Auswirkungen hervorriefen.
Dieses Experiment hat sich aufgrund seines Erfolgs mittlerweile zu einem Workshop weiterentwickelt, der auch gerne mal von größeren Firmen in Anspruch genommen wird um innerhalb der Belegschaft für Rassismus und Diskriminierung zu sensibilisieren.
Genauso ein Workshop ist auch Inhalt dieser Sendung.
Soweit so gut, der Workshop wird genau so durchgezogen wie er sonst auch immer durchgezogen wird.
Die Blauäugigen bekommen mit wie es sich anfühlt diskriminiert zu werden.
Die Braunäugigen werden gleichzeitig sehr beeindruckend darauf aufmerksam gemacht wie schnell man zum „Täter“ wird.
Von der Entwicklerin wird es folgendermaßen beschrieben.
An sich ist das was gezeigt wird also nicht einmal zwingend neu, es ist aber für die Teilnehmer durchaus interessant das mal so mitzubekommen. Vor allem um mal zu sehen, zu was Vorurteile eigentlich führen können. Insbesondere die „Selbstbestätigung“ von Vorurteilen ist interessant.
Nun komme ich zu meinen Problemen mit der Sendung:
Der Workshop ist also durchaus sinnvoll und jahrelang erprobt und verbessert worden.
Die Teilnehmer werden nicht vorgeführt, dass ist positiv anzumerken und das sollte man auch im Hinterkopf behalten für alles weitere was ich schreibe.
Den abgesehen davon ist mein Eindruck von der Sendung eher schlecht.
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Der Grundaufbau liegt von der Machart viel zu sehr an den typischen Dokusoaps der Privaten.
Stimme aus dem Off, die Dinge kommentiert die keinen Kommentar bentötigen, Zuspitzung auf persönliches, etc.
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Die „Experten“ kommentieren auf eine so banale Art und Weise das es bald schon weh tut.
Hier stört mich auch vor allem, dass erst einmal das offensichtliche wiederholt wird, als wäre der Zuschauer zu blöd die Sendung zu sehen. Dazu kommt dann noch, dass diese „Experten“ kaum Redezeit haben. Sie sind auf Beiträge von drei oder vier Sätzen beschränkt. Anstatt das sie einen mal wirklich ein wenig was zu Sozialpsychologie sagen lassen. Unter Umständen sind die wirklich kompetent. Man hat ihnen in dieser Sendung nicht die Chance gelassen das zu beweisen.
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Die Hintergründe des Experiments werden zwar kurz erklärt, aber insgesamt dann doch eher ignoriert.
Hier wird also kaum weitergehende Recherche betrieben. Alles was getan wird ist: Man veranstaltet einen Workshop holt sich drei „Experten“ und hält dann die Kamera drauf. Eine absolut typische Billigproduktion mit möglichst geringem redaktionellem Aufwand.
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Insgesamt wird die Aufmachung irgendwie billig und plump.
Ich kenne mich mit Kameratechnik o.ä. kaum aus… vielleicht liegt der Grund da. Aber als ich mir das angesehen habe, hatte ich das Gefühl, dass das alles irgendwie einfach schlecht gemacht ist. Vielleicht kann da ja jemand mit mehr Expertise was zu sagen, vielleicht lag das auch einfach nur daran, dass ich sowieso schon enttäuscht von der Sendung war und deshalb jedes weitere Haar in der Suppe gesucht habe. Ich weiß es nicht.
Fazit:
Die Sendung war gut gemeint und hatte ein durchaus sinnvolles Grundkonzept mit diesem Workshop. Aber die Aufmachung macht sehr viel kaputt.
Man hätte sich von Seiten des ZDF mehr auf die Hintergründe und die wissenschaftlichen Erklärungen dahinter stützen sollen, anstatt rein auf diesen Workshop.
Der Workshop hätte eher „Beispielgeber“ für die sozialwissenschaftlichen und psychologischen Theorien sein sollen.
Damit hätte man dann etwas fundiertes auf die Beine stellen können womit ein gesellschaftlicher Mehrwert geschaffen worden wäre.
So ist es knapp über ne Stunde Unterhaltung und gut ist. Schade um die gute Grundidee, die mit Sicherheit dahinter stand.