Zitat menag:
Außer es läuft in der Anstalt. Oder die Heute-Show.
Seien wir mal ehrlich. Eigentlich bist du in einer Situation in der du den ÖR nur das glaubst, was du glauben willst. Also ist doch alles in Ordnung.
Menag, dieses Thema hatten wir doch bereits in dem von mir eingangs verlinkten Thread erledigt und brauchen das nicht widerkäuen. Durch den Vergleich von Quellen, Nach-Recherche usw. ist es doch möglich, sich ein Bild zu machen.
Nehmen wir das Beispiel mit Katrin Eigendorf, das ich ebenfalls hier verlinkt hatte. Da kann man zum einen die Vorwürfe gegen das ZDF nachlesen und zum anderen, was das ZDF dazu zu sagen hat. Vorausgesetzt dass die Antwort des ZDF korrekt wiedergegeben wurde (man könnte beim ZDF anfragen, aber die Echtheit bezweifelt wohl niemand), kann man ja einen direkten Vergleich ziehen.
Es sind ja meistens eh nicht Tatsachenbehauptungen, die aufeinanderprallen, sondern es geht darum, dass bestimmten Informationen in einer irreführenden Weise dargestellt oder einfach ganz weggelassen werden.
Nur ein paar Beispiele:
- Peter Scholl-Latour (RIP), der m.W. allgemein als seriöser Journalist anerkannt wird, und der auch kein „Linker“ war oder sonstwie „verdächtig“, beschuldigte beispielsweise die USA, 2004 einen erfolgreichen Putsch gegen die damalige (immerhin demokratisch gewählte!) Regierung der Ukraine mitinitiiert zu haben, um Einfluss in der Ukraine zu gewinnen.
https://www.youtube.com/watch?v=2DstVufWpRg
Ist an diesem Vorwurf irgendetwas etwas daran? Und wenn ja: Wie würden wir es finden, wenn beispielsweise die russische Regierung in Kanada eine demokratische Regierung stürzen würde, um mehr Einfluss auf Kanada zu gewinnen? Und wie würden die USA reagieren?
Warum werden solche Fragen nicht eingehend in den Medien diskutiert?
- Es gibt etliche Vorwürfe, dass die USA auch am aktuellen Umsturz in der Ukraine beteiligt waren. Das veröffentlichte Gespräch mit Victoria „fuck the EU“ Nuland deutet darauf hin. Der frühere amerikanische Präsidentschaftskandidat und Republikaner Ron Paul erhebt den Vorwurf, dass die amerikanische Regierung 5 Mrd. Dollar in den Umsturz gesteckt hat. http://www.ronpaulinstitute.org/archives/featured-articles/2014/february/09/victoria-nulands-ukraine-gate-deceptions.aspx
Auch hier bestünde doch aller Grund, einmal genauer hinzusehen. Wie würde man reagieren, wenn Russland Milliarden nach Deutschland, Polen, Mexiko oder gar in die USA stecken würde, um dort genehme Regierungen an die Macht zu bringen? Oder wenn auch nur dieser Verdacht begründet im Raume stünde?
- Einer der einflussreichsten amerikanischen Strategen ist Zbigeniew Brzezinski, der auch Berater mehrerer US-Präsidenten war. Obama bezeichnete ihn als „einen unserer überragendsten Denker“ (Wikipedia). Er beschreibt offen, wie die USA Russland verdrängen und schwächen sollten:
„US-Geopolitiker Brzezinski würde Russland gern matt setzen. In seinem Werk „The Grand Chessboard“ (Titel der deutschen Ausgabe: „Die einzige Weltmacht“) schreibt er, „ohne die Ukraine“ wäre Russland „im Wesentlichen ein asiatischer imperialer Staat“, der sich mit Konflikten in Zentralasien herumschlagen müsse. Mit der Kontrolle über die Ukraine und ihren großen Ressourcen jedoch, so der Ex-Präsidentenberater, wäre die Russische Föderation ein „mächtiger imperialer Staat“. Eine Gefahr sieht der amerikanische Stratege in einer „deutsch-russischen Abmachung“ und einer „Verständigung zwischen Europa und Russland mit dem Ziel, Amerika vom Kontinent zu verdrängen“.
Brzezinski drückt damit eine bis heute gültige amerikanische Strategie aus: Die USA wollen Russland auch in seiner unmittelbaren Nachbarschaft so weit wie möglich zurückdrängen. Spielen die Europäer dabei etwa in der Ukraine mit und verschlechtern sich deren Beziehungen zu den Russen, kann dies den USA nur recht sein.“
Laut Scholl-Latour analysieren die Russen die amerikanische Politik vor dem Hintergrund von Brzezinskis Buch (das wohlgemerkt lange VOR der aktuellen Ukraine-Krise erscheinen ist). Wieso werden dieses Buch und seine feindseligen Inhalte höchstens mal hier oder da erwähnt, aber nicht eingehend in den Medien diskutiert? Bereits die Tatsache, dass es für Russlands Einschätzungen der amerikanischen Absichten offenbar von großer Bedeutung ist, macht es wichtig.
- Mit seiner Haltung ist Brzezinski keineswegs allein. George Friedman beispielsweise, der Leiter der „Schatten-CIA“ Stratfor betont, dass es seit Langem das Ziel amerikanischer Politik gewesen sei, Russland zu schwächen, einen „Cordon sanitaire“ um es herumzulegen und vor allen Dingen eine Annäherung zwischen Russland und Deutschland zu verhindern. (Wohlgemerkt, Friedman findet so eine Politik gut.) Sein kurzer Video-Vortrag ist sehr bemerkenswert. Wer eine allzu unkritische Sicht der US-Politik hat, sollte einmal sehen, wie wichtige Teile der strategischen Eliten dort denken:
https://www.youtube.com/watch?v=gcj8xN2UDKc
Warum werden solche Fragen - die ja auch mit der Ukraine zu tun haben - kaum in deutschen Medien thematisiert?
- Und noch eine letzte Frage. Der CDU-Mann Willy Wimmer, ehemaliger parlamentarischer Staatsekretär für Verteidigung unter Kohl und ehemaliger parlamentarischer Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, sandte einen Brief an den damaligen Bundeskanzler Schröder, in dem er u.a. schrieb:
[I]"Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
am vergangenen Wochenende hatte ich in der slowakischen Hauptstadt Bratislava Gelegenheit, an einer gemeinsam vom US-Außenministerium und American Enterprise Institute (außenpolitisches Institut der republikanischen Partei) veranstalteten Konferenz mit den Schwerpunktthemen Balkan und NATO-Erweiterung teilzunehmen.
Die Veranstaltung war sehr hochrangig besetzt, was sich schon aus der Anwesenheit zahlreicher Ministerpräsidenten sowie Außen- und Verteidigungsminister aus der Region ergab. Von den zahlreichen wichtigen Punkten, die im Rahmen der vorgenannten Themenstellung behandelt werden konnten, verdienen es einige, besonders wiedergegeben zu werden.
[…]
Die europäische Rechtsordnung sei für die Umsetzung von NATO-Überlegungen hinderlich. Dafür sei die amerikanische Rechtsordnung auch bei der Anwendung in Europa geeigneter.
[…]
Der Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien sei geführt worden, um eine Fehlentscheidung von General Eisenhower aus dem 2. Weltkrieg zu revidieren. Eine Stationierung von US-Soldaten habe aus strategischen Gründen dort nachgeholt werden müssen.
[…]
Unbeschadet der anschließenden legalistischen Interpretation der Europäer, nach der es sich bei dem erweiterten Aufgabenfeld der NATO über das Vertragsgebiet hinaus bei dem Krieg gegen Jugoslawien um einen Ausnahmefall gehandelt habe, sei es selbstverständlich ein Präzedenzfall, auf den sich jeder jederzeit berufen könne und auch werde.
[…]
In jedem Prozess sei dem Selbstbestimmungsrecht der Vorrang vor allen anderen Bestimmungen oder Regeln des Völkerrechts zu geben.
[…]
Es gelte, bei der jetzt anstehenden NATO-Erweiterung die räumliche Situation zwischen der Ostsee und Anatolien so wiederherzustellen, wie es in der Hochzeit der römischen Ausdehnung gewesen sei.[…]"[/I]
Wimmer schließt:
„Die amerikanische Seite scheint im globalen Kontext und zur Durchsetzung ihrer Ziele bewusst und gewollt die als Ergebnis von 2 Kriegen im letzten Jahrhundert entwickelte internationale Rechtsordnung aushebeln zu wollen. Macht soll Recht vorgehen. Wo internationales Recht im Wege steht, wird es beseitigt. Als eine ähnliche Entwicklung den Völkerbund traf, war der Zweite Weltkrieg nicht mehr fern. Ein Denken, das die eigenen Interessen so absolut sieht, kann nur totalitär genannt werden.“
Ähnliche Vorwürfe wurden auch von anderer Seite erhoben. Was bedeuten sie, falls sie zutreffen? Dass man die Abspaltung der Krim unterstützt hätte, wenn sie nur im Interesse der NATO gewesen wäre?
Wieso werden Vorwürfe, wie ich sie hier exemplarisch (aber keineswegs erschöpfend) aufgelistet habe - die ja gut mit den Äußerungen führender amerikanischer Strategen und mit der praktischen US-Politik übereinstimmen - nicht ausführlich von den Medien diskutiert?
Das sind Fragen, die m.E. die ÖR zu beantworten hätten - ungeachtet davon, ob das ZDF nun etwas inszeniert hat oder nicht.