Youtube - Filmanalyse

Ich möchte an dieser Stelle mal einen YT-Kanal vorstellen, in dessen Bezug die Reaktionen sicherlich kontrovers ausfallen werden. Ich finde aber, dass im Verhältnis zum betriebenen Aufwand und auch zum Gehalt des Gezeigten, viel zu wenige Menschen zusehen.

Es handelt sich um Die Filmanalyse - Kino anders gedacht!

Präsentiert wird dieses Format von Wolfgang M. Schmitt jun., der im Gegensatz zum DVD-Kritiker, dem leider verstorbenen Franc Tausch, oder aber auch unseren beiden hier ansässigen Protagonisten von Pantoffelkino, sowohl Mainstream-Kino, als auch manch „tiefere Produktion“, im Rahmen einer intellektuellen oder auch hochkulturellen Betrachtungsweise beleuchtet.

Entdeckt habe ich den Filmanalytiker, nachdem ich im Kino „Ted“ gesehen habe, ein Film, den ich sehr mag und den ich als eine der gelungensten Komödien der letzten zehn Jahre betrachte. (siehe auch mein Avatar ;))
Ich wollte einfach mal auf YT schauen, wie ihn andere Menschen beurteilen und bin dabei auf den Filmanalytiker gestoßen.

Und was soll ich sagen… Ich war geschockt. Zunächst sitzt dort ein Jüngling vor einer Buchwand in reinster Literaturhaus-Ästhetik, der diesen Film vollends auseinandernimmt und mich als begeisterten Freund dieses Films, im Endeffekt als postpubertären Idioten dastehen lässt, der seine anale Phase niemals überwunden hat.

Ich war erst einmal ziemlich pissed aufgrund dessen und habe mir mal angeschaut, was der gute Mann denn noch so zu bieten hat.
Ich schaute das zweite Video, das dritte, vierte, usw., und habe dann erkannt, dass ich seine Meinung und Analysen so ca. zur Hälfte teile, alle aber berechtigt sind. Sogar die zu „Ted“… :wink:
Der Präsentator dieses Formates überstilisiert sich beim ersten Blick auf sein Schaffen selbst, doch erkennt man dann auch recht schnell, dass wir es hier tatsächlich mit einer authentischen Person zu tun haben.

Schmitt jun. vermag es, selbst die belangloseste Hollywood-Produktion mittels kulturhistorischen und auch philosophischen Querverweisen zu durchleuchten. Das wirkt manchmal etwas willkürlich, da man es auch vollkommen anders betrachten könnte, doch kann man es eben auch genau so sehen.

Dass er tatsächlich oftmals bei seinen favorisierten „Denkern“ gräbt und sich diese auch in der Rotation wiederholen, bleibt dem regelmäßigen Zuseher nicht verborgen. Dennoch ist seine Betrachtung des Kinos gleichbleibend intelligent und gerade heraus.

Auch wenn ich seine Betrachtung oft nicht teile, empfinde ich sein Format als sehr bereichernd und freue mich diesen Kanal entdeckt zu haben. Ich werde ihn weiter mit Interesse verfolgen.

Was haltet ihr davon? :smt006

Ich habe mir mal von ihm die Kritik zu “The Dark Knight Rises” angeschaut und fand es nicht unbedingt prall.

Auf inhaltlicher Ebene: [spoiler]Joa, das mit Stalinismus und Neoliberalismus ist mir auch sofort aufgefallen, aber das war Nolan-typisch ziemlich plakativ dargestellt. Einzig sein Punkt, dass die Catharsis des Mediums Film am Ende fehlt, war gut. Ich frage mich aber, warum er anfangs den Film so hoch lobt, dann allerdings nicht begründet, warum genau dieser Film der beste der Trilogie sein soll. Den Punkt “Hochkarätig besetzt” finde ich im Übrigen unfassbar lächerlich, denn es ist egal, wer da mitspielt, ein guter Film ist auch mit unbekannten Schauspielern gut und einen schlechten Film kann der beste Schauspieler nicht rausreissen.[/spoiler]

Was für ihn vielleicht interessanter ist: Ich persönlich finde die Aufmachung lächerlich. Im Hintergrund dieses gigantische Bücherregal mit - ich glaube - Kindlers Literaturlexikon drin? Falls es das ist, dann: Warum zum Teufel hat er das, wenn das sein eigenes ist, dann hat der Junge viel zu viel Geld, das ist schweineteuer und für Privatmenschen unnütz.
Aber auch der Rest: Man möge mir verzeihen, aber er sieht nicht älter aus als 22, und es wirkt da ein wenig lächerlich, wenn er sich mit Fliege und Anzug dort hinsetzt. Auch die demonstrativ platzierte Zigarettenschachtel mit Ascher und Glas mit Hochprozentigem (?), die zu keinem Zeitpunkt angerührt werden, wirken einfach nur, als ob er zwanghaft das Ambiente kreiren wollte. Was ich aber am wenigsten mochte war, dass er die ganze Zeit von seinen Karten abgelesen hat, teilweise sogar sehr viel. Natürlich ist es nicht schlimm, wenn er sich Notizen macht, denn bei diesen Redezeiten von z.T. über 3 Minuten braucht man natürlich die Notizen. Allerdings wirkte das hier doch recht häufig und störend.

Im Kristallglas befindet sich sein Lieblingsgetränk „Cola Light“ und in mancher Analyse raucht er auch tatsächlich mal eine Zigarette. :wink:
Auf seiner Webseite gibt es zudem einen Verweis auf einen Presseartikel über seine Person.

Ich habe ja bereits im Eingangspost angedeutet, dass ich beim Anschauen der ersten Kritik ebenfalls „entsetzt“ war. Ich empfande das auch alles furchtbar überstilisiert und fragte mich, was diese altbackene Literaturhaus-Ästhetik soll.

Er ist Student und macht auch keinen Hehl daraus, dass er einen Großteil seiner Zeit darauf verwenden kann, sich mit Kultur zu beschäftigen. Das kann er natürlich nur machen, da er „großbürgerlich“ ist - eine gesellschaftliche Schicht, die heute kaum noch öffentlich in Erscheinung tritt - und wenn - sich nicht als solche bezeichnet, bzw. auch davon ablenken möchte, dieser anzugehören.

Im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jhds. galt die Devise: Die erste Generation macht das Geld, die zweite verhurt es und die dritte wird Literat. (siehe auch die Manns)
Hier haben wir es m.M.n. mit einem Relikt dieses Milieus zu tun.

Er nutzt natürlich die Requisite, um ein solches Bild zu generieren, da eine solche Klassengesellschaft heute nicht mehr existent ist und vollkommen andere Maßstäbe in Hinblick auf gesellschaftlichen Erfolg angesetzt werden.
Bedenken sollten wir aber auch, dass es noch bis weit in die 1960’er Jahre absolut üblich war, als Student mit Anzug und Krawatte, respektive Fliege, an der Uni zu erscheinen und die Kommilitonen zu „sitzen“, was Schmitt jun. auch mit seinen Zusehern so handhabt.
Ich empfinde es als eine Rebellion gegen die Kulturrevolution von '68, die ich nicht vollends teile, die ich in seinem Fall aber als sympathisch empfinden kann. Denn sind wir mal ehrlich… Was ist daraus geworden und wo stehen wir heute? :smt017

Ich selbst bin ein vollkommen anderer Mensch, und wenn wir es auf die gesellschaftlichen Schichten vergangener Zeiten beziehen, entstamme ich zweifellos dem Proletariat.
Schmitt. Jun. wirkt zunächst einmal wie ein Großkotz, der er m.M.n. aber nicht ist.
Ich möchte hier auch niemanden über unser heutiges Gemeinwesen erheben. Wenn aber jemand sich so darstellt, dann sollte er es auf diese Weise tun und nicht ein allgemeinphrasierender Allesbediener werden, wie bspw. Richard David Precht, der es sich nicht nehmen lässt, immer wieder darauf hinzuweisen, wie links doch seine Eltern waren und dass er sich in Jugendjahren aufgrund dessen niemals die Zähne geputzt hat.

Die Analyse zu „The Dark Knight Rises“ sehe ich auch nicht als einen Glanzpunkt der Filmanalyse.
Wenn sich Schmitt jun. allerdings Cosmopolis zuwendet, ist er imho richtig gut. :smt023

Ich mag den Kerl einfach. Für mich ist es ein großer Genuß ihm zuzusehen und solcherlei Betrachtungen gibt es auf YT ansonsten nahezu nicht. :smt023

“Die sexuelle Potenz wird in die Zauberstäbe sublimiert.” :ugly
Ich mach´s kurz: ich finde seine Ansätze sehr interessant und werde definitiv mal öfters reinschauen bzw. eher reinhören. Denn hinsehen kann ich bei diesem Typ mit seiner arroganten Kleidung, Gestik und Mimik einfach nicht. Hat er es wirklich nötig, so dick aufzutragen?

Danke jedenfalls für den Tipp - schön zu sehen, dass es auch etwas anspruchsvollere Filmanalysen auf youtube gibt.

Dann kommt der Typ halt aus dem Großbürgertum - so what? Seine Herkunft geht mir so derbe am Allerwertesten vorbei, es spricht für mich aber eher weniger für ihn, dass er so unbedingt darauf pochen möchte.
Vielleicht war es bis in die 60er hin teilweise Usus, in der Universität mit Anzug und Fliege zu erscheinen, aber 1. sind seitdem 50 Jahre vergangen und ich sehe heute in der Uni in den seltensten Fällen die Dozenten so gekleidet und 2. ist das dort nicht die Universität.

Es ist mir egal, wo der Mensch herstammt, wichtig ist, was er wird. Genau darauf sollen schließlich - theoretisch gesprochen - nämlich Sachen wie BAFÖG und das baldige Abschaffen der Studiengebühren hinarbeiten: Darauf, dass Herkunft nicht mehr zählt. Wenn er jetzt die Gegenbewegung darstellen möchte, dann wirkt das wohl eher wie eine verzweifelte Tat des Großbürgertums, seine letzte bröckelnde Festung zu etablieren. Und Richard David Precht sollte für nichts, aber auch gar nichts, ein Maßstab sein.

Wenn ich mir das so ansehe, wirkt das eher wie ein schlechterer Versuch, eine Art Image zu kreiren. In seinem Alter - für das er, wie ich im Übrigen auch, ziemlich jung aussieht - wirkt das dann eher lächerlich, was vermutlich das Gegenteil von dem ist, was er möchte.

Positiv allerdings: Er scheint tatsächlich ein wenig tiefer in die Filme einzutauchen. Ich geb ihm noch ein paar Chancen, aber dann muss er das inhaltlich rausreissen, denn mit diesem Stil kann ich ihn kaum ernst nehmen.