Diskussion über den Blog-Artikel: Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft?
Als vor einigen Monaten der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt und der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück in der Talkshow “Günther Jauch” zu Gast waren, da gab es Kritik an der ganz offensichtlichen Werbung für deren gemeinsames Buch “Zug um Zug”. Die Redaktion der Sendung wies dies natürlich zurück, obwohl in der Sendung immer wieder über Inhalte und Zitate des Buches gesprochen und auch das Cover gezeigt wurde. Was ist das denn, wenn nicht Werbung?
An diesem Sonntag betreibt die Redaktion von “Günther Jauch” nun meiner Meinung nach ein weiteres Mal schamlose Werbung für ein Buch. Zu Gast in der Sendung ist Samuel Koch, der am 4. Dezember 2010 in “Wetten, dass…?” einen schweren Unfall erlitt und seitdem querschnittsgelähmt ist, mitsamt seiner Familie. Welch ein Zufall, dass genau einen Tag später Samuel Kochs Buch auf den Markt kommt. Natürlich sei es Samuel Koch gegönnt, dass er für sein Buch Werbung machen kann - nur sollten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen doch gewisse Grundsätze eingehalten werden, die hier meiner Meinung nach verletzt sind.
Ich habe der Redaktion von “Günther Jauch” mehrere Fragen geschickt, die mir auch umgehend beantwortet wurden:
1.) Halten Sie dieses sehr boulevardeske Thema für gut platziert in einer politischen Talkshow? Und wenn ja, warum?
"Das Themenspektrum der Sendung “Günther Jauch” deckt alle gesellschaftlich relevanten Debatten ab - dazu gehören Themen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Laut der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegie leben in Deutschland etwa 100.000 Menschen mit Querschnittlähmung. Samuel Koch ist einer von ihnen."
2.) Warum machen Sie, nach dem Auftritt von Helmut Schmidt und Peer Steinbrück vor ein paar Monaten, erneut unverblümt Werbung für ein aktuelles Buch?
"‘Günther Jauch’ wirbt weder für Bücher noch für sonstige Produkte."
3.) Erhält Ihre Redaktion bzw. ARD Gelder für diese Buchwerbung am Sonntagabend?
"Selbstverständlich nicht."
4.) Gibt es keine wichtigeren politischen Themen zu besprechen in Ihrer Sendung?
“Die Themen der Sendung “Günther Jauch” werden mal durch aktuelle Ereignisse, mal durch die Redaktion gesetzt. Nach dem wir die vergangenen Sonntage die Benzinpreise in Deutschland und das deutsch-israelische Verhältnis thematisiert haben, widmen wir uns diese Woche dem Thema “Querschnittlähmung”, mit der laut der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegie in Deutschland etwa 100.000 Menschen leben.”
Es wird knallhart abgestritten, dass hier für ein Buch Werbung gemacht wird - das finde ich bemerkenswert.
Nur einen Tag später, also am Montag, geht dann wie gewohnt Frank Plasberg mit “Hart aber fair” auf Sendung. Als ich das Thema las, mochte ich es kaum glauben: “Wissen wo der Hammer hängt - was treibt die Deutschen in den Baumarkt?” Zu Gast zu diesem weltbewegenden Thema sind u.a. Sonya Kraus und Uwe Ochsenknecht. Was hat das mit einer politischen Talkshow zu tun? Oder definiert sich “Hart aber fair” gar nicht so? Wirbt die Sendung für sich nicht mit dem Slogan “Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft”? Auch hierzu habe ich der ARD ein paar Fragen geschickt und erhielt ebenfalls umgehend Antwort.
1.) Wo trifft in diesem Fall Politik auf Wirklichkeit? (so lautet ja der Slogan der Sendung)
"Der Slogan wird nur dann eingesetzt, wenn in der Sendung auch tatsächlich Politik auf Wirklichkeit trifft. Es war aber bei “hart aber fair” schon sehr häufig so, dass dies für das Thema von einigen Sendung nicht zutraf und dann wird der Slogan in den Trailern zur Sendungsankündigung konsequenterweise auch nicht verwendet."
2.) Gibt es derzeit keine interessanten politischen Themen, über die man sprechen könnte?
“'Hart aber fair” hat sich neben politischen und gesellschaftlichen Themen fallweise immer wieder auch allgemeineren Themen von öffentlichem Interesse zugewandt. Die haf-Ausgabe am kommenden Montag ist so eine Sendung."
3.) Was versprechen Sie sich als ARD von dieser Sendung?
“Die Deutschen sind passionierte Heimwerker: Im vergangenen Jahr gaben sie statistisch gesehen pro Kopf 540 Euro in Bau- und Heimwerkermärkten aus. Das ist Spitze in Europa und mehr als der durchschnittliche Franzose und der durchschnittliche Brite zusammen. Wir treffen mit der Sendung also das Lebensgefühl vieler Leute, denn im Frühjahr nimmt die Heim- und Hobbygärtnersaison an Fahrt auf. Wir geben Tipps und bieten Service - das hat bei „hart aber fair“ Tradition. Und wir fragen kritisch nach: Wie sieht’s z.B. mit Tropenhölzern in Baumärkten aus, was besagen Gütesiegel? „hart aber fair“ setzt an diesem Montag selbst ein Thema, das der Alltagswelt der Zuschauer sehr nah ist.”
Bemerkenswert ist in jedem Fall die Feststellung, dass ein Slogan zu einer Show nur dann benutzt wird, wenn er auch passt - da stellt sich die Frage nach dem Sinn eines solchen Slogans.