[Abgetrennt von Pressesch(l)au. Folge 1]
[B]Klatsch ist stumpfsinnig und das wars? Eher nicht.[/B]
Die Klatschpresse erfüllt eine wichtige Pufferfunktion in unserer Gesellschaft, die von der Macht und Herrschaft Dialektik geprägt ist. Und zwar eine Pufferfunktion zwischen Reichen und Armen, zwischen Mächtigen und Machtlosen, zwischen Herrschern und Beherrschten.
Das wird in einem Artikel einer Zeitschrift näher erläutert, die Golenia ironischerweise hinter sich im Zeitungsständer hatte: In der Konkret vom 2/2013 erklärt Georg Seeßlen im Artikel “Glanz und Elend - was Die Klatschpresse zu sagen hat” umsichtig und detailreich was man dazu sagen muss, anstatt billige Gags über Offensichtliches abzulassen, die nichts widerlegen sondern nur spotten. Dieses Spotten ist übrigens ein Lästern, was auch bei “Teddy & Co” oder “Meine Enthüllungen” deutlich wird. Es ist genau die Sorte Mobbing, welches die Tratschpresse gegenüber den Stars und Mächtigen praktiziert um dem Leser zu gefallen.
[B]Was macht die Klatschpresse:[/B]
Diese Zeitschriften sollen den Kindern, den Pubertierenden oder Erwachsenen, je nach Zielgruppe, gewisse Rollenbilder und Lebenseinstellungen vermitteln. Frauen sollen hübsch und sexy sein. Sie sollen sich für Styling und Mode interessieren, sollen konform damit gehen und sich damit wohl fühlen, weiter nichts. Aber das tun sie regelmäßig nicht, weil die lebenslängliche Selbstoptimierung ziemlich anstrengend und unerträglich ist. Perfekt sein ist ohnehin unmöglich, aber wird trotzdem ständig gefordert. Daher dann auch die Sprüche in der “Bravo”: Sie dürfen das Feiern und “Sau raus lassen” nicht vergessen. Es braucht also Ventile um Herrschaft und Unterdrückung aushalten zu können. Wieso sonst ist zum Beispiel der Drogenkonsum auf einem permanent hohen Maß? (Auch bei Jugendlichen) Hier muss etwas kompensiert werden.
Was ist also die Funktion von dieser Klatschpresse? Seeßlen meint: “[I]Tratsch bearbeitet den Widerspruch zwischen Macht und Herrschaft. In der Bösrede über den herrscher verspürt der tratschende Macht.[/I]” Wenn also über das Leben der Herzogin oder irgendwelcher Promis lüstern geblickt wird, dann um sich selbst zu erhöhen. Die Reichen und Mächtigen sind symbolische Ausdrucksformen dieser Dialektik von Herrschaft und Macht. Der Leser kann sich in der Tratschpresse ein Urteil über die Reichen und Mächtigen erlauben, wo es sonst in der Geselschaft nie möglich ist.
“[I]Das Volk entblößt und frißt den Herrscher (und sei’s in der Zeit, in der wir auf den freien Friseurplatz warten) und steht zugleich vollständig unter seinem Bann.[/I]” Man hat nämlich im Sinne der kapitalistischen Gesellschaft zu funktionieren und muss zusehen dabei nicht so erbärmlich zugrunde zu gehen, wie in einer Erzählung der “Meine Enthüllungen”-Zeitschrift. Und Untergehen tut man nur allzu leicht, schliesslich verhungern jeden Tag Tausende oder sammeln Pfandflaschen um über die Runden zu kommen.