Vegan - Kommts in die Tüte?

der Effekt mag der gleiche sein, die moralischen Implikationen sind aber enorm: wenn mein eigenes Handeln, und sei es noch so selbstlos, letztlich egoistisch motiviert ist, dann kann ich anderen nicht vorwerfen, dass sie ebenfalls egoistisch handeln. Außer ich werfe ihnen vor, dass es ihr Wohlbefinden nicht steigert, anderen zu helfen bzw. Rücksicht zu nehmen. Ich weiß aber nicht, inwieweit man das jemandem vorwerfen kann. Da bin ich wirklich überfragt. Ideen?

Nun, im Grunde geht es ja schon bei der Fragestellung darum, eine moralische Legitimation für egoistisches Handeln zu konstruieren. Tatsache ist aber, daß die Menschheit an sich von der Fähigkeit zu altruistischem Handeln profitiert, die “Trickle Down”-Theorie der sog. Objektivisten halte ich - auf allen Sektoren übrigens - für überholt und längst von der Realität widerlegt.

[QUOTE=Maschendraht;489336] Wie gesagt, ich selbst bin kein Objektivist, da ich die Menschenrechte nicht primär aus der Fähigkeit zur Vernunft, sondern auch aus Leidensfähigkeit und Menschenwürde herleite [/QUOTE]

Also ich schreibe einigen Tieren Fähigkeiten wie Vernunft, Leidensfähigkeit und Würde zu. Ich kann mir gut vorstellen, dass das gerne belächelt wird, weil man selbst einfach nicht dran “glaubt”. Durch meine Erfahrungen mit Hunden und Katzen komme ich jedoch zu dem Schluss. Die Würde und Leidensfähigkeit wird hier wohl hoffentlich keiner absprechen; lediglich das Vernunftverständnis wird wohl polarisieren. Wenn ich aber sehe, dass Tiere ihre eigenen Bedürfnisse hinten anstellen, weil es für das Funktionieren in der Gruppe sinnvoller ist, dann hat dieses Tier für mich ein Vernunftverständnis. Bei welchen Tieren das aufhört kann ich nicht sagen. Ich habe lediglich Erfahrungen mit einigen Katzen und Hunden vorzuweisen. Und oft bin ich überrrascht, wieviel vernünftiger Tiere sein können, im Gegensatz zu Menschen… Aber hey… klar muss ich das sagen, bin ja ein verträumter Veganer, der im Regenbogenland lebt.

Die Motivation hinter dem Handeln, sofern es die Gesellschaft bereichert, ist mir auch meistens ziemlich egal. Hauptsache das Handeln funktioniert und schränkt möglichst wenige andere ein. Ich bin mir auch selbst der nächste, versuche dabei aber immer so wenig, wie möglich andere mit zu beeinflussen. Natürlich eine Sache der Unmöglichkeit, aber im Rahmen meiner Möglichkeiten eben.

Die Legitimation ergibt sich daraus, dass jeder Mensch sich selbst gehört und niemand Anspruch auf einen anderen Menschen hat (sprich: Leistungen von diesem) (und ja, ich weiß dass das die soziale Ungleichheit ignoriert und reale ökonomische Herrschaftsverhältnisse ausblendet. Deshalb bin ich ja auch kein Anhänger)

Umgekehrt finde ich es viel schwieriger zu konstruieren, warum ein Mensch einem anderen verpflichtet sein sollte. Zumal wenn Egoismus die einzige Motivation ist, zu der der Mensch unterm Strich überhaupt fähig ist.

Tatsache ist aber, daß die Menschheit an sich von der Fähigkeit zu altruistischem Handeln profitiert,

das stimmt in vielen Fällen. Von unserem Gesundheitssystem z. B. profitieren alle. Auch die, die viel einzahlen profitieren indirekt davon, dass alle (einigermaßen) versorgt werden. Das ist ein Beispiel dafür, wie der Gegensatz von Eigennutz und Fremdnutz aufgehoben sein kann. Genau darum geht es mir ja. Und wenn man dann auch noch gerne einzahlt, weil man ein anständiger Mensch ist und nicht will, dass Leute von Krankenhausrechnungen vernichtet werden, wie in den USA, dann ist das umso besser.

Allerdings stimmt es auch nicht immer, denn hundertprozentiger Altruismus wäre fatal, da jeder selbst seine Bedürfnisse am besten kennt. Würde sich jeder nur noch um andere kümmern, wären alle damit beschäftigt zu erraten, was der andere gerade braucht und kein Bedürfnis würde effizient und voll erfüllt werden.

Ich sag es nur ungern, aber die Tiere handeln nun mal nach ihren Instinkten. Das mag „effektiv“ sein, aber mit Vernunft im menschlichen Sinn hat das m. M. n. nicht viel zu tun. Zumindest nicht auf dem hohen Level (Sprechen und Raumfahrt z. B.)

Die Motivation hinter dem Handeln, sofern es die Gesellschaft bereichert, ist mir auch meistens ziemlich egal. Hauptsache das Handeln funktioniert und schränkt möglichst wenige andere ein.

Die Motivation ist allerdings schon entscheidend, wenn man das Verhalten beurteilen will. Die Tiere sind ja auch „egoistisch“. Frag mal die Maus, was die über die selbstlosen Katzen zu erzählen hat.

Ich bin mir auch selbst der nächste, versuche dabei aber immer so wenig, wie möglich andere mit zu beeinflussen. Natürlich eine Sache der Unmöglichkeit, aber im Rahmen meiner Möglichkeiten eben

Das versuche ich eigentlich auch.

[QUOTE=Maschendraht;489418]Zumal wenn Egoismus die einzige Motivation ist, zu der der Mensch unterm Strich überhaupt fähig ist.[/QUOTE]
Und hier glaube ich liegst du falsch.

[QUOTE=Scumdog;489420]Und hier glaube ich liegst du falsch.[/QUOTE]
Alles was der Mensch macht ist meiner Meinung nach egoistisch. Auch eine Mutter, die sich vor den Zug wirft um ihr Kind zu retten und damit ihren sicheren Tod in Kauf nimmt macht das nur weil es fuer sie das optimalere Ergebnis ist. Die Alternative waere ein Leben mit einem toten Kind und dem Gedanken im Hinterkopf, dass man sein Kind haette retten koennen.

Auch Veganer mit moralischen Intentionen handeln rein egoistisch. Sie waegen den Konsum von tierischen Produkten mit ihren moralischen Standards ab und kommen zu dem Schluss, dass sie der Konsum von tierischen Produkten weniger gluecklich machen wuerde als darauf zu verzichten. Nicht-Veganer kommen aufgrund anderer moralischer Standards zu einem anderen Schluss.

Beide Parteien handeln aber egoistisch, weil letztendlich einzig und allein die eigene Gluecksempfindung ausschlaggebend fuer die letzendliche Entscheidung ist. Was viele als selbstloses/nicht-egoistisches Handeln sehen ist wenn die eigene Gluecksempfindung abhaengig von der Gluecksempfindung anderer ist. Das ist meiner Meinung nach aber nicht zutreffend. Eine echte nicht-egoistische Handlung waere es meiner Meinung nach nur, wenn eine Person zu dem Ergebnis kommt, dass Handlung A sie gluecklicher macht als Handlung B, sie dann aber trotzdem Handlung B waehlt. Also sowas wie zum Beispiel ein Mensch, der nach Abwaegen aller Fakten zu dem Schluss kommt, dass eine vegane Ernaehrung ihn gluecklicher macht, er sich dann aber dazu entscheidet trotzdem tierische Produkte zu essen. Oder die Mutter, die ihr Kind sterben laesst obwohl sie weiss, dass es sie fuer den Rest ihres Lebens ungluecklicher machen wird als ihr Kind zu retten. Und sowas gibt es einfach in der echten Welt nicht. Letzendlich handelt jeder Mensch so wie es ihn unterm Strich am gluecklichsten machen wird (oder zumindest geht er davon aus) und das ist meiner Meinung nach Egoismus.

naja, das hatten wir ja bereits: auch scheinbar selbstloses Handeln ist dadurch motiviert, dass es einem selbst nützt: man fühlt sich selbst gut, wenn man anderen hilft und das ist der wirkliche Grund dafür, dass wir es tun. Kannst du mir irgendeine Handlung nennen, bei der das nicht so ist?

edit: STaRDoGG war schneller

Du willst ja letztendlich hierauf hinaus:

Damit machst du es dir ein wenig zu einfach.
Natürlich kann man anderen Menschen - wie auch immer motiviertes - Fehlverhalten vorwerfen, das im schlimmsten Fall anderen Menschen schadet.
Mit dem Egoismuis ist es wie mit so vielen Dingen: Die Dosierung, die Ausprägung ist entscheidend - und die Konsequenzen, die sich aus den daraus resultierenden Taten für andere ergeben.

Weil gegenseitige Rücksichtnahme eines der Fundamente der menschlichen Zivilisation darstellt.
Jedenfalls oberhalb der Wasseroberfläche ist das so.
Hier nimmt man sogar Rücksicht auf die, die keine Rücksicht nehmen wollen :wink:

@Maschendraht

Ich glaube, du verwechselt Vernunft mit irgendwas anderem. Was genau im Gehirn das Tier vom Menschen unterscheidet, weiß ich nicht. Es ist jedoch kein Grund für mich deswegen Quälerei dessen zu unterstützen, mal abgesehen vom Töten.

[QUOTE=STaRDoGG;489424]Alles was der Mensch macht ist meiner Meinung nach egoistisch. […][/QUOTE]

Beispiel:
Person A gibt 100.000 € für einen Porsche aus und fühlt sich deswegen glücklich.
Person B spendet 100.000 € für eine gemeinnützige Organisation und fühlt sich deswegen glücklich.
Person A und Person B haben das gleiche Einkommen.

Wärst du nicht in der Lage, hier ein unterschiedliches Urteil bezüglich des Egoismus zu treffen?

Doch. Person B ist weniger egoistisch, weil nicht einzig und allein das eigene Gluecksempfinden fuer die Entscheidungsfindung relevant ist. Das ist ja kein Schwarz-Weiss-Denken. Ich behauptet ja nicht dass es da keine Abstufungen gibt. aber Person B ist weiterhin egoistisch weil sie das macht, weil es unterm Strich ihr Gluecksempfinden steigert. 100% nicht egoistisches, also selbstloses, Handeln ist meiner Meinung nach nur dann vorhanden, wenn das eigene Gluecksempfinden nicht in die Entscheidungsfindung miteinbezogen wird. Und das gibt es nicht.

Und das gibt es nicht.

Es mag sein, daß es den absolut reinen Altruismus nicht gibt.
Das negiert aber aus o.g. Gründen nicht die Existenz eines erreichbaren, moralischen „Higher Grounds“ und das ist ja das, was diese Diskussion letztendlich erreichen will.

Ich verstehe den Zusammenhang zwischen Motivationsgrund für das eigene Handeln und Veganismus nicht. Ich gehe ja noch mit, dass man drüber streiten kann, aus welchen Gründen man Veganer ist. Aber wofür ist es entscheidend ob ein ethischer Grund egoismusbedingt ist oder nicht?

[QUOTE=Miraculum;489465]Ich verstehe den Zusammenhang zwischen Motivationsgrund für das eigene Handeln und Veganismus nicht. Ich gehe ja noch mit, dass man drüber streiten kann, aus welchen Gründen man Veganer ist. Aber wofür ist es entscheidend ob ein ethischer Grund egoismusbedingt ist oder nicht?[/QUOTE]

Verstehe ich auch nicht

hm, ihr seht mich etwas ratlos. Ich habe nun schon zwei mal versucht zu erklären, welchen Unterschied es macht, dass Veganer auch eine egoistische Motivation haben. Andere haben ja auch ähnlich argumentiert, ich weiß nun aber ehrlich nicht mehr, wie ich es noch erklären kann.

Ich habe nun schon zwei mal versucht zu erklären, welchen Unterschied es macht, dass Veganer auch eine egoistische Motivation haben.

Und wir haben versucht zu erklären, weshalb das irrelevant ist.

@Maschendraht du sprichst doch eh davon dass jeder und alles egoistisch motiviert ist… Welche Relevanz hat das also im Omni - vegan Vergleich, wenn die Voraussetzungen identisch sind?

[QUOTE=Miraculum;489565]Welche Relevanz hat das also im Omni - vegan Vergleich, wenn die Voraussetzungen identisch sind?[/QUOTE]

weil der Veganer vom Omnivoren etwas verlangt, was er selbst auch nicht leisten kann: nämlich eben “Selbstlosigkeit”/Altruismus. Deswegen finde ich es unfair zu sagen “sei doch altruistisch und denk an die armen Tiere, statt an die Grillplatte, du bist egoistisch wenn du Fleisch isst etc.”. Es wurde schon zu oft Altruismus vorgetäuscht, um von anderen altruistisches Verhalten zu verlangen und ihnen ihren Egoismus vorzuwerfen.

Folgendes Beispiel:
Ein Kind droht vor deinen Augen zu ertrinken.
Du springst ins Wasser, um es zu retten.

Deiner Argumentation zufolge tust du das, um hinterher als Held gefeiert werden zu können oder um ein schlechtes Gewissen zu vermeiden.
Das ist aber normalerweise nicht der Fall, sondern einfach der Wunsch, dem Kind zu helfen.

Desweiteren führst du aus, daß altruistischen Taten die egoistische Motivation zu Grunde liegt, sich selbst besser zu fühlen.
Gehe aber mal einen Schritt weiter, dann landest du nämlich bei der Frage: Welche Taten genau verschaffen dir jene guten Gefühle?
Ist es der Mercedes in der Garage oder doch eher die Rettung des Kindes / der Wale / der Umwelt / der Hundewelpen?
Was sagt das über dich aus?

edit:

That all particular appetites and passions are towards external things themselves, distinct from the pleasure arising from them, is manifested from hence; that there could not be this pleasure, were it not for that prior suitableness between the object and the passion: there could be no enjoyment or delight from one thing more than another, from eating food more than from swallowing a stone, if there were not an affection or appetite to one thing more than another.
-Joseph Butler

Um bei dem Beispiel zu bleiben: ich finde es vollkommen irrelevant​, aus welcher Intension heraus jemand das Kind rettet… Hauptsache es wird gerettet!