"Tatort Hessen" mit U. Tukur vom 04.12.

Überall sonst im I-Net wird heftigst drüber diskutiert, hier ist das überhaupt kein Thema … wie kommt’s?!? :shock:
Hat’s keiner gesehen?
Interessiert es hier keinen?
Oder bin ich einfach mit Blindheit geschlagen & habe zwischen den Besprechungen irgendwelcher nichtsnutziger Drecksformate auf den privatsendern den entsprechenden Thread schlichtweg übersehen … ?

Gut, falls nicht, bin ich hier eben der erste (und ggfs. auch der einzige), dem das Thema einen Thread wert ist.

Soweit ich weiß, war dies bereits der 2. unorthodoxe “Tatort” dieser Machart … mit einem schwer hirnerkrankten Ermittler im Vordergrund. In der “Hörzu”, die sich inzwischen wohl angewöhnt hat, jeder Filmbeschreibung am Schluss noch was Bewertendes hinzuzufügen, ist m.W. ebenso despektierlich wie treffend von einem “sepiafarbenen Albtraum” die Rede.

Also, ich muss ehrlich zugeben, ich fand’s nicht schlecht … auch wenn ich nicht unbedingt wissen will, welche halluzinogenen Drogen man vorher konsumiert haben muss, um ein entsprechendes Drehbuch schreiben zu können, bzw. wieviel Mut man sich als maßgebender Angestellter eines öffentlich-rechtlichen Senders vorher angetrunken haben muss, um sowas durchzuwinken und seine Rente aufs Spiel zu setzen.

Dennoch bin ich der Meinung: Es hat sich gelohnt! Wenn auch in vielleicht gewöhnungsbedürftiger Form wurde doch hier ein ernstes Thema diskutiert (illegaler Organhandel), und dies auf wesentlich pointiertere Weise, als es ein klassischer “Tatort” jemals leisten könnte. Natürlich muss man als Zuschauer erstmal bereit sein, sich drauf einzulassen, und genau hier liegt vermutlich auch der Knackpunkt, warum die meisten das doof fanden und am liebsten gar nimmer sehen wollen. Aber selbst diese konservativ eingestellten Zuschauer (falls sie unter Schmerzen bis zum Schluss durchgehalten haben sollten) müssen zugeben: Z.B. die Behauptung, es käme im heutigen Zeitalter der Informationsüberflutung nicht mehr auf die Fülle an, sondern auf die Selektion - und von der Sorte bietet dieser Tatort jede Menge! - … das transportiert durchaus einiges an Wahrheitsgehalt. Und beweist mir, dass da jemand am Werk war, der über Leben und Lebensart durchaus Bescheid weiß. Die Information, mit welcher Temperatur ein bestimmter Rotwein zu servieren ist, das ist da lediglich das i-Tüpfelchen. Und Ulrich Tukur verkörpert diese morbide Figur des auf sich allein gestellten Ermittlers zwischen Genie, Wahnsinn und Todeserwartung m.E. perfekt!

Gut, diese Sequenz mit der überdimensionalen Haselnuss, die Tukur dann in einer Art Traumsequenz angreift, hätte man sich gewiss gut sparen können. Aber vielleicht war das auch nur ein blödsinniger Regie-Einfall, um die Sendezeit irgendwie vollzukriegen, nachdem der Drehbuch-Autor doch alles gesagt hatte.

Gelohnt hat sich diese Tatort-Folge für mich aber allein schon wegen des unerwarteten Auftritts der Kessler-Zwillinge.

Ich hätte die eine vorher gar nicht als solche erkannt, weil die beiden Kesslers ja (ohne uncharmant sein zu wollen … aber ab einem gewissen Alter ist dessen Erwähnung vielleicht auch schon wieder ein Kompliment) seit mindestens 50 Jahren nur im Doppelpack zu sehen sind. Auf jeden Fall … dass die bereit waren, sich für eine Art “Grusel-Szene” zur Verfügung zu stellen, beweist, dass sie Humor haben. Und ihre Performance beweist, dass die beiden nichts von ihrem Können und ihrem Charme eingebüßt haben.

Hier seht ihr’s live & in Farbe:

[video]http://www.youtube.com/watch?v=9rCEA4l8rd0[/video]

Die zwei hatten aber offenbar schon immer ein Gespür für dramatische Auftritte.
Vor einigen Jährchen ließen sie sich per Schrankkoffer auf der Bühne anliefern.
Aber schaut selbst:

[video]http://www.youtube.com/watch?v=nG3haxJvVxc[/video]

Nachtrag: Soweit ich die Messages auf anderen Plattformen verstanden habe finden da alle diesen Tatort total blöd … und zwar witzigerweise unabhängig davon, ob man ihn vollständig gesehen hat, nach den ersten 15 Minuten abgeschaltet oder auch gar nicht erst eingeschaltet hat.

Vielleicht erinnern sich die Älteren noch an die Zeit, als Mitte der 1980er jahre die Tatorte mit einem ebenfalls “etwas anderen” Ermittler namens Schimanski aufkamen. Damals gab’s noch kein Internet, aber im Bekanntenkreis, bzw. auch in den Leserbriefen war man der einhelligen Meinung, dieser Mist müsse ganz, ganz schnell wieder vom Bildschirm verschwinden.

Inzwischen juckt das kein Schwein mehr. Im Gegenteil: Schimanski ist heute Kult, und es gibt Zuschauer, die würden am liebsten nur noch Schimanski-Tartorte sehen, bis Götz George (bzw. sein Körper) vielleicht im Alter von 105 Jahren mal genug hat und endgültig schlapp macht. Und die Hardcore-Fans werden sich vermutlich wünschen, dies möge im Rahmen der Dreharbeiten zu einer Folge “Schimanski” geschehen.

Aber so sind sie, die Zuschauer. Ich würde somit einen Dreck auf deren Meinung geben und statttdessen darauf vertrauen, dass sich echte Qualität über kurz oder lang eh immer durchsetzt.

Ich bin jetzt endlich dazu gekommen, mir den Tatort anzuschauen und mir gefällt er auch sehr.
Tukur würde ich gerne häufiger sehen. Auch (und gerade) mit Musikeinlage und 50er-Jahre-Vorspann.

Was die Nuss-Traumsequenz angeht, so hätte ich sie jetzt als den Kampf mit seinem Tumor (von dem seine Sekretärin ja immer als der “dummen Nuss” redet) interpretiert.

Ahoi.

Ich bin kein regelmäßiger Tatort-Seher aber zufälligerweise hab ich diesen gesehen.
Ich fand ihn genial erfrischend mit einem kultig, englischem Touch. Würde mich freuen wenn mehr in der Richtung zu sehen wäre.
Mir gefallen einfach Filme die von Stimmung und Aura leben und nicht unbedingt Action brauchen.

Ich fand ihn genial erfrischend mit einem kultig, englischem Touch.

Mich hat diese Traumsequenz (bevor die Haselnuss ins Spiel kommt) an eine Szene aus dem Film „Sinn des Lebens“ von Monty Python erinnert. Ihr wisst schon … die, wo plötzlich der Mitarbeiter des Vertreters aus dem Kühlschrank klettert und der Hausfrau singend das Universum und die Unbedeutendheit des eigenen Lebens erklärt, um sie dazu zu bringen, dass sie einen Vertrag unterzeichnet.

Ich meine, es gibt doch immer noch soooo viele konventionelle „Tatorte“, nach denen kein Hahn kräht.
Dann gibt’s aber einmal im halben Jahr was mit Tukur, und die halbe Fernsehnation scheint vor Entrüstung dagegen Sturm zu laufen, fast, als hätte man drauf gewartet. Das ist doch auch schon nimmer normal, oder?

Durch Zufall lief dieser Tatort am Sonntag, während wir mit drei Generationen anwesend waren.
Während mein Großvater sich darüber beschwerte, wie unrealistisch das alles sei (und da musste ich ihm, so weh es mir tat, an der einen oder anderen Stelle zustimmen, z.B. bei der “Klinik” im Keller inklusive CT), hatte meine Großmutter schwer daran zu knabbern, dass sie bereits nach kurzer Zeit irgendwie handlungstechnisch den Faden verloren hatte und kam außerdem über den ungewohnten Kontrast nicht hinweg (“Gehört das so dunkel oder liegt das am Fernseher?!”). Der Kommentar meiner Tante war ein vorsichtiges “Also, wenn ihr wollt, könnt ihr auch umschalten…” nach etwa dreißig Minuten. Mein Onkel war der einzige, der sich am Schluss freute, weil er stolz war, mit seinem anfänglichen Tipp auf Organhandel als Thema richtig gelegen zu haben.
Sie haben sich alle wirklich bemüht und bis zum Schluss versucht, dem Ganzen Sinn abzugewinnen, aber nach dem Abspann brach die pure Entrüstung los. (“Was für ein an den Haaren herbeigezogener Mist!”) Und ich hatte dem leider nicht viel entgegen zu setzen. Außer: Ja, ihr habt Recht, es war ein furchtbarer Tatort - ABER ein wirklich guter Film.
Und das ist auch meine Abschlussbewertung. Der Film ist einfach frontal mit der gesetzten Tatort-Erwartungshaltung zusammengeprallt und das hat keinem der Beteiligten sonderlich gut getan.
Aber, das möchte ich noch mal betonen, filmisch/technisch/ästhetisch/schauspielerisch ein wirklich toller Film!
Trotzdem: Ich kann sehr gut verstehen, wenn man das sonntagabends um viertel nach acht nicht zu schätzen weiß, sondern einfach nur einen stinknormalen Tatort sehen möchte.

Ich hab’s mir vorhin angeguckt (weil hier drüber diskutiert wurde und mich die Nuss neugierig machte :ugly ). Bin sonst kein Tatortgucker… früher als ich noch bei meinen Eltern lebte, ganz selten mal (meistens hatte ich aber auch da eine Spielekonsole oder einen PC oder was anderes tolleres :mrgreen: ).

Von daher stößt mich der Film nicht vor den Kopf und der Vergleich fällt mir schwerer. Aber ich muss Violetta von meiner Seite aus zustimmen: Ich fand den Film wirklich sehenswert.

Besonders gefallen hat mir auch das immer im Hintergrund der Dorfszenerie sichtbare Herrenhaus. Speziell nachts wurde peinlichst darauf geachtet, dass es immer zu sehen war. Und die Verneigungen vor den alten Krimis mit ihren teilweise kultigen Einstellungen oder Stilmitteln (Tukurs Monolog im Auto am Anfang… herrlich) müssen eigentlich unweigerlich zu Schmunzlern führen.

Mir hat’s gefallen. :slight_smile: