Task Force Berlin (Pro Sieben)

Es ist ja vom Ansatz her durchaus löblich, dass Pro Sieben versucht, die oft steifen Politsendungen der öffentlich-rechtlichen Sender zu durchbrechen und auch jüngere Menschen politisch ansprechen möchte (deswegen fand ich auch die Idee von “Absolute Mehrheit” gut, auch wenn ich an der Umsetzung vieles falsch finde).
Aber warum muss man es denn so derart offensichtlich mit Coolness inszenieren.

Heute abend startet “Task Force Berlin”. Das ist keine neue Krimiserie, sondern zeigt sog. “Promis” die Politiker im Namen der jungen Wähler interviewen.
Die Sendung im Ganzen kann man erst im Nachhinhein beurteilen, aber was mich schon im Vorfeld stört (weswegen ich auch gar nicht erst einschalten werde):

-die Inszenierung von Pro Sieben, die die Task Force wie eine Art Heldengruppe darstellt und die Sendung als Teil der sog. “Election Weeks” vermittelt. Ist die Zielgruppe wirklich geistig so begrenzt, dass man krampfhaft mit englischen Begriffen um sich schmeißen muss?

-die Besetzung der Task Force: Sänger Gentleman, Nikita Thompson von “Got to dance” und die beiden omnipräsenten C-Promis Sophia Thomalla und Rebecca Mir. Was soll das bringen, diese Leute auf Politiker loszulassen? Für mich ist das ein weiterer Beleg, dass scheinbar kein Sender mehr darauf verzichten möchte, in jeder Sendung irgendwelche prominenten Gesichter einzubauen…

-die Anbiederung an ein junges Publikum. Auf der Internetseite von Pro Sieben findet man auch Videos von der sog. “Kanzlerbox”, was sehr an die TV Total TV Box erinnert. Außerdem findet man eine Reihe von Rapvideos. Ich finde, man kann es übertreiben. Bevor ich den rappenden Steinbrück sehe, der um die Stimmen der Erstwähler bettelt, schaue ich mir lieber das x-te schematische Sommerinterview an, bei der er seine Würde behält.

Insgesamt finde ich dieses ganze Drumherum nur störend. Ich möchte lieber, dass sich Sender auf seriöse Berichte zu den politischen Inhalten konzentrieren.

[QUOTE=spiderjerusalem;320163]die beiden omnipräsenten C-Promis Sophia Thomalla[/QUOTE]
Hm, ich kenne bloß ihre Mutter und habe gerade extra nachschauen müssen, ob du nicht den Namen falsch geschrieben hast. Die Omnipräsenz hängt vermutlich stark von den konsumierten Sendern und Sendungen ab …

Die Folge, in der Claudia Roth von Bushido befragt wird, musste leider kurzfristig entfallen.

ich kenne bloß ihre Mutter

Ja, ja, die steht auf jüngere Männer. Von Dir hätte ich allerdings Besseres erwartet.

Gefakte Umfrage?

Relativ am Anfang der Sendung (vielleicht Minute 10) gab es eine Umfrage bezüglich doppelter Staatsbürgerschaft, Es kommt eine Person und stellt sich gegen die Aussagen der scheinbar beiden “zufällig” ausgewählten Typen. Einer der beiden war in der Sendung TAFF und wird als neureicher Schnösel dargestellt der am Timmendorfer Strand einen auf dicke Hose macht.


Ab Minute 13

Ich würde schon von einem sehr großen Zufall ausgehen wenn das nicht gestellt wurde.

Am schlimmsten war doch die Kameraführung - mir ist jetzt noch übel!

Interessant war, dass genau zeitgleich in der ARD mit der Sendung “Überzeugt uns” ebenfalls ein politisches Format speziell für junge Menschen lief (siehe den Nachbarthread). Da bietet sich quasi ein direkter Vergleich für die nächste Fernsehkritik.tv-Sendung an. Da sieht man auch, wie unterschiedlich man an so einen Vorhaben herangehen kann.

Ich habe gestern einen Teil der Sendung gesehen und ausgeschaltet, als sie mir zu anstrengend wurde.

Pro: ProSieben macht eine politische Sendung, mit der sie junge Leute erreichen möchte, insbesondere aus den bildungsfernen Schichten mit oder ohne ausländische Wurzeln. Ob die anderen nicht gefragt wurden oder (vernünftigerweise) nicht wollten, bleibt unklar.
Pro: Die befragten Jugendlichen durften ihre Schwierigkeiten mit der Wahlentscheidung (ob überhaupt und wenn ja, welche Partei) äußern.
Pro: Es haben erstaunlich hochrangige Politiker ihre Teilnahme zugesagt, insbesondere hätte ich das von Peer Steinbrück nicht erwartet. Bei den aktuellen Umfragen für die SPD tut er halt alles für jede Stimme.
Die beiden in dem Kino / Theater / was auch immer haben die Interviews abschließend nochmal zusammengefasst und etwas eingeordnet.

Contra: Etliche der Jugendlichen durften Werbung für ihre Rapmusik machen. Wer auf Haftbefehl & co steht, dem könnte das gefallen, alle anderen sollten den Ton ausschalten. Diesen Rapper mit der Glatze und dem extremen Bart fand ich ganz schlimm. Er sah für mich aus wie ein Salafist. Ich hoffe, ich liege damit falsch.
Contra: Diese Fragerunden mit den Jugendlichen und die Straßenumfragen wirkten doch sehr gestellt. Insbesondere die Abstimmung in der Runde zu Beginn (kaum keiner geht wählen) und am Ende (wenn ich mit den Politikern über [xyz] rede, wer geht dann wählen -> alle) fand ich unglaubwürdig.
Contra: Die Interviews mit den Politikern waren nahezu inhaltsfrei. Bei den nahezu inhaltsfreien Fragen war das aber auch keine Kunst. Ich meine aber, dass einer der Politiker (Steinbrück?) gesagt hat, dass die Jugendlichen sich auch selbst anstrengen müssen. Immerhin etwas, zumal ein Großteil der Jugendlichen so wirken, als ob sie das in den vergangenen Jahren vernachlässigt haben.
Contra: Die Prominenten waren für mich falsch ausgewählt, weil ihnen allesamt der nötige Sachverstand fehlt. Ein Topmodel ist halt ein Topmodel und Gentlemans Love-Peace-Harmony-Einstellung lädt zum Phrasendreschen durch die Politiker ein.

Fazit: Wenn ProSieben durch diese Sendung einige Jugendlichen zur Wahlurne bringt, war sie ein Erfolg. Die Sendung selbst war daneben, die Einschaltquoten haben es ja auch bewiesen.

@ Holger: Ein Vergleich mit der parallel laufenden Sendung auf der ARD wäre vielleicht einen Beitrag wert.

[QUOTE=Fernsehkritiker;320322]Am schlimmsten war doch die Kameraführung - mir ist jetzt noch übel![/QUOTE]

Hast Du länger kein “Mitten im Leben”, “Trovato…”, “Schicksale…” usw. gesehen?
Seit Jahren kennt man es doch gar nicht mehr anders, als ob der Kameraman auf dem Bug eines in schwere See geratenen Kutters stände und permannent den Zoom auf- und zumacht. Das ist so nervig, bin mal gespannt wann es so normal geworden ist daß es den Kindern schlecht wird wenn die Kamera nicht dauernd rumzappelt.

Ich habe gestern mal reingeschaut, aber auch nicht lange durchgehalten.
Der Teil, den ich gesehen habe, war das Interview von Rebecca Mir mit Sigmar Gabriel und das war einfach nur grauenhaft.

Dabei hätte das laut Sendung doch genau mein Format sein sollen, ich bin dieses Jahr nämlich auch Erstwähler.

Aber die Fragen waren mir dann echt zu blöd. Schon die erste Frage, er habe doch eine hohe Position in seiner Partei, war nicht gerade sehr offen gestellt. Na gut, geschenkt. Ein rhetorisch erfahrener Politiker kann auch aus geschlossenen Fragen was machen.
Aber dann (ich kann das jetzt alles nicht mehr genau wörtlich wiedergeben, sondern nur sinngemäß):“Wollten Sie denn nicht Bundeskanzler werden?” Soweit ich mich erinnere, wollte er das am Anfang schon und seine Partei mochte sich noch nicht festlegen (die Troika). Das wird aber nicht mal erwähnt - ich frage mich, ob die sich im Vorfeld überhaupt vorbereitet hat, zum Beispiel mit möglichen Rückfragen oder wie man bei bestimmten Antworten am besten nachhaken könnte. Mir kam das nicht unbedingt wie ein Dialog vor, sondern eher wie ein vorgetragener steckbriefmäßiger Fragezettel.

Stattdessen nämlich die Frage "Bundeskanzler ist doch ein begehrter Posten, oder nicht?"
Der Teil in Gabriels Antwort, indem er sagte, die Kanzlerin selbst habe zuvor auch einmal auf eine Kandidatur verzichtet, war natürlich verräterisch - wurde aber von den Kommentatoren gleich wieder totgequatscht.
Die fand ich überhaupt am nervigsten!

Obwohl die Idee mit fachkompetenten (!) Kommentatoren, die das Gesagte für politisch unerfahrene Zuschauer noch einmal verständlich aufbereiten, ja eigentlich sehr sinnvoll ist. Aber warum hat man dann diese Blödelköppe (Verzeihung für den Ausdruck, aber er trifft’s für mich am besten) dafür ins Boot genommen?
Mir scheint, die wollten nur lässig da rumsitzen und einfach mal ohne Anspruch ein bisschen massentaugliches Politikerbashing betreiben und sich dabei besonders schlau und witzig vorkommen. Viel gelernt habe ich jedenfalls nicht und außer auf das Offensichtlichste wurde ich auch nicht auf irgendetwas relevantes hingewiesen.

Aber als Gabriel erwähnte, seine Mutter sei Krankenschwester gewesen und die zwei das als Lüge darstellten (“Die war vielleicht zum Karneval mal als Krankenschwester verkleidet”), musste ich mich doch sehr wundern.

Jemand der sich wirklich mit Politik auskennt und in einer Wahlkampfsendung mitmacht, sollte sich doch auch mal ein bisschen mit den Biographien der Parteispitzen beschäftigt haben. Gerade bei einer so großen und für den Wahlkampf bedeutenden Partei wie der SPD, deren Vorsitzender Gabriel ist.
Und selbst wenn man keine Ahnung von nichts hat, sollte man gerade dann doch nicht einfach irgendwelche Behauptungen aufstellen!
Mir hat es da jedenfalls gereicht. Ich hätte als Erstwähler gern mehr über die am Wahlkampf teilnehmenden Parteien erfahren. Aber da war ich, glaube ich, an der falschen Adresse.