Stern TV (20.04.2016) - etwas diskriminierend für Menschen mit Behinderung

Moin,
in der letzten Folge von SternTV (20.04.2016) sieht man manchmal die Zuschauer im Studio, und unter anderem auch einen Rollstuhlfahrer, der von uns aus gesehen links neben der Treppe sitzt. Zu sehen ist er bei fast jeder Anmoderation, also zB bei 1:00 oder bei ca. 19:00

http://www.tvnow.de/rtl/stern-tv/list/aktuell/thema-ua-sicherheitsrisiko-keyless-systeme/player

Jetzt werde ich bestimmt wieder kleinkariert genannt, aber nach aktuellen ethisch-moralischen Standards dürfte das so nicht passieren. Der Rollstuhlfahrer sitzt sehr offensichtlich [I]abseits[/I] von den “normalen” Gästen, er sitzt als einziger links neben der Treppe. In Zeiten der Inkluision sollten solche Menschern eben NICHT eine “derart gesonderte” Position bekommen. Sie sollen ja eben wie die anderen “gleich” behandelt werden.

Nun, es ist sicherlich richtig, dass man einen Rollstuhlfahrer schlecht auf einen normalen Stuhl setzen kann, oder die Tribüne da so umbauen, damit er in der Mitte sitzen kann. Das wäre wohl zuvciel des Guten. Aber dass man die linke Seite nimmt, wo dann auch noch die Treppe zwischen dem Rollstuhlfahrer und den anderen Gästen steht, wirkt schon befremdlich. Immerhin ist das ein recht flexibles Studio, man hätte den guten Menschen auch auf die rechte Seite setzen können, ohne die Treppe dazwischen, direkt neben die anderen Gäste. Platz genug wäre gewesen.

RTL liefert so den besten Beweis für eine fehlgeschlagene Integration/Inklusion. Vermutlich war es dem Rollstuhlfahrer egal, aber es ist ein schöner Ausschnitt für irgendeine kommende Reportage über Inklusion, wenn RTL mal wieder den moralischen Zeigefinger hebt - den Ausschnitt kann man dann rauskramen und zeigen “Ihr macht es auch nicht besser!”.

Dass der Rollstuhlfahrer dort sitzen wollte ist natürlich ausgeschlossen. Schließlich hat man als Rollstuhlfahrer keine eigene Meinung.

Grundsätzlich weiß ich ja was du meinst, aber für mich fehlen da eine Menge Informationen um von bewusster Diskriminierung zu sprechen.

[QUOTE=Lauri;451727]Dass der Rollstuhlfahrer dort sitzen wollte ist natürlich ausgeschlossen. Schließlich hat man als Rollstuhlfahrer keine eigene Meinung.[/QUOTE]

“Bitte platzieren Sie mich möglichst weit weg von den anderen, damit man mich auch als Behinderter wahrnimmt!”

Ja genau…
Aber selbst wenn die Person kein Problem damit hatte - darum gehts mir nicht in erster Linie.

[QUOTE=Lauri;451727]
Grundsätzlich weiß ich ja was du meinst, aber für mich fehlen da eine Menge Informationen um von bewusster Diskriminierung zu sprechen.[/QUOTE]

Es ist ganz einfach:
Man sollte Menschen mit Behinderung - wie gezeigt - einfach so nicht darstellen. Solche Menschen sollen integriert (bzw. politisch korrekter “inkludiert”) werden, also als Teil der Gesellschaft. Dafür kämpfen entsprechende Verbände schon lange. Bei Stern TV wurde der Rollstuhlfahrer aber eben sehr “abgetrennt” positioniert und gezeigt, quasi am Rande der Gesellschaft. Es geht um die Wirkung. Auf mich wirkt es halt wie “Behindis gehören dahin wo Platz ist, und wo es uns gefällt”.

Es wurde einfach das Gegenteil von Integration/Inklusion gezeigt.

Nicht mehr, nicht weniger.

“Solche Menschen”

[QUOTE=Langzeitkritiker;451953]Aber selbst wenn die Person kein Problem damit hatte - darum gehts mir nicht in erster Linie.[/QUOTE]
Ich hab dich schon verstanden. Es geht dir darum ein Beispiel für misslungene Inklusion aufzuzeigen. Und die Antwort warum die Inklusion nicht funktioniert hat liefert das Programm gleich mit. Auslöser der Situation ist offensichtlich die fehlende Barrierefreiheit der Plätze für die Zuschauer. Für fehlende Barrierefreiheit bedarf es aber nicht extra Stern TV, die gibt es auch im Restaurant um die Ecke.

Vielleicht wurde vor Beginn der Sendung ja nach einer anderen Möglichkeit gesucht? Vielleicht hat der Rollstuhlfahrer seinen Platz akzeptiert, weil er nicht von den anderen bemuttert werden wollte?

Inklusion bedeutet nicht nur Barrierefreiheit, sondern auch dass man vielleicht gemeinsam versucht vorhandene Barrieren zu überwinden. Die Vorgeschichte zur Sendung kennen wir nicht, deswegen taugt das Thema nichts. Dass der Rollstuhlfahrer da alleine sitzt ist zwar nicht schön, aber die barrierefreie Gestaltung einer Umgebung ist wohl kaum von jetzt auf gleich möglich. Die einzige Möglichkeit solche Bilder noch zu verhindern wäre wohl gewesen den Rollstuhlfahrer hinter die Bühne zu stellen.

[QUOTE=Langzeitkritiker;451953]Solche Menschen sollen integriert (bzw. politisch korrekter “inkludiert”) werden, also als Teil der Gesellschaft. Dafür kämpfen entsprechende Verbände schon lange.[/QUOTE]
Das Thema Inklusion ist so eine Sache; In der Theorie hui in der Praxis pfui, weil einfach an allen Ecken Gelder und Fachkräfte fehlen. Und am Ende landen diese Menschen dann wieder auf Förderschulen und anschließend in einer Werkstatt der Diakonie und in Wohnheimen. Aber immerhin durften sie mal kurz am “normalen gesellschaftlichen Leben” schnuppern.

[QUOTE=Langzeitkritiker;451953]Bei Stern TV wurde der Rollstuhlfahrer aber eben sehr “abgetrennt” positioniert und gezeigt, quasi am Rande der Gesellschaft. Es geht um die Wirkung. Auf mich wirkt es halt wie “Behindis gehören dahin wo Platz ist, und wo es uns gefällt”.[/QUOTE]
Und wieder unterstellst du dem Rollstuhlfahrer keine eigene Meinung zu haben. Auch Rollstuhlfahrer können Ungerechtigkeiten benennen, wenn sie diese sehen oder selbst erleben. Du musst sie nicht vertreten und in ihrem Namen “offensichtliche Ungerechtigkeiten” anprangern.

[QUOTE=Langzeitkritiker;451953]Es wurde einfach das Gegenteil von Integration/Inklusion gezeigt. [/QUOTE]
Womit wir wieder beim Thema wären. Denn das habe ich ja nie abgestritten. Nur das mit der Diskriminierung sehe ich nach wie vor nicht als bewiesen an.

[QUOTE=Lauri;451990]Das Thema Inklusion ist so eine Sache; In der Theorie hui in der Praxis pfui, weil einfach an allen Ecken Gelder und Fachkräfte fehlen.[/QUOTE]

Das ist richtig, allerdings hat sich die Bundesregierung auch dazu verpflichtet “angemessene Vorkehrungen” zu leisten. Dies bezieht sich natürlich erst einmal nur auf öffentliche Gebäude wie Schulen und Ämter. Man begegnet dem eher kaltherzig, seitens der Regierung. An Schulen passiert enorm viel, aber das ist alles Selbstorganisation, mit knappen Mitteln.

In Norwegen hat man zum Beispiel Gebärdensprache als Muttersprache anerkannt. Davon können wir hier nur träumen.

[QUOTE=Lauri;451990]Vielleicht hat der Rollstuhlfahrer seinen Platz akzeptiert, weil er nicht von den anderen bemuttert werden wollte? [/QUOTE]

Solange solche Fragen im Raum stehen, lohnt es sich tatsächlich nicht, darüber zu meckern, dass jemand vermeintlich ausgegrenzt wurde. Wer immer und überall versucht die Rechte von Behinderten zu verteidigen, auch wenn sie nicht danach fragen, diskriminiert auch. Vielleicht ist das sogar noch schlimmer, als eine ungewollte Diskriminierung.

Vielleicht hat der Rollstuhlfahrer auch einfach nur akzeptiert, dass man auf ihn mal wieder keine Rücksicht nimmt (bzw. Rücksicht nehmen kann). Dies ist dann trotzdem eine Art von Diskriminierung, auch wenn er diese nicht (mehr) offen artikuliert.

Reine Mutmaßung, hab ja nichtmal den Fernsehausschnitt gesehen.

@menag

Das ist natürlich auch möglich und wäre eine schlimme Sache. Man müsste halt ihn direkt fragen. Wenn man sich jetzt empört, ohne genaues zu wissen, dann lenkt man den Fokus rein auf seine Behinderung. Je nach Mensch kann das mindestens genauso verletzend sein.

das erinnert mich an einen Friseur hier in Berlin, auf dessen Schaufenster ganz groß steht „Wir schneiden auch Ausländern die Haare“ (Gedächtnisprotokol)… wie freundlich :stuck_out_tongue:

Serdar Somuncu hat in diesem Zusammenhang mal von positiver Diskriminierung gesprochen. Man glaubt man wäre besser oder kann sich damit profilieren, dass man eine Minderheit verteidigt. Das man ihr damit automatisch das Recht abspricht, mündig zu sein, wird da gerne mal aus egozentrischen Gründen ignoriert. Hauptsache man selbst fühlt sich besser, weil man “den Schwachen” geholfen hat.

Moderner Ablasshandel. Eigentlich klassisch SJW.

[QUOTE=ExtraKlaus;452284]Serdar Somuncu hat in diesem Zusammenhang mal von positiver Diskriminierung gesprochen. Man glaubt man wäre besser oder kann sich damit profilieren, dass man eine Minderheit verteidigt. Das man ihr damit automatisch das Recht abspricht, mündig zu sein, wird da gerne mal aus egozentrischen Gründen ignoriert. Hauptsache man selbst fühlt sich besser, weil man “den Schwachen” geholfen hat.

Moderner Ablasshandel. Eigentlich klassisch SJW.[/QUOTE]

Danke!! Es meckern nämlich immer diejenigen, die gar nicht betroffen sind. :ugly:ugly

Gruß
Danny

[QUOTE=DannyF95;452390]Danke!! Es meckern nämlich immer diejenigen, die gar nicht betroffen sind. :ugly:ugly[/QUOTE]

Achsoo.

Wer nicht im Rollstuhl sitzt, darf sich nicht für Rollstuhlfahrer einsetzen.
Wer nicht blind ist, darf sich nicht für Blinde einsetzen.
Wer nicht Moslem ist, darf sich nicht für Muslime einsetzen.
Wer nicht Flüchtling ist, darf sich nicht für Flüchtlinge einsetzen.

Genau das sagst du.
Merkst du was?

Edit:
Ich leg noch einen drauf:
Weil ich keine Frau bin, darf ich mich nicht für Frauen einsetzen.

Das Problem in diesem Fall ist eigentlich, dass wir alle nicht wissen können aus welchem Grund der Rollstuhlfahrer dort Platziert wurde.Wollte er dort sitzen? Ist es vielleicht der einzige platz im Studio wo Rollstühle Platziert werden können? ist es wirklich ein Diskriminierender Grund oder vielleicht doch nur Zufall? Wir können das nicht wissen, und ich bezweifle das SternTV dem Fernsehkritiker oder sonst wen die Antwort darauf geben würde.

[QUOTE=Langzeitkritiker;452676]Achsoo.

Wer nicht im Rollstuhl sitzt, darf sich nicht für Rollstuhlfahrer einsetzen.
Wer nicht blind ist, darf sich nicht für Blinde einsetzen.
Wer nicht Moslem ist, darf sich nicht für Muslime einsetzen.
Wer nicht Flüchtling ist, darf sich nicht für Flüchtlinge einsetzen.

Genau das sagst du.
Merkst du was?

Edit:
Ich leg noch einen drauf:
Weil ich keine Frau bin, darf ich mich nicht für Frauen einsetzen.[/QUOTE]

Habe ich so nicht gesagt. Ich habe nur festgestellt, dass sich immer nur diejenigen beschweren, die nicht selbst betroffen sind.

Die Betroffenen sehen das oft selber gar nicht so eng oder lachen drüber.

Natürlich darfst du das alles, man könnte es aber mal ernster nehmen, wenn sich die Leute selbst äußern.

Gruß
Danny

[QUOTE=DannyF95;452738]Habe ich so nicht gesagt. Ich habe nur festgestellt, dass sich immer nur diejenigen beschweren, die nicht selbst betroffen sind.

[/QUOTE]

Es gibt eben auch Berufsdauerempörte.

Habs Video zwar nicht gesehen, aber wenn ich abseits mit ner Baulichen Trennung (Treppe) der Leute sitzen sollte und dabei dann noch gefilmt werde, würde ich das nicht so toll finden.

Im Kino sitzt man als Rollifahrer ja auch immer seitlich vorn, was eigentlich auch beschissen ist, da auch ein Rollifahrer nen frontalen Blick auf den Film haben möchte …

Allerdings ist das meistens ja baulich nicht* so einfach zu lösen, ausser man schneidet ne Tribünenstufe raus, damit man da die Rollstuhlfahrer hinstellen kann.

*wobei eigentlich schon.

[QUOTE=nix;452772]*wobei eigentlich schon.[/QUOTE]Joah. Im Fußball-Stadion und bei Festival-Bühnen geht’s ja zB auch.

stern TV baut die Tribüne nicht um, weil es nicht geht, sondern weil es sich nicht lohnt. Langzeitkritiker stieg ja ein mit: Das wäre “zu viel des Guten”. In dieser Gesellschaft gibt es tatsächlich “zu viel vom Guten”, Gutes, das sich nicht lohnt. Warum das ne tolle Sache sein soll, versteht kein Kind, denn die sind schlauer als Erwachsene und müssen unsere Dummheiten erst noch lernen.

Gleich vorweg; Mein Stiefsohn ist mehrfach schwerstbehindert, Pflegestufe 3, das volle Programm…Ich sage dazu nur eins: Man kann sich auch zu Tode inkludieren! Bashing auf mich in 3,2,1…

[QUOTE=DannyF95;452738]Ich habe nur festgestellt, dass sich immer nur diejenigen beschweren, die nicht selbst betroffen sind.
[/QUOTE]

@Micki
Denkst du er würde im Fall SternTV lieber neben der Treppe oder zwischen den anderen Leuten positioniert werden?