Sonntagsfrühstück 103: Armut

@Bossmang ich weiß nicht, ob die Annahme so korrekt ist. Möglicherweise (!) haben familiäre oder dörfliche Strukturen früher Außenseiter aufgefangen. Andererseits wurden Leute mit Mißbildungen früher auf Jahrmärkten und im Zirkus zur Schau gestellt - wäre heute undenkbar. Sehe von daher keine lineare Entwicklung in der (A)Sozialität der Gesellschaften.

Ich passe meine Antworten oder Wortbeiträge gegenüber Benutzer/-innen grundsätzlich nicht an, sondern behandle alle gleich. Da spielt es keine Rolle, wer was geschrieben hat, sondern so wie ich das Geschriebene empfinde, äußere ich mich dazu auch, wenn ich etwas dazu schreiben möchte.

Stimme deiner Einschätzung jedoch zu. Ist oft so in Foren und könnte die Bindungswirkung erhöhen, wenn man sich auf diese Art Orientierung verschafft.

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Ich verstehe gerade nicht ganz, worauf du damit hinauswillst. Bitte erläutere das noch mal genauer. Vielleicht stehe ich auf dem Schlauch.

Das würde ich ehrlich gesagt nicht nur als möglicherweise sondern als gesichert so sehen. Gut, das ist jetzt anekdotische Evidenz, aber wenn ich mir den Grad ab Absicherung meiner türkischen und arabischen Bekannten ansehen, die diese durch ihren erweiterten Familienkreis erhalten, geht das sehr weit darüber hinaus, was der Sozialstaat so für einen macht. Das bedeutet natürlich auch das annehmen und zumindest zur Familien hin Ausleben der Regeln der jeweiligen Gruppe.

Bei den Jahrmärkten wäre ich mir gar nicht so Sicher. Was ich primär dazu gefunden habe ist, dass sogenannten „Freak Shows“ ein Phänomen im 19. und frühen 20. Jahrhundert waren und dies vor allem in industrialisierten Gesellschaften, wo bereits eine Vereinzelung stattgefunden hat und die Technologie soziale Beziehungen weiter am auflösen war. Über das Mittelalter finde ich primär Aussagen, dass dort eine körperliche Behinderung als legitimier Grund zum Betteln angesehen wurde und Menschen mit Behinderung darum das Betteln erlaubt war. Aber das geht auch eigentlich am Thema vorbei, denn dass ich einen Obdachlosen sehe, der wirklich eine körperliche Behinderung hat ist äußerst selten. Suchterkrankungen und psychische Erkankungen sind da die Regel.

Machen wir das mal an einem Beispiel fest. Nehmen wir an, du hast eine Person, die paranoide Schizophrenie hat. Die Person hat Angst verfolgt zu werden, fühl sich aber bei ihrer Familie sicher. Was meinst du ist für diese Person besser:

  1. Eine vom Sozialstaat bezahlte Wohnung, wo diese Person alleine lebt
  2. Ein Mehrgenerationenhaus, wo ihre Eltern, Geschwister, Schwägerinnen und Schwager sowie Neffen und Nichten leben und immer jemand für diese Person da ist, der die Person kennt?

Ich würde sagen, dass die Person erheblich stärker davon gefährdet ist auf der Straße zu landen, wenn sie alleine in der Wohnung wohnt, als wenn sie mit all ihren Verwandten zusammen wohnt. Allein schon deswegen, weil sie wenn die allein ist, ein Haufen Bürokratie zu erledigen hat, der im zweiten Szenario einfach nicht anfällt oder von ihren Verwandten miterledigt wird. Die Familie hingegen kann die Person jedoch sinnvoll in die Abläufe einbinden und ihnen echte Aufgaben mit wirklich Bedeutung geben, wodurch die Person gebraucht wird.

Ich hab Verständnis für so einiges.
Ich war selbst schon obdachlos, depressiv sowieso, und hab aus der Zeit nen Suizidversuch hinter mit, der derart gravierend war, dass die Luftrettung zum Einsatz kam.

Trotzdem ist es doch eine gängige Position von Linken, dass man Privatpersonen nicht mit bisschen Geld helfen soll, wenn der Staat eigentlich zuständig wäre, weil man damit echte Hilfe und Versorgung nur verzögert. Je länger jemand obdachlos ist, desto schwieriger findet er dann letztlich auch zurück in die Gesellschaft. Und jeden persönlich anzusprechen ist imo eine Verschwendung der Ressource Zeit. Ich arbeite Vollzeit, mach ein Fernstudium, fairteile Lebensmittel, spende online, schreibe hier wahnsinnig schlaue Beiträge, und überlege nun noch, ob ich noch ne Nebenjob annehme oder ehrenamtlich bei der Tafel helfe. Ich werde aber nicht noch random Wurstsemmeln verteilen oder irgendwelche Betrunkenen ansprechen, es sei denn, sie sehen arg hinüber aus, da check ich dann auch den Zustand, oder achte n bisschen drauf, dass denen nicht noch jemand was klaut.

Wenn ihr mal ohne Gegenleistung Geld geben würdet. Oder drehen sich die Sachen von allein? Stand der Dinge ist das eine Dienstleistung, keine Spende.

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Ist in so Online-Hilfegruppen auch so. Leute reden sich da scheinbar auch gern ein, dass sie Anspruch auf Geld haben, nicht aus ethischer Sicht, sondern weil sie einem ja umgekehrt auch eine Fantastilliarden Euro geben würden, wenn sie denn nur Geld hätten. Den Talk kennt man ja. Erinnert mich auch ein bisschen an ein pseudo-linkes Parallelforum, in dem die Leute super sozial sind, aber ihre Kohle nur für Videospiele ausgeben.

Wer hat hier alle Kontoauszüge geleaked an die Alte, die ihr ganzes Geld in Crypto und Aktien versenkt?!

Civitas war’s!!

Der Themenvorschlag hätte spezifischer sein können.
Bei schwammigen Vorgaben lässt sich hinterher immer leicht beschweren, dass das eigentlich gewünschte Thema nicht dran kam. :man_shrugging:

Als jemand, der mal im Jobcenter tätig war: Vielleicht ist das die Idee - aber sie greift nicht, wenn schon die generelle Arbeitsmarktpolitik auf kompletter Linie versagt.
Die Jobcenter bekommen schon nicht die, die wollen nicht in Lohn und Brot - und da reden wir noch nicht mal von „so in Lohn und Brot, dass sie eigenständig leben können“.
Ein Großteil der Leute in Bezug sind entweder neu und noch motiviert oder haben resigniert.
Die wirklich „faulen Socken“ sind meiner Beobachtung nach in der Minderheit und m. E. nachrangig, wenn man schon die Motivierten und Resignierten nicht anständig versorgen kann.

Die Ankündigung der Ampel „Hartz IV“ abschaffen zu wollen lässt ich Schlimmeres befürchten - sprich, dass das Ganze in die für die Betroffenen falsche Richtung los geht.

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Alter das ist so passend.

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Zustimmung mit Einschränkung. 2 Punkte sind wichtig: Das bisschen ALG2 oder Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter/bei Erwerbsminderung (Sätze sind alle gleich hoch) müßte es GESICHERT geben!
Das ist nicht so wirklich der Fall. Ein falscher Sachbearbeiter und du fängst dir schnell mal eine Kürzung ein, die dich aber mal so richtig trifft! Und es kann sehr umständlich sein, das wieder zu regeln. Ich weiß von einer Bekannten, die da große Probleme hatte… Und das kommt nicht selten vor bei Sanktionen/Zwangskürzungen.

Der 2. Punkt: Armut hierzulande ist sehr wohl mit der in generell ärmeren Ländern zu vergleichen, wenn es um Fälle geht, bei denen jemand kein Dach über dem Kopf hat! Obdachlosigkeit ist für mich absolut nicht vorstellbar. Da würde ich sicherlich innerhalb kürzester Zeit draufgehen… Ich wundere mich immer, wenn ich so jemanden sehe, wie das nur möglich ist… Jedenfalls wäre das dann eine Form von wirklicher Armut. Da spielt es kaum eine Rolle, WO du dich befindest. Geringfügig wird es hierzulande auch in der Hinsicht besser sein. Aber nicht viel…
Die 2 Punkte sind SEHR wichtig, wenn du davon sprichst, dass Armut hierzulande ja besser zu ertragen wäre… Ja, aber nur wenn das Existenzminimum gesichert wäre und jeder eine Wohnung hätte.

…Ok, habe die Beiträge oben nochmal überflogen. Sicherlich gibt es solche, die Unterkünfte/Wohnungsangebote ablehnen, aber ob das viele sind? Da wäre ich vorsichtig, das einzuschätzen…

Das Problem ist, dass das Hilfesystem nicht funktioniert. Besser wäre es wie in Finnland auf Housing First zu setzen, also ohne irgendwelche Bedingungen oder bürokratische Hürden erstmal eine Wohnung zur Verfügung zu stellen und von da aus alles weitere zu regeln.

Ist ja ok, so ernst gemeint war meine Aussage nicht.

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Lieber Christian, das ist nicht passiert, die Folge war gut. Wichtige Themen - wie Obdachlosigkeit, miese Jobs usw. - wurden angesprochen, und unterhaltsam war es auch.
Gut fand ich auch die anschließende Diskussion, die an die Themen anknüpfte - für das MG-Forum verhältnismäßig sachlich und bereichernd :+1:

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Naja, wir haben doch allgemein einen beschämenden Mangel an (Sozial-)wohnungen

Auf einem Supermarktparkplatz nahe eines Krankenhauses und eines Bahnhofs hat mich auch jemand angesprochen, dass er wen im Krankenhaus besucht hat und jetzt Geld für die Fahrkarte bräuchte. Ich bin leider in dem Moment nicht auf die idee gekommen mit dem Zum fahrkartenautomat zu gehen und eine karte zu kaufen, dann hätte ich ja sehen können ob er ernsthaft bettelt oder nicht.

Jedenfalls hab ich den ein paar tage später wieder dort gesehen mit der gleichen Geschichte. Ich hab mich gefragt ob es so klug ist jemanden im Krankenhaus zu besuchen und sich vorher nicht um die Fahrkarten zu kümmern.

Jedenfalls: Bei Menschen die Betteln gibt es das Problem, dass es da tatsächlich jede Menge Betrüger gibt, also Menschen, die das nicht aus Not, sondern als Beruf machen. Die Werden morgens, meistens mit einem etwas schickeren Auto an diese stellen gebracht und dann abends wieder abgeholt. Als Passant kann man natürlich nicht erkennen wer nun wirklich Hilfe benötigt.

Es gibt allerdings Hilfevereine und auch die Bahnhofsmission die natürlich auch nicht von Betrügern verschont bleiben, aber durch ihre tägliche Arbeit wesentlich besser einschätzen können wie die Situation ist. Deshalb sollte man diesen Organisationen etwas Spenden und nicht den Leuten auf der Straße etwas geben.

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Das ist natürlich auch richtig, ein weiteres Problem, das nicht angegangen wird. Nur wenn die Politik kapituliert und sagt, wir haben eh schon zu wenig Wohnraum, ist gut wenn die Obdachlosen nicht auch noch was brauchen, ist das schon ein Armutszeugnis. Egal auf welchem Weg, wenn Obdachlose irgendwann wieder eine Wohnung bekommen sollen, wird es wohl immer erstmal eine Sozialwohnung sein müssen.

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Oder ein tiny house https://www.little-home.eu/

Ich halte die Psychiatrie immer noch für ne gute Übergangslösung, da kann man doch paar Monate bleiben, und Sozialarbeiter gibt’s auch.

Das Problem ist, dass man nie jeden Menschen erreichen können wird. In schwer depressiven Phasen suche ich bspw auch explizit keinen zum reden, sondern das Gegenteil. Ich nehm mich als Belastung wahr, ich zieh mich zurück von allen Realkontakten etc. Da ich auch körperlich krank bin, ist für mich eigtl ne sehr engmaschige ärztliche (inkl psychosoziale) Versorgung vorgesehen, aber die meiste Zeit nehme ich nichts davon in Anspruch und sage ausgemachte Termine wieder ab. So ist das halt.

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Na das kam ja jetzt so überraschend wie das Amen in der Kirche.

Für mich hättest Du nicht extra erwähnen müssen welchen Schuh Du Dir jetzt anziehst. Das ist mir schon durch Deine verwendeten Avatare mehr als klar.

Aber vielleicht hilft es anderen bei der Einschätzung.

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Aber nur durch Google Bildersuche, oder? Immerhin kanntest du nicht mal Machiavelli.

Edit: Ich muss sagen, ich bin auch ein bisschen frustriert gerade. Ich würde gern das neue Xenoblade spielen, aber kann es mir nicht leisten :sob:

Vielleicht möchte @Sprechplanet noch die Bettlergeschichte nach Bielefeld oder die Story aus dem Supermarkt beisteuern, in der jemand nur „etwas ganz Kleines“ wollte, und dann mit Fleisch für 25 Euro ankam :wink:

Edit: @nbfilm, @marioperez007 @DeanStag schon 110 Beiträge nach einem Tag und euch ist kaum was eingefallen :stuck_out_tongue_winking_eye:

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Wie auch?
Wir arbeiten für Massengeschmack.
Uns scheint die Sonne aus dem Arsch, während wir unseren Geldspeicher mit Talern und Kreuzern füllen, die wir uns auf die Glatze prasseln lassen.
:sweat_smile:

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Und alles, was ihr bekommt, ist Zwergenbrot. :cry:

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