Sind Videospiele Kunst?

Inspiriert zu diesem Thread hat mich folgendes Zitat von Roger Ebert:

[I]“To my knowledge, no one in or out of the field has ever been able to cite a game worthy of comparison with the great dramatists, poets, filmmakers, novelists and composers. That a game can aspire to artistic importance as a visual experience, I accept. But for most gamers, video games represent a loss of those precious hours we have available to make ourselves more cultured, civilized and empathetic.”[/I]

Dazu: http://www.rogerebert.com/rogers-journal/video-games-can-never-be-art

Die meisten Gamer würden vermutlich zustimmen, dass es noch kein Videospiel gibt dass man getrost neben Beethovens [I]Neunter[/I], Goethes [I]Faust [/I]oder Kubricks [I]A Space Odyssey[/I] stellen könnte.

Wie auch immer, noch vor einigen Wochen hätte ich die Frage ob Videospiele Kunst seien klar mit “Ja natürlich sind Videospiele Kunst, was für eine idiotische Frage” beantwortet, aber ich denke so einfach ist es dann doch nicht.

Man muss sich fragen, was macht das Videospiel besonders, im Vergleich zu anderen Medien? Bei Literatur ist es das Wort, bei der Musik der Klang, beim Theater die Bühne, bei Film die Montage. Bei Videospiel wäre dies demzufolge das Gameplay, die Spielmechanik.

Das künstlerische Merkmal muss demzufolge auch im Gameplay zu finden sein, bzw. muss die Kunst im Videospiel aus dem Gameplay und der Verbindung zu Story, Sounds, Visuals etc mit dem Gameplay entstehen, damit das Videospiel an sich eine Kunstform sein kann. Andererseits wäre es kein Videospiel, sondern interaktive Kunst, ein kleiner aber feiner Unterschied. Interaktive Kunst sind keine Spiele. Sie hat kein Ziel, anders als das Videospiel, das immer Ziele und Regeln hat, weil es ohne diese aufhörte ein Spiel zu sein. Und Kunst hat weder Ziel noch Regeln.

Ist natürlich viel Definitionsgekloppe mit bei dieser Diskussion.

Was meint ihr?

Kunst ist sowieso immer eine Frage der persönlichen Präferenzen. Ich persönlich verstehe auch nicht warum es einem wichtig ist ob Videospiele als Kunst gelten oder nicht. Als ob der Begriff “Kunst” etwas wäre, was ein Thema “adelt”.

Aus Konsumentensicht sehe ich “Kunst” eher als etwas was man vorgesetzt bekommt und was man dann “passiv” konsumiert.
Daher passen Videospiele realtiv schlecht da rein, weil man recht aktiv wird.
Aus Sicht der Produzenten ist es natürlich durchaus auch Kunst.

Ich nenne einfach mal ein paar Spiele bei denen ich auch aus “Konsumentensicht” von Kunst reden würde:

Die Max Payne Reihe (vor allem Teil 1 und 3):
Ein stark gesellschaftskritisches Psychogramm, dass technisch eindrucksvoll in Szene gesetzt ist. Der dritte Teil hat einen extremen politischen Anspruch und stellt gerade auf künstlerischer Ebene die psychischen Probleme von Max extrem gut in Szene. (Wackelbilder und “Farbfehler” für Entzugserscheinungen, etc.)

Deponia (auch hier alle drei Teile), dies gilt aber insgesamt für “Adventures”; Monkey Island, Whispered World, Simon the Sorcerer, o.ä. sind schon von den Hintergrundbildern eindeutig als Kunst zu bezeichnen, gleichzeitig besitzen sie einen extremen Wortwitz der sich in sprachlicher Kunst durchaus mit große Comedians messen kann. Bei Whispered World kann man sogar eine starke Tiefgründigkeit sehen und eine sehr gelunge Kombination aus Trauer und Humor.

Hmm gerade keine Zeit für mehr Beispiele vll kommt noch was nach.

Aber abschließend würde ich vielleicht noch festhalten:
Vermutlich kann man vieles mit Beethovens Neunter auf eine Ebene stellen. Man tut es nur nicht aus Ehrfurcht vor Tradition und Vergangenheit.

In der Wissenschaft gibt es diesen Spruch: "Wir sind Zwerge auf den Schultern von Riesen."
Diesen Spruch halte ich für absolut idiotisch.
Wir sind nicht Zwerge auf den Schultern von Riesen, viel mehr sind wir Menschen die eine Pyramide errichten und jede Generation gibt ihre Steine zu der Pyramide hinzu, es ist natürlich das diejengien die später kommen Steine legen können die weiter oben auf der Pyramide sind. Gleichzeitig können wir aber auch das Fundament erweitern um der Pyramide eine größere Fläche zu geben.
Wir sind nicht dümmer oder Klüger als ein Newton, ein Einstein, o.ä.
Wir kommen nur aus anderen Startbedingungen, die Pyramide steht und wir können weiter arbeiten.

Das gleiche Bild gilt für die Kunst.

[QUOTE=Nakkinak;397024]
Die meisten Gamer würden vermutlich zustimmen, dass es noch kein Videospiel gibt dass man getrost neben Beethovens [I]Neunter[/I], Goethes [I]Faust [/I]oder Kubricks [I]A Space Odyssey[/I] stellen könnte.
[/QUOTE]
Videospiele vereinen in meinen Augen so ziemlich alle Facetten von Kunst:
Malen, zeichnen, modellieren, musizieren,…

Natürlich ist das Kunst - über Qualität von Kunst läßt sich auch schwerlich streiten.

[QUOTE=Nakkinak;397024]Die meisten Gamer würden vermutlich zustimmen, dass es noch kein Videospiel gibt dass man getrost neben […] Kubricks [I]A Space Odyssey[/I] stellen könnte.[/QUOTE]

Och, es gibt jede Menge langweilige Spiele. :ugly

[QUOTE=Scumdog;397042]Videospiele vereinen in meinen Augen so ziemlich alle Facetten von Kunst:
Malen, zeichnen, modellieren, musizieren,…[/QUOTE]
Das Wort was du suchst ist Gesamtkunstwerk

Das mag zwar fürchterlich banal wirken aber dieses Beispiel zeigt gut wo die Kunst im Comic liegt: Die Aufteilung von Inhalt über Panels. Das ist was den Comic als Kunstform besonders macht.

Im Videospiel hat diese Funktion das Gameplay als Herz und Seele des Mediums. Ohne dies wäre es eher ein Film. Die Rechtfertigung von Videospiele als Kunst muss also im Gameplay gefunden werden.

Und noch ein Argument dagegen:

[I]“At the 2010 Art History of Games conference, Michael Samyn and Auriea Harvey (founding members of indie studio Tale of Tales), argued in no uncertain terms that games “are not art” and that they are by and large “a waste of time.” Central to Tale of Tales’ distinction between games and art is the purposive nature of games as opposed to art: Whereas humans possess a biological need that is only satisfied by play, argues Samyn, and as play has manifested itself in the form of games, games represent nothing more than a physiological necessity. Art, on the other hand, is not created out of a physical need but rather it represents a search for higher purposes. Thus the fact that a game acts to fulfill the physical needs of the player is sufficient, according to Samyn, to disqualify it as art.”[/I]

Jein. Im klassischen Film spielen reale Schauspieler in realen Kulissen (jetzt mal ganz oberflächlich, den Inhalt des Filmes mal ausser Acht gelassen).
Videospielcharaktere und -Schauplätze werden von kreativen Menschen geschaffen.
Alleine die Backpanels, die Texturen, die Modelle zu erschaffen, das ist in meinen Augen bereits Kunst,
mehr noch als der klassische Film.

Die Rechtfertigung von Videospiele als Kunst muss also im Gameplay gefunden werden.

Das finde ich aus o.g. Gründen eben nicht.
Das Gameplay ist ein Aspekt, aber nicht unbedingt der ausschlaggebende.

Dann halt wäre es eher ein Animationsfilm

Ja, genau.
Und Animationsfilme sind Kunst.
Videospiele sind Animationsfilme +1.

Auch wenn es um Inhalte, also das Gameplay geht, stehen Games Filmen doch in nichts nach, haben ihnen sogar den Aspekt der Interaktivität vorraus.
Du kannst anspruchsvollere Filme spielen, indem du dir z.B. ein gutes Adventure aussuchst, kannst stumpfe Actionfilme spielen, indem du dir nen Egoshooter vornimmst, etc. pp

Dein Zitat da oben kann man genauso auf Filme anwenden, auch Filme sind oftmals nur “a waste of time”.
Daß Videospiele Filmcharakter haben, kann man auch am Erfolg von “Let’s Play”-Videos auf YT nachvollziehen, Twitch oder an E-Sport-Events, wo es auch nur ums Zuschauen geht.

Das Gameplay kann also nicht als alleiniger Indikator dafür herhalten, ob Games Kunst sind oder nicht.

Es ist jedenfalls ein Kriterium dafür wie [I]eigenständig[/I] das Videospiel als Kunstform ist. Ich bin erst überzeugt, wenn mir jemand zeigen kann, dass ein Gameplay einen künstlerischen Wert besitzt, im selben Sinne wie die Montage im Film, das Klangereignis in der Musik oder das Panel im Comic eigenständiges künstlerisches Potential haben.

Denn sonst wäre das Gameplay und letzten Endes das Game als Medium nur eine… Spielerei. -

Aber das tut es doch - es bietet dem Spieler ein Erlebnis, welches kein anderes Medium ihm zu bieten in der Lage ist.
Sieh es meinetwegen nur als Variation eines Animationsfilmes, es bleibt trotzdem Kunst.

Ich finde es eigentlich ziemlich lächerlich, wie man versucht Videospielen den Kunststatus nicht anzuerkennen. Sie sind verschwendete Zeit, sie sind ein physisches Bedürfniss, sie sind kommerziell, enthalten keine tiefere Bedeutung und so weiter und so fort.

Ich würde eher sagen, es wird mal Zeit zu zeigen, worin sich Videospiele denn von anderen Dingen unterscheiden. Videospiele beinhalten Musik, Musik ist Kunst. Videospiele beinhalten Grafik, Malerei/Zeichnen ist Kunst. Videospiele beinhalten Storytelling und Bewegtbild, Film/Literatur ist Kunst. Videospiele beinhalten dreidimensionale Objekte, Bildhauerei und viele andere Arten der Herstellung von Objekten bis hin zur Architektur sind Kunst. Videospiele beinahlten Gameplay, das eigentliche Spiel und wieviele Künstler nutzen Interaktivität? Also auch Kunst.

Fazit: Videospiele müssen Kunst sein.

Das Gameplay bleibt für mich der Knackpunkt, und ob dieses für künstlerische und nicht nur immersive Erfahrungen genutzt werden kann, d.h. ob dem Gameplay eine künstlerische Möglichkeit darstellt oder nur um Regeln und Ziele zu formulieren, die für sich selbst stehen, bzw. um der äthetischen Erfahrung zu dienen.

Bei der Musik gibt es ja auch Mechaniken, zum Beispiel Harmonik oder Zwölftontechnik, oder wie man einen drei-Akkord-Song schreibt, letzten Endes sind es Werkzeuge mit denen der Künstler emotionale oder intellektuelle Reaktionen hervorruft.

Ob das Gameplay dies in vergleichbarer Tiefe kann, die über die Befriedigung des Spieltriebs hinausgeht, dessen bin ich noch nicht überzeugt.

[QUOTE=SethSteiner;397104]Sie sind verschwendete Zeit, sie sind ein physisches Bedürfniss, sie sind kommerziell, enthalten keine tiefere Bedeutung und so weiter und so fort.[/QUOTE]
Wie gesagt, mein Hauptkritikpunkt ist ob das Gameplay in Verbindung mit visuellen Gesichtspunkten als Alleinstellungsmerkmal des Videospiels künstlerisch sein kann. Bis jetzt hat niemand mir ein Beispiel gezeigt, dass mir dies aufgezeigt hätte.

Das Gameplay bleibt für mich der Knackpunkt,

Und das, sorry, ist einfach dein Fehler.
Aber das magste / willste ja net einsehen, ist ja auch dein Ding.

Wo ist der Unterschied zwischen einer künstlerischen und einer immersiven Erfahrung? Und wenn Regeln und Ziele für sich stehen bzw. der ästhetischen Erfahrung dienen, inweieit unterscheidet sich das von den Beispielen in der Musik? Auch der Spieltrieb ist nichts anderes als die Triebe, die einen Musik hören, Filme schauen oder Comics lesen lassen. Das ist doch alles gleich.

Du willst ein Spiel, wo das Gameplay rein zur Kunst dient?

Wie wäre es mit Jorney?
Wo es wirklich nur um die reise durch ein wunderschöhne Welt geht, ohne action, ohne irgentwelche größeren Rätsel.
Sondern einfach eine Reise durch die Welt,

Oder Point and click Adventure.
Wo du mehr oder weniger, eigentlich ja nur eine interaktive Story spielst, in dem du dich mit Char. Unterhälst und Rätsel löst.
Ich sag hier ganz dreist, das ein Monky island schon etwas von Kunst hat.

Oder noch tiefer, eine virtuel novel ! (wo wir dann bei Buch form wären)
Da gibt es ja nicht nur Anime/ Erotik Geschichten, sondern auch richtig gute Horror/Krimi Geschichten.

Außerdem gibt es ja auch immer wieder Spiele, die einfach Künstlerisch aussehen.
Z. B. Ein Okami ( komplett in Japanischen Wasser malstil gehalten) .

Denke schon das Videospiele Kunst sind!
Zumindest alle Spiele die von Mainstream abweichen. (also ein Cod, FIFA und co würde ich hier auch nicht mit einrechnen)
Jedoch finde man halt auch ganz viel unkünstlerische beiträge in bereich der Filme, Bücher , Musik und sogar Bilder…

Journey ist in der Tat ein Beispiel für das was ich meine

[QUOTE=SethSteiner;397118]Auch der Spieltrieb ist nichts anderes als die Triebe, die einen Musik hören, Filme schauen oder Comics lesen lassen. Das ist doch alles gleich.[/QUOTE]
Das halte ich für sehr spekulativ, geht es beim Konsum von Kunst doch um die Erweiterung des Horizonts

Spiele erweitern allerdings auch den Horizont. Durch Problemlösestrategien, neue Denkansätze, philosophische und ethische Fragestellungen, etc.

Ich glaube ehrlich gesagt du machst es dir hier etwas zu schwer, bzw. du versuchst auf Teufel komm raus Kunst mit “Hochkultur” gleichzusetzen.

[QUOTE=Nakkinak;397134]Das halte ich für sehr spekulativ, geht es beim Konsum von Kunst doch um die Erweiterung des Horizonts[/QUOTE]

Den Horizont erweitere ich durch Lernen oder Drogen aber dass es beim Konsum von Kunst darum ginge, den eigenen Horizont zu erweitern? Nicht dass das nicht möglich ist aber es ist doch höchst spekulativ das so zu generalisieren.

Die Frage ist erst mal wie man Kunst definiert. Wenn man da eine recht Strenge Kunstdefinition nimmt fallen da auch 99% der Filme, Bücher und Musik raus.

Ich finde es btw schrecklich, wenn man sagt, Medium X MUSS sich durch Y definieren. Warum muss alles immer absolut fest in ein Medium gepresst werden?

Ein Spiel, dass seine Story btw sehr schön durch das Gameplay erzählt ist das:

Was Videospiele als Medium einzigartig macht, ist für mich schon auch das Gameplay. Natürlich kann man sagen, dass Spiele allein dadurch Kunst sind, dass sie andere Kunstformen beinhalten (z. B. Musik, Film). Klar, ein Spiel mit einer guten Story, philosophischen Themen und guten Charakteren (z. B. The last of us oder die Metal Gear Solid Reihe) ist ebenso Kunst wie ein Film. Das kann man gelten lassen, beantwortet aber nicht die viel spannendere Frage: ist Gameplay - der Kern des Mediums Videospiel - selbst auch Kunst bzw. wann ist Gameplay Kunst?

Dazu müsste man freilich Kunst definieren, was ich jetzt aber nach kurzer Recherche aufgegeben habe. Unendlich viele Definitionen sind möglich. Für mich bedeutet Kunst etwas von Menschen bewusst Geschaffenes, das einen Rezipienten zur Auseinandersetzung mit der Welt, den Mitmenschen, oder sich selbst, etc. bringt oder das Erleben von besonderen Gefühlen ermöglicht, die es im sonstigen Leben so nicht gibt (und die etwas mit dem Menschsein zu tun haben oder mit der menschlichen Art, die Welt wahrzunehmen und zu verarbeiten, also keine Drogen, da diese ja auch bei Tieren wirken)

Gameplay regt m. M. n. dann zur Auseinandersetzung mit der Welt an, wenn es die Interaktivität nutzt, also gerade den Umstand, dass der Spieler etwas selbst tut (anstatt nur jemandem dabei zuzuschauen). Ein Beispiel wäre für mich die Folterszene aus GTA5. Der Spieler muss durch das Drücken entsprechender Knöpfe jemanden Foltern. Das ist keine Verherrlichung von Folter, was man an den größtenteils kritischen bis empörten Reaktion der Spieler sieht. Aber die meisten haben es halt gemacht, um im Spiel weiterzukommen, sprich sie haben (wenn auch nur virtuell) gegen ihren menschlichen Instinkt gehandelt, um ein Ziel zu erreichen. Das führte bei einigen dazu, dass sie sich mit der realen Folter gedanklich auseinandergesetzt haben.

Ein anderer Aspekt von Gameplay ist die Entscheidung. Das wird von wenigen Spielen genutzt, aber wenn es gut gemacht wird, kann es viel immersiver sein als viele Filme und zu stärkerer Auseinandersetzung mit z. B. ethischen Fragen zwingen, da der Spieler die Verantwortung für den Fortgang der Handlung übernehmen muss. Ein Beispiel dafür ist z. B. Heavy Rain.

Allerdings möchte ich noch anmerken, dass die Frage nicht überbewerten sollte. Viele Gamer meinen, ihr Hobby dadurch legitimieren zu müssen, aber ich finde, darüber entwertet man schnell auch das “spielen” im engeren Sinn, also zur Unterhaltung, zum Zeitvertreib, zum Abschalten oder schlicht zur Befriedigung des Spieltriebes.