Liebe FKTV-Gemeinde,
ich hab grad ein bisschen darüber nachgegrübelt, was eine Schwangerschaft für ethische Implikationen mit sich zieht. Als Beispiel möchte ich das an der Frage abhandeln, ob eine Frau in der Schwangerschaft rauchen oder trinken darf bzw. ob es verboten sein sollte, das zu tun.
Dazu müssen wir erst einmal kurz klären: Dass eine Frau das nicht SOLLTE, wird wohl jeder zustimmen. Ob es verboten sein sollte, sprich von rechtlichen Sanktionen betroffen, ist eine Frage, die der Klärung betrifft.
Zunächst einmal: Was spricht dagegen, dass man so ein Verbot durchsetzt? Als Erstes greift natürlich auf jeden Fall das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Aus dem gleichen Grund darf man schließlich auch Abtreibungen durchführen. Außerdem gilt ebenfalls der Wert des Lebens eines Behinderten Kindes, weswegen viele (strittigerweise) z.B. gegen bestimmte Formen der pränatalen Diagnostik sind, da Eltern ein Kind eher abtreiben, wenn es bspw. Trisomie 21 hat.
Was dafür spricht, ist natürlich ganz klar: Sachen wie das Fetale Alkoholsyndrom ließen sich dadurch weitaus besser vermeiden. Außerdem ist es schließlich auch verboten, einem geborenen Kind Substanzen einzuflößen, die ihm nachweislich Schäden verursachen, oder andertweitig Körperverletzung an ihm zu begehen. Das ist natürlich vollkommen richtig, denn es greift nicht nur das Selbstbestimmungsrecht der Frau, sondern auch das des Säuglings. Wir reden hier ja nicht mehr von Abtreibung, sondern von einem Menschen, der geboren wird und dann mit dem leben muss, was seine Eltern ihm beschert haben. Diesem Menschen dann einen Schaden fürs Leben zu bescheren, sollte unter Strafe stehen, weil das auch in der Erziehung von Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen der Fall ist.
Was mir gerade abwägungstechnisch problematisch gegenübersteht ist das Lebensrecht von behinderten Personen. Dafür muss man ein bisschen weiter ausholen.
Natürlich ist es nicht der Fall, dass ein behinderter Mensch weniger wert ist als einer, der ohne Behinderungen geboren worden ist. Er verdient genau die gleiche Liebe, Zuwendung und das gleiche Maß an Respekt wie jeder andere Mensch mit den selben Charaktereigenschaften.
Das ändert aber nichts daran, dass wir - wie ich finde zurecht - dennoch verbieten, Menschen wissentlich zu schädigen, v.a. dauerhaft zu schädigen. Ich verweise wieder darauf, dass es auch verboten ist, Kindern z.B. Alkohol zu trinken zu geben (ich spreche hier gar nicht davon, seinen 12-Jährigen mal an nem Bier nippen zu lassen, sondern nem Säugling nen Vodka zu geben oder mehr; Details bzgl. Plazentaschranke bei dem Wiki-Artikel) oder aber auch, ganz krass gesprochen, sie wissentlich Querschnittsgelähmt zu machen. Ja, ein Querschnittsgelähmter ist natürlich genau so viel wert wie ein anderer Mensch. Das ändert aber nichts daran, dass es verboten sein sollte, einen Menschen so zu schädigen, dass er es wird.
Stellen wir uns dem Problem der Wahrscheinlichkeit: Soweit ich weiß, führt Konsum dieser Substanzen nicht zwangsläufig zu so etwas, sondern nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Versuchen wir also, uns dem Problem mittels Analogien zu nähern.
Nehmen wir an, ich bin mal unbeobachtet im Kanzleramt und entdecke im Schreibtisch der Kanzlerin eine verborgene Kontrollanlage. Dort ist ein Plan von einem beliebigen Land aufgeschlagen, sowie ein großer, roter Knopf, hinter dem ein Schild steht: “WARNUNG! ATOMARER ERSTSCHLAG!”. Wenn ich den drücke, dann muss ich annehmen, dass das vielleicht ein Hoax ist, aber ich habe Grund genug anzunehmen, dass es möglicherweise doch der Fall ist, dass ich damit einen atomaren Erstschlag ausführe, es also möglich ist. Ich sollte also dafür strafbar sein, selbst wenn es nur ein Jux war, es zumindest versucht zu haben. Aus dem gleichen Grund arbeiten viele Filme ja damit, dass jemand paradoxerweise etwas Schlechtes tun will, aber etwas Gutes tut (Adams Äpfel). Nichtsdestotrotz ist es z.B. in diesem Film so, dass, nach deutschem Recht, der Typ trotzdem für versuchten Mord verurteilt werden sollte.
Wenn also allein schon das Vorhaben bzw. das Wissen um die wahrscheinliche Möglichkeit auch in anderen Fällen dazu führt, dass man strafbar ist, sehe ich nicht, warum das hier nicht greifen sollte.
Wenn man es also nicht tun sollte, weil man einen Menschen, auch noch einen Schutzbefohlenen, wissentlich schädigt, sollte es dann auch verboten sein.
Ein Argument bleibt aber trotzdem noch im Raum stehen: Das der Verhältnismäßigkeit. Theoretisch gesehen kann die Schwangere ja auch von einem Typen überfallen werden, wenn sie das Haus verlässt. Deshalb wird aber niemand dafür argumentieren, dass sie zuhause zu bleiben hat.
Wir gehen aber davon aus, was rationalerweise erwartbar ist, wenn alle Beteiligten sich an die Regeln halten. Natürlich gibt es Leute, die skrupellos genug sind, Schwangere auszurauben. Damit muss ich aber nicht rechnen. Bei einem fetalen Alkoholsyndrom liegt es aber anders: Dort ist eindeutig ein möglicher kausaler Zusammenhang, der berücksichtigt werden sollte. Mit anderen Rauschsubstanzen, die schädlich sind, ist es nicht sonderlich anders.
Dennoch geben wir einem Kind ja auch mal ungesunde Sachen zu essen, z.B. Burger. Sollte jetzt daraus folgen, dass das Kind nur noch absolut bewiesen Gesundes essen soll?
Auch das nicht. Wir haben die Pflicht, das Kind vor starken Unbillen zu schützen, aber nicht, es absolut vollkommen perfekt und makellos zu machen. Wenn wir diese Analogie aufrecht erhalten wollen, nehmen wir lieber das Beispiel eines Vaters oder einer Mutter, die ihr Kind so dumm ernähren, dass es Mangelerscheinungen kriegt. Sie können aber sehr wohl wissen, dass das darauf hinausläuft. Dann werden sie ebenfalls dafür verknackt.
Die Gegenargumente sind also alle zwar sinnvoll und beachtenswert, aber meines Erachtens nach wiegt hier das Kindeswohl weitaus mehr, weil man das Kind extrem schädigt.
Wie seht ihr das?