Ich möchte mal ein Thema anschneiden was ich sehr gespannt verfolge (seit nun fast 4 Jahren): Russland
Wie ihr sicherlich mitbekommen habt hat Russland seit ein paar Tagen einen neuen Präsidenten (Dmitri Medwedew), Putin ist neuer Ministerpräsident und gestern (9. Mai) gab es seit dem Ende der Sowjetunion wieder eine große Demonstration der Stärke bei der Parade zum Tag des Sieges (Den Pobediy), denn auch ganz schweres Kriegsgerät rollte über den Roten Platz von Moskau (zusätzlich zu den bislang üblichen Soldaten). Die Parlamentswahlen im letzten Jahr waren ja recht eindeutig, nur die Kommunisten sind nun die einzig echte Opposition in der Duma (und beklagten sich ironischerweise über massiven Wahlbetrug).
Hier eine Seite, die sich auf deutsch hautnah mit der Problematik in Russland beschäftigt und dabei, wie ich finde, nicht in diese Einheitsberichtserstattung unserer Medien verfällt, sondern das ganze auch mal anders beleuchtet: http://www.aktuell.ru
Tja, jetzt habe ich eine tolle Einleitung geschrieben. Wie steht ihr zum Thema Russland? Sind die Russen überhaupt bereit für die vom Westen so vehement geforderte Demokratie (das einiges im Argen ist sollte bekannt sein)? Kann sich Medwedew durchsetzen oder wird er (im Rahmen von verschiedenen Gesetzen) zu einer Marionette degradiert?
Ich persönlich habe das ganze immer sehr interessiert verfolgt. Die Geschichte Russlands vom Zerfall der SU bis heute war ein GFS-Thema (=Referat in Klassenarbeitsformat, Länge bei mir: 2 Schulstunden, bestmögliche Note erhalten :smt026 ) in der Oberstufe von mir, aber auch sonst finde ich die Entwicklung sehr spannend. Obwohl wir Europäer es nicht einsehen können (wollen?): mit der Osterweiterung der EU und der Nato sind wir weit in russische Interessenbereiche vorgerückt und darauf reagiert man eben recht dünnhäutig.
Ich bin jedenfalls hin und weg und frage mich was Medwedew tun kann. Kann er für ein wenig mehr Meinungsfreiheit sorgen? Wird er die teils erpresserischen Vorgehensweisen der Öl- und Gasmultis Russlands mittragen? Er kommt ja aus dem Gasprom-Aufsichtsrat - er weiß also sehr wohl mit harten Bandagen zu kämpfen.
Tja Fragen über Fragen, es wäre schön wenn wir hier eine kleine Diskussion darüber führen könnten :smt023
Demokratie-Experten (aka GeorgeWBush) sehen das natürlich anders
allerdings wird das aufzwingen ziemlich schwierig ^^
zit:Volker Pispers:„Russland hat die Massenvernichtungswaffen, die dem Irak nur unterstellt wurden“
[quote]Sind die Russen überhaupt bereit für die vom Westen so vehement geforderte Demokratie
Der Westen soll sich sich gefälligst um seine eigenen Probleme kümmern, bevor er anderen souveränen Staaten seine ‘Demokratie’ aufzwingen will.[/quote]
Schön dass du das auch so siehst! Zumal ich mehr und mehr das Gefühl habe, dass ein Großteil der russischen Bevölkerung es ja sogar positiv sieht, dass sie gelenkt werden durch eine starke Hand. Viele sehen darin ja, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, ein erneutes Wiedererstarken und finden es wirklich toll wenn Russland nun wie eine echte Großmacht auftritt. Zum Glück hat Deutschland weiterhin einen recht hohen Ruf in Russland (eigentlich überall auf der Welt), aber Deutschland allein kann Russland nicht entgegentreten, wir brauchen schon fähige Partner (EU), doch die EU kränkelt ja weiter vor sich hin.
Zumal ich mehr und mehr das Gefühl habe, dass ein Großteil der russischen Bevölkerung es ja sogar positiv sieht, dass sie gelenkt werden durch eine starke Hand.
Putin hat ja auch etwas für die Bevölkerung getan. Zwar sind das für unsere Verhältnise Kleinigkeiten, aber für die russische Bevölkerung hat sich vieles verbessert. Es war z.B. unter Boris Jelzin keinesfalls selbstverständlich, daß die Menschen ihre Rente pünktlich bekamen, wenn überhaupt. Das gleiche galt für Staatsbedienstete wie z.B. Lehrer. Die haben ihr Geld nicht bekommen, und so wurde halt gestreikt. Putin hat solche Missstände beseitigt, und beim Wähler macht man sich halt in erster Linie über den Geldbeutel beliebt. Mag sein, daß bei der Präsidentenwahl jetzt etwas nachgeholfen wurde, aber eines ist klar: Medwedjew hätte so oder so gewonnen. Dabei muß man auch bedenken, daß Rußland erst seit 1991 demokratisch ist, also gerade einmal seit 17 Jahren. In einer so geringen Zeitspanne baut man einfach keine Demokratie nach westlichem Vorbild auf, erst recht nicht in einem Land, was vorher noch nie Demokratie kannte.
Mag sein, daß bei der Präsidentenwahl jetzt etwas nachgeholfen wurde, aber eines ist klar: Medwedjew hätte so oder so gewonnen. Dabei muß man auch bedenken, daß Rußland erst seit 1991 demokratisch ist, also gerade einmal seit 17 Jahren. In einer so geringen Zeitspanne baut man einfach keine Demokratie nach westlichem Vorbild auf, erst recht nicht in einem Land, was vorher noch nie Demokratie kannte.
“Etwas nachgeholfen…” Als erstes wurden missliebigen Journalisten ermordet (Anna Politkowskaya ist nur eine davon), dann (nicht chronologisch zu verstehen) wurden potentielle Gegenkandidaten mittels fadenscheiniger Anklagen nach Sibirien deportiert (Michail Chodorkowskij) bzw. gar nicht erst zugelassen (Alexander Donskoi), die Opposition wurde behindert (z.B. Gari Kaskarow) und lächerlich gemacht, indem Penner bezahlt wurden, um an deren Demonstrationen teilzunehmen. OSZE-Wahlbeobachtern wurden die Visa verweigert.
Von mir aus hat Putin viel für die Menschen getan, die Jugend liegt ihm ja sehr am Herzen (Naschi), aber eine Demokratie ist Russland erstmal nicht. Nach welchen Standards auch immer.
Oh Naschi, du meinst dieses Sammelbecken für Jugendliche aller Couleur? Da treiben sich auch jede Menge Leute faschistischer Gesinnung rum, leider ist die Fremdenfeindlichkeit ein zunehmendes Problem in Russland. Wenn man mal das Polizeiaufgebot bei der Oppositionsdemo (riesig!) mit dem einer Demo von Rechtsextremisten (minimal!) vergleicht kommen einem schon große Bedenken.
Vor einigen Tagen verstarb im Alter von 90 Jahren Aleksandr Solzenicyn, das “Gewissen Russlands”. Russische Medien tönten laut, dass nun das 20. Jhd. für Russland endgültig vorbei ist…
Wie aber sieht das aktuelle Russland aus? Die BILD Zeitung titelte heute, der Russe sei der neue Urlaubsschreck, viel schlimmer noch als die Deutschen. Ich finde, das Hauptproblem mit Russland ist, dass es zumindest seit dem 18. Jhd. immer ein Teil von Europa war (Zarin Ekatarina II. war Deutsche), aber andererseits seine eigenen slavischen Wurzeln betont. Diese Spannung zwischen Eigenständigkeit und Integration ist nie aufgehoben worden (und wird es auch wohl so schnell nicht), aber eins bleibt im Selbstverständnis der Mehrheit der Russen unanfechtbar: der Anspruch auf innere und äußere Stärke und Geltung. Ausläufer hiervon sind dann eben auch Menschenrechtsverletzungen wie die von Anna Politkowskaya. Wahlen in Russland sind übrigens nicht mit denen im “Westen” vergleichbar, eher mit Regionalwahlen in Tiefbayern auf politisch höchster Ebene… wer gewinnt, steht so gut wie vorher fest.
Fedor Tjutcev hat einmal gesagt “Mit dem Verstand ist Russland nicht zu begreifen” (??? ??? ?? ???) - das bringt ganz gut die Vielschichtigkeit der Problematik Russlands zum Ausdruck…
Russland ist meiner Meinung dank erster und zweiter Weltkrieg (vor allem) zum unbekannten Nachbar geworden. Schließlich ist es in Russland nicht so wie in anderen Ländern, wo Monarchie, Diktatur von Demokratie abgelöst wurden, sondern man direkt zum Kommunismus überging. Deshalb wurde von jeher in der, ich nenns jetzt mal „westliche Welt“ Hetze gegen diesen Staat betrieben mit zwei schlimmen Höhepunkten, einmal NS-Zeit und einmal Kommunistenverfolgung in den USA (wobei hauptsächlich der Westen Deutschlands betroffen war). Aber auch Im Osten Deutschlands lebte der Hass der durch Ideologie geschürt worden war weiter. Na gut, man muss auch sagen, dass das Verhalten der russischen Besatzer nicht immer positiv zum Bild beitrug. Fakt ist aber, dass sich mit der Wende in Deutschland sich alle komplett von Russland mehr oder weniger abgewendet haben, immer im Hinterkopf, dass das ja die bösen Kommunisten sind, trotz der ersten Versuche einer Demokratie. Doch ich persönlich glaube immer noch, dass bei vielen immer doch der böse Russe im Kopf rumspukt, auch aufgrund manch eines Zuwanderers (der eigentlich Deutscher ist und nur nach Russland gezogen war, ach ja der geschichtliche Hintergrund ist ziemlich umfangreich, das recherchieren überlasse ich dem geneigten Leser ).
Das ist der Grund warum Russland eher ein unbekannter Nachbar ist. Aber eines muss gesagt sein. Die deutsche Presse trägt aufgrund stark subjektiver Berichterstattung nicht unbedingt zur Aufklärung des Staates Russland bei. Denn hier schließe ich mich meinem Vorredner an
Fedor Tjutcev hat einmal gesagt „Mit dem Verstand ist Russland nicht zu begreifen“ (??? ??? ?? ???) - das bringt ganz gut die Vielschichtigkeit der Problematik Russlands zum Ausdruck…
Ach ja, die Probleme bei Wahlen hat wohl auch noch mit geschichtlichen Altlasten zu tun, aber die USA, das angebliche Paradebeispiel für eine freie Demokratie, hatte ja auch schon über 100% Wahlbeteiligung (in manchen Ortschaften). Das kann man den Russen zu Gute halten, immerhin waren die Wahlergebnisse dort unter 100%.
Bekanntere Boulevardblätter spielen da eher in einer anderen Liga…
Und Erklärungsversuche desselbigen Blattes zum Thema Kaukasuskrieg Sicher ist eins: Russland ist mittlerweile in einer Position, in der es sich nichts mehr gefallen lassen will. Denken wir nur daran, was die russische Weltmacht in den vergangenen Jahrzehnten alles verloren hat – sie ist faktisch zurückgeworfen worden auf ihre Grenzen von 1918 nach dem Ersten Weltkrieg.
versorgen die Deutschen mal wieder mit beruhigendem Halbwissen. Na dann gute Nacht :wuerg2
ja das mit den Spartensendern stimmt. Ich persönlich informiere mich bei so vielen und einigermaßen seriöse Medien wie möglich. Die Frage ist, mach das der Druchschnittsdeutsche.
Die Bildzeitung, die Bildzeitung, hm, eigentlich weiß ich nicht mehr was zu denen und deren Lesern sagen soll, besonders, da sie von jemanden geführt wird, der Kontakte zu ultrarechten Burschenschaften zu besitzen scheint.
Ich kann deine Meinung nicht nachvollziehen. Hier haben wir doch bisher ganz normal über die Entwicklung in Russland diskutiert. Niemand versucht hier extrem die Lage zu beschönigen und bisher sind alle zu dem Schluss gekommen, dass man Russland ständig aufs Neue beobachten muss und dass in Russland die Uhren eben anders ticken.
Ich persönlich bin der Meinung im offenen Dialog mit Russland kann die EU mehr erreichen als durch haltlose Drohungen. Dass die meisten westlichen Medien eine kritische Haltung zu Russland einnehmen mag in Ordnung sein, aber wenn ein Interview mit Putin so zurecht geschnitten wird, dass der Sinn teilweise entstellt wird muss man schon zu Selbstkritik fähig sein.
Es gibt ein passendes Buch zum Thema Russland (insbesondere Schwerpunkt Presse"freiheit") geschrieben von einer damaligen russischen Journalistin, die mittlerweile im Exil in Großbrittanien lebt, namens Elena Tregubova.
In Russland ist sie nur sehr knapp einem Mordversuch entgangen. Das Buch heißt “Die Mutanten des Kreml: Mein Leben in Putins Reich” Kann ich nur empfehlen.
Ich persönlich halte die russischen Wahlen vor Kurzem für manipuliert, Medwedew ist m.M. nach - leider - lediglich eine Marionette von Putin. Und ich glaube nicht, dass sich das so schnell ändern wird, aber abwarten.
In Russland gibt es ein Gesetz, dass den Geheimbund dazu berechtigt, auf Verdacht “Feinde” ohne jegliche wirklichen Beweise oder gar eine Verhandlung zu verhaften usw. Erinnert mich ein bisschen an Guantanamo… Die amerikanische Demokratisierung von Russland scheint ja zumindestens teilweise zu funktionieren! =D
Ich finde es schrecklich, dass immer wieder von der demokratisierung solcher Länder geredet wird… Die USA sind meiner Meinung nach eine größere “Bedrohung” als Russland. In Russland weiß man zumindestens “größtenteils”, was vor sich geht im Gegenteil zu den USA, die zu viel Macht & Einfluss vor allem auf unsere westlichen Medien besitzen, als dass sich wirklich kritisch mit ihnen auseinander gesetzt werden würde. Es sind schon Millionen Kinder im Iraq gestorben auf Grund der Sanktionen, die dort nach dem Golfkrieg auf Geheiß der USA ausgesprochen und nie aufgehoben wurden - darüber regt sich niemand in den Medien auf, aber das böse Russland…
(Apropos Golfkrieg, gibt ziemlich interessante Dokumentationen zu dem Thema, Schwerpunkt die amerikanische Rolle)
Ich hab leider (noch) keine wirkliche Ahnung über die Geschichte Russlands, bin aber gerade dabei, mir das anzulesen.
Und zum Thema Russland & EU… Meiner Meinung nach, sollte die Eu von ihrem hohen Ross runtersteigen und sich ernsthaft - und eigenständig ohne USA Meinung - mit Russland auseinander setzen! Wobei man sich da innerhalb der EU ja erst einmal einig werden müsste…
Frag doch mal die Ukrainer, Esten. Litauer, Letten und Polen wen sie als grössere Bedrohung, und das zurecht, ansehen.
Aber wenn der Russe erst mal in die Ukraine einmarschiert, ist das sicherlich die Schuld der USA. Warum müssen die das Land auch unbedingt in die Nato aufnehmen…