Daß es in der PT-Branche Einzelfälle fragwürdiger Praktiken gibt, bestreitet ja auch niemand. Doch diese Reportage erzeugt den Eindruck, daß dies flächendeckend der Fall sei. Und das ist schlichtweg falsch !!!
Ich möchte Euch die angesprochen Arbeitssituation gerne (vereinfacht) näherbringen:
Ausgangslage :
Die deutschen Krankenkassen bezahlen einer PT-Praxis rund 15 € pro durchgeführter Behandlung (15-25 Minuten) Krankengymnastik bzw. Manueller Therapie. Das rechnet sich hoch auf einen Stundenumsatz von rund 30-45 € [B]brutto[/B]. Dieser Wert blieb in den letzten 10 Jahren nahezu unverändert. Die abzuziehenden Nebenkosten (Steuern,Strom,Heizkosten etc.) hingegen haben sich mittlerweile verdoppelt. Den “schwarzen Peter” schieben sich dabei die Krankenkassen und die Politik abwechselnd zu.
Konsequenz 1 :
Eine Praxis (oder jede andere Art von Unternehmen) ist heutzutage mit dieser Umsatzlage [B]nicht[/B] zu halten. Praxisinhaber sind dadurch von vornherein gezwungen, privat zu bezahlende Therapiemethoden anzubieten. Das ist ja aber auch legitim und auch legal, so wie jede Versicherung neben der gesetzlichen Rente auch private Absicherungen verkauft oder wie man an vielen Tankstellen zur Tankfüllung noch ne Brezel zum Sonderpreis angeboten bekommt.
Konsequenz 2 :
Angestellten Physiotherapeuten kann eine Praxis basierend auf dieser Umsatzlage in aller Regel nur 1300-1500 € netto im Monat bezahlen, obwohl man für die Ausbildung zum PT 10.000 € löhnen “durfte”. Um mit der stetigen Weiterentwicklung in der Medizinwissenschaft Schritt zu halten, kommen für den PT noch regelmäßige Fortbildungen dazu, die sich preislich im höheren dreistelligen bzw. vierstelligen Rahmen bewegen.
Konsequenz 3 :
Wie erwähnt hat jeder Therapeut rund [B]20[/B] Minuten pro Patient. Bestandteile dieses Zeitrahmens sind
*Begrüßung
*An/Auskleiden des Patienten
*Befundungsgespräch
*Behandlung
*schriftliche Dokumentation jeder Behandlungseinheit
*direkter Übergang zum nächsten Patienten
Auch jedem “Nicht-Mediziner” dürfte sich darstellen, daß da eine effektive Behandlung eines Patienten mit 30jähriger Schmerzhistorie (wie im Bericht vorgekommen) etwas “schwierig” ist…
…zumal die Diagnosen mit denen die Patienten vom Arzt zum Therapeuten kommen oft schwammig sind. Meine “Lieblingsdiagnose” ist hierbei die DORSALGIE. Klingt super-medizinisch und vielsagend heißt übersetzt aber lediglich “SCMERZEN HINTEN” !!!
Sorry, viel Text für ein abschließendes, grundlegendes Fazit: Die allermeisten Physios sind Berufsidealisten, die ihren Beruf gewissenhaft und aus Überzeugung ausüben. Und wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender mit öffentlichen Geldern diese Überzeugungen diffamieren ist für mich eine Grenze erreicht !
Ich als Beteiligter fühle mich zumindest wie ein leidenschftlicher Gamer, dem durch eine RTL-Reportage angedichtet wird, er & seine gesamte Community könne sich weder waschen noch ein Deo benutzen, obwohl er weiß, daß 99,9999 % der Szene das durchaus drauf haben.
Zumindest in dieser Sachverstandslosigkeit & Sensationsgeilheit gleichen sich Report München & der damalige RTL-Bericht zur Gamescom…
Statement des im Beitrag interviewten Therapeuten & Funktionärs Rüdiger v. Esebeck:
http://www.physio-verband.de/fileadmin/dokumente/Dokumente_fuer_Netzmeldungen/Netzmeldungen_2014/2014-12-05_NM_Gegendarstellung_LV_Bayern_report_Muenchen_Anlage.pdf