Propaganda (fast) wie in einer Diktatur?

[QUOTE=DeeperSight;411422]
In meinem Punkt ging es eher darum, dass wir alle spekulieren und uns unseren Teil zu Griechenland, Ukraine etc. denken.
Dazu kommen Informationen, die nicht verifiziert werden können, aber aus Quellen stammen, denen wir vertrauen. (Fefe, Sascha Lobo, Niggemeyer etc.)[/QUOTE]

Das mir den Quellen ist aus meiner Sicht sogar noch das größere Dilemma. Jeder baut sich seine eigene Filterblase und füllt die Lücken “seiner” Quellen mit den von dir beschriebenen Interpretationen.
In vielen Fällen berichten die Medien sehr einseitig. Dort fehlt aber (für meine Empfindung) noch die absichtliche Falschdarstellung und Fälschung von Fakten, wie es bei reiner Propaganda der Fall ist. Falsche Berichte kommen auch vor, entstehen aber oft aus fehlerhafter Recherche, weil auch der Beitragsverantwortliche in seiner Filterblase lebt.

Die von dir genannten berichten ja beispielsweise (zum Großteil) journalistisch korrekt, aber auch so einseitig, dass man den ganzen Sachverhalt nicht neutral erfassen kann. Dazu muss niemand großartig gesteuert werden.

Worauf ich aber hinaus wollte ist, dass uns eigentlich alle Informationen vorliegen, was tatsächlich ein Vorteil gegenüber Regimen ist, in denen richtige Propaganda betrieben wird. Die Einordnung fällt nur so schwer, weil die Themen so wahnsinnig komplex sind und dann noch die Falschmeldungen gefiltert werden müssen. Dabei können Journalisten helfen, bringen dann aber auch wieder ihre Filterblase mit in die Interpretation. Der Leser tut dann nochmal das gleiche. Mag man ein Ergebnis nicht, tendiert man dazu es als “falsch” zu bewerten.

@ DeeperSight:

Ne, ich habe Dich zum größten Teil schon verstanden. Und Du hast ja recht. Der Mensch sucht nach einer Theorie, die komplizierte Zusammenhänge erklärt. Da kommt es natürlich leicht zu Verschwörungstheorien. Angesichts der Unübersichtlichkeit und Komplexität, wie sie in der Welt nun einmal herrschen, sucht man dabei bevorzugt nach einfachen Theorien und einfachen Narrativen. Selbst wenn die Medien sorgfältig und ehrlich berichten würden, wäre das natürlich so, zumal die Medien dann oft zugeben müssten, dass man vieles gar nicht wirklich weiß.

Aber die Irreführung und fehlende Seriosität verstärken das Misstrauen und damit den Hang zur Verschwörungstheorie natürlich noch!

Zitat DeeperSight:

In meinem Punkt ging es eher darum, dass wir alle spekulieren und uns unseren Teil zu Griechenland, Ukraine etc. denken.
Dazu kommen Informationen, die nicht verifiziert werden können, aber aus Quellen stammen, denen wir vertrauen. (Fefe, Sascha Lobo, Niggemeyer etc.)

Mindflare:

Das mir den Quellen ist aus meiner Sicht sogar noch das größere Dilemma. Jeder baut sich seine eigene Filterblase und füllt die Lücken „seiner“ Quellen mit den von dir beschriebenen Interpretationen.

Eine perfekte Lösung gibt es nicht. Aber man kann da natürlich schon manches tun. Man kann beispielsweise in einer konkreten Frage die Berichterstattung verschiedener Medien vergleichen. Durch langfristige Vergleiche kann man dann auch einen Eindruck davon bekommen, wie ausgewogen und fair jemand ist, und ob er beispielsweise auch Informationen akkurat bereitstellt, wenn die nicht zu seiner Meinung passen. Ebenso kann man beispielsweise manchmal direkt auf die Quellen zugreifen. Ob Varoufakis die Aussage, dass die Deutschen eh zahlen, als dreiste Zumutung meinte (Mainstream-Medien-Darstellung), oder ob er das als Misstand angeprangert hat und damit gegen de bisherige und von ihm für sinnlos gehaltene Politik protestieren wollte (Medien-Kritik-Darstellung), kann man beispielsweise durch die Lektüre des französischen Original-Interviews auf „La Tribune“ selbst sehen.
https://publikumskonferenz.de/forum/viewtopic.php?f=30&t=411

Und beispielsweise Niggemeier oder BildBlog können es sich schon einfach mal schwer „erlauben“, ständig große Fehler zu machen oder die Leser gezielt in die Irre zu führen - ein Medienkritiker, der selbst so ist wie die, die er kritisiert, würde rasch jede Glaubwürdigkeit verlieren.
Ähnlich ist es hier mit FK.TV. Zumindest, wenn ein Fehler eindeutig ist, muss er zugegeben werden, und ansonsten kann man bei umstrittenen Fragen oft etwas lernen, wenn man sich die Diskussion im Foren zum jeweiligen Thema ansieht - dass etwa bei sehr speziellen Themen dennoch mal ein allseits unbemerkter Fehler durchgeht, ist natürlich immer noch möglich.

Und gerade bei der „Publikumskonferenz“ ist der Vorteil ja, dass man die Kritik der Konferenz und die Antworten der jeweiligen Medien direkt vergleichen und sich damit sein eigenes Bild machen kann.
Vollkommen ist wie gesagt nichts auf der Welt, aber mit etwas kritischer Recherche hängt man dann doch nicht ganz in der Luft.

In vielen Fällen berichten die Medien sehr einseitig. Dort fehlt aber (für meine Empfindung) noch die absichtliche Falschdarstellung und Fälschung von Fakten, wie es bei reiner Propaganda der Fall ist. Falsche Berichte kommen auch vor, entstehen aber oft aus fehlerhafter Recherche, weil auch der Beitragsverantwortliche in seiner Filterblase lebt.

Dazu zweierlei:

  1. Wenn diese Filterblase so extrem ausgeprägt ist, dass eine auch nur ansatzweise akkurate Berichterstattung selbst in eigentlich ganz eindeutigen Fällen nicht mehr gegeben ist, dann ist der effektive Unterschied kaum noch gegeben. Propaganda besteht ja oft nicht aus dreisten Lügen, sondern aus Halwahrheiten und Verzerrungen. Und wenn der entsprechende Journalist seine eigenen Lügen resp. Halbwahrheiten auch noch selbst glaubt, hilft uns das wenig.

  2. Mitunter lassen sich aber auch bösartige zielgerichtete Verfälschungen nachweisen.
    a)Siehe etwa hier ab 5:57 das Video von Holger:
    https://www.youtube.com/watch?v=Z1vX2mjDPZM
    Ein fast vollkommen leeres Stadion so zu filmen, als wäre es gerammelt voll, ist absichtlich irreführend. Höchstens ist der ÖR hier selbst Ofer einer Manipulation geworden - wobei: Wenn das so wäre, dass jemand sich selbst so leicht und begierig selbst manipulieren lässt und dann „unwissend“ andere manipuliert, dann wäre das im Grunde kaum besser.
    b) Oder siehe dies:
    ZDF - Kathrin Eigendorf - Weitere Opfer in der Ostukraine - Archiv - Ständige Publikumskonferenz der öff.-rechtl. Medien
    Da ist die Sache nun wirklich völlig eindeutig. Wer so einen Beitrag macht, der hat die volle Absicht, die Menschen gegen besseres Wissen hinters Licht und in die Irre zu führen.

[post=411464]@Mindflare[/post]

Ja. Auch die Quellen, die ich nannte, sind sehr einseitig und politisch weit links einzuordnen.
Man liest halt doch, was einem nahesteht.

Für sich alleine ist das auch nicht schlimm. Lobo ist Kolumnist, Fefe führt eine kommentierte Literaturliste, Niggemeyer bloggt ebenfalls Kolumnen. Den Journalismus aber können sie nicht ersetzen.

Vor ein paar Wochen verfolgte ich einen CNN-Reporter auf Periscope und stellte ihm eine gemeine Frage.
Diese war, ob sein Job manchmal frustrierend sei, weil er nicht immer das sagen könne, was er manchmal gerne sagen würde.
Daraufhin gab er mir die perfekte Antwort. Nämlich, dass er es nicht als seine Aufgabe sehe, Meinungen zu verbreiten. Er stellt nicht dar, sondern vor. Was wir mit diesen Informationen machen, sei unser eigenes Problem. Genau so sollte es auch sein!

Leider sehe ich seitens ZDF&Co eine bewusste, böswillige Verzerrung der aktuellen Lagen. Enio hat schon einen Link geliefert. Im Falle der Ukraine wurden genauso Fehler gemacht. Ganz zu schweigen von der Falschübersetzung Ahmadinedschads vor ein paar Jahren. Das sind keine Fehler, die aus willkür passieren.

Zu den Filterblasen: Dieses Dilemma lässt sich womöglich nicht lösen. Aber du hast damit vollkommen recht. Eine Realität werden wir niemals kennen. Wir können uns immer nur innerhalb unserer Interpretation versuchen daran anzunähern. Dabei brauchen wir aber die Unterstützung eines integren Journalismus’, damit wir in einem ehrlichen und fruchtbaren gesellschaftlichen Diskurs Entscheidungen fällen können. Durch die Falschdarstellungen werden wir aber davon ausgegrenzt, weil das „Wissen“ für sich behalten wird.

Kein Lobo und Fefe können das befriedigend aufarbeiten. Sie verwerten nur Inhalte dritter und generieren keine eigenen Quellen. Oft ist es ausreichend, wenn man auf ausländische Presse hingewiesen wird. Aber selbst da herrschen Filterblasen.

@Enio

Ach so. Ich hatte es so verstanden, als interpretiertest du meinen Beitrag in eine Richtung, in der ich als ein kleiner Teil der Bevölkerung hilflos erscheine und du hättest gute Tipps, wie man sich dem entziehen könne. Daraufhin wollte ich nur klarstellen, dass es dir auch so gehen muss, es sei denn, du bist im Besitz geheimen Wissens.

Aber dann habe ich dich wohl missverstanden und nicht du mich. :slight_smile:

Propaganda besteht ja oft nicht aus dreisten Lügen, sondern aus Halwahrheiten und Verzerrungen.

Was die gefährlichste Propaganda ist, von der nicht nur unsere Presse, sondern auch die von mir angesprochenen Strömungen profitieren. „Irgendwie haben sie ja recht…“ -> die Kontextverzerrung wird dabei nicht wahrgenommen.

Und wenn der entsprechende Journalist seine eigenen Lügen resp. Halbwahrheiten auch noch selbst glaubt, hilft uns das wenig.

Und davor habe ich Angst. Manchmal habe ich den Eindruck, die Presse glaubt wirklich an das, was sie schreibt oder sendet und wenn sie bewusst fälscht, dann mit dem „Bewusstsein“ für die gute Sache gekämpft zu haben. Das ist aber kein Journalismus mehr, sondern Komplizenschaft.

Mindflare sieht das scheinbar nicht so pessimistisch, da wir ja auch noch an viele Informationen kommen, die wir uns aber selbstständig suchen müssen. Darin liegt aber m.E. eine große Gefahr. Wir sind nunmal von den Medien abhänig, um nicht auf Scharlatane hereinzufallen. Momentan ist es aber egal, ob ich rechtsradikale Medien, BILD oder ZDF konsumiere. Die Grenzen verschwimmen da. Nicht in der Grundhaltung, sondern in der Qualität und der Richtung verbreiteter Informationen.

Dennoch muss ich ihm bedingt recht geben, da wir durch englischsprachige Medien (und eventuell auch im Französischen, wer es kann) immerhin noch oft einen Perspektivenwechsel vollziehen können. Immerhin.

@ DepperSight:

Ich hatte Dich vielleicht insofern etwas missverstanden, als ich gedacht hatte, dass Du Dich persönlich besonders irritiert fühlst und verwirrt fühlst, während Du tatsächlich eher eine allgemeine Perspektive eingenommen hast. Ich denke, da liegen wir auch auf einer Linie.

Dennoch muss ich ihm bedingt recht geben, da wir durch englischsprachige Medien (und eventuell auch im Französischen, wer es kann) immerhin noch oft einen Perspektivenwechsel vollziehen können. Immerhin.

Was auch hilfreich sein kann, ist natürlich, wenn man gezielt nach einigermaßen seriösen Quellen sucht, die einmal ein ganz anderes Bild malen, eine andere Geschichte erzählen. Man kann dann vergleichen und drauf hoffen, dass jede Seite das berichtet, was die andere unterschlägt; besser ist natürlich ein Medium, das ein möglichst vollständiges Bild bringt. Gut: Was ein einigermaßen seriöses Medium bzw. Blogger ist, ist natürlich auch nicht immer auf den ersten Blick offensichtlich, aber wenn man sich das jeweils näher ansieht, bekommt man schon einen gewissen Eindruck.

In der Russland-Berichterstattung etwa ist mein Eindruck, dass Telepolis ziemlich fair berichtet, weil es kritische Informationen und Kommentare zulasten beider Seiten bringt, weil es mit nachprüfbaren Belegen arbeitet und seine Informationen gut zu dem passen, was andere Quellen berichten, die nach längerer Beobachtung auf mich einen glaubwürdigen Eindruck machen.

Anders ist es mit dem Blogger „Der Unbequeme“.

Er ist eindeutig auf der Seite Russlands. Gleichzeitig scheint er mir aber trotz dessen insoweit seriös zu sein, als er nicht Fakten erfindet oder übel verdreht (wobei ich das letztlich auch nicht sicher beurteilen kann). Im Zweifelsfall versuche ich, seine Äußerungen durch Recherche nach weiteren Quellen zu validieren. Ich werte ihn selbstredend nicht als weitgehend neutrale Informationsquelle, die Russland wie auch den Westen gleichermaßen ausgewogen unter die kritische Lupe nimmt, sondern sozusagen als lesenswerte „Gegenstimme“ bzw. als ein Korrektiv, das Licht auf ein bestimmtes Puzzle-Teil wirft, das sonst oft im Dunkel bleibt.

Wenn man möglichst viele kritische Medien/Quellen zugleich betrachtet, das Berichtete mit seinem Hintergrundwissen in Bezug setzt, und allgemein auf Plausibilität achtet, kann man sich schon ein gewisses Bild machen. Und es gibt auch Quellen wie etwa die Bücher von Gabriele Krone-Schmalz über Russland; Frau Krone-Schmalz ist sicher eine ernstzunehmende Journalistin, auch wenn man nicht immer ihrer Meinung sein muss. Aber da erfährt man dann auch Dinge über Russland, die man sonst nicht erfährt.
Und wenn es dann eine hohe Redundanz verschiedener Quellen gibt, für deren Seriosität alles spricht, dann spricht das natürlich für den Wahrheitsgehalt der entsprechenden Information.

Man muss natürlich auch immer sehen: Was kann eine Quelle wirklich an Fakten und Argumenten aufbieten, und was sind „nur“ die Interpretationen und Schlussfolgerungen des Autors?

Wer übrigens auch immer wieder kritisch berichtet und eine andere als die übliche Perspektive eingenommen hatte, war Peter Scholl-Latour. Auch wenn man seine Meinung nicht immer teilt, kann man auch ihn wohl als seriösen und reflektierten Journalisten begreifen (in dem Sinne, dass er nicht bösartig die Dinge, die er sah, in seiner Berichterstattung auf den Kopf stellte). So zumindest der Eindruck, den ich mir bisher gemacht habe.

Sehr empfehlenswert ist, finde ich, sein Film „Russland im Zangengriff…“. Der muss wohl so im Jahre 2007 oder um den Dreh rum gemacht worden sein.
Besonders den ersten Teil, wo es um die Ukraine, Russland und den Westen geht, empfehle ich, so bis 11:35. Es wirkt geradezu prophetisch - nicht wahr?

Scholl-Latour hat (auch dort) versucht, sich auch mal in die Lage des anderen hineinzuversetzen und die Welt mit dessen Augen zu sehen, und er hat auch Dinge berichtet, die nicht in das übliche Narrativ passen, nach dem es dem Westen (etwa in der Ukraine) immer nur um Demokratie und Menschenrechte und nie um Macht geht. Viele westlichen Journalisten und Politiker können so einen Perspektivwechsel ja offenbar gar nicht vollziehen bzw. so eine weite Perspektive ja überhaupt nicht einnehmen; sie sehen die Welt aus einem ganz engen Tunnel. Was eigentlich mit das Schlimmste ist, was man über einen Journalisten (oder auch Politiker9 überhaupt sagen kann.

Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Qualität der Berichterstattung in Deutschland ist größtenteils einfach unterirdisch.

Hier noch drei interessante Links:

Ein Interview mit den Machern der “Anstalt”:

Hier zwei interessante Artikel der NZZ dazu:

http://webpaper.nzz.ch/2015/04/05/international/M707O/politsatire-bewirkt-mehr-als-nachrichten?guest_pass=3fecaacd65%3AM707O%3A1d34aa121f8c8b1fff11006065b24a5b541c1526

Eher durcdh Zufall habe ich kürzlich diesen Artikel von Bild-Blog entdeckt.
Man versteht, wieso der Begriff “Lügenpresse” erfunden wurde. Entweder haben alle diese Medien sehr schlecht gearbeitet und sind ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen. Oder sie lügen bewusst. Das ist ein eklatantes Beispiel - aber leider nicht das einzige.

http://www.bildblog.de/62651/im-zweifel-gegen-den-griechen/
(Dass das ZDF die Fakten hier verdreht, hatten wir ja bereits gezeigt; dass es aber so viele andere Medien ihm gleichtun, war mir neu. Wobei das ZDF immerhin halbherzig seinen fehler eingeräumt hatte.)

Man kann letztlich “seriöse” Nachrichten ansehen oder “seriöse” Zeitungen aufschlagen und muss damit rechnen, dass das, was sie berichten, exakt dem Gegenteil der Wahrheit entspricht - und zwar in durchaus wichtigen und emotional aufgeladenen Fragen.