Propaganda (fast) wie in einer Diktatur?

In letzter Zeit habe ich mich etwas mit Medienkritik beschäftigt; nicht mit irgendwelchen obskuren Verschwörungstheoretikern, sondern seriösen Quellen (wie etwa Stefan Niggemeier).

Mein Eindruck ist inzwischen, dass die Berichterstattung und Kommentierung selbst bei sog. “Qualitätsmedien” bei einigen Themen so einseitig und verzerrend ist, wie man das eigentlich nur in einer Diktatur erwarten würde. Natürlich gibt es immer wieder löbliche Ausnahmen, aber die gehen im großen Strom weitgehend unter.

Es scheint beispielsweise richtig zu sein, was Stefan Winterbauer zur Griechenlandberichterstattung sagt:

[I]“Die besten Analysen zum Thema Griechenland finden sich hierzulande bezeichnenderweise oft in Blogs. Wer sich auf etablierte Medien verlässt, steht am Ende erschreckend einseitig informiert da.” [/I]

Weder das Thema “Ukraine” noch das Thema “Griechenland” sollen hier weiter diskutiert werden - das wären Themen für sich. Ich möchte nur einige ganz wenige ausgewählte Beispiele für das groteske Versagen der Medien geben, die wirklich nur die oberste Spitze des Eisberges aufzeigen:

  1. Stefan Niggemeier weist auf die Verbreitung falscher bzw. grob irreführender Daten zum Renteneintrittsalter im Hinblick auf die Griechenlandkrise hin und darauf, wie solche Fehler nicht einmal korrigiert werden (einige Medien haben das aufgenommen bzw. das dann auch getan):
    http://www.stefan-niggemeier.de/blog/21319/das-griechische-renteneintrittsalter-liegt-nicht-bei-56-jahren/

  2. Viele Medien - darunter auch ARD und ZDF - stellen die Äußerungen des griechischen Finanzministers in einer grob entstellten und irreführenden Weise dar.
    Der Wirtschaftswissenschaftler Norbert Häring (den Holger in Folge 159 FK-TV interviewt hat) prangert das an:
    http://norberthaering.de/de/27-german/news/284-ard-zdf#weiterlesen
    Ebenfalls hat sich die “Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.v.” dies kritisiert - man sehe sich auch die unglaublich schwache Antwort des ZDF und die Gegenantwort der Publikumskonferenz an:
    https://publikumskonferenz.de/forum/viewtopic.php?f=30&t=505
    Eine ähnliche grobe Irreführung speziell im Fall des griechischen Finanzministers hatte es bereits früher gegeben:
    https://publikumskonferenz.de/forum/viewtopic.php?f=30&t=411

  3. Als ein Beispiel für die Ukraine-Berichterstattung mag dies hier genügen,wo die Tatsachen werden dort in einer derartig böswilligen Weise verdreht werden, dass ein völlig falscher Eindruck entstehen muss, wer im konkreten Fall eigentlich der “Aggressor” ist bzw. von wer hier die Gewalt ausübte, deren Opfer gezeigt wurden.
    https://publikumskonferenz.de/forum/viewtopic.php?f=46&t=419

Wie gesagt: Man könnte im Kleinen wie im Großen unendlich fortfahren. Aufschlussreich sind beispielsweise die von der “Ständigen Publikumskonferenz” dokumentierten Beschwerden, weil man da sehen kann, was der kritisierte Sender antwortet - und in vielen Fällen ist das nicht einmal mehr “erbärmlich”. (Natürlich, in manchen Fällen kann man etwas auch so oder so bewerten, oder es handelt sich um relative kleinigkeiten, aber oft ist doch die Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen eindeutig grob tendenziös oder gar inbösartiger Weise irreführend.)

Es geht mir hier überhaupt nicht darum, ob man beispielsweise die griechische, deutsche, ukrainische oder russische Regierung mag oder nicht - es geht mir einfach um eine einigermaßen akkurate Berichterstattung. Und die findet bei bestimmten Themen offenbar kaum noch statt. Es scheint eine Art der Einseitigkeit und Manipulation zu herrschen, die in ihrem Ausmaß und Umfang in einer Demokratie eigentlich undenkbar scheint. Es ist offenbar das wahr, was Jakob Augstein im Zusammenhang mit der Ukraine-Berichterstattung in einem Interview wie folgt formulierte:

[I]“Und da betreiben wir natürlich genauso Propaganda wie die Russen. Und der Unterschied sozusagen zu Russland ist: Wir können hier darüber reden und uns das klarmachen. Ich hab nur manchmal das Problem, dass wir zwar darüber reden und das klarmachen, aber es geht immer so weiter…Es gibt kein Meinungskartell in dem Sinne, dass Leute gesteuert oder gezielt das Gleiche sagen…die treffen sich auch nicht im Geheimen…, sondern es ist fast noch schlimmer: Die sind der Überzeugung, dass das stimmt, und sie unterwerfen sich und ihre Redaktion einem bestimmten Mainstream-Denken.” [/I]

Wie ist das zu erklären? Wie kann ein so katastrophales Vergsagen der Medien verstanden werden? Und fällt das anderen Teilnehmern, die sich mit medienkritischen Analysen beschäftigen, auch auf?

Vor langer Zeit war Propaganda wenigstens noch für umme.
Wer denkt, das bei bestimmten Angelegenheiten “unabhängig und objektiv” berichtet wird (im TV) liegt wohl tatsächlich falsch.
Das Leute das glauben was im Flimmerkasten prästentiert wird ist leider so.
Das die meisten Meldungen von der dpa einfach übernommen werden wohl auch.
Ich hab den Versuch mal gemacht und ein paar Leute über bestimmte politische und andere Themen befragt… die Antworten waren immer die selben, und zwar passend zur aktuellen Tagesschau :lol:
Da brauch ich nichtmal ne Kristallkugel um zu wissen was die Leute denken :ugly

Ich wollte eigentlich nen thread zur Griechenlandberichterstattung sagen genauer gesagt über eine Person, aber da der Thread schonmal offen ist schließe ich mich hier einmal an. Und sag noch was zur Ukraine.

[B]Ukraine:[/B]
Etwas dass ich schon seit über einem Jahr immer wieder zu dem Thema sage.
Natürlich läuft im russischen Fernsehn nur Staatspropaganda der die Russen als die Guten und den Rest als die Schlechten darstellt.
Das ist aber noch lange [B][U]KEIN GRUND[/U][/B] für unsere Medien in dieser Hinsicht mit den russischen wettzueifern.

[B]Griechenland:[/B]
Ich hatte damals ja auch den Thread eröffnet in dem bei Günther Jauch gezeigten “stick the finger to germany” an den der Fernsehkritiker später seinen Blogpost mit Analyse zu #Varoufake angehängt hat.
Und ja diese aus dem Kontext gezogenen Redeauszüge werden weiter gezeigt.

Was oder besser gesagt wer mich zur Zeit aber richtig aufregt ist [U][B]Rolf-Dieter Krause[/B][/U], der Auslandskorrespondent der ARD, der in gefühlt jeder Talkshow zu dem Thema sitzt oder live geschaltet ist.
Er ist Journalist und sollte versuchen objektiv zu berichten, auch wenn er natürlich eine eigene Meinung haben darf.

Aber dieser Kerl leistet sich reihenweise übelste Propaganda auf unterstem Stammtischniveau und das geht garnicht.

Mehr möchte ich auch eigentlich zu dieser Person nicht sagen sonst hat das negative Auswirkungen auf meinen Blutdruck.


btw: Warum kann sich die seite nichtmal 10 Minuten merken dass man eingeloggt ist und verwirft fast den geschrieben text immer dann wenn man auf antwort drückt

“Zitat von Durayne” btw: Warum kann sich die seite nichtmal 10 Minuten merken dass man eingeloggt ist und verwirft [-]fast[/-] den geschrieben text immer dann wenn man auf antwort drückt ?

…das frag ich mich auch!

[QUOTE=RextheC;411189]
…das frag ich mich auch![/QUOTE]

Ich frage mich warums hier problemlos klappt. Sicher das das problem nicht an eurer stelle liegt?

Das Problem tritt genau dann auf, wenn man beim Anmelden nicht den Haken bei “Angemeldet bleiben” setzt. Hatte ich auch lange übersehen.

Zitat Durayne:

Was oder besser gesagt wer mich zur Zeit aber richtig aufregt ist Rolf-Dieter Krause, der Auslandskorrespondent der ARD, der in gefühlt jeder Talkshow zu dem Thema sitzt oder live geschaltet ist.

Norbert Häring hat eine Programmbeschwerde wg. eines Beitrags von Krause erhoben:
http://norberthaering.de/de/27-german/news/314-programmbeschwerde#weiterlesen

Da wird wieder mal auf eines von unzähligen Beispielen für die Tatsache hingewiesen, dass große Teile der deutschen Mainstream-Medien - einschließlich der mit unseren Gebühren zwangsfinanzierten - sich offenbar bei manchen Themen selbst von grundlegendsten journalistischen Standards verabschiedet haben.

Russlandberichterstatung:
Ein weiteres Beispiel unter unzähligen, diesmal vom BildBlog berichtet:
In fast allen möglichen deutschen Medien hieß es, dass die Moskauer Stadtverwaltung das Oktoberfest „verbiete“, und zwar, weil es „antirussisch“ sei. So etwa hieß es bei der taz 8zitiert nach Bildblog):

„Es hätte so schön sein können: Oktoberfest in Moskau. Aber nein, die Verwaltung der russischen Hauptstadt verwehrt einheimischen Bierfans die große Sause und verbietet die Gaudi einfach.“

In unzähligen Medien wurde dasselbe „berichtet“. Tatsächlich aber stimmt das nicht. Die Moskauer Verwaltung sagte schlichtweg, dass sie kein Oktoberfest plane - weder gebe es entsprechende Anfragen von Bierherstellern, noch gebe es, im Gegensatz zu Deutschland, eine entsprechende Tradition in Russland. (Der BildBlog hatte extra noch einmal bei der entsprechenden Agentur nachgefragt.)

Daran ist auch nichts Verwerfliches. Würde man die Stadtverwaltung in Berlin fragen, ob sie Erntedankfeiern plant, wie die in den USA jährlich stattfinden, dann würde sie vermutlich ganz ähnlich antworten.

Der Bildblog schreibt:

„Von Verboten ist da keine Rede, von „antirussisch“ erst recht nicht. Der Beamte sagt bloß, dass kein Oktoberfest geplant sei und es für ein solches Fest keine Tradition in Russland gebe.“

Ber Bildblog schließt dann unter Verweis auf den Screenshot eines kritischen Leserkommentars:

„So untergraben die Medien ihre eigene Glaubwürdigkeit und stellen sich — sei es nun mit Absicht oder aus schierer Doofheit — selbst in die russlandfeindliche Ecke. Und das Traurigste ist: Sie merken es nicht mal. Oder sie wollen es nicht merken. Der Leser-Kommentar (Screenshot) ist inzwischen über zwei Wochen alt, seither haben auch einige andere Leser auf den Fehler hingewiesen. Trotzdem steht die Quatschgeschichte bei allen Medien, die wir oben aufgelistet haben, auch heute noch unverändert online.“

Anmerkung von Enio: Inzwischen scheinen einige Medien wie FAZ oder Zeit (aber nicht die Welt) die entsprechenden Artikel kommentarlos gelöscht zu haben. Eine Aufklärung des Lesers und entsprechende Richtigstellung halten sie aber offenbar nicht für notwendig, wie eine Google-Suche zeigt.

Hier zum Bildbolg-Artikel - sehr lesenswert:

Ein weiteres Beispiel unter Unzähligen: Holger hatte ja etwa zur Russland-Ukraine-Berichterstattung mehrere Beiträge gemacht - in einem sieht man etwa, wie das ÖR eine Demonstration in einem fast leeren Stadium gezeigt und dabei so manipulierend dargestellt hat, dass man meinen musste, das Stadion sei randvoll. Wenn ein russischer Sender so etwas machen würde, dann würden wir wohl sagen, dass das schamlose Propaganda ist.

Wenn das jetzt einzelne Fehler wären - aber solche Dinge passieren ja leider ständig. Man fragt sich, ob man den Medien eigentlich überhaupt noch etwas glauben kann, wenn derart dreist die Wahrheit verbogen oder Dinge erfunden werden. Ich muss sagen, dass ich bei den themen Russland und Griechenland inzwischen überhaupt nichts mehr glaube, sofern ich nicht selbst recherchiere und auch alternative Medien und medienkritische Seiten geprüft habe.
Wenn das soweit ist, dass man Medien selbst einfache und nachprüfbare Faktenberichte nicht mehr glauben kann, dann sind das Zustände (fast) wie in einer Diktatur. Es ist sogar fast noch schlimmer: In Deutschland gibt es Pressefreiheit - das ist aber auch eine dienende Freiheit, und sie muss auch genutzt werden. Was nutzt Pressefreiheit, wenn eine Selbstzensur stattfindet, deren Ausmaße ins Groteske gehen?

Warum kann sich die seite nichtmal 10 Minuten merken dass man eingeloggt ist und verwirft fast den geschrieben text immer dann wenn man auf antwort drückt ?

Ja, das Zeitintervall, nach dessen verstreichen man automatisch abgemeldet wird, ist etwas kurz gewählt.

Schade, dass es so wenig Beteiligung an dieser Diskussion gibt.

Jetzt habe ich gerade bei SPON einen Merkel-kritischen Artikel im SPON gelesen. Viele Leser haben ganz entsetzt reagiert - soll jetzt etwa Deutschlands Politik maßgeblich an der Griechenland-Krise mitschuld sein?

Das sieht man, wie weit die deutschen Medien-Konsumenten bereits in einer Voodoo-Realität leben, die ihnen von eben diesen medien vorgesetzt wurde.

Nur ein Beispiel: Es scheint eone praktisch völlige Einigkeit unter den führenden Ökonomen bzw. Wirtschaftsnobelpreisträgern zu bestehen, dass die von Deutschland verordnete Politik des Sparens schlecht bzw. “katastrophal” ist. Dies hat unter dem titel “Nobelpreisträger rechnen mit Merkel ab” sogar ausgerechnet - man staune - “Die Welt” berichtet, die nun sicherlich des Sozialismus oder der CDU-Feindlichkeit eher unverdächtig ist. Ich zitiere:

[I]“Über wenige Dinge herrschte beim Nobelpreisträgertreffen so viel Einigkeit wie über Merkels Auftritt in Lindau. Mit kollektiver Ablehnung hat die Elite der internationalen Wirtschaftsforschung die Vorschläge der Bundeskanzlerin zur Lösung der Euro-Krise quittiert…Bemerkenswert dabei ist, dass die Kritik quer durch sämtliche ökonomische Schulen reichte. Nicht nur die üblichen Verdächtigen, also keynesianisch geprägte Ökonomen, warnten vor den verheerenden Folgen der Sparpolitik. Auch Spieltheoretiker und Makroökonomen konservativer Universitäten stimmten ein ins Merkel-Bashing. Die frontale Attacke der klügsten Köpfe zeigt nicht nur, wie weit sich Politik und Ökonomie voneinander entfernt haben, gerade wenn es um Themen wie die Euro-Krise geht…Noch weniger Zurückhaltung gegenüber dem Kurs von Merkel übt Edmund Phelps von der New Yorker Columbia University. ‘Europa ist intellektuell und in Sachen Einfallsreichtum bankrott’, poltert der Nobelpreisträger von 2006. Die Rede der Kanzlerin sei eine einzige Katastrophe gewesen und habe jegliche Vision für den Kontinent vermissen lassen: ‘Merkel scheint den Ernst der Lage nicht kapiert zu haben.’ Auch Cambridge-Professor James Mirrlees hält die Kanzlerin für wirtschaftlich falsch beraten.” [/I]

Das wären doch eigentlich hochinteressante Nachrichten, wenn die so stimmen (und englischsprachige Medien berichten dasselbe). Das müssten doch eigentlich alle Medien in Deutschland lang und breit diskutieren, selbst wenn sie die offenbar einhellige Kritik der Wirtschaftwissenschaften für unberechtigt halten.

Stattdessen wird das kaum irgendwo thematisiert. Und viele andere Themen auch nicht. Beispielsweise auch nicht, wie Deutschland an der Krise Südeuropas bereits jetzt eine höhere Summe verdient hat als die, für die es im Fall von Griechenland bürgt.

Wieder wird den deutschen Medienkonsumenten eine bestimmte Geschichte erzählt - nicht überall, aber meistens.

Stefan Winterbauer macht dafür eine Art der “Obrigkeitshörigkeit” verantwortlich:

[I]“Aber warum? Warum lassen die meisten Medien unerwähnt, dass Griechenland vor Zinsen einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet? Warum werden Falschaussagen wie die über die angeblich hohen Griechen-Renten immer weiter und weiter verbreitet? Warum dieser Hass der Bild-Zeitung auf Griechenland? Warum dieses Herumreiten auf Äußerlichkeiten wie den offenen Hemden von Tsipras und Varoufakis? Was die Medien betrifft, könnte dies an einem gewissen Hang zur Obrigkeitshörigkeit liegen. Und im Falle Griechenlands ist es so, dass die Politiker-Kaste erkennbar mit der aktuellen griechischen Regierung fremdelt. Die Sturheit, mit der ein Wolfgang Schäuble rationale Argumente scheinbar nicht zur Kenntnis nimmt, macht rat- und atemlos. Ebenso das brandgefährliche Zündeln der EU mit dem Banken-Run. Die Medien wittern diese Stimmungslage und überbieten sich geradezu darin, wer den grauen Herren an der Eurokasse am eifrigsten nach dem Munde schreiben und senden darf. Medien und Politik bewegen sich einmal mehr im Gleichschritt. War es 2008 im Sinne der Politik, Zurückhaltung zu wahren [während der Finanzkrise; Erläuerung von Enio], so transportieren die Medien in Sachen Griechenland nunmehr eine aggressive Grundhaltung, die in der politischen Klasse ihren Ursprung zu haben scheint.”[/I]

Ich kann gar nicht mehr viel dazu sagen, da die vorausgegangenen Posts sehr ausführlich sind und die meisten meiner Sorgen abdecken. Ich kann aber sagen, was dieser Zustand mit mir macht.

In meinem Kopf bilden sich stündlich neue Verschwörungstheorien. Das reicht von Merkel als subversives Annektionsuboot der USA, über den Final Strike against Communism (Russlandfeldzug), bis hin zu Griechenlands Annektion zur Errichtung eines Schutzwalls in Form einer Pufferzone gegen Flüchtlinge.

Ich bin mir bewusst darüber, wie solche Gedanken entstehen und wie sie arbeiten. Für mich sind solche reaktionären Denkmuster meinerseits ein Indikator für schwere Verwirrung und bittere Orientierungslosigkeit.
Blogs sind kein Journalismus. Sie können nur als unzureichendes, aber nötiges Korrektiv fungieren.

Die Ahnungslosigkeit, die ich bei mir feststelle, lässt mich, als politischen Menschen, frustriert mit mir selbst alleine.

Ich weiß, dass ich nichts weiß und so entstehen Ängste, die sich wiederum in diffusen Verschwörungstheorien kristallisieren. Jetzt bin ich reflektiert und habe noch eine innere Abwehr. Jedoch wundert mich die Existenz gewisser ärgerlicher Strömungen überhaupt nicht. Sie sind die Homunkuli der Verfehlungen unserer Medien. Die gesellschaftliche Tragweite dessen ist enorm und ich habe mehr Angst vor den Strömungen, als vor den propagandistischen Medien selbst.

Ja, es gibt leider nichts wirklich konstruktives, was man dem hinzufügen könnte. Es ist einfach lupenreine Propaganda. Wie DeeperSight schreibt, fördert das alles einfach nur noch Misstrauen und Angst gegenüber allem, was zum Gefühl der Hilfslosigkeit wird - und letztendlich in Hass oder Terrorismus gipfelt. Es sind die Geister, die sie selbst rufen.

Besonders traurig finde ich den Umstand, dass die wenigen Medien damals viel besser kontrolliert werden konnten. Über viel mehr als eine Tageszeitung oder einen Radiobeitrag konnte man sich ja kaum informieren. Heute gibts hunderte Kanäle und es wird trotzdem nicht besser.

[post=411385]@kuhpunkt[/post]

Besonders traurig finde ich den Umstand, dass die wenigen Medien damals viel besser kontrolliert werden konnten. Über viel mehr als eine Tageszeitung oder einen Radiobeitrag konnte man sich ja kaum informieren. Heute gibts hunderte Kanäle und es wird trotzdem nicht besser.

Eine treffende Beobachtung.

@ DeeperSight:

Ja, das ist keine schöne Situation. Aber man muss eben akzeptieren, dass sehr vieles ungewiss ist; eine Erklärung, die alles ganz einfach beschreibt, ist sicher keine Lösung - das wöäre der Weg zur Verschwörungstheorie.

Nehmen wir es hin und entspannen wir dennoch, so gut wir können. Man muss eben lernen, etwas einfach als Rätsel im Raume stehen zu lassen.

@ alle:

Etwas anderes:
Im Zusammenhang mit dem Kosovo-Krieg wurde uns ja immer erzählt, dass die Serben ständig das damalige Friedensabkommen verletzt haben und daher nicht friedensbereit waren. Ausgerechnet Henry Kissinger jedoch hat laut einem Gastautor der Nachdenkseiten erklärt:

[I]"Die Serben mögen sich barbarisch verhalten haben in der Unterdrückung des UCK-Terrors. Aber 80 Prozent der Verletzungen des Waffenstillstands zwischen Oktober und Februar wurden von der UCK begangen. Es war an diesem Punkt kein Krieg um ethnischen Säuberungen. Wenn wir es richtig analysiert hätten, würden wir versucht haben, die Waffenruhe zu stärken und nicht die gesamte Schuld den Serben zu geben. "[/I]

Ebenfalls wurde uns gesagt, dass der Krieg der Abwendung einer humanitären Katastrophe diene. Der CDU-Politiker Willy Wimmer, der unter Kohl parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium war und zeitweise Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, erklärt hingegen, dass dies nur ein Vorwand gewesen sei. In einem Brief an den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (2) schrieb er über das, was er auf einer hochrangig besetzten Veranstaltung der NATO erfahren hatte:

“…Die europäische Rechtsordnung sei für die Umsetzung von NATO-Überlegungen hinderlich. Dafür sei die amerikanische Rechtsordnung auch bei der Anwendung in Europa geeigneter…Der Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien sei geführt worden, um eine Fehlentscheidung von General Eisenhower aus dem 2. Weltkrieg zu revidieren. Eine Stationierung von US-Soldaten habe aus strategischen Gründen dort nachgeholt werden müssen…Unbeschadet der anschließenden legalistischen Interpretation der Europäer, nach der es sich bei dem erweiterten Aufgabenfeld der NATO über das Vertragsgebiet hinaus bei dem Krieg gegen Jugoslawien um einen Ausnahmefall gehandelt habe, sei es selbstverständlich ein Präzedenzfall, auf den sich jeder jederzeit berufen könne und auch werde.” [Anmerung von Enio: Außer wohl natürlich Russland oder sonst jemand, der “böse” ist.]
http://www.nachdenkseiten.de/?p=21539&output=pdf

Tatsächlich haben die USA im Kosovo nun mit Camp Bondsteel eine große Militärbasis, angeblich ihre zweitgrößte in Europa. Laut Noam Chomsky (3) hatte der Krieg gegen Jogoslawien vor allem auch mit ökonomischen Gründen zu tun. Chomsky beruft sich auf ein wichtiges Mitglied der Clinton-Administration:

[SPOILER]
[I]“Actually, we have for the first time a very authoratative comment on that from the highest level of Clinton administration, which is something that one could have surmised before, but now it is asserted. This is from Strobe Talbott who was in charge of the…he ran the Pentagon/State Department intelligence Joint Committee on the diplomacy during the whole affair including the bombing, so that’s very top of Clinton administration; he just wrote the forward to a book by his Director of Communications, John Norris, and in the forward he says if you really want to understand what the thinking was of the top of Clinton administration this is the book you should read and take a look on John Norris’s book and what he says is that the real purpose of the war had nothing to do with concern for Kosovar Albanians. It was because Serbia was not carrying out the required social and economic reforms, meaning it was the last corner of Europe which had not subordinated itself to the US-run neoliberal programs, so therefore it had to be eliminated. That’s from the highest level.” [/I]
http://www.chomsky.info/interviews/20060425.htm
[/SPOILER]

Gut: Absolut hieb- und stichfeste Beweise sind das vielleicht nicht. Aber es erscheint doch als recht plausibel, und die Quellen sind auch zu seriös, um das einfach als “Verschwörungstheorie” abzutun.

Jedenfalls wurde den Medien vorgeworfen, dass sie in diesem ganzen Zusammenhang übel versagt hätten, beispielsweise hier - und damit wären wir wieder bei unserem Thema.

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19970

Ich habe mich jetzt nicht wirklich intensiv in diese Materie eingearbeitet, halte das aber für gut möglich.

Kürzlich habe ich eine sehr positiv gehaltene Rezension zu einem Buch gelesen, in dem gesagt wird, dass vieles im Syrien-Krieg völlig anders sei, als die Medien dies darstellten. Der Rezensent ist m.E. ein seriöser Wissenschaftler. Ich weiß trotzdem nicht, ob ich das nun glauben soll oder nicht. Wenn wir bedenken, wie die Medien (von Ausnahmen abgesehen) uns nachweislich sowohl über die Geschehnisse in der Ukraine wie auch über die Griechenland-Krise hinters Licht führen, halte ich es jedenfalls nicht für ausgeschlossen, dass auch da die Dinge in Wahrheit ganz anders liegen.

Ich glaube im Grunde inzwischen eigentlich überhaupt nichts mehr. Es ist einfach zu viel und zu dreist manipuliert worden.

@Enio

Du hast mich missverstanden. Ich wollte auf einen Automatismus hinweisen, den wir alle haben. Das Gehirn arbeitet nunmal konstruktivistisch.

Die Kernaussage war, dass wir alle den Hang dazu haben Lücken mit uns vertrauten, individuell plausibel erscheinenden Erklärungen zu füllen und das nur das Bewusstsein darüber, dass es so ist einen vor Verschwörungstheorien schützt. Viele Leute haben dieses Bewusstsein aber nicht und so entstehen nervige Strömungen in der Gesellschaft als direkte Folge einer mangelhaften Berichterstattung, die offensichtliche Lügen verbreitet.

Damit gebe ich den Medien die direkte Schuld an dem Rechtsruck in Deutschland. Dabei bin ich so ehrlich zuzugeben, dass ich wie jeder andere auch Theorien bilde und jeder der behauptet das nicht zu tun, lügt.
Nur muss man sich bewusst darüber sein, dass die Erklärungen automatisch zusammengrdichtet und zumeist lediglich als Erkenntnis oder Erleuchtung verklärt werden.

Je stärker eine öffentlich entlarvte Propaganda fortgeführt wird, desto stärker werden Fehlgedanken institutionalisiert bzw. etabliert.

Der Zustand ist momentan einfach unerträglich.

[QUOTE=DeeperSight;411410]Dabei bin ich so ehrlich zuzugeben, dass ich wie jeder andere auch Theorien bilde und jeder der behauptet das nicht zu tun, lügt.[/QUOTE]

Könntest du das etwas genauer erläutern und vielleicht auch ein Beispiel geben?

[post=411413]@kuhpunkt[/post]

Gerne.

Das Gehirn sucht immer nach einer lückenlosen Logik. Das heißt, wenn du etwas erfährst, aber darin wichtige Informationen fehlen, wirst du automatisch den Rest “auffüllen”.

Einfachstes Beispiel aus einer Vorlesung ist folgende Geschichte:

“Abends hört man Lärm aus einer Kneipe. Ein Mann torkelt die Straße entlang”.

Jeder hat jetzt automatisch das Bild eines Besoffenen vor sich, ob er will oder nicht. Dieses Muster ist in uns verankert und durch unsere Kultur geprägt. Heißt die Geschichte aber wie folgt:

“Abends hört man Lärm aus einer Kneipe. Ein Mann torkelt die Straße entlang, in Richtung Krankenwagen” - dann ist der Sachverhalt ein ganz anderer. Wir wissen immer noch nicht, warum er torkelt, nehmen aber automatisch an, dass er verletzt ist.

Genauso verhält es sich mit allem. Je detailloser und oder/offensichtlich verlogener Informationen sind, desto eher bilden wir eigene Theorien, die sich nur in Graden der Interpretation unterscheiden. Aus Zufall können wir mal einen Treffer landen, aber um logische Schlussfolgerungen zu tätigen benötigen wir umfassende Details. Diese haben wir nicht.

Jeder von uns sucht automatisch nach etwas, dass die “Geschichte” vervollständigt. Ob wir den Gedanken dann verwerfen oder nicht ist für diesen Umstand egal. Wir greifen ihn jedoch immer wieder auf, wenn weitere Informationen so interpretiert werden können, dass er passt.

Wenn man sich dessen bewusst ist, kann man Abstand zu diesen Gedanken erzwingen. Wenn man sich dessen nicht bewusst ist, glaubt man eine Erkenntnis oder eine Erleuchtung gehabt zu haben.

Ach so meinst du das - dem würde ich auch nicht widersprechen wollen. Mein Eindruck war zunächst, dass du meintest, dass das Hirn zu Verschwörungen neigt und nicht unbedingt rational ist, weil es gerne “glaubt”. Diesen Abstand versuche ich nur auch immer zu wahren. Ich bin ein sehr ungläubiger Mensch - das ist nicht nur auf die gute alte Religion bezogen und das lasse ich mir nicht absprechen.

Aber das war ja auch nicht deine Intention.

Das Gehirn sucht immer nach einer lückenlosen Logik. Das heißt, wenn du etwas erfährst, aber darin wichtige Informationen fehlen, wirst du automatisch den Rest „auffüllen“.

Jeder von uns sucht automatisch nach etwas, dass die „Geschichte“ vervollständigt. Ob wir den Gedanken dann verwerfen oder nicht ist für diesen Umstand egal. Wir greifen ihn jedoch immer wieder auf, wenn weitere Informationen so interpretiert werden können, dass er passt.

Ein „prä-Konzept“ sozusagen.

[post=411415]@kuhpunkt[/post]

Nein nein nein nein… das würde ich auch so nie behaupten.
Allerdings ist es schon so, dass, wenn du in einer christlichen Familie aufgewachsen bist und den Glauben verlierst, du in Grenzsituationen kurzzeite religiöse Gefühle bekommen könntest.

In meinem Punkt ging es eher darum, dass wir alle spekulieren und uns unseren Teil zu Griechenland, Ukraine etc. denken.
Dazu kommen Informationen, die nicht verifiziert werden können, aber aus Quellen stammen, denen wir vertrauen. (Fefe, Sascha Lobo, Niggemeyer etc.)
Zudem sind wir stark von der Unterhaltungsindustrie geprägt. Filme, die einen spannenden politischen Plot haben, beeinflussen später unsere Einschätzung der Realität. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige House of Cards für sehr bare Münze handeln.

Dieses Zusammenspiel beeinflusst uns im Unbewussten und wir wissen oft gar nicht, warum wir dies oder jenes glauben oder glauben zu wissen. Wir könnten es nicht einmal stichhaltig erklären. Aber unsere Haltung steht erst einmal.

Diese Berichterstattung hat viele Menschen völlig zurecht enttäuscht. Jetzt suchen sie andere Möglichkeiten, sich ein Bild zu machen und verfallen schnell in Regionen, die vordergründig plausibel erscheinen, aber im Grunde Käse sind. Eine perverse Richtung ist z.B. die jüdische Weltverschwörung.

Banken, Konzerne, Politik, Medien… alle diese Obrigkeiten haben die letzten Jahre total versagt. Selbst der Justiz vertraut niemand mehr so wirklich.

Diese Orientierungslosigkeit schafft eben genau das, was wir gerade in ganz Europa sehen können.
Die Menschen besinnen sich zurück auf protektionistische Handlungen, egal ob im Sozialen oder in der Ökonomie.
Der Journalismus hatte eigentlich nur einen einzigen Job. Integer zu sein.

Jetzt haben wir wieder Rechtsradikale in Parlamente.

Zudem wird die Situation umgedreht. Dadurch, dass z.B. das ZDF den Göbbels mimt, kann man dies eben genau damit auch vergleichen. Da sich unsere Medien verhalten wie in einer Musterdiktatur, können Menschen, die mit noch viel stärkeren Tendenzen der Unfreiheit dealen, von ihren eigenen antidemokratischen Bestrebungen ablenken.

tl;dr:

Nur Arschlöcher. Überall.

Was aber voraussetzt, dass der Glaube zunächst einmal gefunden wurde - sonst könnte man ihn ja nicht verlieren :voegsm:

Antonin Scalia (* 11. März 1936 in Trenton, New Jersey) ist ein US-amerikanischer Jurist und seit 1986 beigeordneter Richter (Associate Justice) am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten (Supreme Court of the United States).

Bitte ansehen - ab Minute 7:15 bis 8:50

//youtu.be/zmeF2rzsZSU

@Kuhpunkt

Last Week Tonight ist so unglaublich gut! :mrgreen:

Danke, dass zeigt ja, dass selbst Würdenträger demnach handeln und was das für Signale in die Gesellschaft sendet.