Nachdem ich hier ein wenig gefaulenzt habe (bin nach einem Sabbatical wieder im Job) möchte ich Euch ein Weihnachts-Link-Special nachliefern, bei dem ich dringend empfehlen möchte, die Links aufzurufen, solange sie noch zugänglich sind.
Im Sommer 2015 gab es eine Konferenz der Ministerpräsidenten, bei der auch das Thema „Werbung im TV“ angeschnitten wurde. Es gibt nämlich durchaus das eine oder andere Bundesland, das den Anteil der Werbung reduzieren möchte (Nordrhein-Westfalen). Doch da tauchte gerade noch rechtzeitig eine Studie am Horizont auf:
Repräsentative Studie zur Werbeakzeptanz
mit der Hauptaussage
Der ganz überwiegende Teil der Bevölkerung in Deutschland findet Werbung als Finanzierungsbestandteil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wichtig und sinnhaft.
Diese Meldung poppte auch im einen oder anderen Medium hoch. Was aber leider in kaum einem Medium erwähnt oder gar hinterfragt wurde, war, wer die Studie in wessen Auftrag durchgeführt hatte! Und deshalb zitiere ich nochmal das Presseportal
Durchführendes Institut: GFK Media & Communication Research, Wiesbaden
Auftraggeber: ARD-Werbung SALES & SERVICES (im folgenden ASS genannt)
Welches Interesse könnte eigentlich die ASS daran haben, dass bei dieser Studie herauskommt, dass die Bürger auf die Werbung lieber verzichten möchten? Hmmm… Wer aber gar den Verdacht hegt, die GfK hätte hier mit Suggestivfragen das gewünschte Ergebnis für ihren Auftraggeber herbeigeführt, ist natürlich ein ganz übler Verschwörungstheoretiker. (Ob der Zusammenhang zwischen relevanten Inhalten und Werbung bei der Befragung wohl erwähnt wurde?) Weil ich mich natürlich nicht als Spinner bezeichnen lassen will, suchte ich auf den Seiten der GfK nach Details, die über die allgemeinen Mitteilungen des Presseportals hinausgingen, fand aber: NICHTS! (falls doch jemand was genaueres findet, bitte PM, ich mach dann hier ein Update) Dafür aber fand sich woanders ein verräterischer Hinweis, welche Kräfte hier im Hintergrund wirkten, es waren nämlich die Organisation der Mediaagenturen (OMG) und die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM)
http://www.wuv.de/medien/auftritt_omg_und_owm_keine_lust_auf_weitere_werbeverbote
Auch das von einigen Politikern immer wieder geforderte Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen TV und Radio werde von OWM und OMG klar abgelehnt, heißt es am Dienstag.
Und sogar die heikle Kausalbeziehung wurde explizit im Update genannt:
Die Betroffenen wehren sich auch gegen mögliche Spotreduzierungen – in Form der ARD-Tochter AS&S, die bei GfK Media & Communication Research eine Studie zur Werbeakzeptanz in Auftrag gegeben hat.
Allein schon die Chuzpe, sich mit dieser Frage beschäftigen zu wollwn, wurde rotzfrech marginalisiert:
Im Sommer 2015 sehen sich die Menschen auch hierzulande mit vielen elementaren Fragen konfrontiert, bei denen die Politik um Lösungen ringt. Bei den hohen Zustimmungswerten darf man sich nicht wundern, dass die ganz große Mehrheit der Bevölkerung keinerlei Interesse an der Diskussion über Werbereduzierung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt.
(Bernhard Cromm, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der ARD-Werbegesellschaften)
Die gewünschte Wirkung wurde erzielt und der Angriff auf die Werbeindustrie wurde zunächst abgewehrt:
Länder vertagen Entscheidung zur Werbereduktion bei ARD und ZDF
http://www.medienkorrespondenz.de/politik/artikel/laender-vertagen-entscheidung-zur-werbereduktion-bei-ard-undnbspzdf.html
Die Bundesländer haben die Entscheidung darüber vertagt, ob Mehreinnahmen aus dem allgemeinen Rundfunkbeitrag zur Reduzierung der Werbezeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingesetzt werden sollen. Die Ministerpräsidenten beschlossen auf ihrer Konferenz am18. Juni in Berlin, über diesen Punkt erst im Frühjahr 2016 einen Beschluss zu treffen.
Über die temporäre Abwehr hinaus erzielten OMG und OWM aber auch noch einen Erfolg auf Dauer: In den Köpfen der Politiker, die sich nicht so genau mit Medienpolitik auskennen oder auskennen wollen, wurde das gewünschte Narrativ gepflanzt, die Bürger würden die Werbung wollen, um nicht so viel Haushaltsgebühren zahlen zu müssen!
Wer sich ein Bild davon machen will, wie sehr das Vorabendprogramm auf die Wünsche der Werbekunden hin konzipiert ist, mag sich einfach mal in die Rolle eines solchen versetzen und sehen, wie er gehegt und gepflegt wird:
http://www.ard-werbung.de/wissen-und-forschung/tv-forschung/tv-welt/sinus-milieus-in-der-fernsehforschung/
Nach Sinus gibt es in Deutschland derzeit zehn verschiedene soziale Milieus. Werden am Nachmittag mit den erfolgreichen Telenovelas Rote Rosen und Sturm der Liebe eher die etwas älteren, konservativen Milieus angesprochen, so sind es insbesondere bei der Tagesschau um 20 Uhr und der Viertel vor Acht-Strecke die Oberschicht-Milieus, die diese informativen Formate präferieren.
Einige Beispiele an Typen-Zielgruppen und deren Leistungswerte bei unseren werberelevanten Sendungen haben wir hier für Sie zusammengetragen. …
Und weil der Sport aus Sicht des Fernsehens der erlaubte „Dosenöffner“ für die Werbung in der Hauptabendzeit ist
Ausgenommen von den zeitlichen Einschränkungen beim Sponsoring sind aber Live-Übertragungen großer Sportereignisse; darunter fallen Olympische Spiele, die Fußball-WM und -EM sowie generell Länderspiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.
(Medien-Korrespondenz)
war es wichtig, aus der Studie heraus diese zusätzliche geldwerte Aussage zu treffen
67,8 Prozent der Befragten akzeptieren die Werbung, um besondere Sportrechte für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu sichern. Nur 17,5 Prozent finden die Übertragungen im Bezahlfernsehen und bei Privatsendern ausreichend.
(Presseportal,ASS)
Man kann also folgendes Fazit ziehen:
Durch die relativ wenig scheinenden 20 Minuten Werbung, die den Öffentlich-rechtlichen erlaubt sind, wird das Fernsehprogramm in der Vorabendzeit massiv beeinflusst, weil man hier den Werbekunden ein Sinus-zielgenaues Umfeld für die Platzierung ihrer Spots liefern will um den erzielbaren Tausenderkontaktpreis zu optimieren. Auch wenn diese Zeit nur wenige Stunden pro Tag umfasst, ist es doch genau die Zeit, in der Fernsehen am meisten genutzt wird! Insofern wird durch die wenigen Prozent Mehr-Einnahmen durch Werbung der Fernsehzuschauer in ausgerechnet seiner kostbarsten Zeit um ein relevantes Programm gebracht! Insbesondere die Ausnahmeregelung für sportliche Großereignisse und die Fußballspiele der Nationalmannschaft geben sowohl Anreize für einen unlauteren Biet-Wettbewerb mit den Privatsendern als auch die Versuchung, sich „Sommermärchen“ im eigenen Land erkaufen zu wollen.
(Für mich ist das keine neue Erkenntnis, aber die Zusammenfassung hilft evtl. manchem, der im privaten Kreise oder in der Diskussion mit „seinem“ Bundestagsabgeordneten dieses Thema ansprechen und „entmarginalisieren“ will, die zerstörerische Wirkung der Werbung kurz und knapp zu erläutern! )
Achtung!
Da die Entscheidung über die Werbereduzierung bereits in wenigen Monaten getroffen wird, empfiehlt es sich für euch, gegenüber der Politik den Mund auf zu machen! Malu Dreyer (SPD), Julia Klöckner(CDU) und einige weitere Politiker werden im Januar und Februar 2016 wegen der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im März 2016 ihre Wahlkampf-Türklinkenputzer-Tour machen. Denkt daran, dass RLP bei der Medienpolitik federführend ist. Und weist bei der Gelegenheit gleich darauf hin, dass ihr nicht bereit seit, es hinzunehmen, dass ihr aus dem gesellschaftlichen Diskurs in den abendlichen Talkshows bei Themen- und Gästewahl ausgeschlossen bleibt, weil Eure Themen auf den „Jugendkanal im Netz“ outgesourced wurden…