In letzter Zeit geht es ja echt ab mit der Medienberichterstattung, ich komme kaum noch nach. Dies ist ganz offiziell Gebettel um Unterstützung hier. Es will mir fast schon scheinen, als hätte man gerade bei den (in der Sache evtl. befangenen) Printmedien lange Zeit absichtlich mit der Berichterstattung über den ÖR gespart, um nicht im Moment seines Beschlusses über die Folgen neutral zu berichten, sondern die Wut über den Haushaltsbeitrag, dem sich nun keiner mehr entziehen kann, zum breiten Rundumschlag und zur Stimmungsmache nutzen zu können. Dabei geht es zu oft um das Geld und zu selten um die Inhalte. Als Beispiel für die Härte der Auseinandersetzung dient ein Kommentar aus dem Handelsblatt:
Handelsblatt eine Politikerin schreibt da
… Entgeistert wird von den Gebührenprofiteuren darauf hingewiesen, dass die Neuordnung doch schon monatelang angekündigt war und jetzt nur umgesetzt wird, was von den Ministerpräsidenten und den Landesparlamenten beschlossen und abgenickt wurde. Aber es wurde eben erst bei der Einführung allen klar, was da ausgekungelt worden war. …
Und warum tut sie als Politikerin da so verwundert? Und warum meldet SIE sich jetzt erst? Und was machen die Medienpolitiker? Sind die jetzt alle untergetaucht? Und als eine guter, unabhängiger Blog dient „Die Achse des Guten“ als Beispiel? Und, und, und…
Zu recht wird der Beitrag bei Niggemeier auseinandergenommen:
http://www.stefan-niggemeier.de/blog/rundfunkbeitrag-bald-fast-so-schlimm-wie-hitler/
Auch die Kommunen melden sich, als ob sie heimtückisch überfallen worden wären:
Es komme, so der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB), in vielen Fällen zu einer „Vervielfachung des bisherigen Gebührenaufkommens“. Zudem sei von einer "Vereinfachung bisher nichts zu spüren.
Hey beschwert Euch bei den Politikern, die das fabriziert haben, das sind Eure Chefs von den Ländern, die das so hemdsärmelig in die Wege leiteten…
Aber lassen wir das unerquickliche Thema um das schnöde Geld - leider immer noch zu selten sind grundsätzliche Anstösse zur Diskussion, wie eigentlich die neue Medienwelt zwischen ÖR und Privat aufgeteilt werden sollte/könnte/müsste. Aber genau diese sind wichtig.
Hier ein seltener Fall, bei dem man auf einem ÖR-Medium einen guten Beitrag zur aktuellen Diskussion mit Wissenschaftlern bekommt - also schnell anhören, bevor er depubliziert wird:
(Via Netzpolitik Alternativen für die digitale Öffentlichkeit – netzpolitik.org gefunden)
"Demokratische Willensbildung - oder Wie die digitale Öffentlichkeit und das öffentlich-rechtliche Internet in Zukunft aussehen könnten - eine Diskussion mit dem Medienwissenschaftler Stefan Heidenreich und Politikwissenschaftler Jens Best" auf Deutschlandradio:
Gerade als ich den Beitrag transkribieren will, steht Christoph Keese mit dem Messer hinter mir und raunt mir bedrohlich ins Ohr: „Pass bloß auf, Bürschli, TEXTE darf nur die PRINTPRESSE!“
Ich lasse es also bei Stichworten bewenden, es geht um
Depublizierung, Archivierung, Meinungs-bildung, „Sozialer Kitt“, Metapher des Lagerfeuers, Grundversorgung, „es gibt ein Bedürfnis, zu wissen, was die anderen wissen,“ Bürgerbeteiligung: Offene Kanäle… >> Offener Kanal2.0 „der Öffentlicher Raum hat Vertrauen verloren“ „im Öffentlichen Raum werden wir uns als Gesellschaft bewusst“ „wir müssen von den Gatekeepern zu den Enablern kommen“ „es muss zügig über die Strukturen geredet werden“ „als man sich nicht dauernd um Quoten kümmern musste, war die eine oder andere Sendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens besser“ „es ist dringend erforderlich, das kulturelle Erbe zu archivieren“ Verweildauerkonzepte bei Bildungssendungen können bis zu 5 Jahre betragen. Ewige Verweildauer geht oft nicht, weil die ÖR keine 100% der Nutzungsrechte übernehmen, sondern einen Teil bei den Produktionsfirmen überlassen. „lieber depublizieren als gar kein öffentlich-rechtlicher Rundfunk mehr“ …
Ein insgesamt hervorragender Beitrag, was ich noch gern stärker betont gehabt hätte, war, dass der ÖR auch dazu da ist, ein positives Selbstbild, ein „Gesamt-Wir“, einen major consensus narrative (Aussagen und Werte, hinter denen wir (ob nun Deutsche mit oder ohne Migrationshintergrund oder auch nur Ausländer, die seit einiger Zeit in Deutschland leben) alle stehen) zu bilden. Ich meine das jetzt nicht negativ im propagandistischen Sinne der Staatswerbung, wie sie aktuell im Sinne von „Wir, der Staat und alle seine Schäfchen machen das schon richtig“ betrieben wird, sondern im Sinne einer Plattform, auf der wir uns unseres Deutschtums (nicht im Sinne von Deutschtümelei) vergewissern können und mit deren Hilfe wir (und nicht nur die Politiker) an diesem Deutschtum arbeiten können, gerade weil sich das im Laufe der Zeit ändert.
Nebenbei wird auch noch dieser wichtige Blogeintrag von Spreeblick angesprochen,
(der aber mit dem ÖR weniger zu tun hat)
http://www.spreeblick.com/2012/12/28/2013-das-web-zuruck-erobern/