Neonazis

Ich weiß, ich polarisiere. Ich weiß, ich ecke an. Ich weiß, es ist manchmal nicht ganz einfach. Aber alles hat einen guten Grund. Alles was ich heute bin, geht auf einer der schlimmsten Zeiten zurück, die ich in meinem Leben erlebt habe.

Wir schreiben das Jahr 1997. Ich bin gerade 13 und fing langsam an mich zu orientieren. Damals, so naiv ich war, wusste ich noch garnicht was eigentlich in Chemnitz brodelte. Um es kurz zu machen: Chemnitz war damals einer DER Hochburgen der sächsischen Neonaziszene. Vorallem das Fritz-Heckert-Gebiet und der Sonnenberg, zwei Stadtteile hier, waren damals überschwämmt von Neonazis. Aber auch in anderen Stadtteilen waren diese vertreten.
Ich orientierte mich damals aber anders. Habe Punks kennengelernt, mir die Haare rot gefärbt und nen Undercut rasiert und fing an schöne, klassische Punk-Musik zu hören: WIZO, Vicki Vomit, Die Toten Hosen, Abstürzende Brieftauben, Die Skeptiker, usw. Noch heute spiegelt ein Song wie “Hier kommt Alex” meine Lebenseinstellung zu 100% wieder!
Auf jeden Fall: mit diesem Outfit, knallbunte Hose, Springerstiefel mit roten Schnürsenkel, zerissenen Jeans, usw. bin ich natürlich angeeckt. Das normale anecken war mir damals in meiner Sturm und Drang Phase sowieso unwichtig. Und im Endefekt war das ja auch nicht schlimm, war ja noch derselbe Mensch. Die Leute mussten sich eben erstmal an die andere Frisur usw. gewöhnen, das war dann aber auch alles. Was ich nicht bedacht hatte, damals noch arnicht überblicken können, war die Tatsache wie gut organisiert die Neonaziszene in Chemnitz war. Das fing an bei uns in der Schule wo ab 1998/99 angefangen wurde “Schulhof-CDs” zu verteilen und die Jugendlichen waren dafür empfänglich. Die Anfangsmasche der Demagogen glich frappierend dem was im Frei.Wild-Thread so geschrieben wird. “Das muss mal jemand ansprechen”, “Wir lieben nur unsere Heimat” und den ganzen Kram. Genau das, über was Frei.Wild heute so singen, nur das sie versteckter formulieren.
Aber dabei blieb es nicht. Zwei aus meiner Klasse haben sich bald extremisiert und wurden auch gewalttätig. Diese wurden nach der schule von ihren Nazikumpels abgeholt. Nunja, und ich? Nachdem ich von denen einmal extrem verprügelt wurde, wurde es schwierig. Zum Glück waren die Lehrer auf meiner Seite und es gab immer jemand, der selbst Feierabend hatte wenn unsere Klasse Schulschluss hatte. Da konnte ich dann immer im Auto mitfahren. Sonst wäre ich echt angearscht gewesen. Die anderen Jugendlichen aus den Klassen? Die haben geschwiegen. Aus Angst selbst eine in die Fresse zu bekommen.

Das waren so die ersten Erlebnisse und Zusammenstöße mit Neonazis. Und mit der Zeit wurde es immer schlimmer. Die haben uns vor unserem Jugendclub aufgelauert. Einmal war ich mit einer Freundin unterwegs. Sie ist schwarzhäutig und ich wollte nur mal auf die andere Seite von der Zentralhaltestelle um zu schauen wie die Busse fahren. Da wurde sie von drei Glatzköpfen, während ich drüben war, zusammengeschlagen. Die Passanten um sie herum schauten weg. Die Drei konnten gefasst werden, wurden aber vor Gericht nicht bestraft “aus Mangel an Beweisen”. Immer wieder wurde ich, Freunde oder Bekannte Opfer von rechter Gewalt. Oder wenn man auf offener Straße sieht, wie Ausländer angepöbelt werden oder Opfer von Übergriffen wurden und die Polizei lässt sich dann immer ganz besonders viel Zeit, dann wächst in einem Menschen ein Gefühl: Hass!

In den Folgejahren began ich mich damit auseinanderzusetzen wie die Neonaziszene strukturiert war. Wie konnten sie immer soviele Jugendliche für sich gewinnen? Mit welchen Methoden gehen diese vor? Immer war es das gleiche Schema: erst kommt die Musik, dann so harmlos-völkisch klingende Thesen und Schritt für Schritt wird es dann extremer. Ich kam mit Aussteigern in Kontakt und erfuhr so sehr viel über die Szene und deren Struktur. Das Schlimme: viele sind eigentlich nur Mitläufer, wollen irgendwo dazugehören und übernehmen unkritisch Parolen. Das Gemeinschaftsgefühl, damit locken Rechtsextreme. Aber wehe Du entwickelst Dich weiter, willst vielleicht aussteigen: dann stehst Du, Deine Familie, Deine Freunde, usw. selbst auf der Abschussliste.

Seit dem NPD-Wahlerfolg 2004 hier in Sachsen, als die Partei mit 9,2%!!! gewählt wurde, wurde es auf der anderen Seite ruhiger. Die verscheidenen Gruppen zerstritten sich, die Gruppen selbst wurden auch immer kleiner. Hier in Chemnitz gibt es zwar noch eine Untergrundbewegung aber der große Boom ist seit vielen Jahren eigentlich vorbei - zum Glück. Viele haben sich dann auch in die Sächsische Schweiz verabschiedet, wo sie heute leider immer noch die Dörfer “beherrschen”.

Wisst ihr, wenn man soviel mit rechter Gewalt zu tun hatte, wenn man sich sehr ausgiebig mit diesen Strukturen bechäftigt hat, dann merkt man auch schnell, wann es jemand ernst mit der Distanzierung ist. Man weiß ziemlich bescheid über Botschaften und wie rechte Gruppen ihren Nachwuchs anwerben. Im Grunde ist es heute nicht anders wie früher, nur der Look der Menschen ist angepasster geworden. Statt Glatze und Bomberjacke präsentieren sie sich heute mit schnittiger Kurzhaarfrisur, gepflegtem Äußeren und modisch-modernen Klamotten. Aber die Inhalte bleiben dieselben: “Diese Tabus müssen wir mal ansprechen”, “Unsere Heimat muss doch verteidigt werden” usw.
Das was Frei.Wild da so erfoglreich besingen, die ganzen Inhalte kenne ich zu gut. Nämlich von früher. Genau mit solchen Inhalten in der Musik wurden schon damals Jugendliche geködert. Wenn solche Inhalte in den Köpfen der Jugendlichen ankommen, dann haben die verschiedenen Gruppen ziemlich leichtes Spiel!

Und genau davor habe ich Angst. Ich bin ganz ehrlich: ich habe Angst vor einem erstarkten Rechtsradikalismus. Die Umstände sind ja auch sehr gut für solche Leute: die Mittelschicht rutscht derzeit massiv ab, die Jugendlichen sehen die immer weiter klaffende Schere zwischen Arm und Reich und selbst bekommt man keine Perspektive. Da kommen dann Leute, die einem eine starke Gemeinschaft und Solidarität versprechen, gerade recht. Oder wieso benennt sich der NPD derzeit ganz kuschelig als “Die soziale Heimatpartei”? Das ist doch genau dieser Terminus, der von Bands wie Frei.Wild und anderen gesäht wird. Und genau deswegen bin ich auch so geschockt und entsetzt, dass solch eine Band ein Forum bei FKTV bekommt.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Ich bin wie ich bin durch meine Erahrungen im Leben. Ich lehne jede Form von Nationalismus und Rechtsradikalismus nicht aus politischer Überzeugung ab, nein ich verachte diese Dinge, weil ich miterlebt habe, was diese Dinge bewirken können. Wie Menschen dadurch Leid angetan wird. Deswegen zeige ich mein Gesicht gegen Rechtsradikalismus jeglicher Art. Auch die Graustufen lehne ich entschieden ab! Und aus diesen Gründen erhebe ich, wann immer ich kann, meine Stimme. Dies ist nicht unreflektiert, wie mir etwa der Fernsehkritiker vorwarf, sondern Ergebnis vieler Erlebnisse und Erfahrungen.

Wer jetzt kommen mag mit den immer gleichen Mythos, ich sei ja linksradikal, dem sei gesagt: ich habe noch nie jemanden aus politischer Motivation verletzt. Ich verachte auch Menschen nicht, die eine andere, konservative (!) Meinung haben. Aber ich hasse alles was Jenseits der Konservativität und der Toleranz liegt. Insbesondere natürlich den Rechtsradikalismus. Aber auch mit Linksradikalen habe ich meine Probleme, da diese nicht besser sind, nicht im geringsten solidarisch eingestellt sind. Habe ich letztens erst wieder durch eine Diskussion auf Facebook erlebt.

Warum habe ich diesen Thread jetzt eröffnet? Ich weiß es nicht. Ich wollte natürlich nicht, dass dieser Text im Flamewar des Frei.Wild-Threads untergeht. Aber ich wollte mir das jetzt auch einfach mal aus der Seele schreiben zu dieser nächtlichen Stunde. Einfach mal ein Statement hier rein setzen, da ich hoffe, dass dies jemanden zum Nachdenken animiert. Unterlasst Trollkommentare, dafür ist der andere Thread besser geeignet.
Wenn ihr antwortet, dann bitte ernsthaft, ohne den politische Kram, den wir uns hier normalerweise an die Köppe hauen. Nein, versteht diesen Text einfach als Statement gegen Rechtsradikalismus und für Toleranz.

Und mit diesem Lied, der 20 Jahre nach Veröffentlichung scheinbar immernoch hochaktuell ist, möchte ich meine Worte an Euch beenden:

//youtu.be/tx_C6VR06pQ

Das Schlimme: viele sind eigentlich nur Mitläufer, wollen irgendwo dazugehören und übernehmen unkritisch Parolen.

Gut erkannt, aber kann man sie deswegen hassen? Ich würde eher sagen, man sollte sie bedauern, der grösste Teil dieser Kahlköpf…äähh…Hohlköpfe sind nur ein Haufen armer Würstchen, kommen entweder aus einer kaputten Sippe, wolllen ihr eigenes Versagen überspielen in dem sie sich irgendeinem Maulhelden an die Lippen hängen, der einer politischen Gruppierung angehört, die die Schuld von Hause aus nur bei ausländischen Minderheiten suchen!
Manche kriegen diesen reaktionären braunen Scheissdreck auch schon im Elternhaus anerzogen!

Da du, @Anchantia, ja so gerne mit den Worte der Musik argumentierst, will ich gerne mit diesem Song ausdrücken, wie ich über Neonazis denke! :smt025

tl;dr

Grundsätzlich versteht hier die Mehrzahl der Benutzer das Forum als einen Platz zum Diskutieren, andere Meinungen kennezulernen usw. Du siehst es als blog an, in dem du etwas schreibst und davon ausgehst, dass die Menschen entweder der gleichen Meinung sind oder die Fresse halten. Was genau ist jetzt deine Diskussionsgrundlage? Frag doch was für Erfahrungen Menschen in anderen Gegenden (z. B. nicht-ex-sozialistischen Wunderländern) haben …

Was genau ist jetzt deine Diskussionsgrundlage?

Diskussionsgrundlage bietet der Text oben zu genüge. Muss ich denn Fragen stellen? Nein! Und ich habe niemanden verboten zu schreiben, der nicht meine Ansichten ist. Wenn also jemand etwas über andere gegenden schreiben will, gerne! Nur habe ich keinen Bock auf Trollkommentare. Aber wer sowas wie „Ex-sozialistische Wunderländer“ verwendet, dem ist wohl um eine ernsthafte Auseinandersetzung zum thema nicht gelegen. Ich habe solche überspitzten Formulierungen schließlich auch nicht im Ausgangstext verwendet.

Ich wollte einfach mal meine Erfahrungen mit Neonazis teilen. Vielleicht hat ja jemand ganz ähnliche…

tl;dr
Wenn du keinen Bock auf den op hast, dann poste doch nicht in dem thread!

@Anchantia: Ich fand das eine nachvollziehbare „Antifaschismus-Genese“. Ich bin auch eher durch eigene Beobachtungen (überwiegend HH) zum Antifaschisten geworden; dass das von unwissenden und Unions-Innenpolitikern mit Links-Extremismus und dieser mit Rechts-Extremismus gleichgesetzt wird ist wohl momentan als gegeben anzusehen.

Kann man, auch wenn deren Ansichten oft nicht viel mehr Gehalt haben als wenn sie Darth Vader geil fänden. Bis sie die Schwelle zum Terror (Körperverletzung etc.) überschreiten lehne ich erstmal deutlich diese Ansichten ab.

Persönlich habe ich bis jetzt Glück gehabt (lauf allerdings auch nicht als Punk rum), mein bester Freund hgat schon zweimal welche gefangen. Einem von meiner Schule haben ‚sie‘ mit Baseball-Schlägern zB den Unterkiefer entfernt.

Ich lebe in Ostthüringen, und zwar in der (nach Politikermeinung) Hochburg der Neonazis. Wenn ich jedoch ehrlich bin, hab ich seit mindestens 5-6 Jahren keinen der typischen Glatzköpfe mehr gesehen. Und selbst wenn, so hatte ich nie Probleme mit denen. Ganz im Gegenteil sogar. In einer meiner letzten Arbeitsstellen gab es ein Projekt, welches sich in unterschiedliche Gruppen der Arbeitsteilung gliederte. Eine Gruppe kümmerte sich beispielsweise um die Erstellung einer Zeitschrift, welche dann in der Stadt verteilt wurde. Eine andere Gruppe holte alte Küchengeräte von Kunden, reparierte sie im Betrieb und verkaufte sie dann billig an Bedürftige. Und wiederum eine andere Gruppe reparierte alte PCs. Und in dieser besagten Gruppe gab es einen Vorarbeiter, welcher offen rechts war. Stellt euch mal das Klischeebild eines Hitlerjungen vor, dann habt ihr ungefähr das äußere Erscheinungsbild des Mannes. Original mit kurzen Hosen und gekämmtem Scheitel. Obwohl selbst der Geschäftsleitung klar war, dass der Mensch so tickt, wurde er nicht entlassen. Warum? Weil er mit Problemjugendlichen sehr gut umgehen konnte! Und nein, er hat sie nicht mit rechtem Quark zugedröhnt, sondern hat ihnen einfach geholfen, mit Problemen fertig zu werden. Anders hätte es auch nicht funktioniert, da sämtliche dieser Jugendlichen eher dem Hiphop-Spektrum zuzurechnen waren. Diesen Scheitelträger jedoch haben sie respektiert, wohingegen die davor eingesetzten linken Erlebnispädagogen bestenfalls ausgelacht, schlimmstenfalls vermöbelt wurden. Ob der Mann jetzt wirklich ein “Nazi” war, kann ich nicht beurteilen, jedoch war wer eindeutig der rechten Szene zugehörig. Angesichts dieser Tatsachen wäre ich darin vorsichtig, jeden “Rechten” über einen Kamm zu scheren. Es gibt in jeder Subkultur gute Menschen und schlechte Menschen. Negative Erfahrungen habe ich zeitlebens bisher ausschließlich mit “Linken” gehabt. Wobei ich hier eher HipHop-Spacken, Asoziale, Arbeitsverweigerer und Gammler meine. Solche Tröten hatte ich auch mal in der Firma, weil die dort ihre Sozialstunden abreißen durften. Erlebt habe ich in diesem Zusammenhang Agressionen, Anpöbelungen, grundlose Angriffe, Feindseligkeiten und generelle Verachtung für alles und jeden. Also im Grunde die Parameter, die man “Rechten” im Allgemeinen zuschreibt. Jede Medaille hat zwei Seiten! Nicht jeder linke Penner ist ausnahmslos ein guter Kerl, und nicht jeder rechte Scheitelfreund gleich ein mordendes Monstrum.

Anchantias Erlebnisse werden wahrscheinlich ziemlich schlimm gewesen sein, aber es ist nun mal so, dass “Punks” in keiner Gesellschaftsschicht ein hohes Ansehen haben. Und wer sich bewusst so kleidet, riskiert eben Ärger in mannigfaltiger Form - was jedoch meistens im Sinne der gewünschten Provokation auch hingenommen wird, um “Anti” zu sein. Das gibt aber natürlich trotzdem niemandem das Recht, da mit Gewalt zu reagieren!

Du missverstehst da was. Ich hatte ja auch viele Freunde, die KEINE Punks waren und auch Probleme mit Neonazis hatten. Entweder weil sie oder deren Eltern aus dem Ausland kamen oder wegen anderen Kleinigkeiten. Da reichte es auch schon einfach mal in deren Richtung zu gucken und schon wurde rumgegröhlt und zugeschlagen! Das schlimme ar, dass die nie bestraft wurden vor Gericht. Das die Polizei sich dann komischerweise immer EWIG zeit gelassen hatte.

Das krasseste war mal ne Schlägerei zwischen Neonazis und damaligen Kumpels von mir, keine Punk oder so gewesen.
Die Schlägerei fand bei nem Jahrmarkt statt und GEGENÜBER war die Polizeistelle. Ich und ne Freundin hin und die erstmal: “Füllen Sie erstmal diese Papiere aus”. ERST eine HALBE STUNDE SPÄTER war dann mal jemand bereit rauszukommen, als natürlich alles längst vorbei war. Bei solchen Erlebnissen wächst nur allzuverständlich der Hass!

Die Erlebnisse die ich hier hatte waren mehr als schlimm. Das war die Hölle gewesen!

Und: HipHop-Spacken, Asoziale, Arbeitsverweigerer und Gammler sind doch nun wirklich nicht “links”!

Solche Dinge erlebt jeder Mensch anders. In Sachsen mag das wohl noch nen Zacken schärfer sein als hier, aber da müssen sich die etablierten Parteien auch mal die Frage gefallen lassen, warum das so ist. Tatsache ist, dass gerade die Menschen an der Grenze zu Polen extremst im Stich gelassen werden, wenn wieder mal einer Firma der Betriebshof leergestohlen wurde. Beschweren sie sich dann, bekommt man zu hören, dass man keine Vorurteile schüren wolle und deswegen da nichts tun könne - man arbeite ja bereits mit den polnischen Kollegen zusammen. Dann werden auch noch Polizeistellen eingespart und die Beschwerdeführer als Rechts verunglimpft. Dass sich diese Leute dann eher an den örtlichen NPD-Funktionär wenden als an die Linkspartei, für die ja alles immer Friede, Freude und Eierkuchen ist, kann man dahingehend verstehen. So entstehen dann Zonen, in denen es geduldet wird, dass alleine Rechtsextreme das Sagen haben. Wollen die demokratischen Parteien das Vertrauen zurückgewinnen, müssen sie endlich eingestehen, dass es diese Probleme gibt und die Menschen nicht der NPD in die Hände treiben. Warum gibt es denn diese schweigende Zustimmung unter der Bevölkerung? Doch nur deswegen, weil sie sich alleingelassen fühlt. Und bevor da nichts passiert, helfen kluge Worte und linke Belehrungen niemandem - schon gar nicht dem Firmeninhaber, der jeden Tag am Abend seine Gabelstapler mit riesigen Betonplatten am Boden verankern muss, damit sie nicht geklaut werden.

Diskussionsgrundlage bietet der Text oben zu genüge. Muss ich denn Fragen stellen? Nein! Und ich habe niemanden verboten zu schreiben, der nicht meine Ansichten ist. Wenn also jemand etwas über andere gegenden schreiben will, gerne! Nur habe ich keinen Bock auf Trollkommentare. Aber wer sowas wie „Ex-sozialistische Wunderländer“ verwendet, dem ist wohl um eine ernsthafte Auseinandersetzung zum thema nicht gelegen. Ich habe solche überspitzten Formulierungen schließlich auch nicht im Ausgangstext verwendet.

Ich wollte meine Meinung zu diesem Therad beitragen (das meine ich wirklich ernst), nach DER Bemerkung hab ich mich aber doch dagegen entschieden.

Wieso, wenn ich Fragen darf? Ich wollte mit der Bemerkung nur verhindern, dass hier die üblichen Verdächtigen aus den Löchern kommen mit ihren Kommunismus-Anschuldigungen. Dafür ist mir nämlich das Thema zu wichtig und zu persönlich.

Ich fand die Bemerkung von swedishrhapsody durchaus legitim und es missfiel mir, dass du dich an der Bemerkung mit den Wunderländern aufhingst.

Ich habe aber auch gesagt, dass jeder über andere Regionen berichten kann. Haben Rabasch und Enzio gemacht, sind auch keine andere dazu eingeladen. Ansonsten ergab seine Meinung jetzt nichts inhaltliches mehr. Man muss ja nicht immer tausend Fragen stellen um zu ner Diskussion anzuregen, sondern kann das auch mit nem länger geschriebenen Artikel.

Die Schlägerei fand bei nem Jahrmarkt statt und GEGENÜBER war die Polizeistelle. Ich und ne Freundin hin und die erstmal: „Füllen Sie erstmal diese Papiere aus“

Das interessiert mich brennend: Welche Formulare genau wurdest du gebeten, auszufüllen als sich mehrere Meter entfernt eine Straftat vollzog?

Ich komme aus dem hohen Norden und da die Landespolizeien dem Namen entsprechend Ländersache sind kenne ich die Gesetzeslage nicht. Dass in einer Gefahrensituation für Leib und Leben Papiere auszufüllen sind, ich glaube das gbit kaum eine Gesetzgebung her. Offensichtlich haben sich die um Hilfe gebetenen gesetzwidrig verhalten, wieso hast du, wo du ja schon da warst, nicht Anzeige gegen diese erstattet? Und selbst dann muss man nicht einmal selbst etwas ausfüllen.

Ach da ging es um Sachen wie unsere Namen, wo wir wohnten und so nen Kolores. Und dann noch andere Hinhaltungstaktiken. Das war damals hier wirklich so, dass die Polizei zumindest auf rechtem Auge blind war. Kann mich noch erinnern an nem Stadtfest damals als ein ausländischer Spieler vom CFC an deren Stand war und dort von Neonazis eingekreist wurde. Auch da haben sich die Polizisten auffällig viel Zeit gelassen.

Ach da ging es um Sachen wie unsere Namen, wo wir wohnten und so nen Kolores.

Welche Papiere waren das, welchem Zweck dienten sie? Du rennst also zur Polizeiwache, brüllst, dass sich ein paar Meter weiter Leute die Köppe einschlagen und die legen dir Formulare vor, in denen du aus unerfindlichen Gründen Namen und Adresse eintragen musst?

Ich lebe in Ostthüringen, und zwar in der (nach Politikermeinung) Hochburg der Neonazis. Wenn ich jedoch ehrlich bin, hab ich seit mindestens 5-6 Jahren keinen der typischen Glatzköpfe mehr gesehen. … In einer meiner letzten Arbeitsstellen gab es ein Projekt, welches sich in unterschiedliche Gruppen der Arbeitsteilung gliederte… . Obwohl selbst der Geschäftsleitung klar war, dass der Mensch so tickt, wurde er nicht entlassen. Warum? Weil er mit Problemjugendlichen sehr gut umgehen konnte!

Das es kaum noch sichtbare Nazis ( Lichtenhagen Ästhetik) zu geben scheint, liegt an einem klaren Wechsel in der Szene. In der radikalen Szene ist der Unterschied zwischen dem schwarzen Block für Außenstehende kaum mehr ersichtlich. Neue politische Programme, keine dumpfen Parolen mehr, „wie etwa das Boot ist voll“. Die Übergänge von der „Mitte der Gesellschaft“ zur rechten Szene sind fließend und leider nur noch schwierig zu verorten.
Daraus ergibt sich unweigerlich eine stetige Etablierung von Strukturen und Denkweisen etc. Dies wird auch aus deiner Schilderung des Vorarbeiters ersichtlich. Eine Geschäftsführung, die anscheinend einem Vorarbeiter ähnlichen Spielraum, wie den dortigen Sozialpädagogen einräumt würde dies beweisen. Über diese Arbeit (ich schätze es handelt sich um einen sozialen Träger der sich mit Beschäftigungsförderung beschäftigt??) kann ich wenig sagen. Aber nach deinen Schilderungen belegt es, dass der Übergang fließend ist und Menschen mit vermeintlich rechtem Gedankengut immer öfters toleriert werden. Negativ gesehen werden dadurch rechte Gedanken mehr und mehr salonfähig.
Andererseits ist so eine öffentliche Auseinandersetzung besser möglich. Denn mal ehrlich, wann und wo konnte mit nazis im öffentlichen Raum diskutiert werden.
Leider sehe ich das mehr kritisch als positiv, da ich aus eigener Erfahrung weiß, dass meist die Diskussion gescheut wird. Lieber werden rechte Aussagen/ Meinungen überhört/toleriert, da die meisten Personen nicht den Schneid besitzen „das Maul auf zu machen“.

Kann man, auch wenn deren Ansichten oft nicht viel mehr Gehalt haben als wenn sie Darth Vader geil fänden.

Das ist es ja gerade, man muss diese Meister Propper-Brigade in der Neonaziszene nur mal quatschen hören, die salbadern nur irgendeinen Scheiss nach, den ihn irgendein Schreihals der Nekrophilen Psychos Deutsclands oder Repuplikaner-Sülzkopp vorgebetet hat, ohne über den Tellerrand hinauszugucken und den Unsinn solcher Ketzerparolen zu hinterfragen, die hoffen nur das der Schmerz wegen dem Stock im Arsch nachlässt, wenn sie den rechten Arm in die Luft strecken können: „Deutschland den Deutschländern!“

Der Anteil an ewig gestrigen Einzellern, deren Ansichten meist aus antiqierten politischen Theorien und braunen Attitüden bestehen, die seinerzeit einem verhinderten Kunstakademiker aus Österreich mit Schmierscheitel und verkümmerten Bartwuchs aus dem Arsch gekrochen sind, ist unter den Neonazis ziemlich hoch, eine wirklich politische Meinung haben die doch garnicht, Indirekt machen sich die NPD-Anhänger vollkommen zum Pümpel, in dem sie denken die Anhänger einer politischen Partei zu sein, obwohl man die bei der hohen Anzahl verpeilter Mitläufer eher als eine gefährliche Sekte bezeichnen kann! :twisted:

Extremismus hat viele Seiten. Würde ich alle Extremisten hassen, müsste ich Misanthrop werden. Somit würde ich in meinem Hass selbst zum Extremisten verkommen.

Hass ist nur der Ausdruck, der eigenen Unfähigkeit oder den Unwillen, sich in eine andere Person hineinzuversetzen.

Und wer sich bewusst so kleidet, riskiert eben Ärger in mannigfaltiger Form - was jedoch meistens im Sinne der gewünschten Provokation auch hingenommen wird, um „Anti“ zu sein.
Dass ein Outfit eine bewusste Provokation sein kann ist eine Sache, aber damit gewaltsame Übergriffe runterzuspielen ist die gleiche verquere Logik wie „Du bist doch selbst schuld an deiner Vergewaltigung, wenn du einen Minirock trägst.“ :smt011

Ich persönlich habe meine Kindheit und Jugend in einer Gegend verlebt, die nicht gerade als Nazi-Hochburg zu bezeichnen wäre. Die NPD stellt dort, meines Wissens, nicht mal Kandidaten auf; das Rechtsaußen auf dem Wahlschein sind die REPs. Ich weiß auch nicht, wie es heutzutage in der Jugend aussieht. Zu meiner Zeit waren Springerstiefel, Bomberjacken und Glatzen aber kein ganz ungewöhnliches Bild – in manchen Dörfern mehr als in anderen. Ich selbst hab zwar auch mal ein wenig Punk gehört, aber mich nie vollständig damit identifiziert und auch nicht besonders gekleidet. Allerdings hat es in unserem Örtchen schon gereicht, dass ich lange Haare hatte, um bei den Nazis als „Zecke“ zu gelten. Einige von denen habe ich aus dem Schulbus gekannt und die wurden teilweise von Jahr zu Jahr bedrohlicher. Das hat oft mit Onkelz-Shirts angefangen und sich dann mehr und mehr Richtung Skinhead verschoben. Zum Glück war das in unserem Dorf eher ein Jugend-Ding und nicht wirklich radikalisiert. Das eine oder andere Mal mussten wir vor denen wegrennen und einmal, als ein Kumpel und ich umstellt und zu Boden gestoßen wurden, hat zum Glück keiner der Beteiligten den Mut gefunden, uns wirklich zusammenzuschlagen. Das waren aber 1-2 Jahre meiner Jugend, in denen ich mich äußert unwohl in meinem Dorf gefühlt habe und auch nie 100%ig sorglos rumgelaufen bin – besonders an den Stammtisch-Abenden, wo auch die etwas älteren und gewaltbereiteren Glatzen aus den Nachbardörfern im Ort waren.
Meine Erfahrungen sind mit Sicherheit bedeutend weniger drastisch als Anchantias Schilderungen und ich würde auch nicht sagen, dass sie ein prägendes Element in meiner Entwicklung waren. Und irgendwann war das zum Glück einfach kein Thema mehr. Ich kann gar nicht genau sagen, warum – ob die Nazi–Clique sich umorientiert hat oder ob wir irgendwann keine Feindbilder mehr für die waren oder ob wir vielleicht einfach immer mehr in der nahegelegenen Kleinstadt unterwegs waren? Eine angenehme Zeit war das trotzdem nicht; weil ich mich eingeschüchtert gefühlt habe aber auch, weil ich für dieses (körperlich) aggressive Auftreten kein Verständnis habe. Die Nazis waren immer einige Ecken von mir entfernt: ich war zwar auch nicht der unbeleckte Mustersohn, aber ich hab nie Hass verspürt, bin nicht gewalttätig und meine Grenzüberschreitungen haben nie jemand anderem geschadet. Ich hatte gute Freunde, die etwas derber drauf waren, mehr dem Alkohol zugesprochen haben und durch die liefen vielleicht auch mal die Onkelz, wenn man Abends zusammensaß. Diese Freunde wiederum kannten dann Leute, die mit merklicher Freude ein einschüchterndes Bild abgegeben haben – das waren so Typen der Kategorie, die Zeltgruppen überfallen hat und auf den Dorffesten die Schlägereien anzettelt. Und diese Freunde von Freunden, die waren dann zum Teil auch mit den Nazis bekannt und haben erzählt, wie diese ihnen stolz ihre Weltkriegsandenken oder Landser-CDs gezeigt haben. Bei mir war schon bei den Onkelz Schluss – nicht weil mir deren damalige Lieder rechts vorkamen und auch Freunde, die das gehört haben, hätte ich weiß Gott nicht in diese Ecke gesteckt! Mir waren Musik und Texte einfach zu tumb, zu aggressiv, zu bockig. Zu sehr „wir gegen den Rest der Welt“. Zu albern in ihrer teils pathetischen Einzelkämpfer-Rhetorik. Oder zu blöd, wenn’s nur ums Saufen und Feiern ging. Ich habe nicht, wie Anchantia, miterlebt, dass Jugendliche systematisch (mit Schulhof-CDs oder was auch immer) in die rechte Ecke gezogen wurden – dazu waren die Rechten in unserer Gegend bestimmt auch nicht organisiert genug. Aber ich hab das damals ganz deutlich als Abstufung erlebt: selbstverständlich waren die, die die Onkelz gehört haben, näher an den Glatzen als wir mit unseren Ärzte-CDs. Als nächstes kamen die, die auch die verbotenen Onkelz-CDs hatten. Und dann war’s nur noch ein kleiner Schritt nach Rechtsaußen.
Das sind meine bescheidenen Jugenderlebnisse – sicher kein Stoff für die Autobiographie. :wink: Ich würde auch nicht sagen, dass meine Haltung gegenüber Rechten durch die Zeit geprägt ist. Im Gegenteil habe ich eigentlich eher das Gefühl, dass ich selbst damals schon sehr sicher wusste, wie wenig ich damit anfangen kann.

Hey Anchantia! Schön, dass du etwas zu deinen Erfahrungen geschrieben hast. Bei solchen Erlebnissen ist deine heutige Haltung natürlich nachvollziehbar.

Mein Leben ist offensichtlich in keiner Weise mit deinem vergleichbar. Deshalb kann ich mich auch nicht mit jedem Aspekt deiner Haltung anfreunden. Zum Beispiel definierst du den ‘Graubereich’ wohl äusserst weitläufig. Ich persönlich würd mich auch nicht als Befürworter schwer konservativen Denkens bezeichnen. Den sogenannten ‘Graubereich’ gibt es für mich aber nicht, oder nur als äusserst dünne Linie. Entweder jemand vertritt eine Meinung, welche mit dem gesellschaftlichen Grundkonsens nicht vereinbar ist, oder nicht. Da ist ziemlich wenig Spielraum vorhanden.
In die Köpfe der Menschen können wir leider nicht hineinschauen. Von daher verurteile ich ausschlieslich fundiertes Fehlverhalten. Für ‘Tendenzen’ hab ich nur wenig Gehör. Das Risiko jemandem die Rechte, welche ich selbst am meisten schätze (Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gleichberechtigung,…), zu Unrecht abzusprechen ist bei vagen Vermutungen einfach zu hoch. Was nicht heissen soll, dass die Neonaziszene bei euch in Chemnitz eine vage Vermutung ist.

Insbesondere bei Musik und ihren Texten finde ich es schwer ihren wahren Inhalt zu interpretieren. Da reichen mir dann auch keine simplen Textpassagen. Grundsätzlich bin ich ein Menschenfreund und wenn jemand beteuert nichts mit Rechtsextremen zu tun zu haben, dann glaub ich ihm das grundsätzlich. Das ändert sich erst, wenn besagte Person sich genau in solchen Kreisen bewegen würde (physisch und nicht musikalisch).
Manchmal fasse aber auch ich mir an den Kopf. Zum Beispiel bei Liedern der bekannten (und zu meiner Betroffenheit auch beliebten) Schweizer Sängerin Maja Brunnder. Die hat unteranderem den Kassenschlager “Das chunnt eus spanisch vor.” (“Das kommt uns spanisch vor.”) geschrieben. Die B-Seite des Liedes war übrigens “Red Dütsch mit mir min Schatz.” (“Sprich Deutsch mit mir mein Schatz.”).