Die Schwierigkeit besteht hier vor allem in der Übertragung der Begriffe.
Bullying hat kaum ein deutsches Gegenstück im aktiven Sprachgebrauch. Es wird zwar mit Mobbing übersetzt, allerdings gibt es im englischen auch den Begriff des Mobbings. Jetzt bin ich kein Sprachwissenschaftler insofern, kann ich nicht wirklich sagen wie wichtig der Unterschied ist.
Ich machs mal einfach nach Wikipedia:
Bullying is a form of aggressive behavior manifested by the use of force or coercion to affect others, particularly when the behavior is habitual and involves an imbalance of power. It can include verbal harassment, physical assault or coercion and may be directed repeatedly towards particular victims, perhaps on grounds of race, religion, gender, sexuality, or ability.[2][3] The „imbalance of power“ may be social power and/or physical power. The victim of bullying is sometimes referred to as a „target“.
Mobbing in the context of human beings means bullying of an individual by a group in any context. Identified as emotional abuse in the workplace, such as „ganging up“ by co-workers, subordinates or superiors, to force someone out of the workplace through rumor, innuendo, intimidation, humiliation, discrediting, and isolation, it is also referred to as malicious, nonsexual, nonracial, general harassment.[1]
Vielleicht lehne ich mich zu weit aus dem Fenster, aber der Unterschied scheint mir:
Bullying = Gewalt durch eine Einzelperson
Mobbing = Gewalt durch eine Gruppe
Ansonsten sind die Bedingungen bei beiden ziemlich gleich. Vor allem „imbalance of power“ ist denke ich der wichtigste Punkt.
Komme ich also zu meiner Position dazu und auch vor allem zu dem Video. (Das Video halte ich persönlich für ziemlich gut gelungen. Was auch einfach daran liegt, dass ich die zynische Art von dem Typen mag.)
Wenn meine Unterscheidung stimmt und in dem Video vor allem Gewalt durch Einzelpersonen gemeint ist und danach klingt es ja auch bei ihm. Dann hat er Recht, auch wenn da ein Machtunterschied besteht, gegen eine einzelne Person kann man sich wehren oder man kann es zumindest tatsächlich ertragen.
Will sagen: Die reine Diagnose, dass Kinder heutzutage zu Weicheiern erzogen werden ist nicht falsch.
Eine kleine Anekdoten:
Ich mache Tae Kwon Do, da ich mittlerweile den 2. Dan Grad habe bin ich in meinem Verein natürlich auch Trainer. Mein persönliches Steckenpferd ist die Selbstverteidigung an sich. Also trainiere ich das auch gerne.
Es begab sich also zu der Zeit, dass ich zwei Jungen (ich sag mal so 10-13 Jahre alt) als Schüler hatte, diese wollten gerne Selbstverteidigung lernen. Es stellte sich heraus das sie Brüder waren. Bei mir klingeleten direkt alle Alarmglocken, ich weiß als kleiner Bruder nur zu gut, wie es ist mit dem großen Bruder zu trainieren. Es macht Spaß und alles, aber wenn Brüder erst einmal kämpfen dann ist keiner bereit auch nur einen Milimeter Boden zugeben. Ein Kampf unter Brüdern ist einfach immer eine ernste Sache egal wieviel Spaß man dabei hat. Geht mir mit meinem Bruder bis heute so und wir sind beide mitte 20, aber wenn wir nen Ringkampf oder so machen, dann solange bis einer zusammenbricht oder in einem Hebel hängt der einem Knochen brechen könnte.
Mit diesem Wissen bewaffnet denke ich also: Gut ich muss mich darauf gefasst machen die rechtzeitig zu trennen bevor etwas passiert. Dann beginnt das Training und die beiden… machen irgendwie nichts, sie haben null Körperspannung, sie sind nicht gewillt die Griffe zumindest mal soweit zu testen bis es weh tut. Ich versteh also die Welt nicht mehr und frag sicherheitshalber nochmal nach: „Äh ihr seid doch Brüder oder?“ - „Ja, sind wir.“ - „Prügelt ihr euch zuhause nicht?“ - „Nein. Dürfen wir doch nicht.“
Für mich und meinen Bruder war es (bis wir um die 16 Jahre alt waren) immer selbstverständlich das wir Streitigkeiten untereinander auch körperlich regeln, klar fanden unsere Eltern das auch nicht prickelnd. Aber sie haben halt eingesehen, dass es einfach zum erwachsen werden dazu gehört.
Sollten die Eltern dieser Jungen das lesen und sich angesprochen fühlen oder sonstige Eltern von etwa gleichalten Jungen. EURE KINDER MÜSSEN SICH PRÜGELN DÜRFEN!! Wenn die sich das Kämpfen nicht beibringen macht es jemand anderes und das wird dann unschön.
Wieso erzähle ich das? Prügeln unter Geschwistern hat doch nichts mit Mobbing oder „Bullying“ zu tun.
Doch hat es. Wenn Kinder sich nicht prügeln dann lernen sie auch nicht sich zu wehren. Wer sich nicht wehren kann wirkt unsicher, wer unsicher wirkt wird verprügelt.
Das ist eine ganz einfache Abfolge. Deshalb sage ich: Streitigkeiten unter Einzelpersonen gehören zum erwachsen werden einfach dazu. Auch wenn man den großen starken Typen in der Klasse hat, der sich jeden Tag einen Spaß daraus macht dich zu ärgern oder dich zu schlagen. Da muss man lernen sich zu wehren.
Ganz wichtig: Das enthebt den Angreifer nicht von seiner Schuld! Es ist nur unrealistisch wenn man glaubt man könnte die Menschheit irgendwie soweit verändern das man irgendwann keine Gewalt mehr bräuchte. Wer einen anderen über einen längeren Zeitraum immer wieder fertig macht und dabei körperlich deutlich überlegen ist, der ist schlicht und ergreifend ein Arschloch. Aber aus solchen Fällen dürfen keine Handlungszwänge für eine Regierung erwachsen und das ist der eigentliche Kritikpunkt des Videos.
Man kann kein Gesetz erlassen das es Arschlöchern verbietet Arschlöcher zu sein. Das ändert nichts an ihrer Existenz.
Die Sache verhält sich anders beim Mobbing, also wenn es eine Gruppe ist die gegen eine Einzelperson vorgeht. Da kann man auf Dauer nicht gegenhalten. Die Konsequenz ist entweder es wächst einem ein so dickes Fell, dass man später dem Yeti Konkurrenz macht oder man geht vor die Hunde.
Ich selber hatte wenn mal wieder eine größere Gruppe gegen mich vorging immer wieder das Gefühl ein Bär in einem Wolfsrudel zu sein. (Nicht von der Größe her, dafür bin ich zu klein ^^) Ich stand dann halt in einem Kreis aus Schülern und dachte mir die ganze Zeit: Ich könnte jeden einzelnen von euch ohne Problem auf den Boden bringen, kommt nacheinander und ich mach euch fertig. Den Gefallen haben sie mir leider nicht getan.
Aber das waren die Momente die mich auch wirklich fertig gemacht haben. Da gab es dann Tage an denen ich einfach nicht mehr zur Schule wollte, an denen ich schlicht und ergreifend Angst hatte. (Bzw. eine so enorme Wut im Bauch, dass ich für nichts hätte garantieren können wenn mir einer von denen alleine begegnet wäre. Aber Mobber sind Rudeltiere… die bekommt man nicht alleine)
Ich hatte aber den großen Vorteil, dass ich eine Familie habe die immer zu mir gehalten hat, dass ich einen Sportverein hatte (und immer noch habe) der mich unterstützt hat und aus dem sich bis heute ein Großteil meines Freundeskreises zusammensetzt.
Wenn ich das nicht gehabt hätte, wenn also meine Klasse der einzige Sozialfaktor gewesen wäre. Da will ich nicht wissen wie es mir heutzutage gehen würde.
Das Fazit ist also: Wenn Mobbing tatsächlich das Verhältnis „Gruppe gegen Einzelperson“ hat. Dann muss man dagegen so gut wie eben möglich vorgehen. Hier ist Maschendraht absolut zuzustimmen, Mobbing ist gefährlich. In jedem Fall für den Gemobbten, weil dieser mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen Schaden fürs Leben hat und in einigen Fällen auch für die Mobber, wenn es jemals passieren sollte, dass der Gemobbte in einer Überlegenen Position ist. (Da wären wir ziemlich schnell beim Thema „Amoklauf“ o.ä. aber das führt denke ich erst einmal noch zu weit.)
In jedem Fall: Die Konsequenzen von Mobbing sind nicht zu überblicken und genau deshalb muss man da einen Riegel vorschieben.
Nur auch hier bleibt zu sagen: Gesetze können da nichts ändern auch Rudelverhalten liegt in der Natur des Menschen. Hier müssen vor Ort Möglichkeiten geschaffen werden die Mobbing verhindern. Oder zumindest dafür sorgen das Mobbing entsprechend gesellschaftlich geächtet wird. Durch irgendwelche Paragraphen kann man nichts machen.
Hier mal eines meiner Lieblingsbeispiele um darzustellen wie machtlos man bei Mobbing ist (damit meine ich nicht einmal mich, sondern vor allem meine Lehrerin): Dies passierte mir irgendwann so im Zeitraum 7 oder 8 Klasse. Ich wurde von einer kleineren Gruppe an Schülern vor der Klasse aufgehalten und sie versuchten mich zu verprügeln, mit relativ gutem Erfolg zumindest vergleichsweise. Zufällig kam da aber tatsächlich mal die Klassenlehrerin vorbei. Ihre Reaktion war: Wir bilden einen Stuhlkreis und setzen uns mit der ganzen Klasse zusammen und dann durften alle einmal ihre Sicht der Dinge vortragen. Das lief etwa so ab, ich durfte mir 20 Minuten anhören was meinen „Klassenkameraden“ nicht an mir passt, ich musste einmal erzählen wie enorm unfair es ist von mehreren auf einmal angegriffen zu werden. Und dann durfte ich mich auch noch rechtfertigen, weil einer von den Typen ne blutige Lippe hatte. „Du machst ja auch Tae Kwon Do, da musst du schon aufpassen das du dich in der Schule zusammen nimmst. Du kannst die Leute hier nicht blutig schlagen.“ So in etwa drückte meine Lehrerin das aus. Das Ende vom Lied war: Die Klasse musste einmal so etwas wie ein „Tschuldigung“ vor sich hin nuscheln und ich musste versprechen „kein Tae Kwon Do mehr anzuwenden.“ (Was auch immer das bedeuten soll, das wusste ich damals nicht und weiß es bis heute nicht.) Zwei Dinge habe ich gelernt: Wenn ein Lehrer glaubt mit einer Entschuldigung einen Streit aus der Welt schaffen zu können hat er einen Dachschaden. Und die meisten Leute glauben, dass man wenigstens so etwas wie Bruce Lee ist wenn man Kampfsport macht.
Geholfen hat das ganze: Kein Stück.
[DISCLAIMER]