Ich hab nichts gegen die Sendungen. Die unterhalten mich sogar.
Also warum sollte das nochmal bei Fernsehkritik.tv ein Thema sein? Weil die dich nerven?
Kritisieren kann man höchstens die Masse dieser Sendungen. Aber sonst?
Finde auch, dass diese spezielle Art von Dokusoaps bei Fernsehkritik durchaus einen eigenen Beitrag wert wären. Und nicht nur wegen der aktuellen Quantität solcher Sendungen.
Gebe zu, dass ich immer wieder mal beim Zappen bei sowas hängen bleibe, mit irgendwas zwischen Faszination und Entsetzen (und zugegebener Maßen hier und da auch Schadenfreude).
Was mich daran stört ist schwer in wenige Worte zu fassen.
Einmal ist es, dass, um eine gewisse Dramatik zu erzeugen, gerne grundsätzlich erstmal so getan wird, als sei der „Protagonist“, der gerade mit der Polizei oder was auch immer zu tun hat, schuldig, auch wenn er es hinterher nachweislich nicht war. Besonders häufig beobachtet habe ich das, wenn z.B. Zollbeamte begleitet werden, wenn sie im Grenzbereich nach Holland, Autofahrer aber auch Fußgänger oder Radfahrer auf mutmaßliche Drogen untersuchen. Da wird dann teilweise über eine lange Zeit versucht, die Spannung aufrecht zu erhalten, in dem der Sprecher immer unterschwellig so tut, als würden die Beamten jeden Moment etwas finden. Auch wenn der immer wieder aufs Neue beschworene Instinkt der Polizisten dann tatsächlich versagt haben sollte, wird der Beitrag gerne mit solchen Worten wie: „Die Beamten müssen den Mann gehen lassen…“ beendet. Als wäre er eigentlich doch schuldig und wäre jetzt nur mit Glück davon gekommen — auch wenn er ganz offenbar nichts illegales bei sich gehabt hat!!! Ob der oder die sich vielleicht ein anders Mal etwas in der Art zu Schulden haben kommen lassen, oder werden, ist dabei doch völlig uninteressant! Schließlich herrscht hier in Deutschland grundsätzlich bis zum Nachweis der Tat und Verurteilung erstmal die Unschuldsvermutung. Auch wenn diese im Moment, u.a. im Namen der Terrorismusbekämpfung, offenbar gerne in eine grundsätzlich Schuldvermutung umgewandelt werden soll. Grade in diesem Zusammenhang wird so durch solche Sendungen eine im meinen Augen sehr bedenkliche Moral verbreitet. „Jeder ist grundsätzlich erstmal verdächtig…“
Zum Zweiten finde ich zeugt oft der Umgang der begleiteten Ordnungshüter mit ihren „Kunden“ und dem Kamarateam oft von fehlenden Fingerspitzengefühl. So habe ich neulich erst gesehen wie in irgend so einer Sendung Polizisten auf einem Volksfest zu einem offenbar betrunken Randalierendem gerufen wurden. Dieser war auch von den Polizisten nur schwer zu beruhigen und auch wenn dies sicherlich nicht der Ursprung für seine Randale war, so regte er sich hinterher nur noch darüber auf, dass er gefilmt wird und dass er das nicht wolle und sie das nicht dürften. Anstatt den Kameraleuten zu sagen, sie sollten doch bitte im Moment mal die Kameras abstellen, um ihm dadurch den Wind aus den Segeln zu nehmen und Ruhe in die Situation zu bringen (mir fällt da das ansonsten gerne in Polizeikreisen verwendete Schlagwort „De-Eskalation“ ein…) erzählten sie ihm nur immer wieder, dass sie das sehr wohl dürften und dass ihn das nichts anginge u.s.w. Ein Unding meiner Meinung nach, auch wenn sein Gesicht hinterher unkenntlich gemacht wurde, aber darum geht es mir ja gar nicht.
Allerdings ist das mit dem unkenntlich machen sowieso so eine Sache. Denn wer die betreffenden Personen kennt, dürfte sie oft trotz allem erkennen. Grade wenn der Gerichtsvollzieher in die Wohnungen seiner Klienten begleitet wird, oder gar bei einer Zwangsräumung dabei ist, oder auch wenn Polizisten wegen häuslicher Gewalt gerufen werden. Schön wenn dann die ganze Nachbarschaft, Arbeitskollegen und Freunde im Fernsehen sehen könne, dass man, in welcher Form auch immer, am Leben gescheitert ist.
Damit kommen wir auch zum nächsten Punkt: Grade dass in solchen Sendungen immer wieder Menschen vorkommen, wenn nicht gar vorgeführt werden, die irgendwo im Leben gescheitert sind, sei’s nun am Alkohol, Drogen, finanziell, psychisch oder sonst wie, finde ich beklagenswert. Damit wird der Zuschauer meines Erachtens nach Menschen gegenüber abgestumpft, die unser Mitleid verdient hätten. (Und dabei, ob jemand unser Mitleid verdient hat, sollte es, wenn überhaupt, nur sehr zweitrangig sein, wie sehr er oder sie selber Schuld an der jeweiligen Situation seien mögen. Ich finde, niemand sollte sich anmaßen, darüber zu urteilen.)
Überhaupt spricht es eher primitive Gefühle an, wenn Fernsehzuschauer andere Menschen dabei beobachten wollen, wie sie (berechtigt oder nicht) zur „Rechenschaft“ gezogen werden. Ich will mich nicht selber von solchen primitiven Gefühlen freisprechen, wie eingangs schon angedeutet, aber müssen diese Gefühle deshalb gleich so zahlreich befriedigt werden? Außerdem denke ich, dass das Volk so nur noch mehr zu Misstrauen angestachelt wird und die Hemmschwelle zum gegenseitigen Verpetzen und Anscheißen immer weiter fällt. Natürlich ist ein persönliches wie gesellschaftliches Verlangen nach Gerechtigkeit und Bestrafung gerechtfertigt und auch notwendig, aber allzu oft wird das persönliche Empfinden von Gerechtigkeit von Neid, Missgunst, Eigennutz, fehlendem Einfühlungsvermögen und / oder Unwissenheit usw. getrübt.
Würd mich also schon - in Form eines kleine Beitrages vielleicht - interessieren, wie der Fernsehkritiker zu dieser Un(ter)art von Dokusoaps steht.