Marie Küster lässt sich scheiden - Ein Fallbeispiel (FAZ)

Ich glaube das ist mein erster eigener Thread in diesem Forenteil :smiley:

Ich habe in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine relativ interessante Reihe zur Scheidung gefunden. Und genau darüber möchte ich jetzt gerne etwas diskutieren, und zwar sind mir ein paar Dinge negativ aufgestoßen bei dieser Reihe, ein paar Dinge sind etwas merkwürdig beschrieben aber auch viele Punkte sind richtig und werden fachlich kompetent von erfahrenen Juristen ausgeführt. Also besteht ganz offensichtlich Redebedarf von meiner Seite ^^

Zum reinlesen: http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/marie-kuester-laesst-sich-scheiden/

Erst einmal etwas zum grundsätzlichen Aufbau dieser Artikelserie: Es wird hier also ein Fallbeispiel konstruiert, anhand dessen nun die einzelnen Aspekte einer Scheidung behandelt werden: Dazu gehören vor allem nun einmal auch in erster Linie finanzielle und rechtliche Aspekte.
Was schön ist an diesem Fallbeispiel, ist das die einzelnen Interessen der beiden Streitparteien, also Mutter und Vater ebenfalls einfließen und es nicht ein streng sachlicher Artikel ist, sondern man auch aufmalt an welchen Stellen sich Erwachsene, gerade wenn sie sich scheiden lassen, oft irrational und rachsüchtig/egoistisch verhalten.

Problematisch sind hier zwei Dinge: Erstens fällt mir doch sehr ein sagen wir mal feministischer Touch dieser Artikel auf: Die arme Mutter, die beruflich kürzer tritt um ihre Kinder zu versorgen und der böse Mann, der natürlich egozentrisch ist und das Geld nach Hause bringt und sie dann für eine andere Frau verlässt. So weit, so Familien im Brennpunkt :ugly

Zum anderen ist ja jede Scheidung auch anders. Es ist natürlich nie schön, aber es soll ja tatsächlich Menschen geben die sich in solchen Situationen erwachsen verhalten können und im Gegenseitigen Einverständnis ihre Beziehung beenden. Es gibt auch die Schlammschlachten, die oft zu Kosten der Kinder ausfallen. Jede Trennung hat andere Hintergründe und Motive. Ich hätte mir also etwas ausgefalleneres gewünscht, als ein so klischeebehaftetes Rollenbild bzw. Fallbeispiel.

Naja, egal. Der zweite Artikel behandelt dann hauptsächlich die Frage nach dem Sorgerecht für die Kinder. Was mir hier positiv auffällt ist, dass die ursprüngliche Charakterisierung des Mannes ein wenig schmeichelhafter ausfällt als noch im ersten Artikel (Was vermutlich daran liegt das diesen Artikel ein Mann verfasst hat).
Was auf jeden Fall stimmt, und was ich auch aus pers. Erfahrung bestätigen kann, ist das das Umgangsrecht der Hauptstreitpunkt einer Trennung ist.
Auch hier stellt der Artikel grundsätzlich die juristischen Sachverhalte richtig dar, wie man es von der FAZ gewöhnt ist.

Da im Fallbeispiel davon ausgegangen wird, dass sich die beiden Elternteile außergerichtlich über das Aufenthaltsbestimmungsrecht einigen wollen, geht dieser Artikel dann meiner Meinung nach leider nicht wirklich ins Detail was passiert, wenn dieser Punkt erhebliches Streitpotential birgt und gerichtlich geschlichtet werden muss. Gerade hier vermisse ich dann ein wenig die Zusammenhänge zwischen dem Streit über das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Sorgerecht, was ja grundsätzlich zwei verschiedene Dinge sind.

Beim dritten Artikel geht es nun um den wichtigsten Faktor einer Trennung: Wer bekommt wieviel Geld und warum. :mrgreen:
Es geht also um das finanzielle und in erster Linie um die Unterhaltsansprüche der Kinder, aber vor allem auch der Exfrau.
Wie der Artikel passend überschreibt: „Der Vater muss zahlen“.
Anhand des eingeführten Fallbeispiels werden nun die Zusammenhänge erklärt, warum der Vater so viel mehr Unterhalt zahlen muss als die Frau.
Aber auch hier gilt wieder: Das Fallbeispiel macht es sich etwas leicht. Über 2000 Euro aus den Unterhaltsansprüchen und eigenen Verdiensten für das Leben als alleinerziehende Mutter dürfte doch an der Lebenswirklichkeit der meisten Alleinerziehenden DEUTLICH vorbeigehen.
Auch hier wäre ein anderes Fallbeispiel wünschenswert gewesen: Was passiert wenn der Mann nicht einsieht zu zahlen? Oder er mithilfe eines Anwalts und Tricks versucht die Zahllast zu drücken? Oder viel einfacher: Wenn der Mann einfach nicht so viel Geld hat?
Aber auch der Gegenteilige Fall: Die Mutter nutzt die Kinder aus um den Vater auszunehmen und so weiter.

Das sind alles Punkte die in diesem Artikel dann eher wieder durch Wohlgefallen der Streitparteien ignoriert werden. Aber ein großer Teil der Scheidungen landet vor Familiengerichten (Deswegen gibt es die ja auch zum größten Teil) und diese Artikelreihe malt doch eher ein „romantisches“, wenn gleich nicht verklärtes Bild einer Scheidung. Es ist zwar schön, das es doch einen Teil der Trennungen gibt, die glimpflich und harmlos verlaufen, aber das ist meines Wissens nach nicht der Regelfall.

Ganz ehrlich… ich sehe da eigentlich kaum Probleme bei dem Fall.

Klar der ist vielleicht etwas zu sehr an dem Fall: „Mann verdient Geld, Frau nicht. Mann sieht das Geld eher als seinen Verdienst als als Verdienst für die Familie.“ angelehnt. Aber meine Güte… das ist nun einmal der recht traurige Durchschnittsfall.
Warum sollte man ein Beispiel nehmen das bei den meisten nicht zutrifft?

Was nun überhaupt nicht Durchschnitt ist, ist die Tatsache das beide studiert haben. Aber nun gut, man brauchte halt Summen mit denen man arbeiten kann. Und für studiertes Ehepaar ist die Verdienstsumme nun auch nicht zu hoch angesetzt.

Insofern also: Das reine Fallbeispiel ist durchaus in Ordnung so. Irgendetwas von „feministischem Touch“ kann ich da nicht rauslesen.

Hier betone ich also den ersten Widerspruch: Ich sage das Fallbeispiel ist gerade deshalb gut gewählt weil es nichts außergewöhnliches ist. Ein Artikel über meine Scheidung wäre bestimmt auch interessant, aber weder auf rechtlicher noch auf finanzieller Ebene relevant. Weil es bei mir nun einmal keine „typische“ Scheidung war. Wenn ich den Leuten erklären will wie etwas abläuft dann sollte ich ein typisches Beispiel wählen, damit die meisten wissen das sie damit gemeint sind.

Naja weiter im Text:
Teil 1:
„geiziger Ehemann“: irgendeinen Streitpunkt gibt es in jeder Ehe die zugrunde geht und Geld ist da meistens der Grund Nr. 1.
Keine Vorwürfe von innerfamiliärer Gewalt, sondern eher im Gegenteil. Bei dem Mann scheint es sich um einen liebenden Vater zu handeln.
Wenn er als geizig beschrieben wird, dann passt es nicht wirklich das er seinen Töchtern mal eben ein „neues Klavier hier, ein Segelkurs da“ spendiert.

Was die Sache mit der anderen Frau angeht, stimme ich dir zu, allerdings mit der Einschränkung das auch das leider typisch ist und somit durchaus berechtigt. Also halbe Zustimmung für Teil 1.

Teil 2:

Mir gefällt dieser maskulinistische Touch nicht. ^^

Vollkommene Zustimmung.

Ansonsten sind die Sorgen und Gedanken die sich Eltern in so einem Fall machen aber sehr gut dargestellt. Insofern würde ich den zweiten Teil eindeutig für den stärksten Teil dieser Artikelreihe halten.

und ein Zusatz:

Eher ist er ein wenig in die Rolle des Buhmanns geraten, als er vor zwei Monaten zu Hause ausgezogen ist. Dabei war beiden Eheleuten klar, dass die Ehe nicht mehr zu retten war.

Dieser Zusatz hätte unbedingt in den ersten Artikel gehört, um klarzustellen, dass es eben nicht um eine Alleinschuld des Mannes geht. (Wenn auch vermutlich um eine sehr große Teilschuld)

Teil 3:

Hier würde ich dir doch sehr widersprechen.
Zur Geldsumme: Da geht es wohl einfach nur darum das man Zahlen hat mit denen man auch arbeiten kann. Ist schlicht und ergreifend einfacher zu rechnen und nachzuvollziehen.

Die von dir aufgeworfenen Fragen werden im Artikel beantwortet. Allerdings am Rande.

Seine Frau ist natürlich mal wieder besonders schnell gewesen, wie immer, wenn es um die Durchsetzung ihrer Ansprüche geht, und hat ihn in Verzug gesetzt, wie es die Juristen nennen.

Tja und das war es auch schon. Was vielleicht noch hätte erwähnt werden können, wäre das sie das Geld dann erst einmal vom Jugendamt bekommt und das Amt dan später zusehen muss wie es das Geld vom Vater wiederbekommt.
Allerdings glaube ich das das Amt nur einen Minimalanspruch zahlt… da bin ich mir selbst nicht zu sicher. Ich bekam sowieso nur diesen Minimalanspruch…

Gut das wird nicht behandelt… aber was soll auch groß passieren außer einer neuen Gerichtsverhandlung?
Mithilfe eines Anwalts = Gerichtsverhandlung
Mithilfe eines Tricks = Wenn er es schafft kommt er damit durch. Wenn nicht hat er echte rechtliche Probleme.

Also würde ich hier durchaus sagen, dass es ausreichend behandelt wurde. Die Frage beantwortet sich ja eher von selbst. Am Ende einer Gerichtsverhandlung fühlt sich irgendeine Seite immer als Verlierer.

„Auf der einen Seite muss der Bedarf ermittelt werden. Er wird aber durch die Leistungsfähigkeit des Ehepartners begrenzt“, umschreibt Inge Saathoff, Familienrechtlerin aus Oldenburg, das zentrale Prinzip des deutschen Unterhaltsrechts.

Das Unterhaltsrecht folgt hier einem sehr einfachen Prinzip: Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen.
Allerdings kann es durchaus passieren das man bis auf die Unterhose ausgezogen wird und dann sollte man sich warm anziehen. (Gibt es für diese Formulierung Bonuspunkte?)

Die Frage ist doch: Hätte eine Beschreibung einer weniger glimpflichen Scheidung einen Mehrwert gehabt?
Ich zweifle daran, weil in den weniger glimpflichen Fällen geht es am Ende nur noch um persönliches.

Der Richter hatte während unserer Scheidung eine nette Anekdote erzählt. Die hatten einen Fall in dem sich die beiden um jeden Cent gestritten hatten und das Gericht war über ein Jahr damit beschäftigt jedes einzelne Möbelstück zuzuweisen. Es ging tatsächlich soweit das für ein Sofa ein eigener Gerichtstermin gemacht wurde usw.
Nach über einem Jahr stand ein umfangreicher Katalog darüber wem nun was gehören soll und dann entdeckt der Mann im Keller des Hauses einen alten Sperrholzschrank vom dem beide eigentlich gar nichts mehr wussten. (Ich bin davon überzeugt das der Richter auf Notwehr plädieren dürfte…)

Warum bringe ich diese Geschichte an? Um zu zeigen, dass das Wissen um so einen Fall nicht weiterhilft. Es ist eine lustige Geschichte aber mehr auch nicht.
Genauso wie das böseste aller Schlammschlachtargumente, dass einen Mann getroffen hatte mit dem ich im Zuge meiner Scheidung gesprochen hatte. Bei dem hat die Mutter einfach vor Gericht erzählt er hätte eines der Kinder vergewaltigt. Damit waren die Kinder mit sofortiger Wirkung weg und als ein Jahr später dann herauskam das nichts passiert ist war der Zug auch schon abgefahren.
Klar er hätte nun noch seine Frau wegen Verleumdung, Falschaussage usw. verklagen können. Aber nach so einem ewig langem Scheidungsprozess mit harten Bandagen ist die Energie dafür einfach nicht da.
Also bliebe auch hier die Frage: Wo ist der Mehrwert?

Im Endeffekt beißt sich deine eigentlich recht gute Analyse des Artikels an einem Widerspruch von dir.

Auf der einen Seite willst du etwas „ausgefalleneres“ und auf der anderen Seite kritisierst du Dinge dafür, wenn sie nicht der Regelfall sind.

Ich habe ehrlich gesagt das Gefühl, dass du die Dinge als gut und richtig empfindest die sich mit deinen Erfahrungen decken und alles was du anderes mitbekommen hast als „falsch“, „unzureichend“ oder „irrelevant“ abtust.

Und das obwohl du selber folgende Aussage schon getroffen hast:

Das Problem ist glaube ich, dass eine Scheidung einfach etwas extrem emotionales ist. Weshalb man als direkt Betroffener einfach keine vernünftige Aussage treffen kann. Und als Geschiedener oder von Scheidung Betroffener wird es einem auch schwer fallen eine rationale Aussage zu anderen Scheidungen zu treffen.

Naja am Ende bleibt stehen: Ich halte das Beispiel für ziemlich gut gewählt, mit nur minimalen Schwächen. Über diese Schwächen kann man aber insofern hinwegsehen, weil man es bei einem Artikel über Scheidung einfach niemals jedem Recht machen kann.
Wenn der Artikel so geschrieben würde, dass ich keine Schwächen mehr sehen würde, würde jemand anderes daraus Schwächen lesen. usw.