Linker Patriotismus... geht da was?

Zuerst: ich gebe Se7en_Th1rt3en in allen Punkten recht.

Dann merke ich hier an den Reaktionen, dass ich scheinpaar in ein Wespennest gestochen habe.

Das Ding ist einfach: wie definiert man „Patriotismus“ und wie „Stolz“.

Fangen wir mit Stolz an: http://de.wikipedia.org/wiki/Stolz
Nun, ein Land und deren Geschichte habe ich nicht selbst erschaffen. Also kann ich darauf natürlich nicht stolz sein. Geht nicht, ist soweit klar. Aber muss es denn das Gegenteil sein, wie es gerade viele Extremere Linke machen? Das man das alles ablehnt? Man kann doch trotzdem auch ein sehr positives Gefühl auf seine Identität haben. Ich fühle mich nicht als Engländer, Franzose oder Rumäne, einfach weil mir da der kulturelle und gesellschaftliche Background fehlt. Was ist so schlimm daran, wenn ich als linker Mensch sage: „Ich fühle mich als Deutscher“? Was ist daran unlinks? Stolz ist sicher das falsche Wort. Aber wie wäre es mit Entzückung?

Patriotismus: http://de.wikipedia.org/wiki/Patriotismus

Patriotismus wird heute allgemein von Nationalismus und Chauvinismus unterschieden, insofern Patrioten sich mit dem eigenen Land und Volk identifizieren, ohne dieses über andere zu stellen und andere Völker implizit abzuwerten.

Und so sehe ich Patriotismus auch. Viele sagen, dass es besser wäre, dass Menschen gleich sind. Nur muss man aufpassen ob man nicht „Gleichmacherei“ wie in der DDR meint. Natürlich haben die einzelnen Völker der Staaten ihre ganz eigenen Geschichten und Kulturen, die sie bis heute prägt. Die Japaner und Chinesen haben eine sehr faszinierende Kultur und ich finde es sehr spannend wie gerade Japaner jahrtausende alte Bräuche heute noch in ihren Alltag einbinden. Die Amerikaner haben eine eigene Geschichte, die Spanier, Franzosen, usw.
Alle Völker habe dadurch verschiedene Mentalitäten und ich sehe das als Bereicherung, denn als Hinderniss für eine Internationale. Auf dieses Forum hier runtergebrochen: jeder von uns hat eine eigene Lebensgeschichte, die uns geprägt hat. Soll jeder von uns unsere Geschichte also vergessen und jeder eine Einheitsmeinung ertreten ode rist es nicht wertvoller in einem langen Dialog zu einem Konsens zu finden. Einheitsmeinung… genauso haben kommunistische Diktatoren ihre Länder regiert. Muss das denn sein? Das ist doch in einer freiheitlichen Gesellschaft ebenfalls abzulehnen.
Und genauso ist das bei der Idee der Internationalen Gemeinschaft: die vielen verschiedenen Einflüsse, Kulturen und Mentalitäten machts doch erst spannend.

„Ich mag Teile meiner Heimat, Teile meiner Heimat mag ich nicht.“

Darum geht es doch garnicht. Man muss ja nicht ALLES mögen. Es geht mir mehr um die Frage der Identität und des Grundgefühls.
Ganz ehrlich: ich sehe das kritisch, wenn Leute heute meinen, sie sähen sich als Europäer. Dann irgendwann heißt es „Ich sehe mich als Weltbürger“. Ich sehe das kritisch, weil man einen gewissen Bezugspunkt braucht, weil es eben Unterschiede braucht. Merke: Unterschiede zwischen Menschen müssen nicht dazu führen, dass das Eine besser als das Andere ist. Sondern einfach nur, dass Menschen unterschiedlich sind.

Zudem ging es mir auch in meinem Ausgangsposting darum, warum man diese ganzen Themen so weitläufig den Rechtsextremen überlässt. Schade, dass darauf noch keiner eingegangen ist.

@Nachteule: Naja, hätten in den 50ern, 60er die Deutschen wieder einen Patriotismus entwickelt, kannste dir ja ausmalen, wie da die Alliierten reagiert hätten. In der DDR war das von vornherein nicht möglich gewesen.

@Tibetterrier:

Patriotismus ist inklusiver Nationalismus?
Darum geht es mir: das wir endlich mal ein vernünftiges Gefühl für Patriotismus entwickeln und es NICHT aufgrund von 12 Jahren sprunghat mit Nationalismus vergleichen. :smt023 an dieser stelle an Twipsy. Den Tag wo streiche mir jetzt mal in den Kalender an. :wink:

Was soll eigentlich immer dieses „Ich kann ja gar nichts dafür, dass ich hier geboren wurde.“-Argument? Darf ich meine Familie etwa auch nicht lieben, nur weil ich mir die nicht ausgesucht habe?

Ich finde es toll hier zu leben und nicht in irgendeinem anderen Teil von Deutschland. Würde ich wegziehen, würde ich meine Heimat vermissen. Wahrscheinlich auch nur, weil Dinge, die es auch woanders in Deutschland gibt, hier für mich eben noch einmal mit ganz besonderen und persönlichen Erinnerungen verbunden sind, aber das ist ja erstmal nur nebensächlich. So wird dann halt, wie Danzig es schon schrieb, aus irgendeinem kleinen Kuhdorf der Ort, in dem man seine Kindheit verbrachte. Und aus der Zeche mit ihrem Förderturm, das Symbol für jahrzehntelanges sicheres Einkommen für die Familie (und in den letzten Jahren eben ein ständiges Auf und Ab auf der Gefühlsachterbahn). Glück auf! :wink:

Der Begriff Deutschland ist mir zu weit gefächert, um ihn tatsächlich als meine Heimat zu betrachten. Es gibt 16 Bundesländer und in 15 davon bin ich nicht zu Hause.

Mir ist auch relativ egal, unter was für eine Begrifflichkeit das nun fällt. Wenn ihr Leute gerne in Schubladen stecken wollt, dann tut euch keinen Zwang an. Aber wie gut das funktioniert, seht ihr ja selbst. Und das man seine Heimat mag, steht (für mich) auch in keinem Widerspruch dazu, dass man nicht trotzdem die Idee eines „vereinten“ Europas unterstützenswert finden kann. Aber das, was da zurzeit in Brüssel stattfindet (in punkto Einigkeit) ist nicht erstrebenswert.

@Anchantia:

Ich weiß nicht ob Du bei der Linkspartei mit Deiner Meinung dann gut aufgehoben bist, wenn sie die Internationale singen und “Proletarier aller Länder, vereinigt euch” fordern. Denn der Internationalsozialismus fordert ja die Auflösung aller Länder, damit sie sich zu einem globalem sozialistischen Weltstaat zusammenschließen.

Ganz ehrlich: ich sehe das kritisch, wenn Leute heute meinen, sie sähen sich als Europäer. Dann irgendwann heißt es „Ich sehe mich als Weltbürger“. Ich sehe das kritisch, weil man einen gewissen Bezugspunkt braucht, weil es eben Unterschiede braucht.

Wir brauchen Unterschiede, keine Frage. Aber doch bitte durch Wissen, Bildung, Charakter, Einstellung usw. und nicht dadurch, dass ich zufällig irgendwo geboren bin und woanders nicht geboren bin. Und ein Staat ist auch nie vernünftiger Bezugspunkt. Bezugspunkte sind Familie und Freunde, keine mir unbekannten Mitstaatsbürger.

Staaten und Nationen sind das, was die Menschen voneinander trennt. Eine künstliche Trennung des Raumes, teilweise sogar eine Trennung von Kommunikations- und Austauschflächen.

Dabei kann ich Traditionen vertreten und ausüben, ohne dass ich dafür noch einen Staat oder eine Nation haben muss. Staaten und Nationen vertreten auch nicht meine persönliche Vergangenheit oder die meiner Familie, dafür sind diese viel zu groß angelegt und dafür sind Nationen erst viel zu spät überhaupt entstanden.

Was soll eigentlich immer dieses „Ich kann ja gar nichts dafür, dass ich hier geboren wurde.“-Argument? Darf ich meine Familie etwa auch nicht lieben, nur weil ich mir die nicht ausgesucht habe?

Das sind unterschiedliche Ebenen. Du liebst ja nicht deine Familie als abstrakte Einheit sondern du liebst die konkreten Personen. Das ist völlig normal und menschlich völlig verständlich, aber (hoffentlich) nicht vergleichbar mit der Liebe zum Heimantland.

Man darf übrigens auch seine Heimat „lieben“ … so wie man Nudeln als Essen lieben darf oder Musikrichtungen. Das ist aber noch lange kein Patriotismus, da man da nicht nur seine eigene Heimat lieben kann, sondern auch ganz andere Länder.

Staaten und Nationen sind das, was die Menschen voneinander trennt. Eine künstliche Trennung des Raumes. Dabei kann ich Traditionen vertreten und ausüben, ohne dass ich dafür noch einen Staat oder eine Nation haben muss. Staaten und Nationen vertreten auch nicht meine persönliche Vergangenheit oder die meiner Familie, dafür sind diese viel zu groß angelegt und dafür sind Nationen erst viel zu spät überhaupt entstanden.

Wenn es keine Staaten mehr gibt, also alle Staaten sich zu einem globalen Staat zusammengeschlossen haben, dann bedeutet das, dass eine Regierung die Herrschaft über die gesamte Menschheit ausübt. Dann kann man auch nicht mehr auswandern, wenn es einem nicht gefällt. Ob das eine so gute Sache ist, darf man bezweifeln. Nicht umsonst gab und gibt es Unabhängigkeitskriege, um die eigene Kultur und Lebensart zu bewahren. Je globaler die Herrschaft, desto geringer wird die Macht der Demokratie und des Individuums.

@Nachteule: Naja, hätten in den 50ern, 60er die Deutschen wieder einen Patriotismus entwickelt, kannste dir ja ausmalen, wie da die Alliierten reagiert hätten. In der DDR war das von vornherein nicht möglich gewesen.

Das stimmt so nicht, die DDR hat sehr stark eine Art Patriotismus propagiert. Ob das jetzt ein „guter“ oder „schlechter“ Patriotismus war, sei mal dahingestellt. Sicher war es eine von oben verordnete Vaterlandsliebe (oder eher -treue), die im Kontext der sich im Kalten Krieg gegenüberstehen Lager bzw. politischen Systeme betrachtet werden muss. Die DDR meinte historisch eine besondere Rolle zu spielen, da „erster sozialistischer Staat auf deutschem Boden“ und Grenze zum kapitalistischen Teil Europas. Schwarz-rot-gold, die Flagge und das Staatswappen begegnete einem an jeder Ecke, ständig war von der „Heimat“ die Rede und davon, dass man sie gegen ihre „Feinde“ schützen muss. Große Demonstrationen und Militärparaden waren an der Tagesordnung. Wem es in der DDR nicht gefiel, der konnte das Land nicht mal eben verlassen. Ausreisewillige wurden kriminalisiert und Ausreiseverfahren waren oft langwierig und schikanös. Das war „Verrat“ am Vaterland und wurde entsprechend bestraft. In der Hymne der DDR war vom „(einig) Vaterland“ die Rede. (Dass der Text irgendwann nicht mehr gesungen wurde ist eine andere Sache.) An meiner Schule ging es ziemlich militaristisch zu (obwohl offiziell der Militarismus immer verteufelt wurde, LOL). Die NVA trug sogar Uniformen, die sich kaum von denen der Wehrmacht unterschieden (wenn ich mich recht erinnere wurde das mit „Tradition“ und Identität begründet, während der Bundeswehr vorgeworfen wurde, dass sie sich uniformtechnisch an den Amis orientierte). Selbst der typische ostdeutsche Stahlhelm geht auf ein noch während des Zweiten Weltkriegs entwickeltes (aber nicht mehr zum Einsatz gekommenes) Modell zurück. Offenbar hatten die Sowjets nichts dagegen. Ist also nicht ganz so einfach mit dem Patriotismus.

Warum muss man eigentlich allem ein Etikett anheften? Begriffe können leicht instrumentalisiert, misinterpretiert oder missbraucht werden. Man kann seine Heimat auch lieben ohne sich „Patriot“ oder was auch immer zu schimpfen. Man muss dazu auch nicht „links“ oder „rechts“ sein. Wozu überhaupt dieser Drang entweder das eine oder das andere sein zu wollen?

Es ist ist Sonntag. Ich esse gerade sehr leckeres deutsches Schwarzbrot, das ich so anderswo nicht bekomme, darauf irische Butter und dänische Marmelade und trinke dazu etwas französischen Rotwein. Warum gebe ich mich nur mit diesem politischen Kram ab? Vielleicht sollte ich lieber den Tag genießen. :wink:

Ich esse gerade sehr leckeres deutsches Schwarzbrot, das ich so anderswo nicht bekomme, darauf irische Butter und dänische Marmelade und trinke dazu etwas französischen Rotwein.

Internationalismus, der durch den Magen geht. :smiley:

Dann kann man auch nicht mehr auswandern, wenn es einem nicht gefällt. Ob das eine so gute Sache ist, darf man bezweifeln.

Als dürfte man heutzutage nach Belieben auswandern bzw. in ein anderes Land einwandern. (Klar, dass man als privilegierter Europäer nicht daran denkt, dass man als Europäer eine vergleichsweise gigantische Reisefreiheit hat.)

Nicht umsonst gab und gibt es Unabhängigkeitskriege, um die eigene Kultur und Lebensart zu bewahren. Je globaler die Herrschaft, desto geringer wird die Macht der Demokratie und des Individuums.

Warum sollte eine Auflösung der Grenzen und Nationen in einer Auflösung der Kultur und Lebensart resultieren?

Warum sollte eine Auflösung der Grenzen und Nationen in einer Auflösung der Kultur und Lebensart resultieren?
Aus ganz vielen Gründen.
Weil Menschen und Kulturen unterschiedlich und nicht alle gleich sind. Und das ist auch gut so. Nationen und Gesellschaften haben ein unterschiedliches Verständnis von Moral, Rechten und Gesetz. Wenn es einen globalen Staat gibt, wie soll er dann ausehen?

  • Westlich demokratisch nach dem Modell der USA? Dann müssen sich Gesellschaften unterordnen, die die USA oder den Westen als Feind betrachten. Eine hohe Gefahr für Bürgerkrieg also.

  • Sozialistisch? Auch sehr heikel, weil ein sozialistischer Weltstaat nur durch Unterdrückung, hohem Aufwand und durch einen starken Militärapparat aufrechterhalten werden kann, um die unterschiedlichen Kulturen zu einen.

  • Durch Theokratie? Ich brauche garnicht zu erwähnen dass dies so gut wie unmöglich ist.

Wenn von heute auf morgen die Grenzen fallen würden. Dann würde erstmal eines passieren. Völkerwanderung. Die Menschen aus den armen Ländern drängen in die Länder der Reichen. Die ursprüngliche kulturrelle Identität wäre massiv in Gefahr. Und das wäre nur eines der geringsten Probleme die dann auftreten würden.

Es ist wichtig dass Volksgemeinschaften das Recht auf Souveränität in Form von Staaten zugesprochen wird. Das heißt, dass sie ein Recht haben, frei von Fremdherrschaft zu agieren. Die Geschichte hat gezeigt, dass Volksgemeinschaften sich niemals gerne einer Fremdherrschaft unterzogen haben, oder Steuern an eine fremde Macht bezahlt haben. (Ein globaler Staat erhebt globale Steuern.) Und auch heute können wir anhand der EU sehen, dass es massive Probleme mit Griechenland gibt. Die Griechen verlieren zusehens ihre staaliche Souveränität, aufgrund der massiven Schuldenlast, machen sie sich Abhängig von der EU und somit von Fremdherrschaft. Man kann nicht sagen, dass die Griechen darüber erfreut sind, von EU-Bürokraten regiert zu werden.

Die Menschen aus den armen Ländern drängen in die Länder der Reichen. Die ursprüngliche kulturrelle Identität wäre massiv in Gefahr.

Das wäre der Anfang. Würden von Heute auf Morgen alle Grenzen auf der Welt fallen, würden die ganzen heutigen Industriestaaten in Chaos versinken. Denn natürlich würde es diese Volkswanderung geben und die anderen Völker würden sich dagegen natürlich wehren und wir hätten überall Kriege und am ende würden dann doch wieder Grenzen gezogen werden.

Aber darf ich daran erinnern, dass das garnicht das Thema des Threads ist? Sondern mir ging es in meiner Intention bei der Threaderöffnung darum, warum man Themen wie Identität oder Heimatverbundenheit den Rechtsradikalen überlässt, sodass diese sie besetzen können.

Zudem ging es mir auch in meinem Ausgangsposting darum, warum man diese ganzen Themen so weitläufig den Rechtsextremen überlässt. Schade, dass darauf noch keiner eingegangen ist.

Schade das du meinen Post nicht gelesen hast…

Aus dem selben Grund, aus dem „wir“
den Christen den Glauben an einen Gott überlassen. Obwohl auch ein Gottesglauben eindeutig gesellschaftliche Vorteile bringen kann.

Weil es ein unnötiges Konstrukt ist. Patriotismus ist eine Ersatzreligion. Und Religion wurde durchaus zutreffend von Marx als „Opium des Volks“ entlarvt.

Patriotismus als Form einer „unreflektierten“ Liebe zum Vaterland ist nicht erstrebenswert.
Wie ich schon geschrieben habe ist nichts dagegen einzuwenden bestimmte Teilaspekte zu mögen und ja auch ich bin ziemlich froh in der BRD zu leben, weil man hier einfach enorm viele Möglichkeiten hat die man woanders nicht hat.

Aber restlos alle Dinge die ich an diesem Land mag, sind keine Alleinstellungsmerkmale sondern sind Dinge die sich in Gesamteuropa entwickelt haben. Also wenn ich schon eine Form von Verbundenheit zu der Idee eines Kollektivs an Menschen verspüren soll, dann doch bitte zu Europa und nicht zu einem einzelnen Land das relativ erfolgreich die Ideen adaptiert hat die sich über Jahrhundere in ganz Europa entwickelt haben. Und ja ich würde sagen man sollte wenn man die BRD an sich lieben will, nach Alleinstellungsmerkmalen suchen. Den ansonsten zieht man eine willkürliche und unlogische Grenze. Wenn ich sage ich liebe die BRD wegen seiner großartigen Dichter. Dann sollte ich in der lage sein zu begründen warum ich deshalb die BRD liebe und nicht den großartigen Dichter. Was also wertet „deutsche Dichtkunst“ im Vergleich zur franzözischen oder englischen auf, dass ich betont deutche Dichter liebe? und wieso führt diese Liebe gegenüber deutschen Dichtern dazu das ich das Gesamtkollektiv „Deutschland“ deshalb Liebe?

Nun zu der immer wieder aufgetauchten Antwort. „Aber ich darf ja auch meine Familie lieben, obwohl das ja auch Zufall ist. Und meine Dorfgemeinschaft und den Schwarm Kanarienvögel in meinem Wohnzimmer.“

Familie: Ja, liebe ich auch und zwar bedingungslos. Und genau hier ist das Problem. Diese Liebe darf ich gegenüber keiner anderen Person, keinem Kollektiv und keiner Idee empfinden außer gegenüber meiner Familie. Da diese Form von Liebe gegenüber irgendetwas anderem als den Personen die mir direkt und unmittelbar nahe stehen einfach zu gefährlich ist. VORSICHT GEDANKENEXPERIMENT: Wenn ich die Wahl haben meinen Bruder das Leben zu retten oder zehn Leute auf einmal. Dann tut es mir um die zehn Leute verdammt leid, aber die sind tot.
Aber das ist auch (aus meiner Sicht) kein moralisches Problem. Es ist nun einmal die Familie und die geht vor allem anderen. Allerdings übertragt das jetzt einmal auf Staaten oder Nationen. Wenn wir ein ähnliches Gedankenspiel für diese ansetzen. Da haben wir dann extreme moralische Probleme.
Patriotismus ist aber in der Lage diese Probleme auszublenden, genauso wie die Liebe gegenüber der Familie das moralische Problem in meinem Beispiel ausblendet.

Die Dorfgemeinschaft ist schon ein besseres Bild, da man hier ja nun wirklich ein unzusammenhängendes Kollektiv von Menschen hat, die nur der Zufall des Geburtsort verbindet. (Vereinfacht ausgedrückt)
Natürlich kann und sollte man das Kollektiv von Menschen das einem nahe steht durchaus unterstützen.
Das ergibt für einen Bewohner eines kleinen Kuhkaffs in der BRD dann im Prinzip folgende Logikkette.

Vorsicht: An dieser Stelle gehe ich von einer Gesellschaft ohne Moralvorstellungen aus, deren einzige Bezugsgröße das Kollektiv ist mit sie sich identifiziert. Warum wird am Ende der Argumentation aufgelöst.

Dorf => Gemeinde => Kreis => Region => Bundesland => BRD => Europa => Welt (sehr vereinfacht und verkürzt)

Allerdings ist der Vorteil für möglichst viele Menschen in der exakt umgekehrten Reihenfolge zu finden.

Vereinfacht ausgedrückt: Wenn es mir um den möglichst großen Vorteil meines Dorfes geht, dann ist es vollkommen legitim die Menschen im Nachbardorf zu überfallen, gefangen zu nehmen und als Sklaven zu halten. Dies kann auf alle weiteren Menschen der Welt übertragen werden.
Wir haben also ein Dorf das despotisch über die gesamte Welt herrschen darf, moralisch betrachtet. Natürlich dürfen das auch alle anderen. Insofern haben wir eine Welt der Kleinstverbände die sich immer und ständig bekriegen wird.

Diese Kleinstverbände kriegen nun irgendwann spitz, das es für sie durchaus von Vorteil wäre, wenn sie sich zu etwas größerem Zusammenschließen würden, da dies nicht nur ihre Schlagkraft gegen die anderen Kleinstverbände stärken würde, sondern die Lebensgrundlage für sie direkt verbessern.

Ich spare mir an dieser Stelle einfach mal die weitere Ausführung.

Wenn wir die Menschheitsgeschichte betrachten dann sehen wir das mein Beispiel bei weitem nicht so weit hergeholt ist. Gesetze und Moral galten lange Zeit nur für die eigene Gemeinschaft, für die eigene Familie, den eigenen Stamm, die eigene Stadt, etc… die Verbände in die man sich zusammengeschlossen hat wurden allerdings immer größer und so galten die Gesetze der Gemeinschaft auch für einen immer weiteren Kreis an Personen. Die Gründe warum diese Menschen eingeschlossen hat, waren nicht immer Herkunftsbedingt (Religion, sozialer Stand, etc… als so etwas wurde dann auch zum Grund. Im europäischen Mittelalter sah es dann sogar so aus, das „offiziel“ die Religion das wichtigste Kriterium war. „Praktisch“ aber der Stand der eigentliche Grund war aus dem man sich innerhalb der mächtigsten Schutzgemeinschaft befunden hat.)

Der Vorteil den wir heutzutage haben ist, dass im Verlauf des 18 Jahrhunderts einige recht nette Zeitgenossen auf die Idee kamen, dass es ja so etwas wie „universelle Menschenrechte“ geben könnte und das man diese „Menschenrechte“ jedem Menschen zugestehen müsste. Zumindest haben sie es so formuliert, was für die weitere Entwicklung vermutlich ein großer Vorteil war. Die meisten von diesen netten Zeitgenossen haben allerdings nur den Fehler gemacht das sie vorher „Mensch“ nicht als „weiß, männlich, christlich und reich“ definiert haben. (Oder falls man in andere Regionen guckt, halt gerade so wie die „herrschende Ingroup“ sich selbst definieren würde.)
Naja selbst schuld, würde ich sagen.

Heutzutage hat es sich durchgesetzt das man „Mensch“ tatsächlich für jedes Wesen verwendet das biologisch betrachtet dem „homo sapiens“ zuzuordnen ist. [Insofern wird die Diskussion einiger Biologen ob man den „Bonobo“ nicht vielleicht doch eher als „homo“ bezeichnen müsste ihm wenig bringen. Armer Menschenaffe.]

Und nun höre ich euch auch schon sagen. (Oder sehe euch schreiben…)
„Aber moment! Diese Entwicklung steht doch gar nicht im Widerspruch zum Patriotismus! Immerhin war es nur die Vaterlandsliebe die uns überhaupt soweit gebracht hat das wir unsere heutigen größeren Kollektive haben! Du müsstest also den Patriotismus lieben und jedem Nationalisten die Füße küssen weil er für eine Welt gesorgt hat in der mehr Menschen auf einmal der „In-Group“ angehören können. Wodurch also Nationalismus eine friedensstiftende Bewegung ist. Jetzt haben wir dich! Du dummer linker Spinner! Touchè!“

Nein zu früh gefreut, ihr wart nur kurz davor zu berühren. Und hier kommt die Riposte.

Der Idee der Nation war zur Zeit ihrer Entstehung friedenstiftend. Genauso wie die Idee einer Stadt oder einer Religion. Allerdings genauso wie die Idee einer Stadt oder einer Religion führte die Idee einer Nation auch zwangsweise zu einem Konkurrenzdenken zwischen den einzelnen Gruppen. Der Nationalismus ist also genauso für Frieden wie auch für die verherrensten Kriege der Geschichte verantwortlich. Das widerspricht sich nur auf den ersten Blick.
Nachdem nun aber die „In-Group“ erweitert worden ist, muss auch der nächste Schritt folgen nämlich eine erneute Auweitung der „In-Group“ in diesem Schritt befinden wir uns zur Zeit mit der EU. Nur läuft das leider etwas schleppend und häufig auch in Richtungen die man auch als Europäer nicht wirklich gut heißen kann. Das liegt aber eher daran das die herrschende Schicht eben genau das tut, was man von herrschenden erwartet. In die eigene Taschen wirtschaften und vor allem den Status Qou schützen.

Hierbei werden sie vor allem von einer Idee enorm unterstützt: Der Nation.

Wenn sich ein Deutscher Politiker hinstellt und sagt: Es kann nicht sein das deutsche Gelder in Unsummen verwendet werden um Griechenland zu helfen! Dann springt der kleine Patriot in seinem Schrebergarten vor Freude weit in die Luft.
Dabei interessiert es ihn gar nicht, das wir heutzutage Griechenland gar nicht helfen sondern nur zu Ader laßen. Das die BRD durch Kreditzinsen sogar effektiv Gewinne erwirtschaftet. Sind ja nur die Griechen und wir Deutschen müssen nun einmal auch an uns denken.

Die Idee der Nation auch wenn sie in gewissem Sinne durchaus hilfreich war, war die vermutlichst größte Bremse für eine Entwicklung hin zu einer vereinten Welt. Da wir sogar innerhalb von Europa ganz selbstverständlich einen „Deutschen“ von einem „Griechen“ unterscheiden.

Wieso?

ich sehe das kritisch, wenn Leute heute meinen, sie sähen sich als Europäer. Dann irgendwann heißt es „Ich sehe mich als Weltbürger“. Ich sehe das kritisch, weil man einen gewissen Bezugspunkt braucht, weil es eben Unterschiede braucht. Merke: Unterschiede zwischen Menschen müssen nicht dazu führen, dass das Eine besser als das Andere ist. Sondern einfach nur, dass Menschen unterschiedlich sind.

Noch einmal verweise ich auf das Robbers Cave Experiment.

Kurze Erklärung:

?erif führte außerdem unter anderem ein sog. Ferienlagerexperiment durch. Dabei brachte er Jungen in einem Ferienlager zusammen, die sich davor noch nicht kannten. Nachdem die Jungen mehrere Tage als große Gruppe verbracht hatten, teilte sie ?erif in zwei gleich große Gruppen, wobei er dafür sorgte, dass jeder Junge jeweils in der anderen Gruppe landete als sein „bester“ Freund. Nun unternahmen die Gruppen vorerst getrennt voneinander Ausflüge, bis sie ein Gruppengefühl entwickelt hatten. Danach ließ man die Gruppen gegeneinander in Wettbewerben antreten. Es dauerte nicht lange, bis die Jungen Mitglieder der anderen Gruppe beschimpften und aggressiv wurden.

Nun, als man zwei rivalisierende Gruppen geschaffen hatte, begann das eigentliche Experiment. Zuerst ließ man beide Gruppen gemeinsam essen oder Filme sehen, jedoch reduzierte dies nicht die Stereotype und Gehässigkeiten zwischen den Gruppen. Erst als man den Gruppen Aufgaben stellte, die sie nur gemeinsam lösen konnten (z. B.: durften sie einen Film nur sehen, wenn sie es alle gemeinsam taten), reduzierten sich die Stereotype nach und nach.

Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sorgt JEDE Unterscheidung also dafür, dass man seine eigene „In-Group“ als der anderen überlegen ansieht. Zumindest sobald es auch nur um irgendeine Art von „Konkurrenz“ geht.
Solange „wir“ also den „Ossis“ gelt geben müssen. Solange werden „wir“ die „Ossis“ auch als „uns“ unterlegen ansehen. Den die Gruppe „Wessis“ sieht ihre Ressource „Geld“ durch die Gruppe „Ossis“ gefährdet. Der Vorteil der sich für Gesamtdeutschland ergibt wird ausgeblendet. Eine Fehlverhalten einzelner Parteien und Politiker im Umgang mit diesem Geld wird übertragen auf die Gesamtgruppe „Ossi“.
Wenn wir unterscheiden dann bilden wir auch eine Hierarchie. Und diese Hierarchie hat ihre Spitze immer an der Stelle an der man sich selber sieht.

Das ganze nun noch einmal als viel zu lange Erklärung gegen Patriotismus und Unterscheidung.

Ich würde nun noch einen Schritt weiter gehen und sagen: Patriotismus steht nicht nur um Widerspruch zu „linken“ Ideen, sondern steht im Widerspruch zum Wunsch nach Frieden und Freiheit an sich. Ein individueller Mensch kann jederzeit in der Lage sein patriotisch zu denken und gleichzeitig ein Weltbild zu konstruieren das andere Nationen, Religionen o.ä. einschließt. Aber ein Kollektiv wird diesen Einschluss nicht zu lassen. Und jede Gruppe von Menschen ist nun einmal mehr als die Summe seiner Individuen.

Nun noch einmal zur Frage: „Was hat die Reichsgründung mit Kultur zu tun?“

Die Reichsgründung fällt auf jeden Fall nach der historischen Definition mit in den komplex Kultur. Auch der symbolische Bestandteil ist zu erkennen. Immerhin kann jeder Deutscher erkennen das die Personen auf diesem Bild verdammt wichtig sein müssen, bei den schnicken Uniformen und den vielen Gliterdingern an ihrer Brust.
Die erste fällt rein, weil die ursprüngliche Begründung für ein gesamtdeutsches Reich das System der gemeinsamen Sprache ist. Wir waren also berechtigt andere Leute zu töten, damit alle die Deutsch sprechen den selben Herrscher haben. Das war vollkommen legitim hätte niemand etwas gegen gesagt. Nächsten zur normativen Definition (3). Ist es wirklich Zufall das „wir Deutschen“ im Ausland immer noch als besonders Obrigkeitshörig zählen? Das „wir“ auch heutzutage noch mitten in der Nacht vor jeder roten Ampel stehen bleiben? Oder hat das vielleicht wirklich etwas mit dem Erbe des sehr starken und sehr autoritären preußischen Staat zu tun? (Warnung: Ich Arbeite mit Stereotypen)
Siebtens die mentale Definition. Nunja „unsere“ Geschichte wirkt sich zwangsweise auf unsere Mentalität aus. Was sich in diesem Thread auch an Formulierungen zeigt wie: „Wir haben keinen Patriotismus weil die Russen und Amis das nicht wollten.“ << wir werden zu Opfern der gemeinen Großmächte. Das die vielleicht sogar einen klitzekleinen Grund gehabt haben könnten Angst vor deutschen Patrioten zu haben, wird irgendwie ausgeblendet oder es kommt das ewige Argument: „Das ist schon so lange her und wir haben nichts mehr damit zu tun.“

Exkurs:
Was ist Kultur?

»Kultur ist ein Handlungsfeld, dessen Inhalte von Menschen geschaffenen oder genutzten Objekten bis zu Institutionen und Ideen oder „Mythen? reichen. Als Handlungsfeld bietet die Kultur Handlungsmöglichkeiten, stellt aber auch Handlungsbedingungen: Sie bietet Ziele an, die mit bestimmten Mitteln erreichbar sind, setzt zugleich aber auch Grenzen des Möglichen oder „richtigen? Handelns.
Der einzelne steht in diesem Feld immer in einer zwiespältigen Beziehung: Er fügt sich ein, genießt es, passt sich an, aber im kleinen oder großen rebelliert er auch, sucht Grenzen zu erweitern, Vorhandenes zu transformieren, zu ergänzen oder zu ersetzen.« (E. BOESCH, 1980)

Kultur ist ein sehr schwammiger Begriff der im Prinzip so viele Sachen einschließt, dass es schwer fällt irgendetwas aus dem Bereich „Kultur“ heraus zu nehmen.
Sogar das individuelle Aussehen an sich ist „Kultur“. Die Frage danach wie trainiert oder untrainiert sehe ich aus? Was kann ich je nachdem wie ich aussehe in meiner Kultur machen? Was tue ich um mein Aussehen zu verändern?

Ich denke nicht das es möglich ist über irgendetwas von Menschen geschaffenem zu reden ohne es in den Komplex der Kultur fallen zu lassen.

Edit:

Es ist ist Sonntag. Ich esse gerade sehr leckeres deutsches Schwarzbrot, das ich so anderswo nicht bekomme, darauf irische Butter und dänische Marmelade und trinke dazu etwas französischen Rotwein. Warum gebe ich mich nur mit diesem politischen Kram ab? Vielleicht sollte ich lieber den Tag genießen.

Das hingegen ist eine so schöne Zusammenfassung der Vorteile von Internationalität, dass es am besten als Zitat zu Beginn dieses Threads festgehalten werden sollte. Auch wenn ich kein Freund von Marmelade bin. Egal aus welchem Land. :wink:

Internetnutzer sehet: Ein Premiumbeitrag!

(Ist zwar definitiv unkonstruktiv [-]dieser[/-] mein Beitrag, aber wer einen so langen Text in einem Forum liest hat das Recht, Lob zu äußern. :D)

Aus ganz vielen Gründen.
Weil Menschen und Kulturen unterschiedlich und nicht alle gleich sind.

Sind „wir“ Deutschen auch nicht. Unterschiedliche Kulturen können in einem Staat leben, ohne jede größeren Probleme.

Und das ist auch gut so. Nationen und Gesellschaften haben ein unterschiedliches Verständnis von Moral, Rechten und Gesetz. Wenn es einen globalen Staat gibt, wie soll er dann ausehen?

Demokratisch. Regionale Unter-Parlamente. Minderheitenschutz. Auf diese Weise kann die kulturelle Identität der einzelnen Menschen erhalten bleiben, wenn es von den einzelnen Menschen erwünscht ist. Aber sollte eine Kultur verschwinden, weil einfach kein Mensch diese mehr ausüben möchte und sich die allgemeinen Lebensweisen geändert haben, sehe ich da auch keine Probleme.

Die Geschichte hat gezeigt, dass Volksgemeinschaften sich niemals gerne einer Fremdherrschaft unterzogen haben, oder Steuern an eine fremde Macht bezahlt haben.

Deutschland ist nichts anderes als ein Zusammenschluss von früheren einzelnen Völkern, deren Gemeinsamkeit eigentlich nur die Sprache war und die unter der Herrschaft von Preußen gestellt wurden.

Die Geschichte hat sogar eigentlich das, was du hier sagst, sehr selten gezeigt. Seltener als das Gegenbeispiel, da ursprünglich Europa vor 2000 Jahren aus unzähligen einzelnen Völkern und Stämmen bestand, die sich immer weiter zusammengeschlossen haben.

Und sorry, der Grund, warum die EU aktuell nicht gut nicht funktioniert, sind Patrioten und Nationalisten, die panische Angst haben, die Souveränität ihres Landes etwas zu reduzieren, ein starkes EU-Parlament zu schaffen und damit die EU demokratisch auszubauen. Die EU zeigt genau an, warum Nationaldenken falsch ist und welchen Schaden er anrichten kann.

Und sorry, der Grund, warum die EU aktuell nicht gut nicht funktioniert, sind Patrioten und Nationalisten […]

Meiner Meinung nach funktioniert die EU auch wegen ihrer Bürokratie nicht besonders gut. Außerdem denke ich, dass man nicht alles auf diese Weise zentralisieren kann. Je größer die Gemeinschaft wird umso mehr Interessen werden aufeinander stoßen. Und bedeutet ein Ausbau der EU und ein stärkeres EU-Parlament wirklich mehr Demokratie? Auch hier sollte man sich fragen „cui bono“? Um der EU als Institution (nicht unbedingt der Idee eines vereinten Europa an sich) gegenüber skeptisch oder gar kritisch zu sein muss man weder „Patriot“ noch „Nationalist“ sein.

Um der EU als Institution (nicht unbedingt der Idee eines vereinten Europa an sich) gegenüber skeptisch oder gar kritisch zu sein muss man weder „Patriot“ noch „Nationalist“ sein.

Das möchte ich dann auch mal unterstreichen. Die Idee eines vereinten Europa unterstütze ich, aber nicht die jetzige Umsetzung. Und ich denke auch, dass, wenn man den jetzigen Weg in der EU eitergeht es a) nicht demokratisch (insbesondere Basisdemokratisch) wird und b) es zu Aufständen kommt. Die ersten Vorzeichen sind ja schon zu sehen.

Und ich frage mich was das mit „Pariot sein“ zu tun hat.

Nachdem nun aber die „In-Group“ erweitert worden ist, muss auch der nächste Schritt folgen nämlich eine erneute Auweitung der „In-Group“ in diesem Schritt befinden wir uns zur Zeit mit der EU. Nur läuft das leider etwas schleppend und häufig auch in Richtungen die man auch als Europäer nicht wirklich gut heißen kann. Das liegt aber eher daran das die herrschende Schicht eben genau das tut, was man von herrschenden erwartet. In die eigene Taschen wirtschaften und vor allem den Status Qou schützen.

Richtig. Gerade deswegen finde ich kleinere Verwaltungseinheiten wichtig. Wenn ein paar Menschen über mehrere hundert Million Menschen bestimmen, dann finde ich das nicht mehr besonders demokratisch, auch wenn gewählt wurde.
Wenn es kleinere Verwaltungseinheiten gibt, dann ist das ganze in der Regel transparenter, man kann den Herrschenden besser auf die Finger schauen. Man kann leichter durch Demonstrationen und andere Wege der direkten Demokratie seinen Unmut kundtun etc. Was die EU betrifft, ist das derzeit alles nicht der Fall.

Und eine In-Group und eine Out-Group wird es immer geben, das lässt sich nicht vermeiden. Dass man sich eher für die Probleme interessiert, die einem räumlich näher sind, als für welche, die es gerade am anderen Ende der Welt gibt. Das heißt nicht, dass sie mir egal sind. Aber die ganze Welt kann ich nicht retten und wenn man sich engagieren will, dann finde ich es naheliegender im kleinen anzufangen, in der eigenen Gemeinde. Und dadurch entsteht in gewisser Weise ein Zugehörigkeitsgefühl. Wie du ja selbst sagst, gibt es auch Anfeidungen zwischen Ossis und Wessis. Wie willst du die durch die Auflösung von Grenzen beseitigen? Das wird nie funktionieren, das geht nicht einmal theoretisch. Selbst in einem theoretischen sozialistischen Weltstaat würde es kleinere Verwaltungseinheiten geben müssen, da nicht eine Regierung die Probleme von 7 Milliarden Menschen im Blick behalten kann. Und da hättest du dieselben Probleme immer noch.

Und ich frage mich was das mit „Pariot sein“ zu tun hat.

In der EU so einiges. Die Blockadehaltung der Engländer z.B. resultiert aus patriotischen Gedanken. Die der Deutschen auch. (Getarnt unter dem Mantel der „Souveränität“, die dabei hier nur verlagert nicht aber abgeschafft werden würde.)

Ich würde nun noch einen Schritt weiter gehen und sagen: Patriotismus steht nicht nur um Widerspruch zu „linken“ Ideen, sondern steht im Widerspruch zum Wunsch nach Frieden und Freiheit an sich.

Beides stimmt -zumindest in dieser Absolutheit- nicht. (s. u.)

Ein individueller Mensch kann jederzeit in der Lage sein patriotisch zu denken und gleichzeitig ein Weltbild zu konstruieren das andere Nationen, Religionen o.ä. einschließt. Aber ein Kollektiv wird diesen Einschluss nicht zu lassen. Und jede Gruppe von Menschen ist nun einmal mehr als die Summe seiner Individuen.

Die Schweiz zeigt uns z.B. sehr schön, dass Patriotismus und Heimatliebe nicht notwendigerweise zu einem expansionistischen Militarismus oder zur Einschränkung der Freiheit führen muss.
Wieviele Angriffskriege hat denn die Schweiz geführt?
Und es gibt ja wohl kaum ein freieres und basisdemokratischeres Land, als das der Eidgenossen!!

Außerdem müsstest Du mit dem „Argument“ auch alle sozialistischen Ansätze ablehnen.
Schließlich waren die bisherigen sozialistischen „Großversuche“ sämtlich totalitär und exklusiv organisiert. In erster Linie ging es halt gegen „Diversanten“, „Systemfeinde“, „Kulaken“, „Kapitalisten“, etc…
Aber auch externe Feindbilder gab es da nicht zu knapp. Ein Feindbild zu haben ist halt immer die einfachste und effektivste Art der Gruppendisziplinierung.
(empfehlenswerte Literatur: z.B. Gustave LeBon, „Psychologie der Massen“.)

Die Friedensbewegungen in der BRD wurde z.B. von der SED aus sehr durchsichtigen Gründen unterstützt (ging es doch darum dem „Klassenfeind“ in Bonn zu schaden), aber im eigenen Land wurden sie von eben dieser SED massiv verfolgt.
Was ja sehr schön die Verlogenheit der damaligen DDR-Führung zeigt. „Pazifismus“ war für die eine Propagandawaffe nichts weiter.
Sollte man daher jetzt jeden Linken prophylaktisch sein Linkssein verbieten, sobald er die linke Grenze der SPD verlässt?? Das würden nur Kurzsichtige fordern.

Was jedoch ganz sicher zuzugeben ist:
Patriotismus ist eine Sache der Emotion nicht der Ratio, er verdrängt ein Stück weit die individuelle Vernunft.
Wie das übrigens bei jeder Form von Ideologie oder Religion der Fall ist.

Darin liegt gleichzeitig eine Gefahr (denn man kann Massen natürlich damit gezielt beeinflussen oder gar aufhetzen), aber auch eine Stärke (denn der individuelle Egoismus, das jeder-gegen-jeden, wird ein Stück weit zurückgedrängt).

Aber gerade deshalb ist es umso wichtiger dieses vorhandene Bedürfniss (denn offensichtlich ist es nunmal im Menschen vorhanden, wie Du ja auch geschrieben hast) eben nicht den rechten Rattenfängern zu überlassen, sondern mit starkem Verantwortungsbewusstsein zu nutzen um der sozialen Kälte des aktuellen lobbygesteuerten „alternativlosen“ Politikstils zu begegnen.

zum Thema „geklauter Patriotismus“:
Ich denke auch weniger dass die USA daran „schuld“ ist, sondern schon eher die deutschen Vergangenheit selbst.

[spoiler]Meine These hab ich im Frei.Wild-Thread ja schon mal beschrieben, daher zitier ich mich mal selbst:

Geschichtlich gesehen waren die ursprünglichen nationalen Bewegungen in Deutschland Freiheitsbewegungen (nationalliberale Revolution 1848). Der Wunsch nach demokratischer Freiheit und der Wunsch nach einem geeinten Deutschland (mit Verfassung) waren zwei Seiten derselben Medaille!

Die Tragik für Deutschland ist im Rückblick, dass diese 1848er Einigungs-, Demokratie- und Freiheitsbewegung von den reaktionären Kräften und Monarchisten bezwungen wurde. Diese waren sämtlich antinationalistisch eingestellt, sie wollten ja auf ihrem kleinen Flecken unumschränkte Herrscher bleiben.

Als schließlich das Kaiserreich 1871 gegründet wurde (nur unter großem Zaudern des preußischen Monarchen, der war also ganz sicher kein „patriotischer Deutscher“!), nutzte die herrschende Klasse den einen Teil des lange gewaltsam unterdrückten Bedürfnisses der Massen, nämlich den Wunsch nach einem gemeinsamen deutschen Vaterland, um diesen als Rammsporn gegen die Bedürfnisse nach Freiheit und Demokratie zu verwenden. Das war ein Trick von Bismarck, begünstigt durch das Hochgefühl nach dem militärischen Erfolg gegen den jahrhundertelangen „Erzfeind“ im Westen.
Mit Unterstützung der obrigkeitskontrollierten Presse wurde Demokratie/Sozialdemokratie und Liberalismus als „unpatriotisch“ diffamiert, und die erzreaktionären Kräfte gaben sich als die große „Patrioten“.
Hier haben wir den Ursprung der Misere!
Diese ungesunde Aufspaltung von etwas, was ursprünglich zusammengehörte und 1848 gemeinsam gegen die antidemokratisch Herrschenden zusammenstand, führte letztlich zur Katastrophe des Dritten Reiches, in welcher die ursprünglichen Ziele der Patrioten von 1848 vollends pervertiert wurden.

Darin liegen mMn die Wurzeln des „Konfliktes“, die es in ganz vielen anderen Ländern nicht gibt.
Bis 1945 war man im Verdacht „unpatriotisch“ zu sein wenn man sich für die Demokratie aussprach. Heute steht man ruckzuck im Verdacht demokratiefeindlich zu sein, wenn man sich als Patriot outet.
Und das alles haben wir den Lumpen zu verdanken, welche Demokratie, Patriotismus und Liberalismus gegeneinander ausgespielt haben. Und das waren definitiv nicht „Linke“…
[/spoiler]

Ich sehe mich als Deutscher, nicht als Europäer oder gar also Erdenbürger. Ich sehe mich deshalb als Deutsch, weil ich Deutsch spreche, größtenteils Deutschsprachige Kultur konsumiere und auch größtenteils einen Deutschen Freundes- und Bekanntenkreis habe. Wir sprechen eine gemeinsame Sprache, gehören einer gemeinsamen Kultur an und kommen aus dem gleichen Geschichtshintergrund. Deswegen fühle ich mich einem Deutschen mehr verbunden als einem Franzosen oder einem Niederländer.

Ich für meinen Teil möchte kein “Europäisches Vaterland”, welches ich mir mit anderen teilen muss. Mehr noch, ein vereinigtes Europa wird wahrscheinlich sowieso nur den einen Zweck erfüllen: den “bösen” Deutschen an der kurzen Leine zu halten. Deshalb haben wir doch auch nur den Euro, weil die Franzosen uns bei der Wiedervereinigung erpresst haben (“Führt den Euro ein, oder wir isolieren euch in Europa wie vor 1914!”). Oder die EU selbst, nur damit Deutschland “Dividende” an andere ausschütten darf.
Vor allem möchte ich aber nicht von irgendwelchen Bürokraten aus Brüssel regiert werden. Okay, in Berlin regieren größtenteils auch Bürokraten, aber es sind wenigstens Deutsche Bürokraten. Von Franzosen oder sonstigen Südländern möchte ich aber nicht regiert werden. Es kann einfach nicht klappen, verschiedene Völker unter einem Hut zu bringen. Siehe die UdSSR oder Jugoslawien, wo ein Volk (die Russen oder Serben) über den Rest geherrscht hat.

Es kann einfach nicht klappen, verschiedene Völker unter einem Hut zu bringen. Siehe die UdSSR oder Jugoslawien, wo ein Volk (die Russen oder Serben) über den Rest geherrscht hat.

Nun, diese Völker sind schließlich auch mit Gewalt zusammengeführt worden.